Brigitte Waldner

Roter Achat, Bergkristall, Amazonit, Unakit und Amethyst

Heute habe ich meine Friseurinnen
mit Modeschmuck verwöhnt,
mit natürlichen Edelsteinen.
Die Chefin suchte sich den Bergkristall aus,
der Dame, die meine Haare schnitt,
dass ich wie ein Engel aussehe,
mit lauter kurzen hellen Locken,
gefiel der Amethyst,
die Dame, bei der ich den Termin hatte,
die sonst meine Haare schnitt,
war heute im Krankenstand,
für sie hatte ich ein Achatarmband
und einen Herzanhänger dabei
in einem sehr schönen Stoffsackerl.
Sie sollten sich aussuchen, was jeder gefiel,
und die vierte Kette, die übrig bleibt,
der Dame ins Sackerl stecken, die im Krankenstand ist.


Ich hatte jede Kette einzeln in ein transparentes
weißes Sackerl gesteckt.
+
Ich hatte vier Anhänger samt Kette dabei,
für die vier dort beschäftigten Damen.
Sie machten es anders,
zuerst suchte die Chefin aus,
dann die Dame, die mir die Haare schnitt,
dann wählten sie eine Kette für die Dame im Krankenstand, mit Onakit-Anhänger,
die ohnedies schon das Achatarmband und den Herzanhänger bekommt.
Dem Lehrmädchen, eine große, starke junge Dame,
die sich gerne in Schwarz kleidet und dunkel schminkt,
schoben sie den hellgrünen Amazonit mit den weißen Einschlüssen zu,
der wohl offensichtlich niemandem so recht gefiel.
Sie wollte sich lieber den braun-grünen Unakit nehmen,
aber sie sagten zu ihr, sie müsse den Amazonit nehmen.
Damit hatte sie den wertvollsten Stein,
er hatte von all den Steinen am meisten gekostet.
Man sieht ihm das nicht an, wenn man kein Experte ist.
Das Lehrmädchen war nicht glücklich damit.
+
Ich habe mich auch nicht zu sagen getraut,
dass sie eh den wertvollsten Stein
der hier zur Auswahl stehenden Steine, hatte,
Made in China, versteht sich,
das ist 40 bis 60 Prozent günstiger als bei uns,
ich habe Großhandelspreise bezahlt.
Das muss ich ja nicht sagen.
Woher kommen die Schmuckstücke bei uns?
Auch aus China, nur erfährt man das nicht,
und am Preis sieht man das ebensowenig.
+
Jeden 10. Friseurbesuch bekommt man kostenlos,
mit dem locken sie die Kunden an.
Vor mir war eine Geschäftsfrau dran,
die das 10. Mal da war, und wurde gratis bedient.
Sie habe dafür 30 Euro Trinkgeld gegeben, hörte ich sagen..
Ich weiß nicht, wie hoch ihre Rechnung war.
Eine Geschäftsfrau kann sich das leisten,
sie kann ja wieder ihre Kunden abzocken,
und außerdem geht sie häufiger zum Friseur als ich.
Ich gehe nur dreimal im Jahr.
Ich war heute schon das 12. Mal dort,
das verteilt sich aber über Jahre.
+
Im Juni sagte mir die Friseurin,
dass ich es diesmal im Herbst gratis habe.
Ich dachte mir damals, das könnte ich ja nicht annehmen,
deswegen hatte ich vor, 10 Euro Trinkgeld zu geben
und den Modeschmuck mit den natürlichen Edelsteinen,
die ja als Heilsteine und Chakra-Steine verkauft werden.
Ich habe den Friseurbesuch heute aber wieder nicht gratis bekommen
und noch nie, warum auch?
Die Angestellte hat die Chefin gefragt, wie sie es machen soll,
meine Karte, in der das vermerkt wird, ist voll,
die Chefin sagte: „Nein, da machen wir nichts,
gib ihr eine neue Karte und wirf die alte weg.“
In der neuen Karte steht wieder,
dass der 10. Besuch gratis ist.
Ich frage mich, wofür sie das dort hinschreiben,
wenn es dann nur ausgewählte Personen bekommen,
wie Geschäftsfrauen und Männer, die im Flirten gut sind.
+
So war das. Die Geschäftsfrau wurde gratis bedient
und ich nicht. Ich habe mir kurz überlegt,
soll ich die Geschenke abgeben oder nicht?
Immerhin haben sie ihr Versprechen nicht gehalten.
Aber dann habe ich mir binnen Sekunden gedacht,
wenn es daheim liegt, kommt der Räuber und klaut den Modeschmuck
aus dem Schrank für seine falschen und übergewichtigen Frauen,
das kann ich nicht ertragen,
und denen vergönne ich den Schmuck nicht.
Er war im Gesamtwert von 17 Euro.
Ich habe für Haare trocken schneiden und dann anfeuchten und kneten
beim Föhnen, damit recht viele Naturlocken hineingehen,
Euro 27,50 bezahlt. Das ist ja nicht viel und doch um 8,50 Euro mehr
als in 2019, wo ich das erste Mal dorthin ging,
aber die Chefin schon kannte von ihrer vorherigen Arbeitsstelle.
+
Ich habe zuerst bezahlt und dann erst  gesagt, ich habe für Sie alle Modeschmuck-Geschenke
mitgebracht und dann habe ich sie gegeben.
Na ja, vielleicht haben sie sich gefreut.
Vielleicht war es ihnen auch zu billig.
Ich hatte der Dame, die mir die Haare schnitt,
5 Euro Trinkgeld gegeben.
Es schien, es war ihr zu wenig.
Dem Lehrmädchen, das nur meine Haare vom Boden aufkehrte,
und mir ein Getränk angeboten hatte, das ich aber prinzipiell ablehne,
habe ich sonst zwei Euro Trinkgeld gegeben,
diesmal aber nichts, weil sie eh den Schmuck bekam.
Ihr Amazonit-Anhänger war genau gleich groß wie der Amethyst,
und er hat auch den gleichen Schliff und gleich ausgesehen,
nur dass er hellgrün mit weißen Einschlüssen war,
aber auf dem Foto ist er nicht drauf, sondern ein kleinerer Amazonit,
als Platzhalter oder Stellvertreter, weil ich den ursprünglich geben wollte,
aber später dann umentschieden habe.
+
Ein Amazonit ist generell grünlich bis bläulich und gehört zu den wichtigsten Heilsteinen.
Er steht für Ausgeglichenheit, Lebensfreude, Unruhe, Toleranz, Geduld.
Er sollte naturbelassen auf bloßer Haut getragen werden.
Das Schmuckstück ist auf heller Bekleidung unauffällig,
auf dunkler sieht es gut aus.
Ich möchte dem Lehrmädchen das nächste Mal etwas anderes mitbringen,
und es ihr selber geben, damit sie es sicher bekommt,
womit sie eine Freude hat. Jugendliche sind sehr anspruchsvoll,
nicht einmal das Bessere ist gut genug.
Es ist nicht mein Problem, wie die das Aussuchen gehandhabt haben,
es war von mir nicht so geplant.

Text und Foto: © Brigitte Waldner

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.10.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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