Heinz-Walter Hoetter

Achtzehn Science Fiction Kurzgeschichten

      1.Das Versprechen der Meraner

  1. Das Geheimnis von NOXOS

  2. Betty, meine geliebte Androidin

  3. Adam und Eva

  4. Das Geheimnis der SS Hyperion

  5. Das Wasser der Erde

  6. Das Wesen Ashtar

  7. Der fünfte Zustand

  8. Der Fremde aus dem All

  9. Der Königsandroide

  10. Die Begegnung der dritten Art

  11. Der Landschaftsprogrammierer

  12. Die Invasion der Fanginsekten

  13. Die Invasion der Roboter

  14. Die sechzig-Jahre-Vision des Shan Malcom

  15. Erinnerungen sollte man pflegen

  16. Der Planet der Schattenwesen

  17. Das Universum der magischen Kristallkugel
     

***


1. Das Versprechen der Meraner


 

Oder wie der alte Schriftsteller Mr. Walther Rumford unsterblich wurde.


 

Der alte Schriftsteller Mr.Walther Rumford saß allein auf seiner von bunten Blumen umsäumten Sonnenterrasse und döste im Halbschlaf vor sich hin. Seine Frau war erst letztes Jahr gestorben, was ihn innerlich sehr mitgenommen hatte. Doch auch für ihn musste das Leben weitergehen.

 

Trotzdem war er guter Hoffnung, denn bald würde er wichtigen Besuch bekommen aus einer Welt, die irgendwo da draußen im unendlichen Universum lag, und wo er schon einmal war.

 

Sein leicht abschüssiger Garten sah wie immer aus. Er wurde rundherum durch eine niedrige Thujenhecke begrenzt, sodass man weit in die dahinter liegende Landschaft sehen konnte. Am fernen Horizont türmten sich gerade einige grauweiße Wolken auf, die langsam immer höher in den blauen Himmel wuchsen.

 

Mr. Rumford wachte plötzlich wieder auf, als ein lautes Donnergrollen zu hören war. Noch etwas verschlafen betrachtete er eine Zeit lang interessiert das beeindruckende Wetterschauspiel am fernen Horizont, wobei er sich nicht ganz sicher war, ob sich da wirklich ein Gewitter zusammenbraute oder nicht. Es konnte auch etwas anderes sein, wie er vermutete, denn manchmal flogen ziemlich große Raumschiffe am Horizont vorbei, die sich dann steil nach oben in die Atmosphäre erhoben und gewaltige Kondensstreifen hinter sich herzogen. Deshalb blieb er einfach auf seiner Terrasse sitzen. Er würde ja noch immer ins Haus gehen können, käme wirklich ein Gewitter auf ihn zu, dachte er so für sich.

 

Weiter hinten im Garten standen ein paar sehr alte Fichten gleich neben einer kleinen, mit dichtem Efeu bewachsenen Holzhütte. Diese stille Ecke in seinem Garten gefiel ihm besonders gut, weil es ein idyllisches und überaus verträumtes Örtchen war.

 

Etwas abseits davon glänzten ein paar nasse Steine, denn vor vielen Jahren hatte er mal einen künstlichen Bach in seinem Garten angelegt, der von dem klaren Wasser einer kleinen, quirligen Quelle gespeist wurde, die weiter oben aus dem felsigen Boden sprudelte. Jetzt plätscherte das kühle Nass gurgelnd durch ein schmales, stufenförmig angelegtes Betonbett, das überall mit kleinen und großen Kieselsteinen ausgefüllt war, die eigentlich nur dazu dienten, das schnell herunterfließende Wasser etwas abzubremsen. Außer dem gleichmäßigen Plätschern des Wassers herrschte überall eine wohltuende Ruhe, die der alte Rumford immer wieder aufs Neue genoss, wenn er hier draußen auf seiner Sonnenterrasse saß.

 

Mr. Rumford lehnte sich jetzt genussvoll in seinen Sonnenstuhl zurück, schaute auf seine Uhr und erinnerte sich an längst vergangene Zeiten.

 

Damals war er noch ein unternehmungslustiger junger Mann gewesen, der nach seiner Ausbildung zum Kosmoarchäologen die unendlich erscheinenden Weiten des Universums durchstreifte, immer auf der Suche nach irgendwelchen ungewöhnlichen Abenteuern und außerirdischen Kulturen, die es überall zu entdecken gab. Es war damals eine wirklich aufregende Zeit gewesen, denn man stieß im Universum auf viel mehr außerirdisches Leben, als man anfangs vermutet hatte.

 

Allerdings stieß man auch auf eine Vielzahl von Planeten, auf denen oft nur noch die letzten Überreste von einst großen Zivilisationen traurige Zeugnisse von ihrer Existenz gaben, die aus irgendwelchen rätselhaften Gründen untergegangen waren oder durch Einwirkung planetarischer Gewalt ausgelöscht wurden. Sein Auftrag war es, die entdeckten Ruinenstädte als Kosmoarchäologe genauestens zu erforschen. Das konnte manchmal viele Jahre dauern, bis seine Resultate ausgewertet vorlagen. In dieser Zeit hatte er viel über die zahlreich vorhandenen, außerirdischen Lebensformen der unterschiedlichsten Ausprägung im nahen und ferneren Kosmos kennen gelernt. Unglaubliche Kreaturen sind ihm begegnet, von denen die Menschheit bis dahin noch nicht einmal die geringste Ahnung hatte, bevor sie die interplanetarische Raumfahrt für sich entdeckten und hinaus mit gewaltigen Raumschiffen zu den Sternen ins unendliche All flogen. Es war wirklich eine atemberaubende Epoche der Raum fahrenden Menschheit, die er als junger Forscher seinerzeit miterleben durfte.

