Maria Peters

Vergangenheit (1. Kapitel)

 
1. Ein ganz normaler Abend!?
 
Es war ein ganz normaler Abend. Die Sonne war bereits seit knappen zwei Stunden hinter dem Horizont verschwunden. Eine leichte Brise bewegte die Blätter der Bäume in einer ruhigen Straße inmitten einer kleinen Stadt. Genau auf der Ecke konnte man schon von weitem ein großes Haus erkennen. Es brannte noch immer Licht.
In dem Haus wohnte eine kleine Familie. Auch hier wirkte alles ruhig. Cassie, eine Frau mit stolzen 32 Jahren und Mutter von zwei Kindern, stand am Herd und war gerade dabei, dass Abendessen zuzubereiten. Auf einem Stuhl zu ihrer Rechten saß ein Junge – er war vor kurzem Sechs geworden. Er hatte braunes Haar und tiefbraune Augen, was komisch war, denn weder Cassie hatte braunes Haar, noch Tony – ihr Ehemann. An Cassies Schürze klammerte ein blondes, zwei Jahre jüngeres Mädchen mit strahlendblauen Augen. Sie glich Cassie fast auf Unheimliche Art und Weise.
„Alex, bringst du mir bitte mal den Salzstreuer?“, fragte Cassie ihren Sohn, der sich sofort auf den Stuhl stellte und den Streuer von einem Regal angelte, das sich direkt über ihm befand.
Er brachte ihn seiner Mutter, die ihn lächelnd annahm.
„Mama, wann kommt Papa heute?“, wollte nun das Mädchen wissen, während Alex sich wieder auf seinen Stuhl setzte und seiner Mutter eifrig zusah.
„Er wird bestimmt bald hier sein, Mimi.“, vergewisserte sie ihrer Tochter und schmeckte die Suppe abermals ab, die in dem Topf vor sich hin kochte.
Ja, es war eine ganz normale Familie. Eine Familie, wie sie im Buche stand. Eine liebenswerte Frau, die sich um Haus und Hof kümmerte, ein treuer Mann, der das Geld mit nach Haus brachte und zwei bildhübsche Kinder, die ihre Eltern über alles liebten.
Plötzlich zuckte ein greller Blitz durch den bis dahin ruhigen Himmel und beide Kinder starrten nach draußen. Auch Cassie hatte sich kurz von ihrem Essen abgewandt und Gedanken versunken aus dem Fenster geblickt.
„Kinder, geht spielen, ja?“, sagte sie schließlich und sofort liefen sowohl Alex, als auch Mimi aus der Küche und verschwanden im Kinderzimmer.
Cassie war allein. Vollkommen allein. Sie blickte weiter aus dem Fenster, drehte abwesend den Herdknopf herunter und beobachtete dabei, wie der Himmel sich innerhalb weniger Sekunden verdunkelte und ein grässlicher Schauer ausbrach. Ja, es goss förmlich. Ein flaues Gefühl machte sich in der Frau breit. Langsam trat sie näher zu der Scheibe und sah zu, wie sich die Kerben in der Straße mit Wasser füllten.
Es vergingen einige Minuten, in der sie sich nicht bewegte. Sie stand ausschließlich da und sah nach draußen. Sie konnte sich ihr Gefühl nicht erklären. Sie war 32 Jahre alt, sah dafür trotz dessen noch ziemlich gut aus, hatte den besten Mann, den man nur haben konnte, dazu zwei tolle Kinder, ein großes Haus und noch die besten Freunde, die man sich hätte wünschen können. Ja, sie hätte glücklich sein sollen und doch war sie es in diesem Moment überhaupt nicht. Etwas schlug ihr auf den Magen und doch vermochte sie nicht zu sagen, was es genau war. Vertieft lauschte sie dem Regen, wie er laut und bedrohlich gegen die Scheibe schlug, als wolle er sie zertrümmern.
Regen, schoss es ihr durch den Kopf. Ich hasse Regen… Es ist immer, als würde die gesamte Welt in Trauer versinken.
Die Stille spannte sich weiter an. Man hätte sie fast zerschneiden können, so dicht war sie schon. Noch nicht einmal das Lachen der Kinder war mehr zu hören. Doch plötzlich riss ein lautes Geräusch Cassie aus ihren Gedanken: die Klingel!
Es fiel ihr schwer, auf Anhieb das Geräusch zuzuordnen und doch gelang es ihr wenige Sekunden später. Verwundert ging sie zu der Küchentür und spähte durch den Flur zur Haustür. Man konnte eine dunkle Silhouette erkennen. Etwas hielt Cassie davon ab, zu öffnen und doch drang etwas anderes sie dazu. Das flaue Gefühl verstärkte sich mit jedem Schritt, den sie auf die Tür zu setzte. Bevor sie diese jedoch erreichen konnte, guckten Alex und Mimi aus ihrem Zimmer.
„Ist das Papa?“, fragte Mimi.
„Bestimmt.“, log Cassie ihrer Tochter vor, doch insgeheim hoffte sie wirklich, dass sie Recht behalten würde.
