Die 4500 Jahre alte Himmelsscheibe von Nebra – in Wahrheit
das Gesellenstück eines mittelalterlichen Gallensteinmetzes, der in
Wirklichkeit das sehr karstige Dasein eines sanzibarischen Laubenpiepers
fristete – ist zerstört. Von Christo mit gewaltigen Mengen Weihnachtspapier
umwickelt, dann kollabiert, enthüllte das angebliche Relikt sein wahres
Inneres: Einen dicken Karamellkern – leicht säuerlich im Geschmack – in dessen
Mitte ein chinesischer Glückskeks verborgen war: “kado-guchi ni - nara-no shita
eda-no shigeri kana” lautete der japanische Shinto-Text. Die Übersetzung ergibt
folgenden Text: „So findet mein Schweben, ich ertrinke ruhig in Schlummer,
denn: Auch ich fand eines Strauches schützend Blätterdach im Wienerwalde!“ Bei
Benutzung eines wenig verbreiteten sinologischen Idioms offenbart der Text dem geübten Sineasten sein
unglaubliches Geheimnis: Eine geheime Chiffre von Zhu Yuanzhang, dem Begründer
der Ming-Dynastie persönlich, enthält des Rezept zu einem unglaublich leckeren
Waffelteig.
Peter Rödenhürster und Damian Nettelzwag streiften sich die
wasserstofffarbenen Lehmfasermasken von ihren kleinen, von Schockwellen
deformierten Rosinenköpfen. Ihr schnittiges, dauergewelltes Haar flatterte
erfahrungsgemäß antiproportional im Fahrtwind hin und her, während die St.
Martins Hörner der US-Navy-Seals in weiter Ferne ihr immer währendes altes Lied
in D-Dur sangen und mit der Subdominante auf dem hohen Fis fast wie das
berühmte Blockflöten Konzert von Friedrich dem Großen in Sanssouci geklungen hätten,
wenn sie nicht schon vor einiger Zeit in den Köpfen der beiden Ganoven
schlagartig verstummt wären. Ihr in Erdbeeryoghurt gestanzter Fluchtwagen war
zwar seit gestern nicht mehr der Neueste und verfügte auch über lediglich eine
einzige lausige Pferdestärke, einmal in Fahrt gekommen durchbrach das Gefährt
jedoch, dank des ausgeklügelten Korrosionspartikelantriebes, mühelos die
Schallmauer – schließlich waren sie mit dem Sonnenwagen von Trundholm
unterwegs, den sie einem subakut dänischen Amateurarchäologen beim
Mau-Mau-Spiel abgeluchst hatten.
Aus den Lautsprechern des bordinternen HiFi-Systems klangen
die lieblichen Stimmen des kinetischen Knabenchors, der unter der Leitung von
Lex Barer, in einer Live-Übertragung aus dem arktischen Epizentrum, eine moderne
Interpretation von Karl Mays berühmter Version des Ave Maria zum Besten gab. Rödenhürster,
der hinter dem Steuer des Wagens klemmte, verstand es wie kein Zweiter der
akustischen Darbietung einen Anstrich von technoidem Pathos zu verleihen, in
dem er durch gezielte und wohldosierte Bemühungen des Gaspedals den Motor in
rhythmischen Abständen aufheulen ließ, um das musikalische Leitmotiv gekonnt zu
paraphrasieren. Nettelzwag – sein Komplize – hatte auf dem sagenhaft
ungemütlichen Notsitz von mikroskopisch kleinem Ausmaß Platz genommen. Er war
völlig in sich zusammengeknotet, was seinen körpereigenen Wärmehaushalt beinahe
zum Kollaborieren brachte und das Transpirationsgen sich dazu veranlasst sah,
die Drüsenkanäle zu fluten. Glücklicherweise litt Damian Nettelzwag unter
Chromhidrose, einer seltenen Krankheit, die sich darin äußert, dass der
Betroffene farbigen Schweiß absondert. Die Ursache dieses sonderbaren
Farbaufkommens wird in der zufälligen Aufnahme von Metallteilchen bei der
Nahrungszufuhr vermutet, wie es beispielsweise auch bei allergrößten Mengen des
allerfrischsten und allergrünsten Spinates absolut ausgeschlossen ist.
