Birgit Seitz

Ganz ehrlich!

Heute habe ich Beate’s Telefonnummer endgültig gelöscht. Ich hatte ja schon lange das Gefühl, dass sie mich nicht richtig versteht. Wobei: wann ist das eigentlich so gekommen? Ich verstehe das nicht, früher waren wir beide ein Herz und eine Seele. Ich habe auch alles dafür getan, dass es so bleiben kann, wirklich! Immer habe ich zu ihr gehalten, wenn es ihr mal schlecht ging. Nun gut, ich konnte mich ja nicht einmischen, wenn sie mal wieder Ärger mit ihrem Mann hatte, der mittlerweile übrigens ihr Exmann ist.
Das war aber auch manchmal vertrackt – sie hatte ja immer Widerworte ihm gegenüber, bei der war es so, dass sie ihm nichts recht machen wollte. Dochdoch, sie hätte schon gekonnt, wenn sie mal über ihren Schatten gesprungen wäre, aber sie musste es ja immer drauf ankommen lassen.
Nein – ich finde es auch nicht gut, dass er sie andauernd angebrüllt hat und ihm so ein/zweimal sogar die Hand ausgerutscht ist. Aber hätte sie ihn denn so reizen müssen?
 
Wissen Sie, die Beate musste immer mit dem Kopf durch die Wand. Was ist denn so schlimm daran, wenn er, also der Georg, sein Hobby Fußball so schön findet? Dafür konnte sie ihre Zeit ja einteilen. In aller Ruhe konnte sie kochen, putzen, etwas hübsches mit den Kindern unternehmen – und schließlich arbeitet er ja auch Vollzeit – sie nur halbtags, da hätte sie ihm diese eine kleine Freude doch lassen können? Die Vorführung des Kleinen in der Schule hätte sie auch allein besuchen können, nicht wahr? Aber Freundin, wie ich ja bin .. Verzeihung .. war, habe ich natürlich zu ihr gehalten, ich wollte sie ja nicht demoralisieren. Aber sie hat ja auch nicht gefragt, was ich in Wirklichkeit davon halte, dass sie darauf bestanden hat, dass er an der Schulfeier teilnimmt. Ich muss ganz ehrlich sagen, da hätte ich an Georg’s Stelle wahrscheinlich auch vorweg noch einen Cognac zu mir genommen. Das hält man doch sonst nicht aus, so dermaßen gegängelt irgendwo mit hin gehen zu müssen. Hinterher hat sie erzählt, er wäre betrunken gewesen, so recht hab ich das aber nie geglaubt. Sie hat ja auch einen Hang zum Übertreiben.
 
Aber um des lieben Friedens Willen habe ich IHR das nicht gesagt. Ich bin ja sonst eine ehrliche Haut und lege sehr viel Wert auf Offenheit und Ehrlichkeit, wissen sie. Aber das wollte ich ihr nicht antun. Schließlich sollte sie ja auf ihre Freundin, auf ihre beste Freundin, bauen können.
 
