Katja Heinrich

AugenBlicke - 5. Kapitel

Den nächsten Tag begann Alexa mit einem Vollbad und einigen Verschönerungen. Sie lackierte sich die Nägel, pflegte Haar, Gesicht und Hände, hörte chinesische Meditationsmusik und genoss die Ruhe und die langsam zurück gehenden Kopfschmerzen. Anschließend räumte sie die Wohnung auf, die sich tatsächlich in chaotischen Zuständen befand.
 
Am späten Nachmittag rief eine ehemalige Studienkollegin an, um zu fragen, ob sie schon etwas  für den Abend geplant hätte. Sie hieß Petra und wohnte schräg gegenüber.
„Eigentlich wollte ich mir einen gemütlichen Fernsehabend machen, aber lass mal hören, was hast du denn in Petto?“ Petra hatte immer interessante Vorschläge zu bieten.
„Heute Abend ist Revival Evening an der Uni, kommst du mit? Es sind viele von uns da. Thomas kommt, Editha hat zugesagt und Luca wollte auch mit seiner neuen Freundin vorbeischauen. Ach Lex, komm doch mit.“
Petra nannte sie bei ihren Spitznamen aus der Studienzeit. Er war aufgrund des damaligen Superman - Serien - Fanatismus entstanden, der zu dieser Zeit von ihrem Freundeskreis gepflegt wurde. Der Gegenspieler von Superman hieß Lex Luther, irgendwie kam dann auf, den Namen für Alexa zu verwenden. Von da ab hieß sie unter ihren Kommilitonen Lex.
„Hat der schon wieder eine neue? Das gibt es doch gar nicht“, antwortete Alexa, „der hat einen Verschleiß, das ist echt abgefahren. Gut ich komme mit, Lucas neue Freundin ist Grund genug. Die schau ich mir an.“
Weil Petra noch etwas erledigen musste, verabredeten sie sich für acht Uhr an der Mensa, von dort aus wollten sie gemeinsam zur Aula laufen, in der die Party stattfand.
Nachdem Alexa sich aufgerüscht hatte, schnappte sie sich gegen sieben Autoschlüssel und Mantel, löschte das Licht in der Wohnung und ging zum Auto. Als sie die Tür aufschloss, hatte sie für einen Augenblick das Gefühl, beobachtet zu werden, aber als sie sich umdrehte, war niemand zu sehen.
Hysterische Schriftstellerziege, mit der Phantasie kriegst du noch den Nobelpreis, schimpfte sie sich selber.
 
