Es ist kurz nach
sieben Uhr in der früh als Petrus mit seinem Schlüssel an die Himmelspforte
tritt. Mit einem Besen, kehrt er die restlichen Sterne heraus und schaltet das
Licht an, sodass der Einlass im üblich glänzenden Weiß erstrahlt. Er versucht
das Ende der Menschenschlange zu erkennen die sich vor dem Eingangsbereich der
Amor-Agentur gebildet hat, aber scheitert an den riesigen Massen. An den
Gitterstäben reichen die ersten ihre Beschwerden ein: „Petrus, die Rolltreppe
ist mal wieder kaputt. Wir mussten alle mit dem Fahrstuhl herauffahren. Und
könnt ihr mal bitte den John Paul Young aus dem Aufzug verjagen. Jetzt haut der
uns schon seit 30 Jahren sein „Love is in the air“ um die Ohren.“ Petrus
entgegnet genervt: „Wie oft soll ich es noch sagen. John Paul Young ist
unkündbar, ihr wisst doch welche großen Stücke unser Chef auf ihn hält. Und um
die Rolltreppe kümmere ich mich später.“ Der vergreiste Petrus öffnet das Tor
worauf die Massen durch die kleine Himmelspforte stürmen. Doch Petrus weist die
Neuankömmlinge auf das neue Abwicklungssystem hin: „Die mit Termin in die
rechte Schlange, die ohne bitte in die linke.“ Erst als der leicht beschwipste
Amor mit herunterhängenden Flügeln verkündet, dass es losgehen kann, werden die
ersten aus der rechten Schlange in das kleine Gebäude der Amor-Agentur
hineingelassen. Jeder von ihnen zieht seine Zahl und setzt sich auf die
bequemen Massagewolken, die im Vorraum herumschweben. „Die Nummer eins bitte“
hallt es durch das Wartezimmer. „Hallo Herr Dittmann. Wie geht es ihnen denn,
kann ich ihnen vielleicht ein Glas weißes Bier anbieten?“, begrüßt Amor den
Langzeit-amor-losen. Der rüstige Herr schildert dem übernächtigten Amor seine
Misserfolge, die er vergangen Woche hinnehmen musste: „Ja es geht so, ich hatte
letztens wieder ein paar Bewerbungsgespräche, aber leider haben die mich alle
nicht genommen. Dabei habe ich mir bei meinem Lebenslauf und bei meinem äußeren
Erscheinungsbild solche Mühe gegeben. Ich hab auch alle ihre Ratschläge
befolgt. Ich war höflich, zuvorkommend und hab den Damen auch immer Komplimente
gemacht.“ Der Engel hakt verwundert bei Herrn Dittmann nach: „Ach ja, dass kann
ich mir ja gar nicht vorstellen. Geben sie mir mal ein Beispiel.“ „Ja also, bei
der Mechthild beispielsweise hab ich ihr höflicherweise, den Stuhl hingerückt.
Zuvorkommenderweise habe ich ihr mein Stofftaschentuch angeboten, als sie
genießt hat.“ „Moment , Herr Dittmann, hatten sie das Stofftaschentuch vorher
schon einmal benutzt?“, fragt Amor den Pensionär. „Ja natürlich, dass hat mein
Großvater schon benutzt, das ist sozusagen ein Familienerbstück.“ Amor
schüttelt den Kopf und fordert Dittmann auf fortzufahren. „Na und Komplimente
hab ich ihr auch die ganze Zeit gemacht. Ich hab ihr zum Beispiel gesagt, dass
ihr künstliches Hüftgelenk fast nicht zu erkennen ist und dass ich sie dafür
bewundere, wie sie es schafft, dass ihr Gebiss so fest im Mund sitzt.“ Amor
schmunzelt einwenig in seine Flügel hinein, kehrt aber sofort wieder zum Ernst
der Lage zurück und teilt Dittmann die schlechte Nachricht mit: „Also Herr
Dittmann, ich muss ihnen leider sagen, dass sie unvermittelbar sind. In
nächster Zeit schaut es auf dem Amormarkt nicht sonderlich gut für sie aus. Die
Freudenhäuser versauen uns die Konjunktur. Aber sie brauchen nicht sonderlich
traurig sein, denn sie wissen ja, dass wir unsere Langzeit-amor-losen nicht
hängen lassen. Sie erhalten weiterhin ihr Amorlosengeld in Höhe von 350
Engeleuro pro Monat. Sie müssen immer denken, dass sie es nach ihrem Ableben
deutlich besser haben werden als die anderen. Also Herr Dittmann, lassen sie
