Mark Galsworthy

Platanenallee










„Was das für Bälle sind ? 
Das sind Früchte mein Junge.
 Ja, auch ganz normale
Straßenbäume  tragen Früchte, nur tragen
sie sie nicht für uns.“

 
„Das ist ein Platane, Blätter wie ein?  
Richtig Ahorn ! Und Früchte  wie eine Eiskugel, die
auf den Rasen fiel.
 Ohne Früchte und
Blätter erkennst Du sie am sich nackig machenden Stamm!“

 
Mein Enkel schaut mich fragend an, und ich halte diesen Ball
in meiner Hand und reise zurück.
Zurück aufs  Land, zu
jener Platanenallee, die zu dem alten Gutshof führte.
Auf der Allee lagen in jedem Herbst  so viele Früchte herum, daß wir Jungen sie
links und rechts in den Straßengraben kickten.
Es war aber nicht Herbst, es war Frühjahr, und es sproß kein
Maigrün, sondern es hagelte Eisen, es waren die Endzuckungen des
tausendjährigen Reiches.
Mein Bruder Michael lag nicht weit entfernt als HJ-Helfer mit seiner Panzerfaust  und seinen Kameraden der Realschule  im Straßengraben, statt sonst  auf meiner Cousine Silke.
In dieser Zeit war uns jungen Leuten so ziemlich alles egal,
die Olympiade war vorüber, der Krieg verloren, und wir wollten nur eins, leben
!
Diese Bällchen rollten auf der Straße hin und her.
Unsere Schule schloß wegen „Feindbeschusses“ , und ich hatte
eigentlich keine Aktionen mehr erwartet.
 Doch wie der Fluch
der bösen Tat, folgte ein Fliegerangriff, der mich in den Straßengraben hechten
ließ.
Es waren viele lange Minuten, in denen  mein Kopf dort steckte, wo sonst die
Platanenfrüchte keimten.
Motorengeräusche holten mich ins Jetzt zurück.
 Es waren 3
Kräder  der Feldgendarmerie.
Kaum, daß sie standen, sprangen die  Führer aus ihren Beiwagen und stürmten in das Gutshaus am Ende der Platanenallee.
Dort war seit 2 Monaten ein Stab der Wehrmacht stationiert,
der die Aufgabe hatte, die Rheinbrücken zu bewachen.
Nun, da der Krieg sein gefräßiges Haupt gen Boden neigen
mußte, hatten die Wehrmachtsoffiziere, im Glauben auf das baldige Ende des
Schlachtens, versucht die Zivilbevölkerung zu schonen.
Um so  mehr
überraschte mich das Feuer aus den Waffen und vor allem, daß Wehrmacht auf Wehrmacht schoß.
Am nächsten Tag war Ruhe in der Platanenalle. 
Die Bäume standen treu und fest wie immer , nur daß einige
Offiziere, die bis dato treu und fest zum Führer standen, ziemlich fest gehenkt  an ihren Hälsen, die
Tragfähigkeit der Platanen testeten.
Ich nahm die obskure Parade der Hingerichteten ab und
wunderte mich ob manches Ritterkreuzes, das unter dem  Strick von Heldenhaftigkeit schwätzte.
Das war also das Heldentum, für das uns unser HJ-Führer
begeistern wollte. Getötete Helden machten Platz für noch zu tötende.
Mir wird übel. Nicht von den Kugeln in meiner Hand, sondern
von der Erinnerung an diese Allee in ihrer schlimmsten Zeit.
Ich nehme meinen Enkel in meine Arme, und er versteht  nicht, warum ich weine.
Wann wird man je versteh ’n ? 

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