Katja Baumgärtner

Die stille Nacht

Die stille Nacht

 

 

Drei Tage vor Weihnachten. Die Weihnachtsvorbereitungen sind auf Hochtouren. Alles Wichtige ist gemacht. Kleinigkeiten verfeinern das Fest. Tannenbaum geschmückt, Weihnachtsplätzchen gebacken, die letzten Weihnachtsdekorationen werden angebracht. Weihnachtstischdecken zieren den Tisch. Teeleuchten stehen auf eine Platte mit Ziersteinen.

Es fängt an zu schneien. Schnee hoch und höher werdend.

Mama!“ Katharina schubst ihre Mutter an. „Schau mal aus dem Fenster. Das wird eine weiße Weihnacht dieses Jahr. Yieppi!“ Mama freut sich ebenfalls und stimmt das Lied „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ an. Katharina singt mit und lächelt dabei. Die Stimmung wird immer feierlicher. Endspurt!

Es schneit und schneit. Die Schneeflocken fallen leise auf die Straßen, Wiesen und Felder. Der Schnee bleibt liegen und zwar überall. Die Sträucher füllen sich mit Schnee. Die Zweige hängen von dem vielen Schnee herunter. Morgen muss Katharina das Trottoir frei schippen.

Das Heidekraut ist natürlich mit Schnee bedeckt. Die junge Frau befreit es von der Schneemasse. Hinter dem Haus sieht man eine weiße Schneelandschaft. Die Weinberghäuser schauen nur noch heraus. Die Dächer der Häuser sehen weiß bemalt aus. Rauch steigt von den Kaminen der Dächer den Himmel empor. „Mama, ich baue einen Schneemann und eine Schneemannfrau hinter unserem Haus. Dann sind wir nicht so allein!“ „Bist du nicht müde vom vielen Schippen?“ Ihre Tochter verneint.

Katharina ist noch ohne Partner und ist 50 Jahre alt. Ihre Mutter Gertrud ist dieses Jahr 85 geworden.

Nachdem die beiden Figuren stehen, setzt Katharina dem Schneemann einen Hut von ihrem verstorbenen Vater auf und nennt ihn Erni. Der Schneemannfrau setzt sie eine alte,dicke Mütze auf den Kopf. Sie bekommt den Namen Klara. Sie bekommt zwei Brüste und beide – Ernie und Klara tragen einen Schal und in der Hand haben beide einen Besen. Die Augen und den Mund macht Katharina aus Kieselsteinen und in der Mitte als Nase eine Karotte. Die Karotten braucht Katharina für die Gänseschenkelsoße, aber zwei Karotten sind locker zu entbehren.

Gertrud lacht bei den Anblick der Schneemänner. Der Tag neigt sich. Es wird dunkel. „Rein jetzt, Katharina. Sonst liegst du an Weihnachten noch im Bett!“ und schon ist Katharina im Haus und wärmt sich mit einem Entspannungsbad. Danach kocht sie sich Weihnachtstee mit Zimt und Anis und trinkt ihn. Schneemann und Schneemannfrau stehen verlassen im Garten und freuen sich zu leben und dass morgen die heilige Nacht endlich ist.

Am nächsten Tag ist Heilig Abend. Eine ersehnte Weihnachtskarte kommt nicht von dem Mann Michael für Katharina. Es werden nur noch die Gänseschenkel für den ersten Weihnachtsfeiertag zu bereitet. Katharina übernimmt diese Arbeit. Der Feuermelder geht von der heißen Gasflamme an, und Gertrud erschreckt sich deswegen, da ihre Tochter ja gerade kocht. Dann lachen beide. Das Pfeifen beruhigt sich wieder, nachdem das Fenster geöffnet wird. Es ist kalte Luft in die Küche gezogen. Dann ist es endlich fünf Uhr abends. Die stille Nacht naht. Es dunkelt. Der Tannenbaum wird beleuchtet. Weihnachtskugeln glänzen im künstlichen Kerzenlicht. Lametta schmücken den Tannenbaum und geben den Baum den letzten Schliff. Selbstgemachte Perlensterne in Silber, Gold und Rot verzieren den Baum. Sie sind das reinste Kunstwerk. Einige sind größer, andere sind kleiner.

Unter dem Baum befindet sich eine kleine Krippe, holzgeschnitzt. Die Bescherung folgt. Katharina erhält ein feines Armkettchen aus Weißgold und Cyrkoniasteinen. Zu mehr reicht es nicht. Ihre Mutter hat eine kleine Rente. Doch es ist gewiss nicht wenig, findet Katharina. Die junge Frau überreicht ihrer Mutter ein Parfüm. Diese probiert es gleich aus und es riecht erfrischend. Nachdem Katharina das Kettchen um den Arm hat, geht sie auf ihre Mutter zu und gibt ihr einen Kuss auf die Wange und bedankt sich mit einer liebevollen Umarmung.

