Francois Loeb

GLICK

Zwanzig-ab acht Gesichter? Auch schon aufgefallen? Zu erfahren, was dagegen zu unternehmen ist in der neuesten Wochengeschichte aus meiner Feder:

GLICK
Am Strassenrand stehen jetzt oft Kartons mit der Aufschrift
‚ZU VERSCHENKEN‘.
So auch heute, als ich zum Weg zu meiner Arbeit an der hiesigen Universität unterwegs bin. Bewölkter Himmel. Regentropfengefahren ziehen auf. Und ich habe meinen Schirm vergessen. Nicht weiter schlimm. Bin nicht aus Zucker, wie mein Grossvater zu sagen pflegte. Was mich aber stört, beinahe jeden Tag mein Gemüt erschüttert, sind die griesgrämigen Gesichter aller wie ich auch zur Arbeit eilenden oder besser gesagt strömenden Zeitgenossenschafter. Zwanzig-nach-acht-Gesichter, wie mein zuvor genanntes Vorbild zu bemerken pflegte, wenn ich ihn nicht in bester Laune besuchte. So sprang mir, als sei es ein rettender Engel an diesem viel Ekel versprechenden Tag in dem Verschenker-Behältnis, das ich gerade passierte, ein einzelnes, am Boden liegendes Buch mit dem Titel ‚GLICK‘ ins Auge. Meine pessimistische Seelenlage (wenn ich nur wüsste, wo im Körper sich diese befindet) wollte dem Pfadfinder-Versprechen ‚TUE JEDEN TAG ETWAS GUTES‘ folgen und dieses Werk, das Gutes verhiess, nicht im kommenden Regen ertrinken lassen. Packte es also an seinem Schlafittchen, das bei den Büchern bestimmt beim Cover und nicht etwa bei der letztseitigen Beschreibung liegt. Steckte es in meine altertümliche, abgeschabte Leder-Aktentasche, die einem zerstreuten Professor zum Ruf und Ruhm gebührt. Klick ertönte das Schnappschloss zufrieden. Was ich als gutes Omen für diesen diesigen Tag auffasste.

Der Tag verging ausser vielem Ärger ereignislos. Der Regen prasselte unaufhaltsam. Erst auf dem Heimweg erinnerte ich mich an meinen GLICKs-Fang, denn das Buch grunzte seinem Retter zufrieden durch die Lederhülle zu. Träumte bestimmt davon, einem edlen ledernen Einband begegnet zu sein, der es jetzt umfing. Den Band sozusagen in den Buch-Adelsstand befördert habe. Doch sein Lederglück blieb trotz des Buches Titel zeitlich beschränkt, denn am Abend, als ich, von den Tagesmühen erledigt, nach Hause komme, öffne ich meine Aktentasche, entlasse ‚GLICK‘ ans Lampenlicht. Hoffe, dass sich das Buch auf sein neues Leben bei mir freut. Mir dankbar ist, aus des Verschenkbehältnisses dunklem Schicksal befreit zu sein.

Doch von Dankbarkeit keine Spur! Viel mehr beginnen dessen Seiten zu jammern.
Das Licht sei zu hell. Und es könnte durchaus wärmer sein. Sie würden sich nach Gilb sehnen, auf den sie sich in der Kiste so weidlich gefreut hätten. Zudem seien sie auf dem Stehpult, auf den ich das Buch zu späterem Studium gelegt habe, sehr einsam. Vermissten ihre Nachbarn, die aus gleichem Stoff gemacht seien wie sie. Ihnen Verständnis entgegenbringen würden. Ganz im Gegensatz zu den Wesen, deren Sklaven sie seien. Zwar manchmal für kürzeste Zeit geschätzt, aber alsdann vergessen, bis sie dann entsorgt am Strassenrand, Wind und Wetter ausgesetzt, liegend zu leiden hätten. Ihr Wissen einfach als Brache verschwenderisch dem Buch-Nirvana zu übergeben hätten. Auch wenn dann ein Retter käme, sei die Wahrscheinlichkeit gross, zwar mitgenommen zu werden, dann aber erneut dem höllischen Weg der Entsorgung zum Opfer zu fallen. Das Leiden dann dadurch nur verlängernd. Die Klage, leise vorgetragen, erweicht meine Augen, sodass ich mir vornehme, noch heute Nacht einen Blick in ‚GLICK‘ zu werfen. Doch die Müdigkeit überfällt mich nach einem grossen Bier. Ich taumle in mein Bett. Das Buch auf meinem hohen Pult ruft mir beinahe unhörbar nach: „Typisch, nur kein Versprechen halten“, und verklappt seine Seiten.

Ich falle gleich in ein Traumloch. In seiner unendlichen Schlucht liegen zahllose Bücher. Eins davon mit dem Titel ‚GLICK‘. Es sperrt seinen Buchstaben-Schlund weit auf. A, U, X und P treten vor. Verlangen von mir Rechenschaft. Ein Buchstaben-Rechen erhebt sich. Schafft sich Aufmerksamkeit, beginnt zu sprechen:

„GLICK ist dein GLÜCK. Nur hast du nicht erkannt, dass der Druckfehlerteufel dich davon abhält. Hättest du dir das Buch zu Gemüte geführt, wüsstest du, was wahres Glück sein kann. So wirst du auf ewige Zeiten in Traumestiefen in diesem fehlerhaften Glickwort gefangen bleiben. Im GLICK verstrickt ... und dein Glück zu leben, jeden Tag mit Dankbarkeit zu geniessen, ohne deines Grossvaters perfekt umschriebenes zwanzig nach acht Gesicht aufzusetzen, nicht erkennen.“

Schweissgebadet wache ich auf. Beschliesse, dem Traumrat zu folgen. Eile in meine kleine Werkstatt. Greife nach meiner Laubsäge. Entferne die linke Hälfte der 8. Und daraus wird eine 3. Wandle fortan statt dem Zwanzignachacht mit dem strahlenden Zehnvordreilächeln auf meinen Lippen, meine Mitmenschen dadurch beglückend, durch mein künftiges Leben!




G L Ü C K

Click ertönt ein verführerischer Ton
Klack und Zack soll es her das Glück
Einfach vom paradiesisch Baum gepflückt.

Doch der Stamm weit in den Himmel ragt
Säge her denn Glück muss turbito rasch
Und ohne jede Verstörung her.

Da bricht der Riesenbaum im Fall
Mitten entzwei das ersehnte stille Glück
Oohwei dieses flieht behänd als viertes Blatt
in den Klee wird dort gleich aufgefressen Määh-Määh.


Herzlichst
François Loeb

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.11.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Die Welt von Terrestos scheint aus den Fugen zu geraten. Der grausame Feuermagier Rhabwyn, dessen Kräfte zunehmend stärker werden, versucht mit allen Mitteln, auch der übrigen Elemente Wasser, Erde und Luft habhaft zu werden, um über den gesamten Planeten herrschen und Angst und Schrecken verbreiten zu können. Die Wassermagierin Deanora nimmt Fanydra und Morlas in ihre Obhut, wie es vom Schicksal lange vorbestimmt war. Bei ihr und den Kriegern des Seins erlernen die beiden die Beherrschung der Elemente Erde und Luft, deren Kräfte sie schon, ohne es zu wissen, seit ihrer Kindheit bei sich tragen. Seite an Seite kämpfen die zwei jungen Leute mit Deanora und ihren Kriegern des Seins, um ihre Welt vor dem Untergang zu retten.

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