Silvia Freiberg

Die bitteren Mandeln

Es ist schon einige Jahre her. Mehr aus einer Laune heraus setzte ich eine Kontaktanzeige in eine große Tageszeitung. Zu meiner Überraschung kamen einige Zuschriften. Man tauschte Briefe, bei einigen Herren war schon nach einem ersten Telefonat klar, dass Treffen sinnlos wären. Gelangweilt, und eigentlich auch nicht mehr motoviert verabredete ich mich mit einem Mann. Wir trafen uns in einem Hotel, mein Wunsch, denn ein Besuch in einer Privatwohnungen schien mir verfrüht. Er hatte einige Mühe zu mir zu gelangen, aber irgendwann tauchte er doch auf.
Wir haben uns einige Male getroffen, aber mir war rasch klar, dass auch dieser Mann nicht das erfüllen würde, was ich erwartet. Er war ernst, zu ernst für meinen Geschmack.
Ich zog mich leise und unauffällig zurück, was er nicht begreifen konnte oder wollte. Telefonanrufe konnte ich ziemlich verhindern und nur selten konnte er mich auf diesem Weg erreichen. Längst hatte ich einen Mann getroffen, der meine Wünsche und Erwartungen in jeder Hinsicht erfüllen konnte. Über den anderen, den ich nur kurz gekannt hatte machte ich mir keine Gedanken. Ich hätte ihn sicher schnell vergessen, aber er schrieb mir Briefe. Einer nach dem anderen kam, alle gleichermassen leidend, selbs - beklagend, vorwurfsvoll und auch nervig. Obwohl ich nie antwortete dauerte es lange, bis er Ruhe gab.
Irgendwann, wieder aus einer Laune heraus schickte ich ihm eine Kurzmitteilung. Die Antwort kam so prompt, dass ich laut lachen musste. Er hatte sich nicht geändert. Ein Träumer, auf der Suche nach dem einmaligen, ultimativen Lebensglück.
Ich wusste, dass er in einer festen Beziehung lebte. Er schien kein Problem damit zu haben diese Frau zu betrügen. Ich schlug ein Treffen vor, er zögerte. Weniger mangels Interesse, sondern wohl eher, weil er nicht wusste, wie er seiner Frau entkommen sollte.
Diese Frau tut mir leid! Sie lebt mit einem Mann zusammen, der nie das bescheidene Glück am Wegesrand sehen wird, sondern immer nach den Sternen greift, die er nie erreichen kann.
Und Du, mein lieber Freund, wirst irgendwann sehr einsam sein. Wenn deine Frau dich nicht mehr erträgt, deiner Launen und Lügen, deiner Unaufrichtigkeit überdrüssig ist und dich verlässt werden dir keine Briefe und auch die schönsten Worte nicht helfen. Sie wird unerreichbar für dich sein. In deinem wahnwitzigen Streben nach mehr wirst du alt, einsam und bitter werden. Dann zähle die Mandeln.....

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.03.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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