Gerhild Decker

Nein ich gehe nicht zum Babyschwimmen


 
Es begann damit, dass mein Mann und ich beschlossen, von nun an gesundheitsbewusster zu leben.
Schließlich sind wir nicht mehr die Jüngsten und dass wir von Tag zu Tag „knackiger“ werden,
können wir nur auf das zunehmende Knacken unserer Gelenke beziehen.
Fast sehnsüchtig ließen wir Erinnerungen an unsere früheren schönen Radtouren aufleben. Die Räder begleiteten uns sogar in jeden Urlaub. Nie hatten wir zu dieser Zeit Knieprobleme. Doch irgendwann war uns das mühsame Auf- und Abmontieren auf den Dachgepäckträger unseres Autos einfach zu lästig geworden, wir gaben die Räder ab.
„Walking“ hieß das neue Zauberwort und fast täglich hörte man unsere Stöcke eifrig im Gleichtakt
klacken.
 
Anfängliche Kommentare lieber Mitmenschen  „wo haben Sie denn Ihre Skier gelassen“ oder „warten Sie auf Schnee“, nahmen wir mit Humor. Die Bemerkungen legten sich sowieso schnell, d denn schon nach kurzer Zeit machte sich Walking als beliebter Volkssport einen Namen. Irgendwann blieben unsere Stöcke immer öfter zu Hause, Bequemlichkeit trat an deren Stelle und so erreichten wir den anfangs beschriebenen Ist-Zustand.
Während wir also nach einer neuen,  gesundheitsförderlichen Lösung suchten, kam uns eine Zeitungsbeilage zu Hilfe, in der Falträder angepriesen wurden. Die sahen eigentlich ganz passabel aus.
Wir überlegten nicht lange, machten uns gleich auf den Weg ins nächste Biker-Center und wurden fündig. Schnell waren wir uns einig, dass ein „nur“ mit drei Gängen ausgestattetes Rad für unsere Belange vollkommen ausreichend ist. Hauptsache, es ist gut zu handhaben und im Ruck-Zuck-Verfahren schnell im Kofferraum unseres Autos verstaut. Ideal, um ganz spontan bei etwas Freizeit und schönem Wetter eine kleine Spritztour zu machen. Bedenken, dass wir aufgrund des kleinen Durchmessers der Räder würden mehr strampeln müssen, als früher mit unseren 28-Zoll-Rädern , wischten wir beiseite. Schließlich plante man ja keine langen Radwanderungen mehr.
Bereits einen Tag nach unserem Blitzkauf starteten wir zur Jungfernfahrt. Vorsichtshalber fuhren wir mit dem Auto zum nahe gelegenen Wald. Warum sollten wir erst mühsam bis dorthin radeln, nein, jetzt wollten wir unseren neuen Luxus gleich richtig auskosten!
Am Waldparkplatz angekommen, hatte mein Mann die beiden Klapp-Pakete super schnell in Fahrräder verwandelt und die richtige Sattelhöhe eingestellt. Nachdem er im Brustton der Überzeugung die Verkehrssicherheit bestätigt hatte, war das für mich der ersehnte Startschuss. Voller Tatendrang trat ich in die Pedale. Der erste, noch asphaltierte Streckenabschnitt ließ ein wunderbares Fahrgefühl aufkommen. Später wurden die Wege allerdings zunehmend holpriger und das Radeln beschwerlicher. Nach einer Stunde spürte ich mein verlängertes Rückgrat ziemlich schmerzhaft. Für diesen Tag sollte es dann wohl reichen.
Am Folgetag lud erneut strahlend blauer Himmel zu einer Fahrradtour ein . Doch gleich beim ersten Sattelkontakt spürte ich empfindlich die Leistung vom Vortag.  Ein Indianer kennt keinen Schmerz, dachte ich und versuchte tapfer in leichter Stehposition in die Pedale zu treten; vermied es dabei
im Blickfeld meines Mannes zu radeln und ließ ihm stets höflich den „Vortritt“....Warum wohl?
Als ich nach einer Stunde wieder auf den bequemen Autositz umsteigen durfte, kam mir dieser wie ein Folterstuhl vor. Auweia...rechts zog ich mich wie ein Klammeraffe am Haltegriff
hoch, mit der linken Hand machte ich Stemmübungen.
Zuhause angekommen, ging ich jeglichem Stuhlkontakt aus dem Weg und Müdigkeit vortäuschend
früh zu Bett. Meine Hoffnung, am nächsten Tag schmerzfrei zu sein, blieb unerfüllt.
Stehen und Laufen waren im Wechsel rund um die Uhr angesagt. Irgendwann verlangten meine hundemüden Beine nur noch nach Erleichterung. Ich war „ein Fall für die Couch“!
Meine Probleme waren inzwischen auch meinem Mann nicht verborgen geblieben.
Er suchte nach Lösungen, verschaffte mir die richtige Position zu einer Stufenlagerung und
zeigte sogar echtes Mitgefühl.
Wie bereute ich die Anschaffung der Räder! Ob der Händler sie wohl zurück nähme?
Ein Woche ging ins Land – die Schmerzen blieben unverändert schlimm,. Ein Gang zum Orthopäden war unumgänglich. Die Bitte der Sprechstundenhilfe, ich solle noch im Wartezimmer „Platz nehmen“, empfand ich als blanken Hohn. Ich flehte sie an, im Vorraum stehend die Wartezeit überbrücken zu dürfen. Dieser Bitte wurde allerdings erst stattgegeben, nachdem ich vor reichlich Publikum ausführlich erklärt hatte, welche „Hintergrund-Beschwerden“ vorlagen.