 

Aber das ist schon eine Ewigkeit her.

 

Fast wäre der alte Mr. Rumford wieder eingeschlafen, wenn da nicht dieses komische Geräusch gewesen wäre. Neugierig sah er sich nach allen Seiten um.

 

Plötzlich entdeckte er in der Mitte seines Gartens einen heftig pulsierenden Lichtpunkt. Zuerst dachte er an eine zerbrochene Glasscherbe, die nur das einfallende Licht der jetzt langsam untergehenden Sonne reflektierte. Doch der zitternde Lichtpunkt wurde auf einmal schnell größer und wuchs von einer Sekunde auf die andere zu einer kreisrunden Lichtscheibe heran, die sich zu einem Gebilde von weit über zwei Meter ausdehnte. An den glühenden Rändern züngeln winzige Blitze hervor, die sich knisternd entluden. Gebannt starre der alte Mr. Rumford auf den gleißend hellen Lichtbogen und warte ab, was als nächstes passieren würde. Er ahnte es irgendwie, sprach aber kein Wort darüber.

 

Im nächsten Augenblick traten vier Personen in geschmeidigen Raumanzügen aus der flimmernden Lichterscheinung, die zielstrebig auf den alten Mann auf der Terrasse zugingen, bis sie alle vor ihm standen. Einer der Raumfahrer trat aus der Gruppe hervor und fing an zu sprechen.

 

Hallo Mr. Rumford! Erinnern Sie sich noch an uns? Sie haben mal als junger Kosmoarchäologe unseren Planeten Saphir II im Raumquadranten der Tauri Föderation besucht. Das liegt schon sehr lange zurück. Wir haben Sie aber nicht vergessen und möchten Ihnen gegenüber jetzt unser Versprechen wahr machen. Reisen Sie mit uns durch die Zeit zurück in unsere Zivilisation. Wir können Ihr Leben verjüngen. Sie werden wieder so jung sein wie damals, als Sie uns auf Saphir II besucht haben. Was sagen Sie dazu, Mr. Rumford?“

 

Ich habe gewusst, dass ihr Meraner Wort halten würdet. - Oh ja, auch ich kann mich noch sehr gut an euch erinnern. Ihr habt schon damals eine der fortschrittlichsten Zivilisationen besessen, die es gab. Wir haben zusammen eine tolle Zeit miteinander verbracht, an die ich bis heute immer wieder gerne zurück denke. Ihr habt schon damals nach der Unsterblichkeit geforscht und mir versprochen, mich zu holen, wenn ich alt und grau geworden bin. Letztes Jahr ist meine Frau gestorben. Seitdem wohne ich allein in meinem Haus und habe geduldig auf euch gewartet. Ich habe vorsorglich Zellen von meiner geliebten Frau tief gekühlt im Keller aufbewahrt, die ich natürlich mitnehmen möchte, wenn ich mit euch gehe, falls ihr nichts dagegen habt, meine Freunde.“

 

Natürlich dürfen Sie das, Mr. Rumford. Wir werden Ihre Frau aus den vorhandenen Zellen klonen, was für uns mittlerweile ein Kinderspiel ist. Holen Sie den Kühlbehälter mit den eingefrorenen Zellen und lassen Sie hier alles zurück. Wir haben in unserer Welt, was auch ihr Haus, den Garten und den übrigen Besitz betrifft, alles original reproduziert. Nun, das Portal wird sich in etwa acht Minuten schließen. Sie haben also noch Zeit genug, um den Behälter zu holen, bevor es auf die Reise zurück auf unseren Planeten geht. Erschrecken Sie nicht, Mr. Rumford! Es wartet übrigens ein Empfangskomitee der Planetenregierung aus Sie.“

 

Ich werden mich beeilen und bin gleich wieder da“, antwortete Mr. Rumford zufrieden und ging in den Keller seines Hauses. Nach etwas drei bis vier Minuten war er wieder zurück und hielt einen schweren Behälter mit den tief gekühlten Zellen seiner Frau in den Armen, den er vor seiner Brust trug.

 

So, jetzt müssen wir aber gehen. Das Portal wird sich in fünf Minuten von selbst automatisch schließen“, sagte der Anführer der Gruppe mit ruhiger Stimme und gab den Befehl zum Abzug.

 

Kurz danach verschwand einer nach dem anderen seiner Männer in dem pulsierenden Lichtkranz. Nur Mr. Rumford drehte sich noch einmal kurz herum, blickte wehmütig zurück in seinen Garten und dann hinüber zu den altehrwürdigen Fichten neben seiner mit Efeu bewachsenen Holzhütte, bis auch er zügig durch das Portal trat, das sich kurz danach von selbst zu schließen begann und mit einem leisen Zischen verschwand, als wäre es nie da gewesen.

 

Die Nacht war mittlerweile herein gebrochen und im Garten von Mr. Rumford zog eine seltsame Stille ein.


