Jens Roscher

Punk!!!

 

...hallt es wieder durch die krummen Gassen der Zwergenstadt mit dem großen Maul. Auch die aufmerksame Heimatzeitung hat es liebevoll angekündigt: „Am Samstag spielt im JUZ eine Musikformation aus dem Ruhrgebiet, die sich auch der Bergbautradition verschrieben hat. Von ihren Fans werden sie liebevoll Dödel & Gerocks genannt“. Schon seit Freitag war bei „Mc Geiz“ das Haarspray vergriffen und die ersten Iros tummelten sich mit Frühstücksbier auf dem samstagsvormittäglichen Gemüsemarkt. Während sich´s die Punks bei „Sternburg- Sprudel“ am Fuße des Historienbrunnens mit steinerner Klöppeldame bequem machten, betrieb auch die kahlköpfige „Sternquell“- Fraktion ihre Spielvorbereitung an den Pforten der Stadtsparkasse. Ziel dieser Horde würde heute aber glücklicherweise ein Match des FC Erz-Au-Wei außerhalb von Zwergtown sein. Wir können sie deshalb getrost aus dieser Geschichte fallen lassen.
 Ab 14.00 werden im Stadtpark kräftig Flaschen zerdroschen, seit die Punkerei wieder auf „Pulle Bier“ umgestiegen ist, weiß die Städtereinigungsbranche die Vorteile einer kinderleicht einsammelbaren umweltfeindlichen Büchse zu schätzen. Die weiblichen Buntfrisuren picksen derweil schnell ein paar Löcher in Mamis schwarze Strumpfhose. Für den wahren Pogo scheint die Sonne im Moment noch ein bisschen zu derb. Aber der Getränke ist kein Mangel und aller Viertelstunde reist eine neue Dorffraktion Punks an. Das Ganze mutet von weiten sehr gefährlich an, näher betrachtet ähneln manche Jünglinge aber doch eher Tabaluga. 
 Ab Acht bekommt der Kassierer im JUZ dann Stress. Die kleenen Punker werfen eine Handvoll Eintrittsgeld hin: „Ey, zähl e mal! Das müssten 8 Euro sei(n)“ Damit wollen sie dem Vertreter der JUZ-Finanzwelt suggerieren, sie hätten dieses Geld am Anger von Kuhdorf, in dem es mittlerweile auch Punkrocker gibt, geschnorrt. In Wahrheit haben die jungen Helden diese Kleingeldkohle mit der Pinzette heimlich aus der von Vati verwalteten Sparbüchse geangelt. Gleichzeitig tobt der beliebte Wettbewerb, wer die meisten Bierpullen am Einlaßjugendlichen vorbeigeschmuggelt bekommt. Bis die lokale Vorband ihr Bühnenchaos beginnt, verleiht der kleene Punker seiner Ungeduld Ausdruck: Raus aus dem Club – Schauen – Rein in den Club – sich zeigen – Raus aus dem Club- bißchen Rumgröhlen – Rein in den Club- ... Auf diese Art verkürzt sich die Halbwertszeit der an sich solide gebauten Einlaßtür um ein Vielfaches. Regelmäßig muß natürlich auch nach „Faschos“ Ausschau gehalten werden, die sich nüchtern betrachtet hüten werden, der Punkerhorde heute unter die Augen zu treten. Aber die sind sowieso noch beim Fußball.
 Nun fangen die „Sittenstrolche“ aus Kuhdorf an, ihre Gitarrensaiten zu traktieren. In der ersten Reihe fallen deren Klassenkameradinnen zwischen den Bierflaschen in eine erste Sauf- Ohnmacht. Der Sänger von Dödel & Gerocks steht im Hintergrund, lacht und erinnert sich – den jungen Bühnenhelden zuprostend – an seine ersten Gitarrenattentate. „Zugabe, Zugaben, Zugaben -ben!“ Höflich fragen die „Sittenstrolche“ den JUZ Schlüsselbund- & Verantwortungsträger, ob „´se noch ´een dürfen“. ´Hm, unvermeidbar´ und so werden zwei der fünf beherrschten Songs nochmal zum Vortrage gebracht. Dann ist aber Schluß. Ehe alle ins Biernirvana fallen, muß „Dödel & Gerocks“ auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Gut das deren Anführer „Nilli Nucher“ der Rente deutlich näher ist, als den Wurzeln des Punk. Nach 10 Saufsongs, einigen „Oi!oi!ois!“ und noch drei „Hoch lebe der Punk“ Zugabenliedern ist der akustische Spuk vorbei. Ersten Analysen des „Ordnungsjugendlichen“ zufolge gibt es heute lediglich eine angebrochene Nase, zwei kleine Schnittwunden und ein verstauchtes Bein. Zwischen Bierlachen, zerdepperten Flaschen und liegengebliebenen „Tänzern“ suchen die ersten Pogohelden auf dem Fußboden nach den Resten ihrer Brillen, Portemonaises und Klamotten. Bei eventueller Identifizierung des zerdepperten Eigentums holt man sich bei der Sozialtante des Hauses noch schnell eine Bestätigung für die Versicherung um dann geschwind zu Vatis Automobil zu gelangen. Denn der wartet seit einer geschlagenen Stunde mit seinem „Komataxi“ vor den Toren und beobachtet das illustre Treiben. Er schwankt in seiner Gefühlswelt zwischen seliger Erinnerung an seine (nicht ganz so) aufregende Jugend und nackter Angst.
 Für die, die noch stehen können beginnt jetzt die beliebte Jagd nach vergessenen Gläsern: „Becherpfand“. Findige Punker lassen sich das Pfand gleich in Centstücken auszahlen, um zum nächsten Konzert am Einlaß gleich wieder „geschnorrtes Geld“ vortäuschen zu können. Gegen Vier kommt es zum Finale: Die in allen Ecken schnarchenden Restpunker sind zu wecken, auf Klamottenvollständigkeit zu überprüfen und dann Richtung Bahnhof in Marsch zu setzen. 4.30 Uhr bringt sie der Frühzug aus der Wildnis zurück in ihre Metropolen. Dem JUZ Team bleibt es am Folgetag vorbehalten, 150kg Müll zu entsorgen, verbliebene Handys, Sparkassenkarten und Rucksäcke gerecht zu verteilen und einiges Mobiliar zu ersetzen. Die anliegenden Strassen reinigt der Regen bis zum nächsten Punkkonzert, darum gibt’s das auch nur einmal im Monat.
 Was Punk überhaupt ist? Hat hier jemand vergessen von Musik zu sprechen ...  

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.05.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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