Es wurde ein gelungener Abend.
Seit dem Magister - Examen vor knapp einem Jahr, versammelte sich nun endlich einmal wieder die gesamte Clique. Mittlerweile waren aus den verrückten jungen Studenten berufstätige Menschen geworden, die nur noch sehr selten Gelegenheit hatten sich zu treffen.
Lucas Neue war wirklich klasse, sie trug enorm zur heiteren Stimmung des Abends bei und verstand nicht, dass sie selbst der Grund der Erheiterung war. Luca versuchte sie zu verteidigen, doch er scheiterte an einer Lachsalve, die seine Erklärungen überdröhnte. Es war typisch für ihn: die Frau hatte lange Haare, lange Beine, und eine lange Leitung, eine tolle Figur, Traummaße und ein hübsches Gesicht, was dahinter steckte oder vielmehr nicht steckte, das fiel ihm regelmäßig zu spät auf. Er schien einfach immer in dieselbe Schublade Frauen zu greifen.
„Hey, Lex, du machst dich rar bei uns.“ Von hinten umfassten sie zwei Arme. Editha.
„Ich musste mein Buch zu Ende bringen. Ich war im Terminstress und dann gab es auch noch Komplikationen beim Druck.“ Entschuldigend hob Alexa die Schultern.
„Alles faule Ausreden, du bist dir zu gut für uns“ zog Editha sie auf. „Komm, ich will dir meine Freundin vorstellen, hast dich ja lange genug davor gedrückt.“
„Bild dir nur keine Schwachheiten ein, ich bin schon lange neugierig auf die tolle Frau, die dich so an der Angel hat.“ Editha war seit einem viertel Jahr mit einer neuen Flamme liiert. Normalerweise kein Kind von Traurigkeit und nicht unbedingt eine Verfechterin von Treue und Monogamie, schien sie dieser Frau völlig zu verfallen. Soweit Alexa wusste, arbeiteten sie im gleichen Verlag.
„So, das ist Mascha“ strahlend stellte Editha ihre Freundin vor. Sie war ein wenig älter als die anderen. Alexa schätzte sie auf Mitte dreißig. Sie strahlte Wärme und Freundlichkeit aus als sie sie begrüßte: „Hallo, Alexa, ich freue mich, dass wir uns endlich kennen lernen, Editha erzählt immer soviel von dir.“ 
„Au weh,“ antwortete Alexa lachend, „hoffentlich nur gutes?“
„Nein, ich erzähle ihr von den Abgründen deiner schwarzen Seele und dass du dich nachts bei Vollmond in einen reißenden Werwolf verwandelst.“ Editha kniff Alexa in den Oberarm.
„Aua. Na dann bist du ja einmal in deinem Leben bei der Wahrheit geblieben.“
„Lex, hallo, Lex Luther, Traum meiner schlaflosen Nächte, wie schön dich zu sehen.“ Vom anderen Ende der Aula kam Thomas herbei, um sie fest an sich zu drücken. „Oh heimliche Geliebte, du Aphrodisiakum meiner Sinne.“ Er inspizierte Alexa kurz. „Du bist noch schöner geworden.“
„Das liegt daran, dass wir uns lange nicht gesehen haben“ stichelte Alexa.
„Du bist gemein. Immer wenn ich mit Komplimenten um mich werfe, blockst du ab“ maulte Thomas. „Und außerdem, wieso sind deine Haare wieder schwarz? Wo sind die schönen roten Feuerlocken geblieben?“
„Man sollte irgendwann anfangen erwachsen zu werden“ erklärte sie. „Ich kann doch nicht ewig mit knallroten Haaren herumrennen. Weißt du, die Leute nehmen einen nicht mehr so ernst. Außerdem fand ich, meine Haare sind nach drei Jahren färben strapaziert genug. Jetzt ist Schluss damit.“
„Spießerin, Lex Luther wird langweilig......... Aua.“ Alexa zog ihn am Ohr.
„Ich gebe dir langweilig, mein Freund.“ Sie zog ihn hinter sich her.    
„Oh, ja, tu mir weh“ flehte Thomas und fiel grinsend vor ihr auf die Knie.
„Du bist ein blöder Hund, steh auf, die Leute gucken schon.“ Unbemerkt war ein weiterer Studienkollege hinzugetreten, Roman. Er vertrat schon während des Studiums immer die konservativsten Ansichten, gehörte aber trotzdem zur Clique. Mittlerweile arbeitete er als Dozent an der Uni. Der Job passte zu ihm.
„Hallo Roman,“ begrüßte ihn Alexa, „wie geht es dir? Was macht die Doktorarbeit?“
„Nimmt langsam Formen an. Ich habe nur zu wenig Zeit; die Stelle als Dozent hier erfordert mehr Aufwand als ich vermutete.“ Roman sprach mal wieder in seiner ihm eigenen druckreifen Form.
Alle anderen trieben während des Studiums die dollsten Späße, nur Roman arbeitete immer hart und wurde irgendwie vom Rest mitgezogen.
„Aber um das Thema zu wechseln: dein neues Buch ist gerade erschienen oder irre ich mich?“  fuhr er fort.
„Nein, Du irrst nicht.“
„Leider war es mir noch nicht möglich, es zu lesen. Aber es bietet sicher wieder einen interessanten Stoff“ vermutete Roman.    
„Wenn du das sagst!“ Thomas mischte sich in das Gespräch ein. „Können wir jetzt bitte etwas weniger ernst sein, wäre dir das möglich, bester Freund?“ wendete sich er belustigt an Roman. „Das hier ist eine Party und nicht das literarische Quartett, Herr Romanicki.“
„Kommt, Leute, wir feiern unser Wiedersehen. Ach, schaut mal, wer da wieder hereinschneit: Luca mit seiner Tussi.“ Editha lachte. „Die ist doch echt Eintritt wert.......Oh, und seht mal Petra hat sich von den Jünglingen losreißen können.“ unterbrach sie sich selbst.
Petra schlenderte gemächlich auf das Grüppchen zu.
„Na, ihr Lästerschnecken, seid ihr wieder besonders gemein?“ fragte sie. 
Petra und Alexa hatten sich beim hereinkommen getrennt, da Petra gleich von zwei jungen Kerlen in Beschlag genommen wurde. Diese Macke fiel bei Petra mit dem Studienbeginn zusammen und sie schleppte während des gesamten Studiums ständig jüngere Typen an.
„Natürlich, wir sprachen nämlich über deinen Adonis. Läuft da was?“ neckte Thomas sie.
„Wenn es etwas gibt, das dich interessiert, wirst du umgehend vom mir informiert“  erklärte sie.
Editha und ihre Freundin tanzten eng umschlungen. Alexa schaute ihnen versonnen dabei zu.
„Scheint etwas ernstes zu sein“  flüsterte Thomas ihr leise zu. „Ich wünsche es ihr jedenfalls. Editha hat sich lange genug die Hörner abgestoßen.“
„Ja,“ erwiderte Alexa, „Mascha scheint in Ordnung zu sein. Sie sieht klasse aus, sie hat eine tolle Ausstrahlung, findest du nicht?“
„Hm.“
„Nur bin ich nicht so begeistert davon, dass die beiden zusammen arbeiten. Das geht doch meistens schief. Was meinst du?“ 
„Tja, hoffentlich nicht. Komm, lass uns tanzen.“
Alexa drückte Roman schnell ihre Tasche in die Hand, die sich dabei öffnete und sämtliche Schlüssel, Tempos und anderen Dinge auf den Fußboden leerte. Alexa machte Anstalten sich zu bücken, aber Roman hielt sie zurück.
„Geht ihr nur tanzen, ich kümmere mich schon darum.“
„Danke. Lieb von dir.“ Mit einer flüchtigen Kusshand für Roman entschwand sie auf der Tanzfläche, während Roman sich bückte, um den Inhalt ihrer Tasche vom Boden aufzuheben.
Die Musik wurde rhythmischer. Alexa legte mit Thomas einen heißen Schritt auf das Parkett.
Am Anfang des Studiums hatten die beiden eine kurze, heftige Affäre gehabt, sich aber bald in Freundschaft getrennt. Trotzdem flirteten sie noch immer gerne miteinander.
Luca und seine neue Flamme verabschiedeten sich mittlerweile. Sie fühlte sich sichtlich unwohl in der eingeschworenen Gemeinschaft der Clique, mit deren Insider-Scherzen sie nichts anfangen konnte.
„Lange dauert die Sache nicht“ unkte Mascha. „Ich kenne zwar beide nur flüchtig, aber dass die nicht zusammen passen, sieht ein Blinder.“
„Nur Luca mal wieder nicht“ schallte es einstimmig aus mehreren Mündern.
 
