Hans Pürstner

Der Mörder war nicht der Gärtner, Teil 7

Da die Sonderkommission ja nun leider ohne ihren genialsten Kriminalisten auskommen musste, übernahm Woldmann das Ruder und lud die Kollegen auf einen Kaffee in die Kantine ein. Dort gingen sie erst mal das bisher Bekannte durch und beschlossen, sich auf Robert Rabbisch als den Hauptverdächtigen zu konzentrieren. Britta Wilhelm hatte natürlich wieder Einwände dagegen und wurde kurzerhand beauftragt, dem Waldschlösschen noch einmal einen Besuch abzustatten. „Ihr werdet sehen, die haben uns noch nicht alles erzählt, was sie wissen!“ Plötzlich winkte ihnen Frau Binder, die Kantinenleiterin zu und deutete auf das Telefon. Pallhuber übernahm die ungeliebte Aufgabe, aufzustehen und das Gespräch entgegenzunehmen. Als er zurückkam, machte er ein zufriedenes Gesicht. „Endlich! Sie haben das Gift zweifelsfrei ermittelt! Es ist Atropin. Ich versteh nicht, dass die für so ein Allerweltsgift derart lange gebraucht haben“. Woldmann nickte zustimmend und sagte „ich werde gleich den Professor anrufen, vielleicht kann er wenigstens noch ein paar Tipps geben, wodurch dem Rabbisch das Gift verabreicht worden sein könnte.
„Hallo Herr Woldmann“, begrüßte ihn der Professor freundlich, nachdem er sich am Telefon zu erkennen gegeben hatte. „Sie werden sicher schimpfen, dass wir so lange gebraucht haben. Aber ich hatte zuerst auf Clostridium botulinum getippt, wegen der Schilderungen über den Ablauf der letzten Minuten des Opfers. Bei der Feinanalyse des Mageninhalts bestätigte sich aber doch unser Anfangsverdacht Atropinum belladonna.“
Woldmann unterbrach ihn „das ist doch dieses Gift aus der Tollkirsche, nicht wahr? Haben Sie denn eine Idee, wie man es am besten einem potentiellen Opfer zuführen könnte, Herr Professor?“
„Ich habe mich ein bisschen schlau gemacht in der Kriminalgeschichte, mein lieber Woldmann. Im Mittelalter hat man es in Rotwein gemischt, das soll damals ein beliebtes Mittel gewesen sein, um ungeliebte Zeitgenossen aus dem Weg zu räumen!“
Woldmann bedankte sich für die Informationen und legte den Hörer auf. „Komm, Günther, wir fahren jetzt einfach mal zum Sohn von Rabbisch. Mal sehen, was er uns erzählt. Bis jetzt hat er ja immer dringende Geschäftstermine vorgeschoben, um einer Befragung auszuweichen.“
Den zurückbleibenden Beamten teilte er verschiedene Aufgaben zu und verabschiedete sich.
In der Firmenzentrale angekommen gingen sie zur Rezeption, wo man sie nach Nennung ihres Gesprächswunsches ziemlich von oben herab abzuwimmeln versuchte. „Herr Rabbisch ist zur Zeit auf einer Besprechung. Haben Sie einen Termin?“. Die beiden zeigten ihre Dienstausweise vor, was die Miene der Dame aber auch nicht aufzuhellen vermochte. „Wenn es so dringend ist, wie sie sagen, dann will ich versuchen, was ich tun kann, meine Herren!“
Die Vorzimmerdame in der Bel Etage zeigte sich schon wesentlich aufgeschlossener. „Sie tun ja sicher nur ihre Pflicht, Herr Kommissar, nicht wahr?“ und führte sie zur lederbezogenen Eingangstür ins Allerheiligste.
„Guten Tag, meine Herren!“, begrüßte der Juniorchef sie überraschend freundlich. Das Büro war edel und geschmackvoll, aber nicht protzig eingerichtet. An der Wand hing ein total altmodisches Bild mit einem röhrenden Hirsch. Auf ihren wenig begeisterten Blick hin klärte sie Rabbisch auf, „Mein Vater war begeisterter Jäger. Das Bild hat ihm seine Mutter zum Vierzigsten geschenkt. Ihm hat ja auch nicht so toll gefallen, aber wohl oder übel hat er es im Büro aufgehängt. Und aus Sentimentalität hab ich es hängen lassen, als mein Vater mir die Geschäfte überlassen hat. Meine Großmutter war wirklich eine außergewöhnliche Frau!“ Sie nahmen am Besuchertisch Platz und die Vorzimmerdame betrat unaufgefordert das Büro, in der Hand ein Tablett mit Kaffeegeschirr. Sie stellte alles auf einen kleinen Beistelltisch, der Woldmann gleich an den Einlegetisch in der Rabbisch Villa erinnerte, der ihm bei seinem ersten Besuch so angenehm aufgefallen war.