 

Die Welt der Meraner


 

ENDE

 

(c)Heinz-Walter Hoetter

 

 

***


 

2. Das Geheimnis von NOXOS

 


"Sind sie bereit?" fragte prüfend der Bordingenieur Lektro-One in der startbereiten Zeitkapsel seinen neben ihm sitzenden Commander Sirius.

Dieser nickte wortlos, legte sich vorsichtig in den Körper angepassten Schalensitz zurück, schnallte die breiten Sicherheitsgurte an und übernahm von der Kontrollzentrale den Countdown für die Startsequenz. Seine innere Angespanntheit war dabei nicht zu übersehen. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Dann sagte er mit leicht gestresster Stimme: „Es kann von mir aus losgehen."

In Ordnung“, gab der drahtige Lektro-One zur Antwort und ließ seine flinken Finger über das gläsern wirkende Tastenfeld der bunt leuchtenden, oval geformten Sensitiv-Schalttafel gleiten.

Das laute, aufdringliche Geheul einer Sirene drang von außen in die Zeitkapsel. Es nervte die beiden Männer, obwohl sie es von früheren Starts und Landungen her gut kannten. Es gibt Dinge, an die kann man sich einfach nicht gewöhnen.

Dann starrten Commander Sirius und sein Bordingenieur Lektro-One auf die über ihnen fest installierten Monitore, die ununterbrochen Bilder von der gewaltigen Startanlage lieferten. Sie beobachteten dabei interessiert die ausklinkenden Monsterelektroden der Materiekammer, aus denen jetzt unablässig bläulich gefärbte Blitze schlugen.

Dann war es soweit.

Über fünfundzwanzig moderne Kernfusionsreaktoren wurden gleichzeitig hochgefahren und erreichten schon bald ihre vorgeschriebene Maximalleistung. Den gewaltigen Fusionsöfen unmittelbar angeschlossen waren mehrere hundert Kilometer lange Ringkondensatoren, die ihre ungeheuren Energiemengen wie ein ununterbrochen pulsierendes Herz in die sich schneller und schneller rotierende Großraumzentrifuge des Magnetfeld ummantelten Materieverdichters abgaben. Oberhalb der riesigen Zentrifuge, genau in ihrer Mitte, befand sich die wartende Zeitkapsel, angedockt an einem kranähnlichen Ausleger, dem sog. Raumkrümmer.

Mit dieser gigantischen Anlage konnte man ein stationäres Wurmloch erzeugen, das eine mathematisch exakt vorausberechnete Reise durch Raum und Zeit ermöglichte. Lief alles stabil, klinkte man die Zeitkapsel vom Raumkrümmer ab und überließ sie dann einfach den enormen Gravitationskräften des künstlichen Wurmloches. Kehrte man die Rotation der Zentrifuge um, war man dazu in der Lage, die Zeitkapsel an ihren ursprünglichen Ort zurück zu holen, sofern die aufwendige Umkehrprozedur des Wurmloches auch tatsächlich gelang und die Koordinaten miteinander identisch blieben. Das war bei einigen Zeitsprungversuchen aus noch unbekannten Gründen nicht immer der Fall gewesen.

***

Funken stoben jetzt aus allen Richtungen. An verschiedenen Stellen der sich über der Zeitkapsel ausdehnenden, riesigen Metallkuppel erstrahlte ein hellrotes Licht, und im nächsten Moment wurde der kleine Steuer- und Navigationsraum von einem heftigen Donnerschlag erfüllt. Das Wurmloch baute sich auf. Die übertragenen Bilder auf den Monitoren wichen für einige Augenblicke hässlich aussehenden schwarz-weißen Querstreifen, als das schützende Energieschild durch das rapide Ansteigen der Wurmlochgravitation automatisch eingeschaltet wurde. Eine Weile später löste sich die vibrierende Zeitkapsel vom aktiv gewordenen Raumkrümmer automatisch ab und wurde schließlich von den unwiderstehlichen Sogkräften des gleichmäßig rechtskreisenden Wurmloches erfasst, bis sie letztendlich, von turbulenten Energieentladungen begleitet, mit rasender Geschwindigkeit darin verschwand.

Zurück blieb eine gewaltige, nach Ozon riechende Versuchsanlage, die, umgeben von mächtigen Schutzmauern aus graunacktem Stahlbeton, inmitten einer endlos weiten, karg bewachsenen Steppe lag. Über 2000 ausgewählte Wissenschaftler und etwa 3000 Hilfskräfte verrichteten hinter diesen wuchtigen Gemäuern ihre streng geheime Arbeit, völlig hermetisch abgeschottet von der Außenwelt.

Offiziell sprach man von der Erforschung des Planetenkerns, in Wirklichkeit unternahm man hier gewagte Zeitsprünge, die, je mehr man die Zeitsprungtechnik verfeinerte, immer ausgedehntere Reisen in die Vergangenheit ermöglichten.
Doch da gab es noch etwas anderes, worüber man absolutes Stillschweigen bewahrte.

Bei Ausschachtungsarbeiten innerhalb der Versuchsanlage war man zufällig in etwa 45 Meter Tiefe auf die steinernen Überreste einer uralten Stadt gestoßen. Man führte sofort einige der klassischen Datierungsmethoden an den ausgegrabenen Fundstücken durch, wobei man das Alter der gut erhaltenen Steinfragmente auf exakt 25 000 Jahre bestimmen konnte.

