Manfred Gries

Hicks, sie wollen einen Antrag stellen?

Eine beliebte Marotte der Bürger jeder Stadt ist das "Antrag stellen". Wer auch immer dies ins Leben rief - er war sich der Folgen sicherlich nicht bewusst. Eine Flut von Gestalten folgte seinem Beispiel und überlastete die Ämter, die ohnehin aufgrund der schlechten Bezahlung wenig Aktivität entwickelten. Mit dem ersten "Antrag" wendete sich das Blatt. Die Situation wurde unerträglich. Was nun geschah, hätte in jedem Amt stattfinden können - tatsächlich geschah es aber im Amt einer Stadt, die Stolz auf ihre Kultur ist. Karl, er war der erste, der den wohltuenden Schleier des Alkohols in sein Büro ließ, Karl suchte einen Kollegen auf, der ihm die Gestalten vom Hals halten sollte. "Da ist schon wieder so ein Antragsteller vor meiner Tür, der letzte Woche schon da war." Loisl, der mit dem Weinkeller, antwortete gelassen:" Trink ma erst oa glaserl und denn pack'n mer des oan." Natürlich hatte Loisl Platz geschaffen in seinem Schrank, genug, um 10 Flaschen Weißwein hinter einem Ordner zu platzieren, der die Beschriftung "Anträge in Bearbeitung" trug. Seine Stimme hatte jenen melancholischen Klang, den Stimmen morgens um 10;00 Uhr annehmen, wenn das erste Flascherl geleert ist.

Das TV, Loisl hatte natürlich einen kleinen Empfänger in der Schreibtischschublade, zeigte gerade eine Werbung gegen den Alkoholmißbrauch, als die beiden den ersten Antrag, hicks, das erste Glaserl auf den Schreibtisch stellten. "Du musst das sehen wie ich", begann Loisl das Gespräch. "Wennst denn so oanen Antragsteller vor dir hast, denn ist des wia a Korkenzieher, der wo in dei Hand gleitet." Karl verstand überhaupts goa nix. Aber das war jetzt nicht wichtig. Vor seinem Büro saß der Antragsteller und in seiner Hand hielt er das erste Glaserl Wein. "Woist was, Loisl, des mit dem Korkenzieher, des hat was." Vor Karls Augen erschien die Nase des Antragstellers und das zweite Glas Wein verschwand in seinem Mund. Diese Gleichzeitigkeit der Ereignisse muss wohl das gesamte Amt beeindruckt haben. Von diesem Tag an beschrifteten Sekretärinnen Ordner mit der Aufschrift: "Anträge in Bearbeitung" regelmässig.

Zwei Wochen später, der Antragsteller saß wieder vor Karls Büro, öffnete Karl die Tür, schaute ihm, dem Abtragsteller, direkt ins Gesicht, und lud in auf oa Glaserl ein. Natürlich hatte der Amtsvorsteher längst den Polizeipräsidenten um eine "Befreiung von der alkoholisierten Heimfahrt" gebeten, worauf dieser ihm ein Antragsformular aushändigte. Hicks, wos is des?

Zugegeben, das alle klingt reichlich verworren, soll sich aber zugetragen haben. Natürlich, hicks, war ich nicht dabei. Aber Karl, der wo der erste war, kann sich noch gut erinnern...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.06.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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