Nina Almer

Nichts kann uns trennen



Nichts kann uns trennen – nicht mal der Tod

Ich erzähle euch heute nicht irgendeine Geschichte, keine von Helden, oder jene die gerne welche sein würden.
Nein – meine ist aus dem Leben gegriffen, etwas das jeder von euch einmal miterleben wird.
Das, von dem wir nie wissen, wann und wo es uns ereilen wird. Etwas, das wir erst fürchten, aber später oft mit Erwartung herbeihoffen.

Aber gut, um euch nicht weiter warten zu lassen, werde ich beginnen und zwar dort wo wirklich alles begann.

Ich erblickte vor langer Zeit das Licht der Welt. Alles war so neu und aufregend für mich.
Um mich herum wirbelnden tausend fremde Gerüche durch den Raum – helle Lichter blendeten meine noch kaum geöffneten Augen. Ich nahm Stimmen wahr, die oft fremd und beängstigend waren, kuschelte mich dann aber immer fest in das warme und flauschige Fell meiner Mutter, die mich immer tröstend und liebevoll ableckte.
So oft hatte ich mir gewünscht, es könnte ewig so bleiben.
Doch ich wuchs und entwickelte mich zu einem stattlichen Hund.
Aber mit dieser Entwicklung lernte ich auch die schlechten Seiten des „Hund-Seins“ kennen, und auch die Menschen gaben mir selten die Liebe, auf die ich so gewartet und gehofft hatte.
Und so kam es auch, dass ich ziemlich jung in einem Heim für Tiere landete.
Um mich herum wimmelte es nur so von jungen, alten, gesunden, kranken, lebhaften und auch ruhigeren, aber letztendlich alles herrenlosen Hunden.
Wir hatten jeder etwas Auslauf und nette Menschen die sich um uns kümmerten, doch trotzdem fehlte uns etwas.
Immer wieder kamen Menschen, oft auch Kinder, die an unseren Käfigen vorbeigingen und den einen oder anderen mitnahmen, manchmal auch welche die einen neuen Hund abgaben, und oft kauerten diese tagelang in einer Ecke und brachten keinen Bissen runter.
Wie oft hatte ich mir gewünscht, die Türe würde nun endlich auch für mich aufgehen, und jemand würde auch mich zeigen.
Aber immer wenn jemand an meinem Käfig vorbeikam, hörte ich nur, dass ich wohl ein schwieriger Fall wäre und man doch lieber einen ruhigeren Hund aussuchen sollte, der in eine Familie passen würde.
Mein Herz wurde furchtbar schwer an solchen Tagen und ich hatte die Hoffnung beinahe aufgegeben, als sich doch eines Tages die Türe erneut öffnete.
Eine junge Frau mit feuerroten Haaren und blauen Augen lächelte mich liebevoll an. Wieder hörte ich von der Dame im Heim, dass ich noch ziemlich jung und wild wäre, und nicht gerade einfach zu handhaben. Doch die die junge Frau streichelte mich liebevoll und lies nicht locker. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen, als sie die Leine holte und mich mich mitnahm! Ich durfte endlich hier raus.
Von nun an begann also ein neuer Lebensabschnitt für mich!
Tausende neue Hände streichelten mich, man kümmerte sich liebevoll, richtete mir mein Essen, machte mir einen Schlafplatz und sorgte für mich.
Alles war neu für mich, alles war so fremd und ungewohnt und trotzdem fühlte ich mich von der ersten Sekunde an wohl in meinem neuen Zuhause.
Nur hin und wieder, wenn jemand laut wurde, oder schnell die Hand hob, zuckte ich aus Reflex noch zusammen. Doch ich wusste: Hier konnte mir nichts mehr passieren – hier war ich sicher! Hier war ich ENDLICH zu H A U S E!