Für alle beteiligten Wissenschaftler stellten diese historisch äußerst wichtigen Funde eine Sensation ersten Ranges dar, war man doch immer davon ausgegangen, dass sich auf dem Planeten NOXOS nur eine einzige hoch technisierte Zivilisation entwickelt hatte, nämlich die ihrer eigenen.

In den historischen Archiven lagerten zwar alte Schriftstücke mit überlieferten mythologischen Erzählungen, in denen immer wieder von einigen sagenhaften Völkern berichtet wurde, die schon in grauer Vorzeit auf NOXOS gelebt und über eine hoch entwickelte Kultur verfügt haben sollen, dann aber urplötzlich von der Bildfläche verschwunden waren, gerade so, als hätte es sie nie gegeben.

Schließlich entdeckte man bei seismologischen Untersuchungen in noch tiefer gelegenen Bodenschichten weitere Überreste einstmals mächtiger Gebäude von ungewöhnlicher Höhe und Bauweise. Die beteiligten Forscher waren sich sofort darüber einig gewesen, dass der Bau solcher gewaltigen Kolosse nur von einer hochentwickelten Zivilisation stammen konnte, die über ein ausgereiftes, technisches und architektonisches Wissen verfügt haben muss. Zusätzlich fand man auf einigen der freigelegten Steinblöcke tief eingravierte, für die Archäologen von NOXOS völlig rätselhafte Schriftzeichen jener längst untergegangenen Kultur, die hier mal vor langer Zeit existiert haben muss.

Aber selbst die supermodernen Kryptocomputer konnten aus den entdeckten Schriftzeichen und lose zusammen gefügten Wortfetzen so schnell kein verständliches Sprachsystem rekonstruieren, wie man sich das anfangs eigentlich erhofft hatte. Die Entschlüsselung der unbekannten Schriftzeichen war ein äußerst schwieriges Unterfangen und stellte die Kryptologen vor große Probleme.

Andererseits war das für die Wissenschaftselite von NOXOS Anlass genug gewesen, den Versuch zu starten, mit Hilfe der neuen Zeitsprungtechnik 25 000 Jahre zurück in die Vergangenheit zu reisen. Man wollte durch diese Expedition ins Unbekannte der Zeitgeschichte ihres Planeten herausfinden, was mit der neu entdeckten, einstmals hoch entwickelten Zivilisation auf NOXOS geschehen war.

Man erinnerte sich in diesem Zusammenhang plötzlich wieder an jene uralten Legenden und geheimnisvollen Sagen der eigenen Kultur, in der immer wieder von einer weltuntergangsähnlichen Katastrophe die Rede war, die fast das gesamte Leben auf NOXOS vernichtet haben soll. Aber diesen phantastischen Erzählungen aus vorgeschichtlicher Zeit schenkte man keinen Funken Glauben. Man hielt sie bestenfalls für schaurig-schöne Gruselmärchen, mit denen man vielleicht kleine Kinder oder pubertierende Jugendliche beeindrucken konnte. Mehr nicht.

***

Das größte Problem bei allen Zeitreisen bestand darin, dass sie immer noch mit unvorhersehbaren Gefahren verbunden waren. Von insgesamt zehn durchgeführten Zeitsprüngen scheiterten trotz hohem technischen Aufwand und größtmöglichen Sicherheitsanforderungen immer noch mindestens zwei, was oftmals mehr als nur eine Tragödie nach sich zog.

Viele der sog. „ZeitspringerInnen“, jene wagemutigen Personen also, die man eigens für solche gefährlichen Unternehmungen ausgebildet hatte, strandeten dabei nicht selten irgendwo in der Vergangenheit, weil das lokal erzeugte Wurmloch plötzlich unter heftigen Erschütterungen kollabierte und unter gewaltigen Energieentladungen in sich zusammenbrach. Dieser seltsame Effekt trat hin und wieder am Ende eines Zeitsprunges auf, wenn man das Sprungziel schon fast erreicht hatte. Die Verbindung wurde dadurch jäh unterbrochen und die Besatzungsmitglieder der havarierten Zeitkapsel fanden sich unerwartet irgendwo auf einem fremden Planeten wieder oder gerieten in ein frühgeschichtliches Zeitalter mit primitiv entwickelten Lebensformen. Wenn die Zeitkapsel jedoch zu weit von der vorprogrammierten Route abgewichen war, gab es oft keine Rettung mehr, vor allen Dingen dann nicht, wenn der Hypersender beim plötzlichen Abbruch des Zeitsprungs irreparabel beschädigt wurde. Die Besatzung war verloren, strandete irgendwo in Raum und Zeit blieb für immer verschollen, weil jegliche Verbindung fehlte.

Damit war das Schicksal der ZeitspringerInnen in der Regel besiegelt und nur ganz wenige der überwiegend jungen TimetronautenInnen, wie sie sich selbst gerne nannten, versuchten in dieser aussichtslosen Situation am Leben zu bleiben. Oft vergebens.

Auch über solche schlimmen Situationen, die man als Möglichkeit in Betracht ziehen musste, hatten Commander Sirius und sein Bordingenieur Lektro-One immer und immer wieder nachgedacht. Nichtsdestotrotz waren beide Männer seinerzeit freiwillig dem erlauchten Team der Zeitspringer beigetreten, denn sie brannten darauf neue Welten kennen zu lernen, um sie zu erforschen. Ihre unbändige Neugier und grenzenlose Abenteuerlust waren einfach größer gewesen, als die Angst vor der Gefahr oder einem unvorhergesehenen Tod irgendwo da draußen in den fernen Abgründen eines unbekannten Alls.