Nettelzwag war sich dieser These bewusst, und ahnte deshalb nicht, dass der
Ursprung seines Leidens auf der Speisekarte seines Lieblingsitalieners zu
finden war, wo er bei jedem Besuch gleich zwei üppige Portionen Spaghetti
Natriumhydrogencarbonara verspeiste. Bei exakter Dosierung war es Nettelzwag
zuweilen sogar möglich, bis zu drei verschiedene Farben gleichzeitig aus den an
unterschiedlichen Stellen des Körpers befindlichen Schweißdrüsen abzusondern
und mittels der entstehenden Rinnsale die Trikotdesigns aller Schachclubs der
Verbandsliga Südbaden inklusive Name und Rückennummer auf seinem Körper zu
applizieren, was sein angespanntes Verhältnis zum Verband der T-Shirt
Hersteller erklärte. Da kauerte er nun im zähflüssigen Vereinshemd des FC
Bötzingen und starrte wie parallelysiert aus dem Schlüsselloch, in der Hoffnung
vielleicht einen kurzen Blick auf den Boulevard, das arktische Schneetreiben
der Pinguine und deren athapaskischen Kindeskinder oder vielleicht den großen
Bären, der am Himmelszelt prangte und eimerweise lettischen Läusehonig
verspeiste, erhaschen zu können. Das imaginäre Handschuhfach des Sonnenwagens
klemmte regungslos zwischen seinem Waden- und Schlüsselbeinen. Hier würde
niemand – nicht mal die Seals – nach der Beute ihres nächtlichen Streifzuges
durch das kulturelle Unterholz suchen. Hocherfreut über ihren erfolgreichen
Raubgüterzug, bei dem sie einen überdimensionalen, in aus Zellulite
gedrechselter Frischhaltefolie verpackten, kaukasischen Käsekräcker des Kaisers
Diokletian erbeutet hatten, der am heutigen Festtage der ganzen ausgemergelten
Familie, sowie den Stiefkindern aus siebter Scheinehe, ein vorzüglicher
Weihnachtsschmaus sein würde. Schmaus und Schand waren die Relikte, die wie aus
einer fernen Überhöhung die zirsensische Vergangenheit der gemeinsamen Familie
konsolidierte. Damals waren sie eine weltberühmte Autistengruppe gewesen, ihre
zauberhaften Kunststückchen hatten ganze Länderein entvölkert. Vielweiberei war
an der Tagesordnung gewesen – damals - als es weder Kreisverkehr noch – ssaal
gegeben hatte. Die Tagträumerei der beiden Spitzbuben fand mit dem Einschlag
eines völlig kontextunsensitiven abstrakten Nomens in die Windschutzscheibe des
Sonnenwagens ein abruptes Ende. Der völlig aus dem Takt gekommene Trochäus
hatte sich in das Fichtenwäldchen verirrt, und war wegen eines gebrochenen
Versfußes in ihren Weg geflattert. Seine Schwingen waren voller Borsenginster,
Zecken krabbelten darauf auf und ab, und jedes ihrer körpereigenen Borriolose
war eine Niete. Den beiden war klar, dass sie ihren voreiligen Emissionskurs
würden aufgeben müssen – ihre amalgangefüllten Lendenschurze blendeten den
Trochäus und veranlassten ihn zu diversen hämischen Paraphrasen. Rödenhürsters
plumbonisches Phlegma , das er seinerzeit aus Pandoras Büchse stibitzt hatte,
schütze ihn vor jedweder Beirrung diesseitshalber – er war ein Mann der Tat.
Rasch schnitze er mit seinem Reichsapfel einen kaltgepressten Feuersalamander
und hieb mit mächtigen Schlägen auf das lorbeerne Antlitz einer mehr als
tausendjährigen Nordmannstanne, die widerstrebend ihre Jahresringe ins
Raum-Zeit-Kontinuum krümmte, bevor sie endlich stürzte. Beherzt packte er den
riesigen Christbaum am Kragen und schleppte ihn zur Jambushaltestelle, die wie
er erwartet hatte unweit des Trochäus hinter einem dicken Eichenstamm ein
Versteck gesucht und gefunden hatte.
Auf gleicher Hühneraugenhöhe bewohnte der katalanische
Fliesenleger Radizius Sucur ein wenig geräumiges Quartier in einer exorbitanten
Quadrupelfuge des städtischen Expositionsheims, von dem aus er das ganze
Szenario durch seinen maxwellschen Magnetfeldstecher beobachtet hatte. Sogleich
hatte er Körper und Geist in ein Gewand aus reinster Metamorphose gehüllt, um
unter gewaltigem Lärm etruskischer Flöten und galvanisierter Kastagnetten den
Ort des Geschehens zu betreten und im gregorianischen Kontrapost verharrend
einen anthroposophischen Ausdruckstanz darzubieten, durch den er dem Publikum
seine Bewunderung für die siamesische Rüsselbarbe vermitteln wollte.
