Jürgen Malodisdach

Die Bimmelguste

Die Bimmelguste wäre heute cool

 

Das würde sie bestimmt sein. Als Touristenattraktion pfeifend und schnaufend durch den Spreewald zu ruckeln und zu zuckeln.

Da ist nicht nur Blumenpflücken während der Fahrt nicht erlaubt, auch wenn das Bähnchen mal mitten auf der Strecke in der urwüchsigen Natur des Spreewaldes stehen bleiben sollte.

Vielleicht war das Wasser alle oder die Kohle. Oder an einer Ausweichstelle mußte ein Wagon an gehangen oder abgekoppelt werden. Oder der Schaffner mußte mal ganz schnell müssen.

Es gab ungeahnte Gründe für diesen Umstand.

Tiere standen vielleicht auf dem Gleis oder ein besoffener oder sonst wie verhinderter Bauer mit seinem Ochsengespann ist genau auf einem Wegübergang stehen geblieben.

Da gibt es die tollsten Geschichten. Leider läßt sich nichts mehr wiederholen. Alle Gleise und Zubehör wurden entfernt. Die Bahnhöfe mit ihren zum Teil hübschen Anlagen sind heute in Privatbesitz oder abgerissen. Die Streckenführung ist kaum noch zu erkennen.

Nur die alteingesessenen Bewohner dieses schönen Landstriches werden sich vielleicht an den Streckenverlauf erinnern und was der Staat der damaligen DDR für Gründe für die totale Stilllegung dieser Kleinbahnstrecke hatte.

Nichts desto trotz, auch wir und öfter auch ich benutzten dieses Gefährt.

 

Es klingelte an der Wohnungstür. Einer öffnet und begrüßte einen Jungen. Wir kennen ihn. Ein Sohn von Familie B., dem Inhaber der gleichnamigen Gaststätte in unserer Nähe, nur ein km entfernt.

Der Einzige mit einem Telefon und Fahrrad. Das Telefon und die Gaststätte wurde bei Bedarf von vielen Anwohnern benutzt. War deshalb Treffpunkt zum Plausch beim dünnen Nachkriegsbier.

Der Junge überbrachte eine kurze Mitteilung von unserem Vater. Der war zur Zeit nicht nur Gast bei den Schwiegereltern im Spreewald. Half dort mit seinen Armen auf dem Bauernhof mit. Eben alles was so zu tun war.

Es war Winteranfang aber nicht kalt und trotzdem schneelos . Er war damit beschäftigt Holz zu hacken und zu sägen. Zuhause hatte er ja keine Arbeit und so unterstützte er die Familie von Mutti. Bekam dafür Verpflegung und für uns etliche Eßwaren mit eingepackt, wenn er wieder zurück fahren würde.

War eine große Hilfe zum Überleben in dieser Zeit.

Der Junge sagte zu uns, er solle schöne Grüße von Vater ausrichten und der Große, also ich, solle unbedingt auch zu den Schwiegereltern kommen. Bitte sofort, es wäre wichtig und es würde eine schöne Überraschung für mich geben. Das war alles.

Also machte ich mich auf den Weg, am nächsten Tag. Da sowie Schulferien waren, gab es keine Probleme. Ein kleiner Rucksack mit etwas Wäsche für mich und ein paar Briketts waren da drin. Briketts, wird jeder fragen ? Na klar, ich wußte warum.

Auch für die Kleinbahn, genannt Bimmelguste, brauchte man einen Fahrschein. Der Km-Preis damals war acht Pfennige. Als Kind sogar nur die Hälfte. Das wären also Achtzig Pfennige gewesen.

Die hatte ich zwar von Mutti bekommen, ich könne sie aber sparen. Dafür mit Briketts bezahlen. Der Grund war Folgender.

Die Wagons der Bahn waren äußerst primitiv, mit einfachen Holzbänken und deshalb im Winter hundekalt. Aber jeder Wagen hatte in der Mitte so einen großen uralten Kanonenofen.

Die Bahner heizten ihn nicht, hatten gar kein Material dafür. Dafür sollen die Fahrgäste selber sorgen, also heizen.

Wer das wußte und die Stammfahrgäste wußten das, brachte etwas zum Feuern mit und brauchte dafür weniger oder wie ich, gar kein Fahrgeld bezahlen. Das waren Zeiten damals.

Ich machte mich auf den Weg. Den kannte ich zur Genüge.

Zu Fuß ging ich zur Endhaltestelle, dem Spreewaldbahnhof. Eine halbe Stunde Fußweg, ich hätte ja auch mit der Straßenbahn fahren können.

Aber erstens kostete das auch fünfzehn Pfennige und zweitens mußte ich trotzdem ein ganzes Stück laufen, weil die Bahn nicht direkt zum Bahnhof fuhr und nicht schneller war als ich gelaufen bin. Die fuhr nämlich Umwege und machte auch noch eine längere Pause am Altmarkt, weil sich da mehrere Bahnen trafen zum Umsteigen für die Fahrgäste.

Also was soll das , ich laufe. Der Zug stand schon da , die Wagen waren mäßig besetzt.

Den Schaffner kannte ich vom Sehen. Grüßte freundlich und gab ihm die Kohlen. Damit war unser Vertrag geschlossen und ich rein auf die Holzbank schön dicht am Ofen , der bullerte schon so angenehm vor sich hin. Noch war es warm. Wenn die Bimmelguste aber los fuhr, wurde es mit jedem Kilometer kälter.

