Ulla Meyer-Gohr

DIE ROTE KOMMODE

 

 

In der Dunkelheit tasteten sich Scheinwerfer am Bürgersteig entlang. Mit einem Schnaufer überwand der Linienbus die Kurve und fuhr an wild durcheinander geworfenen Gegenständen vorbei. Mittendrin --

                                                              " Moment mal !"

Ich presste mein Gesicht dicht an die Fensterscheibe. Doch mein Atem beschlug das Glas.

                                                              " Mist !"

Kein Durchblick möglich. Das Haltesignal leuchtete auf. Ich stieg aus. So schnell es mein langer, roter Wintermantel zuließ, lief ich zurück.

                                                              " War Sperrmülltag ?"

Vor dem kleinem Antiquitätengeschäft, an der Ecke, lag aufgetürmter Hausrat. Mittendrin eine rot bemalte Kommode mit Porzellanknöpfen. Genauso ein Teil fehlte mir noch in der neuen Wohnung. Das Geschäft mußte aufgegeben haben. Der Rest stand zur freien Verfügung am Straßenrand. Wie ein Storch im Salat stakste ich zu dem Objekt meiner Begierde. Zerrte und zog das Möbel aus seiner Umklammerung von Bilderrahmen, Spiegeln und Leuchter. Endlich, mit einem schmerzlich, klagenden Laut, löste sich mein neuer Besitz aus dem Sperrmüllhaufen.

 

Von allen Seiten tauchten Schatten wie ein Rudel hungriger Wölfe auf. Ebenfalls Sperrmülljäger, die im Schein der Taschenlampen den Erdboden absuchten. Immer auf der Suche nach dem großen Fund ihres Lebens. Schnell ergriff ich noch drei alte Bilderrahmen und verstaute sie im Inneren der Kommode. Dann krallten sich meine Hände um den Rand des Möbels. Der Anhänger eines Autos schob sich direkt auf mich zu. Ich las die, nicht zu übersehende Aufschrift: ACHTUNG  REITPFERD !

   " Wollen sie hier ein altes Reitpferd abladen ?" meinte ich ziemlich sarkastisch.

   " Junge Frau, ich möchte ein altes aufladen," sprach der Pferdemann und lud dreiviertel des Sperrmüllhaufens auf seinen Hänger. Ich hielt mein erstandenes rotes Teil noch fester bis die Gelenke schmerzten.

   " Das ist mein Eigentum," signalsierte ich meinen Besitzanspruch," ich war hier zuerst !"

Bei dem Versuch " Mein und Dein " klar zu stellen ächzten die Kugelfüße unter dem Möbelstück.

   " Regen sie sich ab, junge Frau. Bis jetzt hat noch keiner der Sperrmüllsammler einen Herzinfarkt erlitten. Sie wären die erste," spottete er und verschwand mit  ACHTUNG   REITPFERD  in der Dunkelheit.

   " Witzbold !"rief ich ihm nach.

Es dauerte keine Stunde und der gesamte Hausrat hatte sich in Luft aufgelöst. Das aufgetauchte Wolfrudel trug den Rest der Beute von dannen. Mutterseelen allein hockte ich im Dunkeln auf meiner roten Kommode um zu verschnaufen. Nach einer viertel Stunde sprang ich von dem Stück herunter umkreiste meine Errungenschaft und fand die beste Stelle um das Möbel Richtung Wohnung zu bewegen. Die Kommode gab lauten Quietschprotest von sich und beschwerte sich über die Misshandlung. Langsam tauchten Zweifel bei mir auf, ob ich das Möbel  im unverletzten Zustand bis vor die Haustür befördern konnte.

 

   " Wo will denn, in stockfinsterer Nacht, die rote Maus mit der roten Kommode hin ?"

Erstaunt sah ich hinauf in den zweiten Stock eines Mietshauses. Aus einem hell erleuchteten Fenster blickten fröhlich dreinschauende Leute. Amüsierten sich über meine lärmende Nachteinlage. Die Haustür öffnete sich und drei junge Männer kamen direkt auf mich zu.

   " Es ist zwölf Uhr nachts. Eine seltsame Zeit den Transport einer roten Kommode zu vollziehen. Wo müssen sie überhaupt hin ?"

   " Zum Behringweg !"

   " Oh je, - spätestens vor ihrer Haustür haben sie keine Füße mehr unter ihrem Möbel."

   " Das befürchte ich auch," stimmte ich kleinlaut zu.

   " Ich mache ihnen einen Vorschlag. Wir stellen ihren Besitz in meine Garage und morgen holen sie ihr Schmuckstück ab."

Eine gute Lösung für mein Proplem. Ich willigte ein. Ehe ich mich versah wuchteten die drei Retter mein Staatsstück hoch und transportierten die Kommode wie ein rohes Ei Richtung Garage. Beruhigt trottete ich hinterher. Als der Hebeakt vollzogen war widmeten die Drei ihre Aufmerksamkeit wieder meiner Person.

   " Sie sind mir etwas schuldig, Mädchen. Durch ihren verursachten Radau, in der Nacht, sprengten sie meine Feier. Alle möchten auf ihre Kommode anstoßen. Machen sie uns die Freude und kommen sie auf ein halbes Stündchen mit zu meinen Freunden.Übrigens, mein Name ist Ralf Neumann."

Eine tatkräftige Hand streckte sich mir entgegen.

   " Katrin Engel," stellte ich mich vor.

Ralf Neumann schüttelte mir die Hand.

   " Noch nie habe ich einem Engel mit einer roten Kommode aus der Patsche geholfen !"

Brüllendes Gelächter. Im Garagenlicht strahlten mich drei sympathische Jungen an.

   " Okay - eine halbe Stunde ."

Ich ließ mich breitschlagen. Aus dem halben Stündchen wurde eine lustige Stunde. Das spielte bei der Kommodennacht auch keine Rolle mehr.

 

Nun steht die Kommode im Flur. Befreit von Farben und allen Unreinheiten. Ich begann zu zweifeln. Vielleicht sollte ich das Möbel doch wieder in seinen Urzustand zurück versetzen. Sie sah so lustig mit ihrer roten Farbe aus.      

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.05.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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