Es folgten lange Spaziergänge, an Plätze die so schön waren, das mein Herz oft Purzelbäume schlug und mein Frauchen oft nicht mehr mithalten konnte, weil ich vor lauter Aufregung in rasendem Tempo Wiesen und Wälder durchquerte und alles beschnupperte was noch fremd und unbekannt war.
Ich genoss jede Minute und jede Sekunde die ich erleben durfte.
Mein Frauchen wurde zu meiner besten Freundin und ich zu ihrem treusten Begleiter und Weggefährten.
Ich durfte sie überall begleiten, durfte stets an ihrer Seite sein und freute mich schon, wenn sie nur das Halsband von der Garderobe nahm.
Ich lernte Berge kennen, die so hoch waren, dass man die halbe Welt von ihnen erblicken konnte, Wiesen und Wälder, die vor Lebendigkeit strotzten und Seen die so grün und klar waren, dass man sich daran spiegeln konnte. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich so etwas jemals zu Gesicht bekomme.
Abends durfte ich neben ihr auf der Couch schlafen, wo sie stets meinen Kopf zärtlich graulte.
Später kam auch ein junger Mann in unsere Familie, der fortan viel Zeit mit mir verbrachte.
Jahre vergingen, wo man mit mir auch Berge wanderte, wo man dem Himmel immer ein Stückchen näher war, und Flüsse und Seen, in denen ich stundenlang badete, bis ich schlussendlich fror, sodass ich richtig zitterte als wir nach Hause kamen. Doch zu jeder Zeit trocknete man mich immer wieder mit solcher Liebe ab, wärmte und streichelte mich und richtete mir mein Essen, das ich immer genüsslich verschlang.
Oh ja – ich fühlte mich richtig pudelwohl in meinem Zuhause.
Jedes Jahr zu Weihnachten legte man mir etwas Leckeres unter einem hell erleuchteten Baum, der mir bis zum Schluss trotzdem etwas unheimlich blieb.
Manchmal war ich krank und meine Familie musste mich zum Arzt bringen und umsorgte mich, bis ich wieder wirklich gesund war.
Hätte ich nur sprechen können, ich hätte ihnen gesagt wie dankbar ich für das alles war.
So konnte ich es nur zeigen, indem ich mich zärtlich an mein Frauchen schmiegte und ihr die Hände ableckte, wenn ich merkte, dass es ihr nicht gut ging, oder sie Schmerzen hatte.
Aber ich denke, sie haben mich verstanden, und wussten, dass dies meine Art von Dankbarkeit war.
So verging die Zeit und ich wurde älter, bis es letztendlich Weihnachten war. Ich wurde krank, meine Lunge funktionierte nicht mehr richtig und ich wusste damals schon, dass meine Zeit gekommen war.
Doch mein Frauchen kämpfte um mich, wollte mich einfach noch nicht loslassen und ich wusste, dass ich sie noch nicht alleine lassen konnte.
Aber ich wurde immer schwächer, hatte kaum noch Kraft, auf den Beinen zu bleiben, und man merkte mir an, dass es langsam zu Ende ging.
Ich konnte einfach nicht mehr, und wartete bis mein Frauchen und mein Herrchen auf Urlaub fuhr. Ich wollte ihnen viel Schmerz und Kummer ersparen.
Ich genoss die letzten Tage meines Lebens in vollen Zügen, ging noch schwimmen, holte Stöckchen, legte mich in die warme Sommersonne und hielt noch ein letztes Mal meine Nase in den Wind um all die herrlichen Düfte dieser Welt noch einmal auf mich einwirken zu lassen.
Oft saß ich einfach nur da und lies die schönen Momente noch einmal revü-pasieren.
Ach du schöne Welt, wie weh tut es doch zu gehen.
Mein letzter Tag war also gekommen, ich spürte wie mein Frauchen in der Nähe war. Ich hörte noch ihre Tochter mit ihr telefonieren und sagen, dass wir uns schon auf sie freuen würden, wenn sie wieder zu Hause war.
Es war sonnig und der leichte Wind war so angenehm auf meinem Fell.
Mein Atem war heftig – ich wusste es war soweit.
Ich bat die Tochter meines Frauchens um einen letzten Wunsch – ich wollte von euch gehen, wo es immer am Schönsten war, dort wo mein Frauchen und ich unsere Seele baumeln ließen,
an jenen Ort wo die Engel ruhten.
Als könnte sie meine Gedanken lesen, hielt sie an dem Staudamm, dessen kleiner Bach mir immer Abkühlung gespendet hatte. All diese Bilder, die in Sekunden durch meinen Kopf schossen, all die Erinnerungen an dieses schöne Leben, wie machen sie einen das Loslassen doch schwer.
Die Türen zwischen zwei Welten öffneten sich mir, ein neues Leben, das meinem Schmerz und langem Leiden endlich ein Ende bereiten sollte, stand vor mir.
Und doch fällt es einem so schwer, diesen Schritt zu gehen. All das was man liebt, das einem das Leben so bereichert hat zurückzulassen, füllte mich mit unendlicher Traurigkeit.
Ich wollte euch doch nicht alleine lassen, wollte noch nicht so früh von euch gehen.
Doch ich hatte nicht die Macht, diese Entscheidung zu treffen.
Ich hatte lange genug gekämpft, war müde geworden.
Es war der einzige Weg und ich wusste, dass ich ihn beschreiten musste.