Er konnte es nicht sein. Er hatte noch am Morgen zu ihr gesagt, dass er es vor zehn nicht schaffen würde und nun war es gerade mal kurz nach acht. Er konnte es nicht sein und doch viel ihr niemand ein, der dort hätte stehen können. Es war Samstagabend. Am Samstagabend hatten nicht mal Cassies beste Freunde Zeit für sie. Einige waren sogar außerhalb der Stadt und der Rest feierte in irgendwelchen Bars oder Clubs. Die meisten waren ja auch erst Anfang 30 und keine Mütter.
Plötzlich riss ein zweites Klingeln sie erneut aus ihren Gedanken. Nun schritt sie etwas schneller zur Tür und doch betete sie, dass der Jemand vor der Tür wieder gehen würde, wenn sie sich nur Zeit ließe. Doch da war sie auch schon angekommen. Alex und Mimi beobachteten ihre Mutter noch immer. Um nicht ängstlich zu wirken, legte Cassie die Hand auf die Klinke und drückte sie langsam herunter. Und schon war die Tür offen. Cassies Herzschlag wurde wieder normal und auch ihre Angst verflog mit einem Mal. Vor der Tür stand eine junge Frau, die sich unter einer Zeitung versteckte. Sie war fast völlig durchnässt.
„Hallo, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte Cassie etwas beruhigter und schluckte den Rest Angst auch noch herunter.
„Mein Name ist Misha. Ich hab eine kleine Autopanne. Mein Wagen springt nicht mehr an. Und ich wollte fragen, ob ich bei Ihnen vielleicht mal telefonieren könnte?“, legte die Fremde los und versuchte dem Regen weiter zu entgehen.
„Ja, aber sicher. Kommen Sie herein.“, machte Cassie schnell weiter und ließ sie eintreten.
Alex und Mimi hatten sich bereits verzogen, denn es war ja nicht ihr Vater, der vor der Tür stand. Alles andere interessierte nicht, jedenfalls war es nicht so wichtig.
„Ich bin Cassie. Das Telefon ist im Wohnzimmer. Immer geradeaus.“, stellte Cassie sich nun vor und wies sie mit einer flüchtigen Handbewegung ins Wohnzimmer.
Mit schnellen Schritten war Misha auch schon verschwunden.
Cassie hätte sich ohrfeigen können. Warum war sie heute so misstrauisch und ängstlich? Irgendetwas hatte sie auf der Seele. Etwas, was nicht an die Oberfläche dringen sollte und sicher auch nicht dringen würde. Und doch tat es Cassie leid, dass sie diese Hilfe suchende Frau solange hatte warten lassen, bloß weil sie irgendwelche Hirngespinste hatte. Immerhin war diese Frau alles andere als gefährlich. Jedenfalls wirkte sie wie eine anständige, liebenswerte Frau, die von allen geliebt und verehrt wurde.
In der Zeit, in der Cassie sich selber strafte, kam Misha auch schon wieder. Sie hatte die Zeitung längst zusammengefaltet und ihr nasses Haar leicht zurückgeworfen. Sie sah etwas erschöpft aus und leicht durchgefroren. Das war Cassies Stichpunkt. Das war das einzige, was ihr einfiel, um sich zu entschuldigen, auch wenn sie nicht genau wusste, wofür. Bloß, weil sie ihr Haus beschützen wollte? Bloß, weil sie niemanden um diese Uhrzeit einlassen wollte, jetzt, da ihr Mann nicht zu Haus war? Schließlich war das doch auch normal, oder nicht? Doch das war ihr egal. Sie setzte ihr alltägliches Lächeln auf und trat näher an die Frau heran.
„Meine Schwester wird mich jeden Augenblick abholen. Danke, dass ich telefonieren durfte. Solche netten Leute gibt es ja nicht mehr so häufig.“, bedankte Misha sich und wollte schon wieder gehen, doch Cassie hielt sie auf.
„Wollen Sie nicht solange hier warten? Ich könnte Ihnen einen Tee kochen, wenn Sie möchten.“, bot sie ihr gastfreundschaftlich an und Misha nickte.
Zusammen gingen die beiden Frauen in die Küche. Cassie wies ihr einen Stuhl zu und Misha setzte sich. Schnell kamen die Frauen ins Gespräch, während Cassie Wasser aufsetzte.
„Und, was treibt Sie in diese Stadt? Wohnen Sie hier?“, fragte Cassie zuerst und setzte sich zu ihr an den Tisch.
„Ja, ich wollte ursprünglich meine Familie besuchen. Aber meine Eltern sind in den Urlaub gefahren, daher werde ich nun meiner jüngeren Schwester einen Besuch abstatten.“, erzählte Misha. „Ich hab sie schon seit Wochen nicht mehr gesehen.“
„Ja, ich weiß wie das ist. Meine Eltern wohnen auch nicht hier. Ich sehe sie ziemlich selten. Wir telefonieren zwar fast täglich, aber das wird mittlerweile auch immer schwieriger. Die Kinder nehmen mich fast völlig ein. Der eine ist in der ersten Klasse und die kleine muss in den Kindergarten gebracht werden. Darf ich fragen, ob Sie Kinder haben?“
„Oh, nein. Ich hab nicht wirklich viel übrig für Kinder. Mein Händchen gilt eher den Tieren. Ich bin Tierärztin.“, gestand Misha und lief ein wenig rot an.
