Diethelm Reiner Kaminski

Quep-Qualität

 
Zum ersten Mal habe ich der aggressiven Quep-Werbung vertraut und dieser weltweit agierenden Firma einen Druckauftrag für meinen neuen Roman erteilt.

„Quick and perfect“ – unser Firmenname bürgt für höchste Qualität.“

Die täglichen Werbespots mit Bergen von Büchern und begeistert in Quep-Büchern blätternden Menschen aller Altersklassen ließen keinen Zweifel aufkommen: Hier bin ich bestens aufgehoben, hier bin ich richtig. Endlich werden meine schriftstellerische Inspiration und mein monatelanger Fleiß in eine würdige Form gegossen. Qualität und Schnelligkeit haben ihren Preis, das leuchtet ein. Wer liest oder kauft schon gerne Bücher, die billig und schäbig aussehen.

Ich fiebere der Auslieferung meiner Bestellung entgegen. Als sie nach fast zwei Monaten immer noch nicht eingetroffen ist und ich schon befürchte, einer betrügerischen Scheinfirma aufgesessen zu sein und den nicht gerade geringfügigen Betrag von 4 500 Euro in den Sand gesetzt zu haben, ist in mir der Entschluss gereift, die Quep-Hotline in Anspruch zu nehmen. Kunden- und Auftragsnummer halte ich bereit, um dem Ansprechpartner die Suche des Vorgangs zu erleichtern. Freundlich und zuvorkommend ist der Mitarbeiter am Telefon:

„Das erstaunt uns“, sagt er. Er spricht in der Mehrzahl, um klarzustellen, dass seine Meinung die Meinung der Firma und nicht seine persönliche ist.
„Sie sind seit unserer Firmengründung der erste Kunde mit einer Beschwerde. Wir haben nur zufriedene Auftraggeber, wovon Sie sich auf unserer Homepage selbst überzeugen können. Aber selbstverständlich werden wir der Sache unverzüglich nachgehen. Nennen Sie bitte Kunden- und Auftragsnummer … Da haben wir es schon. Alles klar. Sie haben bei der Auftragserteilung „Handdruck“ angekreuzt. Wollten Sie das? Nein? Dann hätten Sie „maschineller Druck“ ankreuzen müssen, das wäre übrigens auch deutlich billiger gekommen. Individuell in Handarbeit gefertigte Bücher brauchen natürlich ihre Zeit. Und das bei so einer hohen Stückzahl. Aber jetzt die positive Nachricht. Die Sendung ist gestern verschickt worden. Sie müsste heute, spätestens morgen bei Ihnen eintreffen. Sollten Sie dann noch Fragen haben, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.“

Und wirklich, die stattliche Bücherpalette wird noch am selben Morgen von einer Spedition angeliefert. Kaum kann ich abwarten, die HolzKiste mithilfe von Zange und Schraubenzieher zu öffnen. Doch ich ziehe Spannung und Vorfreude absichtlich in die Länge, indem ich mir erst einmal eine Kanne Kaffee brühe. Unter dicken Schichten alten Zeitungspapiers kommen sie zum Vorschein. Meine Bücher. Sie verströmen einen unvergleichlichen Duft nach … Mir fällt so schnell kein passender Vergleich ein. Ich schnuppere am Einband des ersten Exemplars, schlage es auf, blättere Seite um Seite durch. Eine saubere Sache. Ich stelle keinerlei Mängel fest. Ich greife zum nächsten Exemplar, und da sieht es schon weniger erfreulich aus. Schmutzflecken auf mehreren Seiten, ein Blatt ist nach innen geknickt, und das ganze Buch ist schlampig geschnitten. Nun blättere ich nacheinander alle Exemplare durch. Bei 500 Büchern eine Tagesbeschäftigung. Mir kommen die Tränen. Welch eine Enttäuschung. Nur Fehldrucke. Verrutschte oder fehlende Seiten. Auffällige Farbunterschiede beim Einband, am allerschlimmsten aber: Im Titel, das war mir beim ersten Exemplar noch gar nicht aufgefallen, fehlt ein Buchstabe, und im Text auf der Rückseite zwei falsche Trennungen. Ist das das Ergebnis des fachmännischen, sündhaft teuren Lektorats?

Ich wähle wutentbrannt die Hotline-Nummer. Es meldet sich niemand. Ich schaue auf die Uhr. 21.30 Uhr. Die haben längst Feierabend. Ich muss mich bis zum nächsten Tag gedulden. Bis Montag, denn heute ist Freitag. Zwei Tage und drei Nächte lang feile ich an meiner zornigen Anklage und kann es kaum abwarten, bis ich den Firmenmitarbeiter mit seinem schmierigen  Selbstbewusstsein an den Hörer kriege.