Rödenhürster, der mittlerweile Selleriesamen säend das Unterholz auf Spuren des
flüchtigen Trochäus absuchte, zeigte sich von der bizarren Vorstellung wenig
beeindruckt. Als völlig grotesk und äußerst serifenlos hatte er das
Laienschauspiel empfunden, das ihn in seiner bigotten Emotionalität eher an das
Paarungsverhalten der faröischen Raubmöwe erinnert hatte. Missmutig und
entzürnt über die latente Ignoranz, die das akribische Tänzchen in seinem
Gegenüber zu Tage gefördert hatte, sah sich Radizius Sucur dazu veranlasst, das
vom Versmaß erheblich demolierte Gefährt der beiden Banausen zu entwenden, um
es ein paar Meter weiter gegen die nächste Schallmauer zu fahren. In
Bruchteilen von Sekunden hatte er den Wagen erreicht, dessen Konfitüren um
diese Jahreszeit bis 19 Uhr geöffnet waren. Die kleine silberne Schlüsselfigur
auf dem Armaturenbrett hätte den Motor bereits gestartet, so dass des Sucur es
sich nur noch auf dem Eierschalensitz gemütlich machen könnte und die
Vollkornschrotgurte anlegen müsste, um anschließend, lediglich eine winzige
Kumuluswolke in der umliegenden Stratosphäre hinterlassend, mit fliegenden
Reifen verduften würde. Stattdessen hätte die Szenerie bis zum Eintreffen eines
gefallenen gelben Engels im Konjunktiv verharren würden müssen. Diese recht
ungewöhnliche Kinderkrankheit des Sonnenwagens war den Entwicklern natürlich
längst bekannt. Sucur, dem Fahrer des Gefährtes, wurde mit einer rasch
implizierten Blutwursttransfusion geholfen würden. Zusätzlich litt Sucurn an
leicht überhöhten Deklinationswerten. Eine stationäre Behandlung war notwendig,
die zum Glück in einem nahe gelegenen jesuitischen Suspensiorum durchgeführt
werden konnte. Sucur wurde nach allen modernen Regeln der Syntax
durchdekliniert und war bald wieder in der Lage an dem Gemeinschaftsleben des
Klosters teilzunehmen. Zu den Gottesdiensten, bei denen der Pater Noster den
Schweinepristern des Ordens aus den Leviten las, nahm „er“ zunächst nur in
Gänsefüßchen teil. Aber zu den kargen Mahlzeiten, bei denen zu den Zankäpfeln
und belegten Schnittmengen lauwarmer Doncamillentee gereicht wurde, schleppte
er sich schon ohne fremde Hilfe im Akkusativ.
Rödenhürster hatte inzwischen den komplett von patinierten
Seychellen überwucherten Fahrplan der Jambusbahn gründlich studiert. Er wollte
die Linie 8 nehmen, die ihn in aufregender Fahrt durch das Adrenanildelta bis
zur nabätaischen Felsenstadt Petra führen würde, wo er würde umsteigen müssen.
Das war zwar nicht ganz ungefährlich, Rödenhürster wusste natürlich dass dort
jede Menge Oberammergauner ihr Anwesen trieben, aber er hatte wohl kaum eine
andere Pottwal, wollte er noch vor dem Festmahl den Käsekräcker in der
mütterlichen Enklave abliefern. Noch ahnte er nicht, dass die Familie Feta und
Mordio schreien würde, sobald sie erführe, dass er den versprochenen
Käsekräcker nicht nur nicht hatte, sondern dass es sich dabei nicht einmal um
einen Käsekräcker handelte. Dieser befand sich immer noch in den Händen des
Nettelzwags, der sich wiederum im imaginären Handschuhfach des Sonnewagens
verbarg, welcher wiederum mit einer dicken Abschleppseilbahn in die nächste
Werkstatt gezogen wurde. Die gründliche Adhäsion brachte den Fehler recht
schnell zu Tage. Der Imperfekt des Trochäus in die Windschutzscheibe des
Sonnenwagens hatte auch das vertikale Sprachzentrum des Fahrzeugs beschädigt
und sogar dessen Fremdwortschatz völlig demoralisiert. Die inaffektierte
Steuereinheit hatte beim Einschlag ausgerechnet im indikatiefen Bereich einen
Semantick abbekommen. Der erfahrene Mechaniker hatte seine Mengelehre zufällig
beim Hersteller in Trundholm gemacht. Rasch brachte er den Wagen in Präposition
und fügte ein Partizip Präsens hinzu. Aber erst beim zweiten Versuch reagierte
der Wagen und auch die Temporalwerte sanken auf Normal-Niveau. Aus rein
ästhetischen Gründen legte er den Wagen auch noch superlatiefst.
