Brigitte Waldner

Wer war die Frau?


Ich merke es,
dass ich öfters beobachtet werde,
wenn ich mit Hund auf Auslauf gehe,
nachmittags um fünf und später,
von den Komplizen des Räubers,
die in meiner Nachbarschaft wohnen,
und von den Räubern persönlich.
Einer der jüngeren Komplizen stand
auf seiner neu errichteten Dachgalerie;
als ich vorbei ging, nahm er sein Handy in die Hand.
Er verfolgte mich, so lange ich ihn sehen konnte,
wenn ich zurückschaute,
immer noch sein Handy in der Hand.
Wenn ich zurückkomme, steht er noch dort.
Sobald ich ihn sehen kann und er mich,
nimmt er wieder sein Handy in die Hand
und informiert jemanden,
jetzt kommt sie wieder.
Gehört habe ich es nicht, weil ich noch zu weit weg war,
aber seine Augen lassen von mir nicht ab.
Sie verfolgen mich wie ein Leibwächter
Mit dem Handy in der Hand.
Er ist halb so alt wie ich. Das kann nicht Liebe sein,
und er hat eine getrennte Partnerin mit Kind
und eine neue Freundin mit Hund.
Er ist überhaupt nicht mein Typ.
Aber er ist nie unhöflich zu mir.
Wir grüßen uns nur, wenn ich vorbeigehe.

Einmal, als ich gute fünf Minuten von daheim weg war,
nördlich etwa dort, wo das Bächlein fließt,
kam von hinten eine Frau nach,
weil mein Hund ja nur sehr langsam geht
und an jedem Grasbüschel sorgfältig schnuppert.
Die überraschte Frau sagte:
„Du bist hier, ich habe dich aber gerade
beim Vorbeigehen bei dir zu Hause gesehen.
Wie geht denn das?“
Keine Ahnung, ich war auch überrascht
und wusste nicht, was ich sagen sollte.
Irgendwas werde ich wohl erwidert haben.
Daraufhin sie:
„Hast du Besuch?“
Ich: „Nein, ich habe keinen Besuch hier.“
Sie: „Hast Du Handwerker.“
Ich: „Nein, das habe ich nicht.“
Sie: „Freilich hast du Handwerker,
Da sind ein paar Leute hineingegangen, die machen dort etwas.
Die sind durch deinen Garten gegangen und hinter dein Haus.
Die machen dort etwas.“
Ich: „Was machen sie?“
Sie: „Sie haben hinter deinem Haus eine große Platte genommen
und machen etwas mit ihr.“

Ich habe die Frau gefragt, wie sie heißt,
ich kenne sie nicht,
aber sie ist offensichtlich aus unserem Oberdorf,
weil sie in diese Richtung ging und mich kennt.
Sie hat mich per Du angesprochen,
und möglicherweise ist sie auch jünger als ich,
oder in meinem Alter,
oder ich konnte sie nicht einschätzen.
Meine Frage nach ihrem Namen überging sie
und lenkte mit irgendwas ab.
Es ist mir schon aufgefallen,
dass es viele Leute gibt, die nicht wissen, wie sie heißen.
Die Namenlose verübelte es mir,
nicht zugeben zu wollen, Handwerker zu haben,

Sie warf mir vor: „Warum lügst du, warum sagst nicht, dass du Handwerker hast?
Warum willst du das nicht sagen?“
Ich hatte keine Handwerker.
Ich fühlte mich persönlich angegriffen, beleidigt und verschaukelt.
In war schockiert und nicht in der Lage,
an Räuber zu denken und sie vermutlich auch nicht.
Als ich einfach weitergehen wollte,
sagte sie abschließend noch:
„Du solltest lieber heimgehen, du hast Besuch.“
Ich fragte sie, ob die Polizei dort ist.
Sie sagte: „Die solltest DU rufen.“ Die Betonung lag auf dem DU.
Ich ging heim, als ich dachte,
sie wollte einfach nicht, dass ich mit ihr gemeinsam den Weg fortsetze,
obwohl mein Hund ohnedies nicht so schnell gehen würde, wie sie.