den Kopf nicht hängen“ Amor arbeitet sich durch die Massen durch. Er bietet
einigen eine Umschulung zum Islamisten an verbunden mit den üblichen
Zwangsheiratskursen. Bei den schwer Vermittelbaren setzt Amor das letzte Mittel
ein und spendiert diesen eine Reise nach Thailand. Um punkt zwölf Uhr geht Amor
in die Mittagspause. „Was gibt’s denn heute in der Kantine, doch nicht etwa
schon wieder Götterspeise.“ fragt er seine beiden Assistentinnen. Als diese
seine Frage bejahen, stapft der Engel schlecht gelaunt zu seinem Esstisch. In
der Kantine unterhält er sich mit Petrus
über die Arbeit und schluckt widerwillig sein Mahl herunter. „Ist der Chef
eigentlich immer noch im Urlaub? Ich muss mich mal über das Essen hier
beschweren.“ fragt Amor durch die Sitzbänke hindurch, erhält aber keine
Antwort. Als er zurückgehen will wird er auf den Müll hingewiesen, den er
hinterlassen hat. „Soll sich doch der Umweltengel darum kümmern ich hab keine
Zeit“ entgegnet Amor genervt.
Die Amorlosen wollen nicht weniger werden. Doch ihn soll dies nicht kümmern. Er
hat wieder mal einen Außentermin. Er hängt sich Armbrust und Köcher um und
zupft sich seine Federn zurecht. Nach 15 minütigem Flug erreicht er sein
Ziel. Er lauert den zwei Amorlosen in einem Baum im Stadtpark auf. Er
sieht die zwei: Sie geht mit ihrem Hund spazieren und er joggt durch das
Wäldchen am anderen Ende des Parks. Amor montiert das Zielfernrohr und spannt
einen Pfeil. Er visiert den joggenden Mann an, schießt, Getroffen!
Hektisch spannt er den zweiten Pfeil ein, visiert die Frau an, schießt und
trifft den Hund. Der Vierbeiner rennt umgehend dem Läufer hinterher und vergeht
sich an dessen Bein. Mit einem Neutralisations- und einem weiteren Liebespfeil
bereinigt Amor die Situation und drückt auf den Knopf seines Hermes-Handys. Der
Götterbote schwebt von unten ran und fragt ihn was er von ihm will. „Ich hätte
eine SMS für das Materiallager. Sie sollen Pfeile nachbestellen und mir endlich
ein neues Zielfernrohr liefern.“, wirft ihm Amor an den Kopf. Gefrustet fliegt
er zu seinem nächsten Außentermin. Er liest nochmals die Akte durch: „Aha,
Nachbar und Nachbarin, das dürfte nicht so schwer sein.“ Er schaut durch das
Fenster sieht den Mann und die Frau, visiert den Mann an,
schießt Getroffen! Er ladet seine Armbrust nach, visiert die Frau an, die
dreht sich im letzten Moment um, schießt, Steckdose Getroffen. Der Mann
entblößt sich und beginnt die Steckdose zu begatten. Erneut ruft er Hermes und
befielt ihm, Petrus auszurichten, dass er den Neuankömmling Markus Meller an
der Himmelspforte abfangen und „wegen irrtümlichen Ablebens“ zurückschicken
soll. Deprimiert fliegt er zurück ins Himmelreich. Er geht zurück an seinen
Schreibtisch und schickt die restlichen Amorlosen aus seinem Büro. Für heute
ist die Amor-Agentur geschlossen. Per Eilhermes kommt das Mahnschreiben von der
Aufsichtsbehörde, das er schon erwartet hatte. Nachdem er mit seiner
Unterschrift erklärt hat, dass er derartige Ressortüberschreibungen wie im
Falle Mellers, in Zukunft unterlassen wird, sinkt Amor in seine Flügel. „Das
Amor-Geschäft ist auch nicht mehr dass, was es einmal war. Wie soll man als
Einzelner diesen Massen noch Herr werden?“ Er holt ein Glas heraus und trinkt
daraus seine Feierabendambrosia. Torkelnd geht er an den geschlossenen
Himmelspforten vorbei und sieht sich noch mal die Menschenmassen an, die auf
den Wolken campieren. Er legt sich auf seine Wolke und schläft vom Alkohol
benebelt sofort ein.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.12.2007.
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