Nettelzwag hatte die ganze Prozedur rekursiv überstanden und
bald entschlossen sich aus dem Feinstaub zu machen. Riesigen Hunger
vortäuschend gab er Essen als Ziel in das globale Positivierungs System ein.
Sofort zündete der Motor. Eine breite Spur verbrannten Radiergummis auf den
Werkstattboden hinterlassend schoss er aus dem Gehäuse. Zunächst einmal musste
er seinen Taschenurgroßvater einfangen. Dieser war in der Bevölkerungspyramide
angekettet, die vor Pharäonen mitten im Aufruhrgebiet auf dem Kopf stehend
errichtet worden war. Nettelzwags Opa litt unter der prähistologischen
Behandlung, in deren einziger Mittelpunkt die Prinzipien eines gallischen
Bauspeicheldruiden standen. In der Kantine wurde ein ranziger
Methusalix-Kompott für die Insassen aufgewärmt – und das auch nur dann, wenn
sie ein Deliquentchen Glück hatten.
Rödenhürster hatte inzwischen die 14. Station des Kreuzweges
erreicht. Der Iambusfahrer bog nun auf die Weihrauchstraße ein, und gab
bekannt, dass ein doppeltes Datiefdruckgebiet genau über Essen lag, welches
ihrem Fahrplan nicht zum Wohle gereichen würde. Unabhängig voneinander, aber etwa
zur gleichen Zeit erspähten unsere beiden Banditen den Spannungsbogen, der sich angeregt durch
den meteorologischen Eifer dieser ungewöhnlichen Wetterlage bildete und die
darunter schwimmende Regenbogenforelle in gleißendes Blaulicht tauchte.
Sucur lag inzwischen in seiner eigenen kleinen Herzkammer
des jesuitischen Klinikums, er träumte von einem blauen Licht, dessen
azurfarbenes Herzflimmern seine Klerikalaorta illuminierte. In seinem Traum
stand plötzlich ein vermeintliches Gesundheitswesen an seinem Krankenbett. Es
wollte sich unverblümt in Sucur einen Günstling erheucheln. Ein enttäuschend
echter Defibrillant sollte als Korruptiv dienen und dem gemeinen Parasiten
Einlass gewähren. Aber Sucur ließ sich von dem schönen Stein nicht blenden, er
durchschaute den Unsichtbaren sofort, indem der nur durch Vortäuschung echter
Tatsachen Aderlass gewährte. Die Traumgestalt entführte Sucurs Körper durch den
Raum zurück zum Anbeginn der Zeiten. Sucur wurde Zeuge der Entstehung des
Universums, später der Erde und dann sogar der Papiertaschentücher mit
Mentholaroma – eine der bedeutendsten Erfindungen der Menschheit, wie die
geisterhafte Traumgestalt zu Sucur meinte, wobei sich das Spitzbärtchen frech
in dem lächerlichen Gesicht aufrichtete. Der kleinwüchsige Bösewicht mit der
asiatischen Gesichtsdiagonalen zeigte Sucur wie er vor Urzeiten versucht hatte,
die Entwicklung intelligenten Lebens zu verhindern. Einmal war es ihm gelungen,
aber die von ihm provozierte Klimaänderung hatte zwar sämtliche vulkanisch
geologischen Lebensformen ausradiert, andererseits aber die Grundlage für
Kohlenstoffbasiertes Leben geschaffen. Erstaunt sah Sucur die geisterhaften
Bilder vor seinem inneren Auge: Dr. Tofu Man-Ciu – der gemeine Bösewicht und
Gestaltannehmer lenkte seine kleine Dschunke mit formwandlerischer Sicherheit
über die Wogen des irdischen Urozeans, sogar schon lange bevor Gondwana sich
aus den Tiefen des Urmeeres erhoben hatte. Schockiert beobachte Sucur die
Fähigkeit des niederträchtigen Wesen die Form jeder belebten oder unbelebten