Dann kommt das klassische Weihnachtskonzert von Katharina. Sie spielt Klavier. Es wird Mozart, Tschaikowsky und Schumann improvisiert. Das Konzert endet mit „Guten Abend, gute Nacht“ von Brahms. Von ihrer Mutter bekommt sie dafür heftigen Applaus. „Du bist eine richtige kleine Künstlerin!“ und sie umarmt ihr kleines Kathrinchen. Katharina freut sich und lacht hell.

Die junge Frau hat danach das Essen in den Ofen gestellt. Es gibt Toastbrot, was sie schon am späten Nachmittag zubereitet hatte. Die Silberbestecke werden heute benutzt.

Geziert sind die Teller mit Stoffservietten. Im Hintergrund erklingen vom CD-Player Weihnachtslieder wie „Stille Nacht“ und „Oh, du fröhliche“. Dann setzen sich Katharina und Gertrud auf die Couch und schauen eine Weihnachtssendung moderiert von Carmen Nebel an. Auch im Fernsehen ist alles feierlich. Die Sängerinnen und Sänger im Fernsehen sind festlich angezogen. Auch Katharina und ihre Mutter Gertrud sind heute schick gekleidet. In die Familienchristmette gehen sie nicht, Katharinas` Mama kann schlecht laufen und nicht gut auf der harten Kirchenbank sitzen.

Die Stimmung ist ruhig. Es klappt alles wie Katharina es sich wünscht und es kommt noch etwas Schönes zu ihrer Überraschung. Als sie aus den Fenster schauen, sehen sie ein rotbraunes Eichhörnchen vorbei springen. „Mama, es ist heute Weihnachten! Wollen wir dem Eichhörnchen etwas von unseren Walnüssen geben?“ Die Mutter stimmt zu.

Gertrud sah das Eichhörnchen schon öfter durch ihren Garten streifen. Katharina bekommt es zum ersten Mal zu Gesicht. Es erinnert beide an Katharinas Geburt, als die Mutter damals aus dem Fenster des Krankenhauses schaute und ein rotbraunes Eichhörnchen von Ast zu Ast sprang. Dick eingehüllt geht ihre Tochter mit einer handvoll Walnußstückchen heraus. Sie hat Mütze und Schal an. Als sie die Haustür heraus geht, sieht sie die Nachbarskinder unter dem Weihnachtsbaum spielen. Katharina sieht strahlende Kinder und die zufriedenen Eltern. Überall ist die Atmosphäre feierlich und andächtig wie bei ihnen, nur dass Katharina keinen Nachwuchs hat. Katharina hat nicht einmal einen Mann! Nachdem Katharina wieder ins Haus geht, fragt sie ihre Mutter „Er kommt nicht mehr, stimmt´s, Mama!“

Ich weiß es nicht, Katharina!“ antwortet die Mutter unsicher und beide gehen gemeinsam an die offene Fenstertür und sehen Ernie und Klara in aller Stille im Garten stehen. Katharina scheint sie beide ihre Hände nehmen zu sehen, doch das täuscht, zumal sie aus Schnee sind und sowieso alles weiß ist. Streit wegen Katharinas` Liebe gibt es keinen wie die Mutter erwartet. Ernie und Klara stehen neben einem kleinen beleuchteten Tannenbäumchen und genießen die Stille wie Katharina und Gertrud, die sich dann umdrehen und sich ins Bett legen. Zurück bleiben der Schneemann Ernie und die Schneemannfrau Klara draußen hinter dem Haus und schauen zufrieden drein. Die Nacht ist unheimlich ruhig. Es ist eine stille Nacht heute gewesen – für Gertrud, Katharina, für Ernie und Klara, nicht zu vergessen für das Eichhörnchen, und alle Leute legen sich irgendwann schlafen und alles ist ruhig auf der ganzen Welt. Auch die Panzer und Gewehre streiken. Es wird nicht geschossen und es scheint, die Engel oben im Himmel singen, zu hören im Chor. Jedes Jahr kehrt die Stille Nacht wieder überall auf der Welt ein. Es muss einmal im Jahr so eine heilige, stille Nacht geben, die jedes Jahr unvergesslich bleibt.

 

Am nächsten Morgen sind die Walnüsse verschwunden und der Glanz der heiligen Nacht ist erloschen. Katharina und Gertrud sitzen am Frühstückstisch und Ernie und Klara schauen ins Fenster und sind noch wie benommen von der letzten Nacht und schwelgen im Glück. Die Sonne scheint und es ist kalt.

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