Wie ferngesteuert lief ich dem Ufer des Baches entgegen, dort wo mein Frauchen immer mit mir saß, dort wo für mich einfach der schönste Platz dieser Welt war.
Ich lief und lief, und mit jedem Schritt merkte ich, wie meine Beine schwächer wurden, wie mein Herz langsamer schlug und der Boden unter mir nachgab.
Ich sah uns beide dort sitzen, hörte wie fröhlich sie lachte und ich im Wasser planschte, während die warme Sommersonne uns wärmte.
Meine Atemzüge verlangsamten sich und ein wohliges Gefühl ging durch meinen Körper.
So war es also, wenn das Leben zu Ende ging.
Ich hörte noch ein Auto kommen, hörte die Stimme meines Frauchens und meines Herrchens.
Ich sah, wie mein lebloser Körper da lag, wie ihr mich verzweifelt umarmt habt, ich sah eure Tränen und fühlte euren Schmerz.
Wie gerne hätte ich euch in diesen Wochen noch einmal zum Trost über die Hände geleckt, mich noch einmal an euch gekuschelt – euch einfach euren Schmerz genommen.
Doch ich war bei euch, hab gesehen wie ihr mich zu Grabe getragen habt, war dabei als mein Frauchen zu jenem Bach ging um ihrem Kummer freien Lauf zu geben.
Ich war immer da, sah wie sie geweint hat, sah wie sehr ich ihr fehlte.
Ich weiß wie groß der Schmerz ist, jemanden zu verlieren, den man liebt, mein Leben erzählt eine Geschichte, die schöner nicht hätte sein können. Von zwei Seelen, die sich in der Dunkelheit des Lebens gesucht haben, um ein Licht zu bringen, das uns beiden geleuchtet hat.
Und Seelen sterben nicht.
Wir werden uns irgendwann wiederfinden – du wirst in meine Augen sehen, denn dort liegt das Licht, das uns vor vielen Jahren den Weg geleuchtet hat.

In ewiger Liebe & tiefer Verbundenheit

Marco



Ich möchte diese Geschichte meiner Mutter widmen und natürlich Marco, der uns ein halbes Leben lang begleitet hat. Und dieser tiefen Verbundenheit, dieser zwei Seelen, wie ich es zuvor nie gesehen hatte. Ihr habt viel Glück in unser Leben gebracht, viele schöne Augenblicke, die ich nie vergessen werde. Du wirst immer ein Teil von uns sein – denn Liebe geht über den Tod hinaus!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.09.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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