Nun stand ich...“fest gemauert in der Erde.....“ - warum fiel mir plötzlich dieses Gedicht ein - ?
Ich rezitierte es im Geiste, war aber erstaunlicher Weise damit noch nicht weit gekommen, als ich   ins Sprechzimmer gerufen wurde. Mit einem Schmunzeln, das wohl gleichzeitig Bedauern ausdrücken sollte, diagnostizierte der Arzt eine Steißbeinprellung. Man könne da recht wenig machen. Es sei zudem leider eine recht langwierige Sache, die man „aussitzen“ müsse...... Wie zweideutig die deutsche Sprache doch manchmal ist! Allein das Wort „Sitzen“ löste in mir Panik aus. Statt ein Rezept auszustellen, riet er mir zum Kauf eines Schwimmreifens. Ja,ja, bin ja nur Kassenpatient, dachte ich und verließ entmutigt die Praxis.
Gab es nicht doch noch eine andere Lösung? Mein Gymnastikball fiel mir ein. Ich könnte versuchen, nur auf den Oberschenkeln zu sitzen. Aber nein, gleich darauf erinnerte ich mich, dass meine Freundin erst vor kurzem von solch einem Patsyball heruntergerutscht war und sich dabei den Arm gebrochen hatte. Das würde mir jetzt gerade noch fehlen!  Auf der aufgeklappten Klobrille konnte ich aber auch nicht den ganzen Tag sitzen! -
Also – Lösung Schwimmreifen rückte doch in greifbare Nähe. Mein mitfühlender Gatte erstand im Spielzeugladen ein wunderschönes grell blaues Exemplar. Ausführlich studierte er alle auf der Packung vermerkten Warnhinweise, auch den: „Nur in flachem Wasser zu benutzen!“ Da dies  als Gefahrenquelle ausschied, verschwendete meine Bessere Hälfte umgehend seine wertvolle
Atemluft, um das Faltplastikteil in eine wunderschöne Ringform umzugestalten.
Sofort konnte ich Probesitzen und schon stellte sich Hochstimmung bei mir ein. Leider war sie nicht von langer Dauer, denn leise zischend verlor mein Untersatz an Stabilität und fiel mit mir in sich zusammen.
Ich habe wirklich einen sehr liebevollen Ehemann, denn er machte sich gleich wieder auf den Weg zum Spielzeugladen und brachte jetzt das ganze noch vorrätige Schwimmreifen -Sortiment in den unterschiedlichsten neongrellen Farben mit. „ Aha- gleichzeitig kommt nun die Farbtherapie zum Einsatz“, dachte ich. Oder sollte ich die jeweilige Farbe immer zur Kleidung passend wählen?
Ab sofort zierte jeden Raum unseres Hauses ein Schwimmreifen, doch nur wenige Tage, denn es blieb bei den Ausfällen. Der rote hielt am längsten durch. Er begleitete mich fortan auf all meinen Wegen. Sogar zu einer Kaffee-Einladung meiner Freundin durfte er mit und  trug  sehr zur Belustigung aller Gäste bei. Ich musste mir Sprüche wie: „Bist du hier von einer Pool-Party ausgegangen“ oder :“Willst du anschließend noch zum Baby-Schwimmen?“ anhören.
- Ja, wer den Schaden hat! - Natürlich fragte man höflicher Weise schließlich doch auch nach den Ursachen meiner Beschwerden. Aber auch meine ehrliche Schilderung führte zu seltsamen Mitleidsbekundungen, wie: „ Bist du dir auch sicher, dass du nicht vergessen hast, vor der Fahrt den Fahrradsattel zu montieren“? Irgendwie ertrug ich alles mit Humor, war ich doch froh, dass mir hier in dieser Runde das peinliche „Zischgeräusch“ bisher erspart geblieben war. Schade nur, dass ich aus lauter Angst, ein zweites Stück Kuchen könne sich gewichtsmäßig ungünstig auf den Reifendruck auswirken, darauf verzichten musste.
Im Übrigen erhielt ich im Lauf der Zeit auch viele neue Kosenamen. Der harmloseste war noch „Schwimmreifenkillerin“.
Eine Autorenfreundin von mir traf den Nagel hundertprozentig auf den Kopf mit ihrem Kompliment :Jetzt machst du deinem Namen als Po-etin ja so richtig Ehre“!
Bleibt dem etwas hinzuzufügen?
Wie ich nun weiter mit meinem Schicksal und dem des Fahrrads umgehen werde?
Ich werde mir einen neuen und gut gefederten Sattel montieren lassen und vorsichtig Sitz- und Belastungsproben machen!
 
 (c) Gerhild Decker
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.02.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Die Autorin versteht es, mit Worten Stimmungsbilder zu malen und den Leser an der eigenen Begeisterung am Land zwischen Meer und Bodden teilhaben zu lassen. In ihren mit liebevoller Hand niedergeschriebenen Gedichten und Geschichten kommen auch Ahrenshooper Impressionen nicht zu kurz. Bereits nach wenigen Seiten glaubt man, den kühlen Seewind selbst wahrzunehmen, das Rauschen der Wellen zu hören, Salzkristalle auf der Zunge zu schmecken und den feuchten Sand unter den Füßen zu spüren. Visuell laden auch die Fotografien der Autorin zu einer Fantasiereise ein, wecken Sehnsucht nach einem Urlaub am Meer oder lassen voller Wehmut an vergangene Urlaubstage zurückdenken.

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