Hella Schümann

Norderney, dritter -fünfter Tag

 

  Der  dritte Tag begann wieder mit Kopfschmerzen. Von 9 bis 11 Uhr war ich spazieren, erst am Strand entlang und dann, um die Kurtaxe zu sparen hinter den Dünen. Dort sind an jedem Weg zum Strand kleine Häuschen an denen die Kurtaxe verlangt wird. Endlich kam ich zur berühmten „Weißen Düne“, die ich schon von einer Postkarte kannte. Zurück nahm ich den Weg durch den Kiefernwald. Mit einem Mal wurde mir ganz seltsam im Kopf, so dass ich dachte, ich würde gleich umkippen. Mir fiel ein, dass Jens einmal von dem betäubenden ätherischen Kiefernduft gesprochen hatte, das beruhigte mich wieder und ich verließ auf dem kürzesten Weg den Wald. Kaum befand ich mich wieder auf der Straße, ging es mir gleich besser.

Der vierte Tag: Heute Morgen beim Stadtbummel führte mich der Weg zufällig an der Konzertmuschel im Kurpark vorbei, die Musiker stimmten gerade ihre Instrumente. Ich setzte mich also, um ein wenig Musik zu hören. Rechts an  der Muschel hing ein Schild mit der Aufschrift: Wunschkonzert. Als die ersten Töne erklangen, erhoben sich plötzlich rings herum alle Leute von ihren Plätzen. Zuerst dachte ich, das sei die ostfriesische Nationalhymne, doch es klang eher wie ein Kirchenchoral. Ich war fast die einzige, die sitzen blieb. Das kuriose war das zweite Stück, ein Millitärmarsch, denn als ich so durch die Reihen sah, fielen sofort die „altgedienten" Herren auf, ihr Rücken straffte sich  und die Hände und Füße schlugen zackig den Takt zur Musik. Ich konnte so manches Soldatenherz höher schlagen hören. Weiter ging es  mit Lehar und Strauss. Leider fingen meine Kopfschmerzen wieder an, so dass ich nach dem vierten Stück gegangen bin.           Am Frühstückstisch im Hotel sitzt eine ältere Dame neben mir, die seit Jahren Norderney besucht. Die fragte ich warum die Leute beim Kurkonzert aufstehen. Sie konnte mir das auch nicht erklären, doch sie hatte beobachtet, dass sogar die Besucher, die ganz hinten im Kurpark auf der Bank saßen, sich von ihren Plätzen erhoben.

 

Am fünften Tag lieh ich mir gleich morgens um 9 Uhr ein Fahrrad. Es kostete nur 5 DM für vier Stunden. Es war mir schwer gefallen, mich dazu durchzuringen, ganz allein ein Fahrrad zu mieten und dann damit die Insel zu erkunden. Ich fuhr 3 Stunden lang und es war herrlich: Das richtige Fahrradwetter, heiter bis wolkig. Bis zum Leuchtturm bin ich gefahren, dann ging es leider nur noch zu Fuß weiter durch das Naturschutzgebiet bis zu einem alten Wrack an der Inselspitze. Ich wollte mein Fahrrad nicht allein lassen, so kehrte ich um und fuhr auf dem Deich zurück. Ich fühlte mich nicht recht wohl auf dem schmalen Grad, es fehlte mir das Geländer rechts und links. Das kam mir fast wie ein Drahtseilakt vor. Gerade mal zwei Fahrräder passten nebeneinander und für mich war es jedes Mal ein Balanceakt, wenn mir jemand entgegen kam, zumal ich nicht schwindelfrei bin.

Mittags am Strand fütterte ein Mann die Möwen und hielt dabei immer ein Stück Brötchen in die Höhe. Sie pickten es ihm aus der Hand. Viele Möwen kreisten mit großem Geschrei um seinen Kopf, oder zankten sich um einen großen Brocken. Dann war die Fütterung zu Ende und gleich verteilten sich die Möwen wieder am Strand.

Eine ältere Frau saß im Sand und aß ein Brötchen, da flog eine Möwe im Sturzflug auf sie zu und schnappte das Brötchen aus ihrer Hand. Das kam sogar für die Zuschauer überraschend und sah gefährlich aus, denn die Möwen sind hier so groß wie Zwerghühner.

 

 

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