Zuhause habe ich die „Handwerker“ auf frischer Tat erwischt,
es waren die nächsten Nachbarn, meine Räuber,
sie haben mir eine Metall-Wellprofilplatte, verzinkt,
zwei Meter lang und fast einen Meter breit,
begehbar, Steinschlag- und Hagel sicher,
ein Millimeter dick und sehr, sehr schwer,
hinten auf dem Schleichweg weggetragen.
In meinen Garten hineingegangen sind sie von vorne
von der Straße. Das hat die Dame gesagt.
Es ist nicht die erste Platte, die sie mir geklaut haben.
Es dürfte die vierte sein, nach meinem Dafürhalten.
Der Diebstahl der anderen drei ist schon etwas länger her.
Sie verschwanden nach und nach innerhalb der letzten 20 Jahre.

Eine solche wertvolle Platte ist heute nicht mehr erhältlich.
Meine Platten sind 40 bis 50 Jahre alt und wurden zum Eindecken
der Kellerstiegenüberdachung montiert.
Einige Platten hatten wir zur Abdeckung des 10 m langen Holzstapels,
als wir noch mit Holz heizten, vor der Öl-Zentralheizung.
Heute gibt es nur mehr Eternitplatten für 100 Euro das Stück
plus Kosten für die Zustellung.
Bei den Metallplatten besteht Blitzschlaggefahr!
Wenn das der Nachbar wüsste, er hat ein altes Holzhaus,
an das er angebaut hat.

Die Nachbarn hatten sich zum Diebstahl Arbeitsmäntel angezogen,
dass man sie nicht erkennt und meint, sie wären Handwerker.
Das ist der Grund, warum Diebe auch Arbeitsmäntel stehlen.
Siegfried, der Onkel meiner Räubernachbarn,
klaute seinerzeit gemeinsam mit seinen Freunden Arbeitsmäntel,
wo sie doch keiner rechten Arbeit nachgehen wollten
und man wunderte sich, warum.
Zur Tarnung brauchen sie die Mäntel
und dass sie nicht schmutzig werden, bei ihrer schmutzigen Arbeit.

Wer war die Frau, die Zeugin dieser Tat wurde,
wo aus meinem Garten eine große Platte entwendet wurde?
Ich kenne die Frau nicht, aber sie mich. Wer war die Frau?

Als ich meine Räubernachbarn darauf ansprach,
sie sollen mir meine wertvolle Platte bitte sofort zurückgeben,
drohte mir der Senior-Nachbar damit,
dass er mich beseitigen lassen werde
und meine Katzen werde er beseitigen.
Sein Sohn sagte: "Und jetzt erst recht!"
Ich habe gesagt: „Gerhard, Rudi, bitte gebt mir meine Platte zurück,
die ihr von mir ergattert habt, während ich auf Hundauslauf war."
Später habe ich geweint. Sie sahen es nicht.
Seit acht Monaten warte ich darauf. Ich brauche diese Platte.
Vor Ostern wollten sie von mir eine weitere Metall-Wellprofilplatte entwenden.
Ich fand sie bereits losgelöst am Stiegengeländer vor,
einfach hingelehnt, wie zum Diebstahl abholbereit.
Vom Holzstapel haben sie mir grüne Abdeckplanen heruntergerissen und entwendet,
womit sie die Platte dann einwickeln, bevor sie sie illegal wegtragen.

Es ist unglaublich, was ich für Nachbarn habe,
den Teufel persönlich, der kein Mitleid kennt,
eiskalt handelt und alles leugnet.
Ich bin froh, dass ich sehr gut erzogen bin.
Meine Nachbarn sind von deren Eltern zum Stehlen erzogen.
Das geht schon so über viele Generationen.
Bei Siegfried hat man immer gesagt,
er könne ja nichts dafür, er wurde zum Stehlen erzogen,
er wurde zum Verbrecher gemacht.
Eigentlich müsste man die Eltern einsperren.
So ist das auch bei meinen Nachbarn nicht anders,
sie kommen ja aus derselben Verwandtschaft
und haben dieselben Roma- oder Sintiwurzeln.
Ich kenne hier auch andere Roma und Sinti,
die ein anständiges Leben führen und so etwas
niemals machen würden.

© Brigitte Waldner

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.04.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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