Gestalt anzunehmen solange sie der eigenen asiatischen Physiognomie absolut
entsprach. Tofu Man-Ciu beobachte das illustre Treiben in den polymeerestiefen
unter seinem Kiel und heckte einen teuflischen Plan aus mit dem er die
Verbindung von unbedeutenden Proteinen zu Makromolekülen zu verhindern
trachtete. Das erneute Scheitern irritierte ihn nicht im äußersten. Ohne den
geringsten Hauch eines zweifelhaften Momentes sah er zu wie die Dinosaurier –
seine Lieblingsgeschöpfe jämmerlich eingingen. Lediglich dem gigantischen und
heiß geliebten Helikopterix und dem kleinen aber extrem gefräßigen Thesaurus
Rex weinte er keine Träne nach. Sucur hatte natürlich überhaupt keine Ahnung
von Evolutionsbiologie, er war Autodieb und hatte früher mal eine kleine
Waffelbäckerei sein eigen genannt, worauf er wahrlich nicht besonders stolz
war. Doch genau diese beiden Eigenschaften von fragwürdiger Ehre – sein Hang
zur Kleptomanie und das immense Fachwissen auf dem Gebiet der
Naschwerkzubereitung – ergaben eine irreversible Symbiose, die seine, von
Minderwertigkeitskomplexen zerfressene Person in den Aufmerksamkeitsfokus des
kleinen, unsichtbaren aber unsagbar bösen Mannes gerückt hatte. Radizius Sucur
war der Auserwählte, eine Art Homme Supérieure, dessen übermenschliche
Fähigkeiten, von denen er selbst bisher nichts gewusst hatte, für den diabolischen Asiaten von
größter Wichtigkeit waren, wollte dieser bis zum unaufhaltsam näher rückenden
Stichtag alle nötigen Maßnahmen für die Durchführung seines Plans getroffen
haben. Er musste unverzüglich in den Besitz der Himmelsscheibe kommen, die sich
immer noch in den Fängen des imaginären Handschuhfaches befand, zu dessen
unergründlichen Tiefen sich nur Sucur mittels einer gewieften List den
alleinigen Zugang verschaffen konnte, indem er sich als Pailletten verzierter
Fehdehandschuh verkleidete, um so die Wächter der heiligen Klappbox täuschen
und sich somit den Einlass erschleichen zu können. Der Asiate nannte dieses
gefährliche Manöver das Ding mit dem trojanischen Handschuh. Doch es blieb ihm
nicht mehr viel Zeit, da er nur solange Einfluss auf Sucur ausüben konnte, wie
dieser barfuss und nur mit einem knappen, weißen Kittel bekleidet, der gerade
mal seine Brust und das winzige Gemächt bedeckte, das Gesäß jedoch frei ließ,
durch seine eigenen absurden Traumwelten schlurfte. Mit dem Übergang von der
Rem- in die Aufwachphase würde der Asiate den Kontakt zu seinem Schützling zwangsläufig verlieren.
Inzwischen hatte Nettelzwag sein Ziel erreicht, mit einem
pneuphorischen Tritt schleuderte er den Wagen gekonnt in die nächste Zahnlücke.
Das ungewöhnliche Elternhaus des Rödenhürster faszinierte ihn immer wieder: Ein
Gesichtsarchitekt hatte es nach dem Ebenbild des Mienespiels mütterlicherseits
verworfen. In seinem Inneren verbarg sich ein langer Stuhlgang von dem aus sich jede einzelne Kammer des Hauses
erreichen ließ. Nettelzwag zwängte sich nebst Opa über die enge Eileiter, wo
der schon ungeduldig wartende Rödenhürster bereits zwischen der Mutter und den
Exorbitanten am weihnachtlich gedeckten Toxoplasmotisch Platz genommen hatte.