Der Wind pfiff durch viele Ritzen. Die Türen gingen oft auf, da ja Leute ein-und ausstiegen. Es gab doch etliche Bahnhöfe und sonstiges Halten zum Rangieren bis nach Burg, meinem Ziel.

Burg-Dorf, mein Ziel war , wenn auch nach reichlich Bimmelgustenzeit, erreicht. Ein hübscher Bahnhofskomplex, steht heute noch, wenn auch ohne Schienen.

Aussteigen war angesagt. Außer mir machten das noch viele andere Reisende. Vor Allem Bewohner des Ortes aber auch Besucher des Spreewaldes.

Denn Burg war so etwas wie ein Zentrum dieser Gegend. Größer als die anderen Dörfer und mit einem anderen Image.

Hier gab es eine Kahnanlegestelle von der sich Besucher in einem Spreewaldkahn samt Fährmann gemütlich durch die Gegend schippern lassen konnten.

So wurden sie sicher durch die Flußläufe gestakt. War immer viel Spaß dabei. Na klar kostete das auch ein kleines bißchen etwas . Gegenüber zu heute waren die Preise aber sehr human. Geschichten wurden erzählt, deren Inhalte oft die Märchen und Sagen dieser Gegend waren. Und natürlich viel Witziges machte die Runde.

Für mich war das jetzt ohne Bedeutung. Ich hatte noch ein paar km Wege vor mir. Fahrzeuge, egal welcher Art, gab es nicht. Wenn nicht gerade mal ein Bauer mit einem Ochsengespann daher kam, von dem man mitgenommen werden konnte, konnte man sich nur auf seine Beine verlassen.

Machte mir nichts aus. Übrigens gab es damals kaum Pferde. Das waren schon Luxusgüter, die sich kaum jemand leisten konnte.

Die Strecke kannte ich aus dem FF. erst kam ein Stück Landstraße durch Burg-Dorf. Einige Leute liefen vor mir. Als die Straße einen scharfen Knick nach Links machte, gingen alle Spaziergänger nach Rechts. Aber mit Politik hatte das nichts zu tun.

Dieser , jetzt Trampelpfad führte vorbei an abgeernteten Feldern. Hier standen nur noch die Heu – und Strohschober als Reservefutter für die Tiere. Denn Kühe und andere Tiere brauchen auch im Winter etwas zum Fressen.

Ich kannte diese Wege als Abkürzungen auch. Immer wieder mußte man Fließe überqueren. Kennt wohl jeder von Bildern. Brücken , die wie ein Rundbogen den Wanderer übers Wasser halfen. Außerdem gab es etliche Wehre mit kleinen Staustufen, damit die Kahnfahrer besser über die Schwellen kommen können.

Das muß man alles mal gesehen haben, existiert heute auch noch . So ging es weiter durch Burg – Kolonie in Richtung Burg – Kauper. Dahin wollte ich.

Ich hätte auch unterwegs auf einem Hof anklopfen können und niemand wäre ungehalten gewesen von den Anwohnern. Wir waren ja bekannt, hatten viele Onkels und Tanten mit ihren Familien auf deren Höfen.

Das Problem war nur für mich, ich wäre bei einem Besuch nicht gleich wieder fort gelassen worden und ich mußte doch wie vereinbart zu einem bestimmten Ziel. Wurde ja erwartet.

Irgendwann waren die Feldwege beendet und der Rest des Weges ging nun als Abzweig von der befestigten Landstraße in die Dorfstraße über. Der Unterschied war damals frappierend. Es war nun nur noch eine von fest getrockneten Sand- und Lehmfurchen durchzogene Landschaft. Bei Regenwetter war hier alles ein Matsch und eine Pampe.

Wenn die schweren Ochsenkarren sich hier durch wühlten , bildeten sich jede Menge Spurrinnen. Die trockneten bei Wärme wieder aus und wurden dann zu herrlich harten Stolperrinnen. Es war schon beinahe eine Kunst, ohne Schaden zu nehmen, hier lang zu laufen. Ich ging nun das letzte Stück über diese Holperpiste. Sah alsbald die Gebäude meiner Tanten und Onkel und sah dann auch den ersten Begrüßungsfreund auf mich zu kommen.

Es war Prinz, mein freundlicher zotteliger Vierbeiner. Der Hofhund, was für eine Rasse konnte wohl niemand sagen. Groß wie ein Schäferhund aber breiter, kräftiger. Mit ein paar Pfoten, die einem Löwen zur Ehre gereicht hätten.

Bestürmte mich zur Begrüßung überschwänglich. Ich habe ihn nie böse oder gefährlich erlebt. Kann mir aber vorstellen, daß Fremde von seiner Statur so beeindruckt waren, daß sie ihm lieber aus dem Wege gehen würden.

Das war wohl auch so beabsichtigt. In etlichen Jahren habe ich mehrere Hunde kennen gelernt, denn keiner lebt ja ewig. Aber alle hießen Prinz.

So, wie alle Katzen des Hofes Minka hießen. Ist einfacher so, meinten meine Tanten, Onkels und alle Familienmitglieder. Naja, jeder hat sein Hobby, sage ich heute.

Es gab eine sehr freundliche Begrüßung aller Anwesenden. Vater hatte seine Holzhackertätigkeit unterbrochen und erzählte mir viele Neuigkeiten.

Die Wichtigste war aber was er sagte , ab Morgen wird hier ein Schlachtfest gefeiert. Ein paar Tage lang. Ich sah ihn etwas seltsam an. Konnte mir nicht so recht vorstellen, was das sein soll.

 

Was ist das, ein Schlachtfest ?

 

Später erzähle ich mehr davon

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.11.2019. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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