***

Einige Zeit später.

Auf die Sekunde genau heulte der Schneesturm los, als die Zeitkapsel mit fürchterlichem Getöse mitten in der Nacht direkt am Fuße eines gewaltigen Gebirges aus dem sich schlagartig öffnenden Wurmloch gespuckt wurde, die kurz danach mit ihren hydraulischen Landstützen auf dem felsigen Boden aufsetzte.
Commander Sirius und Lektro-One waren ein eingespieltes Team. Beide wussten genau, was jetzt getan werden musste. Also ging man schleunigst planmäßig an die Arbeit.

Schritt für Schritt wurde alles durchgescheckt bis eindeutig fest stand, dass die Rückkehr in die eigene Zeit rein technisch gesehen als gesichert betrachtet werden konnte. Der integrierte Bordcomputer rechnete während dessen die genaue Ankunftszeit in der Vergangenheit aus, verglich sie mit den vorgegebenen Daten aus der Zukunft und zeigte wenige Sekunden später auf dem mattgrün schimmernden Display in gelb leuchtenden Ziffern an, dass die Zeitkapsel fast Punkt genau gelandet war. Zum Schluss wurden alle gesammelten Ergebnisse noch einmal präzisiert und auf einem weiteren Display zusammenfassend angezeigt. Einem rückwärts gerichteten Zeitsprung mit Hilfe des stationär erzeugten Wurmloches in der Versuchsanlage stand somit nichts mehr im Wege, wenn die Arbeit der beiden Männer erledigt sein würde.

Die vergleichenden Messungen bestätigten außerdem, dass man sich mit der Zeitkapsel tatsächlich genau
25 000 Jahre in die Vergangenheit des Planeten NOXOS zurück bewegt hatte.

Eine Woge der Erleichterung und Freude kam in Lektro-One auf. Vor Begeisterung klatschte er in die Hände. Bis hier hin war das Unternehmen ein voller Erfolg gewesen und sogar die einsetzende Umpolung des Wurmloches in der Versuchstation war von den sensiblen Hyperraumantennen der Zeitkapsel noch registriert worden.

Commander Sirius konnte seine Freude ebenfalls nicht verbergen und lächelte zufrieden, was selten bei ihm vorkam. Dann schaltete er sukzessive das flackernde Schutzschild ab und fuhr die Leistung des Antimateriegenerators auf ein Minimum zurück. Die Raumtemperatur in der Steuer- und Navigationsabteilung lag bei konstante plus 21 Grad. Die Außensensoren zeigten dagegen draußen Minus 18 Grad Kälte an.

Während der nächsten zwei Stunden arbeiteten die Männer routiniert weiter und sprachen nur selten ein Wort miteinander. Mittlerweile schneite draußen die Zeitkapsel im anhaltenden Schneesturm immer mehr zu, die jetzt aussah wie ein großer Schneehügel. Die fast kreisförmige Landefläche besaß immerhin einen Durchmesser von mehr als zwanzig Meter. Die Gesamthöhe der Zeitkapselkonstruktion lag bei ungefähr acht Meter, wobei das obere Kuppelende zu einer kleinen Fläche ausgebildet war. Hier lag auch die halbautomatische Ein- und Ausstiegsluke der Zeitkapsel. Die Öffnungssequenz konnte aus Sicherheitsgründen nur mittels eines bestimmten Zahlencodes in Gang gesetzt werden. Selbst an eine zusätzliche Notschleuse hatte man gedacht, die bei Gefahr einen schnellen Ein- und Ausstieg ermöglichte.

Nachdem der Computer den genauen geografischen Standort des Landeplatzes ermittelt hatte, konnte er ein umfassendes Koordinatennetz aufbauen und mit den vorhandenen Positionsdaten der einstmals versunken Stadt vergleichen.

Die Ergebnisse waren überaus verblüffend als Commander Sirius den 3D-Ausdruck der Karte betrachtete. Die jetzt völlig intakte Stadt lag keine 100 Kilometer nördlich ihres eigenen Landeplatzes entfernt an einem breiten Fluss.

Das gewaltige Gebirgsmassiv stellte ein absolut sicheres Versteck dar. Man hätte für die Zeitkapsel in der Tat keinen besseren Standort auswählen können. Er war einfach ideal gelegen und bot die besten Voraussetzungen für den sicheren Ablauf der bevorstehende Expeditionen. Die ganze Sache sollte sich außerdem gegenüber der Bevölkerung, wenn es den eine gab, im Geheimen abspielen.

Während Lektro-One seine Aufmerksamkeit den vielen Anzeigegeräten auf der Sensitiv-Schalttafel widmete, ordnete Commander Sirius aufgrund der äußerst positiven Daten an, dass der Rest der Nacht zum Schlafen genutzt werden sollte. Sein beschäftigter Bordingenieur nickte nur beiläufig mit dem Kopf, als er davon hörte. Er wollte sich von seiner Arbeit einfach nicht ablenken lassen. Unterdessen ging sein Commander in Gedanken nochmals jeden Punkt der geplanten Expedition durch.