Ein allzu gut gemeinter Freudengefühlsausbruch wurde rasch eingedämmt,
Nettelzwag spähte verstohlen auf die unbehandelte Weihnachtsgrippe, die
zwischen den Geschenken unter dem Baum lag. Er selbst hoffte darauf endlich das
lang ersehnte Schweizer Offiziergeschwindigkeitsmesser aus geschmiedetem
Diebstahl zu erhalten. Vergeblich suchte er mit bangen Augen zunächst den
Käsekräcker, danach Blickkontakt zu seinem Freund. Er hatte ihn auch nicht,
dachte er in völliger Unkenntnis des tatsächlichen Aufenthaltsortes, das würde
ein entsetzliches Gezeter geben, dachte er noch. Wenigstens hatte er noch bei
dem Internisten an der Ecke einen Gürtelrosenstrauch für die Mutter besorgt. Es
war eine schöne Bescherung als die beiden Spießgesellen vor lauter Freude mit
Spitzhacken einen tiefen Christstollen in die Bodendielen direkt unter die
Weihnachtskrippe schlugen. Die Freude endlich wieder eine ehrliche Arbeit zu
haben saß einfach zu tief. Der Onkel hatte sie in der benachbarten Zeche
untergebracht. Dort sollten unter den Tagen alliierte Rosinenbomber
abgeschossen werden, und beide erhielten eine einträgliche Stelle im Sollbruch.
Der geheimnisvolle Man-Ciu hatte Sucur inzwischen aus seinen
eigenen Traumwelten hinausgespien. Sucur fand sich plötzlich in einer einzigen
und ziemlichen öden Wüstenei wieder wo er ein kleines aus Buchenstämmen
gezimmerte Häuschen betrat. Das grob bemalte Schild über den Eingang trug die
Inschrift „Wells Fargo“. Sucur hatte diesen Begriff zwar schon einmal gehört
aber sein reichlich verwirrtes und ohnehin auch im Normalzustand rasch zur
Überforderung neigendes Hirn, war nicht in der Lage die notwendigen Verknüpfungen zu erstellen.
„Einfache Fahrt?“ fragte der verdreckte Mann hinter dem Tresen
in einer Sprache, die Sucur zwar nicht kannte, aber seltsamerweise verstand.
„Nur Rückfahrt!“ antworte in eben jener seltsamen
unbekannten Sprache.
„Nur Rückfahrt?“ fragte der Zahnlose
„Nur Rückfahrt!“ wiederholte Sucur.
„Dann müssen sie die Retourkutsche nehmen!“
„Gut! Die Retourkutsche ist gut! Sehr Gut“
Sucur kramte aus den Taschen seines merkwürdigen Tarifmäntelchens die korrekte Anzahl spanischer Golddublonen. Ein Schneider kam aus einer der dunklen Ecke des Raumes und nähte die Fahrkarte auf Maß über seinen Körper. Die Fahrkarte war die Imitation der Uniform eines Reiter des preußischen Postkavallerieregiments aus dem 18 Jahrhundert und Sucur nahm wenig später im Postfach der eilig vorbeibrausenden Retourkutsche Platz. 17 dunkle Rösser zogen das Gefährt über einen vierspurigen Feldweg mit Beschleunigungsstreifen, die ihn ohne weitere Verzögerung und wegen des trojanischen Fehdehandschuhs, unbehelligt von sämtlichen vorhanden ebenso wie den nicht vorhandenen voll- und halbautomatischen Sicherheitsmaßnahmen, direkt in das mikroskopische Handschuhfach hinein. Er nahm den Käsekräcker an sich und wickelte ihn in den Uniformrock ein. Völlig unvermittelt gelangte Sucur mitsamt Käsekräcker zurück zum Asiaten, wo sich dann zu seinem Desinteresse das Geheimnis des Käsekräckers offenbarte: Häme verzeichnete das Antlitz des bösartigen Gesichtchinesen, einen winzigen Moment zeigte sich sein innen liegendes Monster, das eng unter seiner Haut eingeschlossen und bis tief hinab auf subzellulare Ebene hinabreichte. Gierig umschloss die faltige Hand mit einem feinen Gespinst aus Fingern den Käsecracker, der sofort in seiner Hand zu pulsieren begann. Stinkend bröselte der Muff von jahrtausende alten Käse von der Oberfläche und entbarg sein innerstes Geheimnis. Endlich war er am Ziel, nun konnte er seinen teuflischen Plan endlich zum kulminanten Höhepunkt klimatisieren. Direkt vor Sucurs ahnungslosen Augen spielte sich das ungeheuere Schauspiel ab, dem er glücklicherweise nicht persönlich beiwohnen konnte.
Vorheriger TitelNächster TitelDie Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Thomas Schmidt).
Der Beitrag wurde von Thomas Schmidt auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.05.2006.
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