Brigitte Waldner
Handbestickte Tücher
In ihren jungen Jahren
hat Großmutter gestickt,
die wunderschönsten Tücher
hab ich bei ihr erblickt.
Sie pauste die Motive
aus Malbüchern heraus,
dann übertrug sie diese
auf Stoff und stickte drauf.
Sie kaufte im Geschäfte
für Hobbystickerei
sich auch Motive-Hefte
und schaffte viel herbei.
Sie liebte bunte Farben,
und stickte, wie gemalt,
mit Nadel und mit Faden,
zum Zeitvertreibe halt.
Es gab ja noch kein Fernsehen
in guter alter Zeit,
Gelegenheit zum Ausgehen
auch keine weit und breit.
Das Sticken machte Freude,
und war es Plackerei,
es machte Sinn im Leben,
und glücklich und auch frei.
Es schmückte Tisch und Kästen,
und schützte sie vor Staub,
ein jedes Tuch vom Besten,
unbezahlbar, wie ich glaub.
Darunter war ein Trauerset
zur Aufbahrung im Haus,
und weil das heute nicht mehr geht,
so trugen wir sie raus
in eine Auferstehungshalle
und schmückten ihren Sarg,
den Tisch und deckten alle
die Oberflächen ab
mit ihren schönen Tüchern
mit christlichem Motiv,
mit Engel, Kerzen, Sprüchen,
damit ein Trost uns rief.
Die meisten Tücher stahlen
die Nachbarn Räubernig,
und ohne zu bezahlen,
das ist bedauerlich.
© Brigitte Waldner
Foto: © Brigitte Waldner „Bestickte Tücher aus dem Trauertücherset“
Anmerkung zum Gedicht: Der Raub der Trauertücher hat mich heute Nacht zum Gedicht inspiriert.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.01.2019.
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