Dass er seine Kinder kaum sieht, fand ich argumentativ ja dann noch nicht so richtig. Da leidet er doch auch drunter, der arme Georg. Wissen Sie, da hat sie doch selbst noch gesagt, er würde abends ja immer so lange arbeiten, da könnte er ja wenigstens am Wochenende mal etwas mit den Kindern und ihr unternehmen. Ich finde das ja egoistisch von ihr. Er schuftet und schuftet und sie hat kein gutes Wort für ihn. Übrigens fanden auch alle meine Freundinnen das egoistisch von ihr. Aber das haben sie ihr auch nicht gesagt, denn wissen sie, das sind ja eher meine Freundinnen als ihre. Sie hat nicht so viele Freundinnen, sie wird auch selten zum Kaffee eingeladen.
Das hat wahrscheinlich seinen Grund darin, dass sie immer so sehr direkt ist. Kein Kaffeetrinken mit ihr verlief so richtig harmonisch. Immer musste sie ihre Meinung sagen, obwohl ja keiner danach gefragt hatte. Einmal war die Karin so traurig, weil sie vermutete, dass ihr Mann wohl eine Freundin hat. Die hat uns dann alles, aber auch alles erzählt, wie schlecht es ihr geht, dass sie das nicht verdient hat, wie gemein sie das findet, wo sie doch alles für ihn getan hat. Arme Karin, da waren wir alle der Meinung. Und Karin hat das ja nicht zum ersten mal erzählt, der ging es ja schon ganz lange so schlecht. Wir haben alle so sehr mitgelitten, das können Sie sich nicht vorstellen. So sehr geweint hat die Karin.
Nur die Beate, die musste mal wieder ihren Finger in die Wunde legen: “Verdammt noch mal, dann ruf deinen Anwalt an und frage, wie du bei einer Trennung dastehst, wenn du es nicht mehr aushalten kannst! Jammer nicht nur, sondern tu endlich was!“ Da war erst Stille, man hätte eine Nadel fallen hören können. Die Karin hat dann gar nichts mehr gesagt, und wir alle anderen haben schnell das Thema gewechselt. Wir können uns da ja auch nicht einmischen und der Mann von der Karin ist doch eigentlich auch so ein netter, charmanter Mann, da sollte man sich ja auch nicht auf eine Seite ziehen lassen, nicht wahr? Das haben wir dann aber Karin zuliebe lieber unter uns anderen wieder thematisiert, das wäre doch gemein, das vor der Karin zu diskutieren.
Ich habe allerdings nie verstanden, dass die Karin dann wirklich zum Anwalt gegangen ist, da hat sie sich doch tatsächlich von der Beate aufhetzen lassen.
 
Mir selbst ist dann gar nicht mehr in den Sinn gekommen, zu erzählen, dass meine Ehe mit dem Horst auch nicht mehr so gut läuft. So was muss ich mir ja nicht sagen lassen, dass ich dann zum Anwalt rennen soll? Ich habe ja schon da den Eindruck gehabt, dass die Beate nur erreichen will, unsrer aller Ehen auseinanderbringen zu wollen. Immer stiftet die nur Unfrieden. Ist schon recht, dass der Georg, der Mann .. Verzeihung .. Exmann von der Beate sich hat scheiden lassen. Beate behauptet ja steif und fest, sie hätte sich getrennt und ihr ginge es jetzt gut. Sie hätte zwar wenig Geld, also nicht mehr den Luxus wie in der Ehe, aber zufrieden wäre sie nun.
 
Ich glaube das ja nicht. Worauf die jetzt alles verzichten muss! Und das nur, weil sie darauf pocht, ihre Meinung gesagt haben zu wollen. Die ist bestimmt total neidisch auf uns, weil wir gute Ehen führen, aber sie geschieden ist. Wissen sie, ich habe jahrelang meinem Mann den Rücken gestärkt, habe auch alles getan, war immer für ihn da! Da werde ich mir doch mein schönes Leben nicht kaputtmachen lassen, nur weil der seit drei Jahren immer Überstunden macht. Das mit der Freundin rede ich mir gar nicht erst ein. Mein Mann ist treu, das weiß ich ganz genau. Was Besseres als mich bekommt der auch gar nicht. Und mir ist das ja eigentlich auch egal, dass wir uns wirklich nur selten sehen, wirklich. Ich bin eine emanzipierte, selbständige Frau, die ihre Zeit auch allein einteilen kann, schließlich habe ich massenweise Freundinnen, da brauche ich doch eine Beate nicht! Eine, die mir immer nur einreden will, dass es ihr jetzt ja achsogut geht. Auf so dumme Gedanken lasse ich mich gar nicht erst bringen, mein Haushalt und meine Kinder lasten mich vollständig aus. Und immerhin kann ich mir wenigstens einmal im Monat leisten, shoppen zu gehen – das kann Beate jetzt nicht mehr, ha!
 