„Das ist doch toll. Sie sind ja auch noch jung. Das kommt schon mit der Zeit.“
Der Wasserkessel begann zu kochen. Cassie stand auf und goss es in zwei Tassen, in die sie anschließend zwei Teebeutel hing.
Nachdem die beiden sich kurz an den Tisch gesetzt hatten und sich unterhielten, klingelte es auch schon an der Tür.
Misha stand auf, trank die Tasse in einem Zug leer und setzte ihr nettes Lächeln wieder auf.
„Ich denke, das ist meine Schwester. Ich danke Ihnen für die nette Gastfreundschaft, auch wenn sie nur von kurzer Dauer war. Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu sehr, von Ihrer Arbeit abgehalten.“, bedankte sie sich und ließ sich von Cassie zur Tür begleiten.
Als sie diese öffnete, stand eine ebenfalls sehr freundliche Person vor ihr. Sie machte einen netten Eindruck, wie ihre Schwester. Sie wirkte leicht erfreut, schien dennoch etwas in Sorge zu sein. Die Gründe kannte Cassie ja schließlich nicht.
„Guten Abend.“, sagte sie und erblickte dann auch schon Misha. „Misha, meine Liebe. Was machst du nur immer wieder?“
„Hey, Schwesterherz. Danke, das du gekommen bist.“, begrüßte auch Misha sie endlich, während sie an Cassie vorbeiging.
„Ja, was sollte ich sonst machen? Dich bei dieser netten Frau lassen, die dich hat telefonieren lassen. Was ist mit deinem Handy?“
„Vergessen!“
„Und was ist mit der Telefonkarte, die ich dir vor drei Wochen geschenkt habe?“
„Alle.“
„Und warum hast du dir noch immer kein neues Auto geleistet? Wie kannst du nur annehmen, dass diese Schrottkarre diese Tour durchhält?“
„Ich weiß es nicht. Aber lass uns das ein anderes Mal regeln.“, wimmelte Misha schnell ab und wandte sich dann erneut Cassie zu. „Und nochmals vielen Dank. Sie haben mir wirklich aus der Patsche geholfen.“
„Keine Ursache.“, antwortete Cassie gelassen und winkte ab.
Mit diesen Worten und einem letzten Abschiedslächeln ging Misha langsam zu dem Wagen ihrer Schwester, wobei diese jedoch noch kurz bei Cassie blieb.
„Ich hoffe, meine Schwester hat Ihnen nicht zu viele Umstände gemacht.“, versuchte auch sie sich noch mal zu entschuldigen, obwohl es in Cassies Augen dafür keinen Grund gab.
„Nein, wirklich nicht.“, sagte sie. „Es ist alles in Ordnung. Sie sollten nur sehen, dass sie jetzt gut nach Hause kommen.“
„Ja, das machen wir. Danke!“
Damit ging auch Mishas Schwester, stieg ein und erteilte – so sah es für Cassie aus – Misha schnell noch ein paar Lektionen.
Cassie, die es unhöflich fand, es sich mit anzusehen, schloss endlich die Tür und schnaufte tief durch. Sie war erleichtert, dass sich nicht das erfüllt hatte, was sie sich vorgestellt hat.
„Es ist alles in Ordnung.“, ermahnte sie sich. „Ich sehe wieder einmal nur Gespenster!“
Es war eine gute Minute, die Cassie so da stand, doch plötzlich klingelte es an der Tür. Nichts ahnend öffnete sie.
„Haben Sie…“, setzte sie schon an, denn sie dachte nur daran, dass Misha dort stehen würde, doch sie sah einem älteren Mann ins Gesicht, neben ihm ein junger Kerl – sie schätze ihn auf ungefähr ihr Alter, wenn auch etwas jünger – mit braunem Haar und dazu tiefbraunen Augen, die sie völlig aus der Bahn warfen.
„Miss Jones. Wir brauchen Ihre Hilfe…!“

Ich habe diese Geschichte "Vergangenheit" genannt, weil es eigentlich ausschließlich damit zutun hat. Cassie, die Hauptperson um die es sich dreht, wird mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, von der sie nichts mehr weiß...
Es ist nicht das erste Mal, dass ich eine solche Geschichte angefangen habe zu schreiben, doch ich liebe diese hier irgendwie am meisten von allen.
Mir gefällt ihr Aufbau und die Handlungen. Natürlich finde ich auch meine Charaktere gut. Ich liebe sie so, wie ich sie geschaffen habe, mit all ihren guten und negativen Eigenschaften.
Nun gut... noch einmal zur Geschichte...
Es ist das erste Kapitel und es existieren auch schon die nächsten sechs.
Wer also Interesse hat, oder wer wissen will, wie es weiter geht, der sollte dran bleiben.. !!!

Ich würde mich über Kritik und Hinweise freuen, in Punkten, die ich verbessern müsste, oder die ich gut gemacht habe.
Maria Peters, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.08.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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