Um unerkannt zu bleiben, würde man die komplizierte Tarnkappenausrüstung anlegen und trotz der mitgeführten Antigravitationsgürtel aus Sicherheitsgründen eventuell weite Strecken zu Fuß zurücklegen müssen, was den jeweiligen Umständen nach zeitraubend und anstrengend werden konnte, dachte Commander Sirius so für sich. Lektro-One hielt derweil eine der vielen elektronischen Checklisten in seiner linken Hand und fingerte mit der rechten über die verschiedenfarbig leuchtenden Sensoren der Schalttafel. Irgendwann war er dann doch mit seiner Arbeit fertig und es dauerte nicht mehr lange, da kehrte eine ungewöhnlich anmutende Stille im Steuer- und Navigationsraum der Zeitkapsel ein, die nur vom leisen, monotonen Dauersummen des im Hintergrund laufenden Antimateriegenerators gestört wurde. Die beiden Männer schliefen bald tief und fest.

***

Draußen heulte der Schneesturm mit unverminderter Heftigkeit weiter. Die weißen Eis- und Schneemassen über der Zeitkapsel schichteten sich von Minute zu Minute immer weiter auf.

Weit weg der beiden schlafenden Männer spielten sich unterdessen seltsame Dinge ab.

Eine zweite, speziell ausgerüstete Transporterzeitkapsel war plötzlich in unmittelbarer Nähe der geheimnisvollen Stadt wie aus dem Nichts aufgetaucht.
Kurz darauf verließen im Schutze der Nacht auf einem bulligen Schwebegleiter insgesamt vier Gestalten in silbrig glänzenden Schutzanzügen fast lautlos die breite Ausstiegsöffnung der Transporterzeitkapsel. Auf der breiten Ladefläche des radlosen Gefährts befand sich ein imposanter kugelförmiger Gegenstand aus glänzendem Metall mit kurzen Stummelfüßen, die an vier hydraulischen Klammern befestigt waren.

Der Gleiter steuerte direkt auf das Zentrum der Stadt zu und machte erst Halt vor dem riesigen, marmornen Kuppelgebäude, das von gewaltigen, kreisförmig angeordneten Steinsäulen gestützt wurde. Dort stellten sie das seltsam aussehende Ding direkt vor dem Eingang ab. Danach schienen sie im Inneren der Metallkugel an irgendwas herum zu hantieren. Nachdem sie offenbar damit fertig waren, gingen sie zurück zu ihrem wartenden Gleiter, nahmen darin Platz und schwebten gemeinsam zurück zu ihrer Transporterzeitkapsel, die kurz darauf in einem sich kurzfristig aufbauenden Wurmloch wieder verschwand. Stille kehrte ein, als ob nicht geschehen war.

***

Als der nächste Tag begann.

Hey Commander, wachen sie auf!“ sprach Lektro-One mit gedämpfter Stimme. Er betrachtete dabei gleichzeitig die Anzeigeninstrumente auf der rechten Steuerkonsole und fuhr dann über die blinkenden Lichter der Schalttafel.
Der Commander war mittlerweile aufgewacht und saß aufgerichtet in seinem Schalensitz.

Was ist los? – Wie lange haben wir geschlafen, Lektro-One?“ fragte er gähnend.
„Draußen ist es bereits hell geworden. – Schauen sie mal auf die Bildschirme, Commander!“

Mehr sagte der Bordingenieur nicht und zeigte dabei viel sagend auf die beiden eingeschalteten Monitore über der Instrumententafel, auf denen nur eine einzige weiße Fläche zu sehen war.

Wer hätte das gedacht? Die Zeitkapsel liegt unter einer dicken Schneedecke. – Wir werden wohl oder übel die Notschleuse benutzen müssen.“ bemerkte Commander Sirius nachdenklich, als er die Daten der Außensensoren auf seiner eigenen Anzeigentafel betrachtete.

Es wird uns nicht anderes übrig bleiben.“ antwortete der Bordingenieur und fuhr fort: „Ich hab’ bereits die letzten Checks durchgeführt und alle Vorbereitungen zum Verlassen der Zeitkapsel getroffen. In der Ausstiegsschleuse 1 hängen die Wärme isolierenden Körperanzüge, die uns vor der klirrenden Kälte schützen werden. Die übrigen Gegenstände, wie die Tarnkappenausrüstung und die Strahlenwaffen, befinden sich im Raum 2 gleich nebenan.“

Schon in Ordnung! Ich weiß doch selbst, wo die Sachen hängen, Lektro-One!“, nickte Commander Sirius bestätigend und bemerkte noch nebenbei: „Gehen wir an die Arbeit und vergessen sie nicht ihren eigenen Peilsender einzuschalten! Im Notfall können sie damit die Zeitkapsel auch ohne mich finden. – Und geben sie ordentlich Druck in die Ausstiegsschleuse, damit der Schnee beim Öffnen des Schotts davonfliegt!“

Genau 30 Minuten später traten beide Männer in voller Ausrüstung aus der sich automatisch öffnenden Notausstiegsschleuse hinaus auf ein glitzerndes, Schnee bedecktes Plateau. Mit ein paar Handbewegungen richteten sie den automatischen Kompass aus und stapften auf ihren breiten Spezialschuhen in die angegebene Richtung los. Die Entfernung zur Stadt betrug genau 98 Kilometer und wurde als feststehender roter Punkt auf dem Kompassmonitor permanent angezeigt. Ihr eigener Standort wurde durch einen grünblinkenden Kreis dargestellt, der aktuell mitwanderte und jeden Standortwechsel sofort anzeigte. So konnten die beiden Männer ihr Ziel nie aus den Augen verlieren.