Nun, soll sie doch immer sagen, was sie denkt und fühlt. Die Konsequenzen muss sie ja tragen.
Ich glaube es ihr einfach nicht, dass es ihr besser geht als früher. Wie denn, allein mit den Kindern... OHNE Mann? Dumm nur, dass ich seit der Scheidung noch nie wieder bei der Beate eingeladen war, ich wette, bei der geht’s drunter und drüber. Naja, ihr Exmann hat jetzt ja die neue Freundin, blutjung und bildhübsch. Das ist eine ganze Nette, kann ich ihnen sagen, die schaut wirklich zu ihm auf und begleitet ihn auch immer zum Fußball. Da kann ich auch verstehen, dass er die Kinder nicht so oft nehmen kann, ich finde, er sollte jetzt die Gelegenheit haben, sich mal um sich selbst kümmern zu können. Aber nichtmal das gönnt die Beate ihm, die will geregelte Verhältnisse – stellen Sie sich das mal vor! Erst trennen, dann dem Vater die Kinder aufhalsen! Die sind bestimmt auch total aufgehetzt, die waren schon immer ein wenig vorlaut.
 
Wo ich neulich bei ihr angerufen habe, sagte sie was von Rechten und Pflichten. Ich habe dann gesagt, dass er doch aber immer pünktlich zahlen würde, das hatte er mir ja schließlich selbst erzählt. Wissen sie, der ist wirklich pflichtbewusst. Da hat sie nur gelacht und gefragt, ob ich denn alles glauben würde?
Da bin ich gar nicht drauf eingegangen, und habe gesagt, dass ich es so bedaure, dass es ihr nun so schlecht ginge und weil ich ja ihre beste Freundin bin, würde ich gerne mal wieder ein Käffchen mit ihr trinken.
Und wissen sie, was sie da gesagt hat? Ganz ehrlich, das schlägt dem Fass doch den Boden aus, so was sagt man doch seiner besten Freundin nicht, da sagte sie: Nein, sie würde sich nicht treffen wollen, weil alles, was sie mir sagte, sowieso gleich wieder bei anderen Leuten landete. Dabei stimmt das doch gar nicht! Aber die anderen machen sich doch auch Sorgen und Gedanken um die Beate, soll ich die denn vor den Kopf stoßen und im Unklaren lassen? Ich hab es doch nur gut gemeint! Ich würde doch nie so gehässig sein, und anderen Leuten etwas erzählen, was mir ... MIR ... anvertraut wurde!
 
Aber wissen Sie, SO ist sie, die Beate. Und brüstet sich dann auch noch mit Ehrlichkeit. Das will doch niemand! Die ist SO undiplomatisch, diese Frau, ich sag’s ihnen! Und die Beate trampelt dann auch noch auf mir, auf ihrer besten Freundin, drauf rum. Dass ich so eine von denen wäre, die sich selbst damit interessant machen wollte, wenn sie was weiß. Das ist doch gar nicht wahr, aber so hat sie mir das gesagt – völlig unhaltbar!
 
Und wissen Sie, jetzt reicht mir das. Da hab ich dann zu mir gesagt, Michaela, hab ich gesagt, das musst du dir nicht antun! So was ist doch keine Freundschaft. Ich tue und mache und bemühe mich, und sie, die Beate, ist unfähig, das zu schätzen zu wissen. Ehrlich, im Vertrauen, das lass ich nicht auf mir sitzen.
Ich werde jetzt erst mal bei meinen Freundinnen anrufen und klarmachen, dass ich das so nicht mehr hinnehme .. SO nicht! .. – und dass ich Beate’s Nummer gelöscht hab. Bei mir braucht niemand mehr nach Beate zu fragen, ab jetzt mache ich Nägel mit Köpfen. Wer so schlecht über mich redet, der verdient meine Freundschaft einfach nicht.
Alle werde ich sie anrufen, mit Ausnahme natürlich von der Karin. Seit die so eng mit der Beate zusammen hockt, ist die ja nicht mehr auszuhalten! Verlogenes Pack!
 
© Birgit Seitz 25.05.05

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.05.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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