Rabbisch ließ es sich nicht nehmen, den Beamten selbst den Kaffee einzuschenken und nach dem üblichen Ritual kam man endlich zur Sache.
„Man hat ihnen sicher einiges erzählt über die Pläne meines Vaters, nehme ich an“ Rabbisch zog genüsslich an der filterlosen Zigarette, die er sich gerade angesteckt hatte. „Ich gebe zu, dass ich nicht begeistert war, dass er die Firma verkaufen und den Erlös in eine Familienstiftung stecken wollte“ Mit einem leichten Grinsen fuhr er fort, „aber deshalb werde ich doch meinen geliebten Vater nicht umbringen, oder?“ Er schaute die Beamten an, versuchte an den Regungen ihrer Gesichter zu erkennen, wie sie seine Worte wohl aufnehmen würden. „Dabei fällt mir ein, wodurch ist er denn nun eigentlich gestorben?“ Statt einer Antwort fragte nunmehr Woldmann „ich würde gerne mal von ihnen den Ablauf des fraglichen Abends geschildert bekommen“. Das war nun nicht unbedingt nach dem Geschmack des jungen Rabbisch, üblicherweise stellte er die Fragen und bekam auch sofort eine Antwort. Deshalb erzählte er mit etwas säuerlicher Miene „ich bin schon am frühen Nachmittag zur Villa meines Vaters gefahren, um mit ihm noch einmal über seine Pläne zu sprechen...“. „Sie meinten wohl, um ihn umzustimmen?“ unterbrach ihn Pallhuber. „Ihr Prokurist hat uns einige Geschichten erzählt über Schreiduelle zwischen ihnen und ihrem Vater!“ „Ach was, der Reitmeyer“, erwiderte er ärgerlich, „der war doch nur scharf darauf, alleiniger Geschäftsführer der Rabbisch -Organisation zu werden. Bei jeder Gelegenheit hat er versucht, meinen Vater gegen mich aufzuwiegeln!“ Pallhuber bohrte weiter. „was war denn dann, als die übrigen Gäste nach und nach eintrudelten?“ „Zuerst kam Herr Scholz, wie so oft ohne seine Frau. Die musste die Stellung halten im Waldschlösschen. Immerhin hat er die Warmhaltebehälter mit dem Essen mitgebracht. Danach kamen meine Schwestern Marika, sie ist mit dem Industriellen Wichmann verheiratet und Annegret, meine jüngste Schwester mit ihrem Verlobten, Herrn Schwabe. Bevor das Essen losging, tranken wir einen Aperitif, die meisten von uns einen trockenen Sherry. Meinem Vater gehört das Weingut in Jerez zur Hälfte.“
„Und was trank ihr Vater, auch einen Sherry?“ fragte Woldmann. „Nein, mein Vater liebte Rotwein“, antwortete er.“Bordeaux, um genau zu sein. Der Chateau Margaux, 1988 hatte es ihm besonders angetan. Den hat Bellmann über alte Kontakte besorgt, der Jahrgang ist nicht mehr so leicht zu kriegen. Und Scholz musste die Flaschen in seinem alten Weinkeller in Blankenese lagern. Da war mein Vater sehr eigen drin. Für seinen Chateau Margaux war ihm keine Mühe zu groß. Und so bestand auch nicht die Gefahr, dass er mal zu viele davon trank oder gar ausschenkte. Auf die Art hatte er immer nur eine bestimmte Menge im Haus“. „Und an diesem Tag brachte Herr Scholz die neuen Flaschen mit?“, fragte Pallhuber. „Ja“, antwortete Rabbisch. „Und der alte Bellmann hat die Getränke serviert. Er musste den Wein für meinen Vater immer in einen Dekantierer gießen, genau eine halbe Stunde vor dem Servieren. Damit er atmet, hat er immer gesagt“.
„So so, dann hat also niemand die Flasche gesehen, aus der ihr Vater seinen Wein bekam?“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.07.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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