Ein Oldie hört Radio

„Hier ist der fröhliche Wecker von Radio 123, wir wünschen euch einen wunderschönen Montagtagmorgen!“
Es ist 6:30 Uhr, in zehn Minuten muss ich raus aus den Federn. Meine Fröhlichkeit hält sich deutlich in Grenzen. Da hat man schon einen Radiowecker um statt mit nerv tötendem Weckergeklingel durch angenehme Musik geweckt zu werden und dann das.
Dreh ich jetzt den Ton leider, verpasse ich womöglich den Hinweis, dass ausgerechnet heute, wo ich mal früh raus muss um nüchtern zu einem Arzttermin zu erscheinen, die Busfahrer streiken, in Kürze ein Orkan zu erwarten ist oder andere schreckliche Dinge. Dinge, die grundsätzlich nicht dann passieren, wenn man die Möglichkeit hat, gemütlich auszuschlafen.
Doch statt solcher Katastrophenmeldungen erfahre ich erst mal, dass beim Discounter XY heute die Tomaten nur 99 Cent kosten. Mit einer aufgeregten Stimme, dass man denken könnte, die Renten würden ab sofort um 10% erhöht.
Damit ich den blöden Tomatenpreis auch ja nicht überhört habe, wiederholt ihn das Werbe-Rumpelstilzchen gleich nochmal. Eine Tonart höher.
Ich dreh sofort leiser. Endlich höre ich leise Musik und geh wieder auf normale Lautstärke. Das Lied gefällt mir, doch mein Genuss wird schnell unterbrochen.
„Achtung, auf der A 2 in Höhe Horster Dreieck (50 Kilometer entfernt) liegt eine Radkappe auf der Fahrbahn!“ Naja, hoffentlich hört die Autobahnmeisterei diese für mich so wichtige Nachricht.
Das Lied wird gnädigerweise noch zu Ende gespielt, doch nun muss das Moderatorenteam sich mal bemerkbar machen.
„Huch, Holger hat seinen Kaffee verschüttet, ha ha ha!“ tönt es aus dem Lautsprecher. Nicht genug, dass der Tollpatsch teures Rundfunk Equipment beschädigt, seine Kollegin muss dies auch noch den zweihunderttausend Hörern brühwarm mitteilen. Mein Interesse an solchen Neuigkeiten ist überschaubar. Ich möchte wissen, wie heute das Wetter wird. „Die Sonne scheint schon durch unser Studiofenster!“, erfahre ich. Leider ist das Studio ungefähr hundert Kilometer von hier entfernt.
Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir Regenwetter.
Die aktuellen Verkehrsmeldungen stauen sich auf dem Monitor im Studio. Leicht genervt übernimmt einer der Moderatoren die ungeliebte Aufgabe sie vorzulesen. Im Telegrammstil runtergeratscht, ich fürchte, dass wohl kaum ein Autofahrer die für ihn wichtige Nachricht mitkriegt.
Ich weiß, ich bin hoffnungslos altmodisch. Aber ich trauere doch immer öfter den Zeiten nach, wo man zur Tageszeit passende Musik zu hören bekam.
Und Informationen, die man braucht.

 

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