Nach einem etwa 250 Meter langen Fußweg durch knietiefen Gebirgsschnee mussten Commander Sirius und Lektro-One dann doch die mitgeführten Antigravitationsgürtel aktivieren, da sich direkt unterhalb des Plateaus eine wild zerklüftete Bergregion ausbreitete, die nur mit dem Fluggürtel zu überwinden war.
Der ruhige Schwebeflug über das gefährliche Gelände dauerte nicht mehr als 20 Minuten. Dann veränderte sich die Landschaft abermals und ging in einen riesigen bis zum Horizont reichenden Bergwald über. Hier lag bedeutend weniger Schnee. Ab und zu tauchten einige leicht vereiste Seen unterschiedlicher Größe auf, die aber von den beiden Zeitreisenden nicht sonderlich beachtet wurden. Der Biotaster zeigte, bis auf einige Wildtiere, kein anderes Leben an, was beide Männer argwöhnisch werden ließ. Man hätte zumindest in dieser Gegend schon etwas von den Bewohnern der Stadt bemerken müssen, auf die sie direkt zusteuerten. Der Einsatz der Tarnkappenausrüstung wurde deshalb noch nicht nötig.

Nach etwa 85 Kilometer direktem Flug erreichten sie mit ihren Antigravgürteln einen verschneiten Hügel, der aus der übrigen Landschaft heraus ragte. Die freie Anhöhe bot sich geradezu an darauf zu landen und Commander Sirius gab entsprechende Landebefehle über Funk auch an Lektro-One weiter. Keine fünf Minuten später steuerten beide auf einen flachen Felsen zu, setzten dort auf und sahen zu ihrer großen Überraschung am Horizont zum ersten Mal die sich allerdings nur schwach abzeichnende Silhouette jener Stadt, deren uralte Überreste auf NOXOS 25 000 Jahre später in der Zukunft gefunden werden sollten. Fasziniert von dem grandiosen Anblick verharrten die beiden Zeitreisenden mehrere Minuten lang in regungsloser Pose und genossen so ganz nebenbei auch noch das herrliche Panorama der weiten Landschaft.

Dann unterbrach Commander Sirius die wohltuende Stille und sagte nachdenklich: „Bis jetzt haben wir außer wild lebenden Tieren noch keine einheimische Bevölkerung gesehen. Auch der Biotaster zeigt keine humiden Lebewesen an.“ sagte er zu Lektro-One.

Stimmt..., auch schon registriert, Commander. Kann gut sein, dass sich unsere unbekannten Freunde wegen der Kälte alle in ihren Häusern verkrochen haben.“ gab der Bordingenieur lächelnd zur Antwort und schob dabei seine Schneebrille nach oben in die Stirn, um besser sehen zu können.

Commander Sirius blickte skeptisch zurück zu den Bergen, die jetzt weit hinter ihnen lagen. Er überprüfte das Peilsignal der Zeitkapsel auf dem flachen Kompassmonitor, das ihm trotzdem kein hundertprozentiges Gefühl der Sicherheit einflößte. Ein flaues Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Er wäre am liebsten auf der Stelle wieder umgekehrt und hätte die ganze Mission um einen Tag verschoben, denn die Zeitkapsel bot ihnen ein hohes Maß an Sicherheit und war wegen des Schutzschirmes praktisch unangreifbar. Hier draußen waren sie nicht nur den Unbilden der Natur ausgesetzt, sondern auch allen anderen Gefahren des Planeten, der ihm irgendwie fremd erschien und gar nicht so vorkam, als sei er NOXOS.

Commander Sirius wandte sich an seinen Bordingenieur und sagte zu ihm: „Wir sollten so schnell wie möglich weitermachen und noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder am Landplatz sein, Lektro-One! – Die Entfernungsskala des automatischen Kompasses zeigt etwas weniger als zehn Kilometer bis zur Stadt an. Lass’ uns also los fliegen! Einen Kilometer vor dem Stadtrand schalten wir die Tarnkappen ein, suchen uns ein gutes Versteck und gehen den Rest des Weges zu Fuß. Wer weiß, was uns heute noch alles erwartet. Sollten wir auf Einheimische stoßen, wissen sie was zu tun ist.“

Lektro-One schaltete seufzend den Antigravgürtel ein, ließ sich vorsichtig von seiner unsichtbaren Kraft langsam in die Luft heben und folgte dann seinem Commander im vorgeschriebenen Sicherheitsabstand.

Der Schwebeflug über die schöne Landschaft dauerte diesmal nicht lange und in weniger als zehn Minuten erreichten die beiden Männer die sanften Ufer eines halb zugefrorenen Flusses. Er war überzogen mit einer riesigen Zahl kunstvoll verzierter Stein- und Metallbrücken, die es in allen nur denkbaren Formen und Größen gab. Die Ufer des Flusses wurden stadteinwärts von meterdicken Marmormauern gesäumt, der, je weiter er in die Stadt hinein reichte, in einem weit verzweigten Kanalsystem mündete. Das träge dahin fließende Wasser in den Seitenarmen verlor sich schließlich irgendwo schlängelnd in einem unübersehbaren Gewirr aus verwaisten Plätzen, einsam da liegenden Straßen und stillen Wegen, die wiederum von einer unglaublichen Menge architektonisch seltsam aussehender Gebäude aller Größenordnungen beidseitig flankiert wurden. Genau im Zentrum der Stadt erhob sich eine kolossal aussehende, von gewaltigen Säulen getragene, weiß glänzende Kuppel aus hell leuchtendem Marmorgestein, die für den Betrachter wegen ihrer atemberaubenden Größe und im Verbund mit der übrigen Anlage, den seltsamen Eindruck eines überdimensionierten Sakralbaues erweckte.

