Hans Pürstner

INRI 2.0 Teil 8

Zwölf Jahre danach, in Tabgha, einem kleinen Ort am See Genezareth.

In einem bunten Menschengewirr von Touristen aus der ganzern Welt lassen sich Yousef und Mirjam treiben, gefolgt von Joshua, ihrem Sohn.

"Wo ist denn nun dieser Sathya Baba, der Guru aus Indien?" quengelte er, " Ich kann es kaum erwarten ihn zu sehen. Im Traum hat mein göttlicher Vater mir aufgetragen, ihn so bald wie möglich zu besuchen!"

Yousef blickte irritiert zu seiner Frau, sagte aber nichts. Immer öfter verblüffte ihn Joshua inzwischen mit teils altklugen bis hin zu religiös verfärbten Aussprüchen.

"Verstehst du das, Mirjam?" brummelte er, "Wir haben ihn doch ganz normal erzogen. Gut, er musste ohne Geschwister aufwachsen, aber woher hat er bloß diese Sachen?"

Mirjam zuckte nur mit den Schultern und nahm ihren Sohn liebevoll in den Arm.

"Heute nachmittag um fünf Uhr treffen wir ihn in dem kleinen Cafe neben dem Busbahnhof, Joshua, dann kannst du ihn endlich kennen lernen. Was meinst du eigentlich mit deinem göttlichen Vater? Dein Vater steht doch neben dir!"

"Ich weiß, Mutter, ich liebe ihn ja auch. Aber irgendetwas in mir sagt mir, dass ich etwas Besonderes bin. Gestern haben sich meine beiden besten Freunde beim Fußballspielen geprügelt. Ich wollte den Streit schlichten und bin zu den Beiden hingegangen, da gaben sie sich plötzlich die Hand zur Entschuldigung. Ohne dass ich auch nur ein einziges Wort gesagt hatte!"

Yousef schüttelte ungläubig den Kopf, und forderte sie auf weiterzugehen. Er hatte gerade das Schaufenster eines kleinen Möbelgeschäftes auf der anderen Straßenseite entdeckt zog die beiden förmlich darauf zu. "Ist das nicht ein ungewöhnlich aufwändiger Einlegetisch, Mirjam? Da steckt unendlich viel Arbeit und exaktes handwerkliches Können dahinter!"

Gütig bejahte seine Ehefrau dessen Frage. "Du bist halt doch mit Leib und Seele Tischler, was Yousef? Viel lieber würdest du auch solche hübschen Möbel bauen. Dass du jetzt als Hausmeister in einem Appartmenthaus arbeiten musst, fällt dir bestimmt schwer. Aber wie sollen wir sonst über die Runden kommen?"

Sie bemerkten, dass Joshua in dem kleinen Laden verschwunden war. Kurze Zeit später kam er mit dem Inhaber im Schlepptau heraus und stellte ihn seinem Vater vor. "Das ist Mister Greenbaum, er kommt aus Leeds in Großbritannien. Ein Kunde von ihm möchte einen kleinen Tisch mit Intarsien die den Sternenhimmel abbilden sollen. Ich habe ihm gesagt, dass du so etwas machen könntest!"

"Der Kunde zahlt gut, ich wäre so froh, wenn Sie diesen Auftrag übernehmen könnten!" sagte der Ladenbesitzer und schüttelte Yousef dabei die Hand. Dieser war noch völlig perplex ob des ungewöhnlichen Angebots und erbat sich Bedenkzeit.

Er gab ihm einen Tag Zeit sich die Sache zu überlegen und reichte ihm seine Visitenkarte mit der Mobilfunknummer. Danach zogen sie weiter.

"Mann, hab ich einen Hunger!", meinte Joshua und sah dabei seine Eltern fragend an. "Wie wär´s mit einem Besuch bei Burgeranch?" antwortete sein Vater und feixte. Seit er mit drei oder vier Jahren einmal zugeschaut hatte, wie ein Lamm für das Ostermahl geschlachtet wurde, rührte Joshua keinen Bissen Fleisch mehr an. "Ich möchte nicht, dass ein Tier getötet wird, nur um meinen Hunger zu stillen", war seine stereotype Antwort gewesen auf alle Versuche von Yousef und seiner Mutter, ihn doch noch zu einem Stück Braten zu überreden.

Seither hatten sie es aufgegeben und halt mehr Gemüse und Salate auf den Tisch gebracht, so dass auch er satt werden konnte. Yousef störte das gar nicht so sehr, konnte er doch dadurch eine größere Portion vom Festtagsbraten abbekommen. Ansonsten wurde ohnehin nicht viel Fleisch gegessen.

Man beschloss sich im Imbiss eine Portion Falafel für jeden zu holen und bald ging es frisch gestärkt weiter.

Nach einiger Zeit hatten sie das kleine Cafe erreicht wo sie sich mit Sathya Baba treffen wollten.

Schon beim Eintreten bemerkten sie den süßlichen Geruch von Räucherstäbchen, die in einer Vase am Tisch des Meisters vor sich hin qualmten. Eine seiner Jüngerinnen, in einen grünen Sari gehüllt fragte die Ankommenden nach ihrem Namen.

"Yousef, ist mein Name, ich komme aus Kiryat Ata. Das ist Joshua, mein Sohn und Miryam, meine Frau!"

"Joshua, mein Junge, bist du nicht derjenige, der sich mit den Souvenirverkäufern vor der Kote, der Klagemauer in Jerusalem, angelegt hat?"

"Ja, der bin ich", antwortete der Junge ganz ernst. "Ich fand das unmöglich, die ganzen Touristen mit ihren klickenden und blitzenden Kameras, an diesem heiligen Ort. Und die Händler unterstützen dies auch noch, nur um Geld zu verdienen. Ich habe einem besonders penetranten Händler einfach seinen Postkartenständer umgeschmissen und bin wieder gegangen. Er rief nach der Polizei, aber am Ende haben sie uns gehen lassen ohne Anzeige!"

"Er macht uns schon Sorgen manchmal!", seufzte Yousef und verdrehte genervt die Augen. Der Guru sah ihm tief in die Augen und meinte "Du solltest lieber stolz auf ihn sein, er wird noch so einiges bewegen in diesem Land. Er ist dazu vorgesehen, den uralten Streit der Juden und Palästinenser zu beenden. Das haben mir meine Mittelsmänner berichtet!"

Ungläubig blickte Yousef ihn an, "So etwas hab ich schon mal gehört von ein paar Journalisten kurz nach seiner Geburt. Die hat man extra zu uns geschickt nach Kiryat Ata. Wer denkt sich bloß solche Geschichten aus?"

"Kommt heute Abend zum Hammam Ayub, dem Bad des Ijob. Dort werde ich euch und den anderen Pilgern etwas erzählen. Die Geschichte meiner Erleuchtung. Und anschließend werde ich jedem die Stirn benetzen mit dem Wasser aus der dortigen Quelle.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.03.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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