Diesmal meldet sich eine Frau. Mit schmelzender Stimme haucht sie: „Das erstaunt uns. Wir haben seit unserer Firmengründung nur …“

Ich unterbreche sie grob. „Ersparen Sie mir diese verlogene Selbstbeweihräucherung. Ich bin nicht nur unzufrieden, ich bin empört. Mir fehlen die Worte. Ich will mein Geld zurück, und zwar umgehend.“

Die Frau lässt sich nicht aus ihrer professionellen Ruhe bringen:
„Selbstverständlich bieten wir Ihnen an, die beanstandete Lieferung  an uns zurückzusenden, damit wir Ihre Beschwerde prüfen können. Ich muss Sie aber darauf hinweisen, dass die personalintensiven Prüfkosten zu Ihren Lasten gehen.“

„Und wie hoch wären Sie?“

„Je nach Aufwand 30 bis 50 Prozent der Gesamtkosten.“

„Auch wenn sich die Vorwürfe als berechtigt herausstellen?“

„Das können wir uns zwar kaum vorstellen, denn wir hatten bisher nur zufriedene Kunden, aber falls doch, würden wir die Prüf- und Bearbeitungskosten um zehn Prozent reduzieren und einen Neudruck in die Wege leiten. Das ist aber leider nur zum regulären Preis möglich, denn die Rabattfrist ist verstrichen.“

„Ich möchte aber nach diesen schlechten Erfahrungen den Auftrag stornieren und mein Geld zurück.“

„Das ist leider nach unseren Geschäftsbedingungen nicht möglich. Sie haben sie doch durch Ankreuzen anerkannt. Da steht klipp und klar, dass eine Warenrückgabe bei Sonderangeboten ausgeschlossen ist. Und es handelte sich um ein Sonderangebot, ein äußerst günstiges sogar.“

Ein harter Brocken, diese Firma. Die lassen mich nicht aus ihren Klauen, das wird mir schlagartig bewusst. Gerichtsstand auf den Bermudas. Das sagt alles. Da hätte eine Klage keine Chance. Hätte ich doch bloß das Kleingedruckte gelesen. Da muss ich mir was anderes einfallen lassen, aber auf fünfhundert versauten Büchern und fast fünftausend Euro Verlust sitzen bleiben, das kommt nicht infrage.

Zwei weitere schlaflose Nächte, dann steht mein Plan. Als ob ich´s geahnt hätte. Was für ein Glück, dass ich mein Buch unter einem Pseudonym herausgegeben habe. Ferdinand Gasser. Und auch der Titel „Dem Weihnachtsmann auf der Spur“ passt bestens in die Jahreszeit.
Ich setze eine Anzeige in das meistgelesene Online-Zeitung des deutschen Buchhandels.

„Einmaliges Schnäppchen. Rechtzeitig zur Weihnachtszeit. Beim Internationalen Buchvertrieb ClePro. Der Bestseller „Dem Weihnachtsmann auf der Spur“ des  bekannten und beliebten Autors Ferdinand Gasser in einer bibliophilen Ausgabe mit zahlreichen überraschenden Extras. Limitierte und vom Autor signierte Auflage. Bei Bestellung ab zehn Exemplaren und Vorkasse zusätzlich 10 Prozent Rabatt auf den Vorzugspreis von 44,99 Euro pro Buch. Bestellungen unter info@clepro.com."

Innerhalb von weniger als einer Woche ist mein Bücherberg restlos abgetragen. Die Hände tun mir weh vom Verpacken … und Geldzählen. Viele  haben in ihrer Geiz-ist-geil-Gier mindestens zehn Bücher gegen Vorkasse geordert, um in den Genuss des Rabatts zu kommen.
Nun tut es mir leid, dass ich nicht tausend oder mehr Bücher bei Quep habe drucken lassen. Ich wäre sie alle losgeworden. Aber ich kann ja jederzeit einen neuen Druckauftrag erteilen und sicher sein, dass sie von gleicher zuverlässiger Quep-Qualität sind. Abgesehen vom satten Gewinn, freue ich mich am meisten darüber, dass ich Quep mit meinem Coup um Längen geschlagen habe.

Betrug? Ich soll ein Betrüger sein? Wohl eher geschäftstüchtig: clever und profitorientiert. Ist es meine Schuld, wenn die Kunden nicht nachforschen, wofür die Silben ClePro stehen? 

 

04.12.2013 

 

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