 
Als Alexa spät in der Nacht nach Hause kam, brannte in ihrer Wohnung Licht.
Da ist jemand eingebrochen, dachte sie und schnappte Taschenlämpchen und K. O. Spray aus ihrer Handtasche. Leise schloss Alexa die Haustür auf, und horchte ins Treppenhaus, sie hörte jedoch nichts. Ohne Licht ging sie mit klopfendem Herzen die Treppe hoch zu ihrer Wohnung im ersten Stock und beleuchtete vorsichtig die Tür. Aber da war nichts zu sehen - überhaupt nichts. Sie war zu, kein Kratzer - nichts.
Mit angehaltenem Atem und starr vor Anspannung schloss sie die Wohnungstür auf und horchte in den dunklen Flur. Aus der angelehnten Küchentür drang ein Lichtstrahl, zu hören war auch hier nichts. Vorsichtig betrat sie den Flur, schaute leise in jedes Zimmer, hinter jede Tür, bis sie die Küchentür erreichte.
Alexa schaute durch den Schlitz in die Küche - niemand da. Sie war völlig allein in ihrer Wohnung.
Alles stand an seinem Platz, nichts war geklaut.
Ich habe  wohl den Lichtschalter nicht richtig erwischt. So eine Aufregung mitten in der Nacht. Und das nach so einem schönen Abend. Puh, ich bin nur froh, dass es meine eigene Unfähigkeit war und nicht irgendein Einbrecher. Das hätte mir jetzt noch gefehlt so kurz vor der Reise. Wohnung ausgeräumt und die ganzen Scherereien und die Rennerei zur Polizei und sonstwohin. Uah, was bin ich kaputt. Ab ins kuschelige Bettchen.
Todmüde zog sie sich aus und fiel auf ihr Bett. Alexa schlief sofort ein und träumte von der Party, von Roman und Thomas, Petra und ihren Jungs und davon wie Mascha und Editha verliebt getanzt hatten.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.01.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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