Die beiden Männer kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Je länger sie aber ihre suchenden Blicke über den seltsamen Ort schweifen ließen, desto mehr wurde ihnen klar, dass dieser Ort alles andere war als eine gewöhnliche Stadt. Nirgendwo konnten sie eine lebende Seele entdeckten. Auch der Bioscanner zeigte nichts an. Hier schien es offenbar keine Bewohner zu geben. Nur der heulende Eiswind trieb den losen Pulverschnee wie feinen Puderzucker durch die leeren Straßen, Wege und Plätze vor sich her. Der Anblick des wie tot daliegenden, gigantischen Gebäudemeeres erzeugte eine düstere Gefühlslage bei den Zeitreisenden und ließ sie angesichts der unheimlich anmutenden Szene erschauern.

Noch immer standen beide Männer schweigend da. Als erster meldete sich Lektro-One zu Wort: „Es ist einfach unglaublich! – Was wir hier sehen, das ist möglicherweise in Wahrheit nur eine riesige Totenstadt. Vielleicht sogar eine Kultstätte oder ein Friedhof gewaltigen Ausmaßes, Commander. Sehen sie sich mal die eingravierten Inschriften über den monumentalen Säulen der Gebäude an! Die gleichen Schriftzeichen haben wir bei den Ausgrabungen auf dem Areal der Versuchsanlage gefunden und ich wette drauf, dass sie uns Auskunft über die Herkunft der Toten geben können, wenn wir die Bedeutung der Zeichen erst einmal entziffert haben. – Vorausgesetzt natürlich, ich liege mit meinen Vermutungen richtig.“

Commander Sirius räusperte sich. Er war im Prinzip der gleichen Meinung wie sein Bordingenieur, doch stellten sich für ihn momentan ganz andere Fragen, deren schlüssige Beantwortung von größter Wichtigkeit sein würde. Das Rätsel dieser geheimnisvollen, wie tot daliegenden Stadt könnte möglicherweise auch mit ihrer eigenen Zivilisation zusammenhängen, denn man hatte sie ja auf NOXOS gefunden, ihrem eigenen Planeten. Er wollte vor allen Dingen wissen, wer diese intelligenten Lebewesen waren, die ihre Toten hier so aufwendig bestattet hatten. Dann würde er sicherlich auch eine Antwort auf die Frage finden, was mit ihnen geschehen war.

Um dies in Erfahrung bringen zu können, wollte er sich gewaltsam Zugang in das Innere eines dieser gewaltigen Gebäude verschaffen, die alle aussahen wie überdimensionierte Mausolen, denn nur dort ließen sich die Grabkammern der Verstorbenen eventuell öffnen und näher untersuchen. Eine andere Möglichkeit sah Commander Sirius im Augenblick nicht.

Kommen sie mit, Lektro-One! Wir werden der Stadt der Toten jetzt mal einen näheren Besuch abstatten. Wir müssen herausfinden, wie die Lebewesen aussahen, woher sie kamen und zu welchem Zweck sie das hier alles hinterlassen haben. Ich hoffe, sie haben keine Angst vor alten Leichen und ekligen Modergerüchen! Wenn doch, können wir die ganze Sache jetzt gleich abbrechen.“

Lektro-One bewahrte seine lässige Haltung. Mit einer fließenden Handbewegung strich er die Anspielungen seines Freundes Sirius weg, drücke auf die Sensortaste des Antigravgürtels und setzte sich unverzüglich in Bewegung, wobei er so tat, als wolle er sich mit einem zweiten Platz hinter dem Commander nicht zufrieden geben. Mit Maximalleistung seines Fluggürtels schwebte er in einem hohen Bogen davon. Commander Sirius beeilte sich damit, dem verärgerten Lektro-One so schnell wie möglich hinterher zu fliegen, der mittlerweile irgendwo zwischen den riesigen Steingebäuden verschwunden war.

Commander Sirius befahl Lektro-One sich über Intercom zu melden und ermahnte ihn, vorsichtig zu sein. Knapp zwei Minuten später hatte er seinen Bordingenieur jedoch wieder eingeholt, der bereits vor dem erstbesten Mausoleum gelandet war und sich vor dem monströsen Eingang postiert hatte.

Die mächtigen, steinernen Türflügel des Eingangsportals maßen an die vier mal vier Meter und ließen sich, zur allgemeinen Verwunderung der beiden Zeitreisenden, ohne große Schwierigkeiten öffnen.

Die Männer hatten eigentlich mit erheblicheren Schwierigkeiten gerechnet und staunten darüber, wie leicht sie auch in die dahinter liegende Bogenhalle gelangen konnten, an deren hohen Wänden sich Hunderte von rechteckigen Öffnungen befanden, die in gleichmäßig übereinander angeordneten Reihen vom Boden bis zur Decke reichten. Es gab keine Abdeckplatten davor, die einen Blick in das Innere dieser dunklen Löcher verhindert hätten.

Als Commander Sirius und Lektro-One allerdings einen prüfenden Blick in die vermeintlichen Grabnischen warfen, staunten sie nicht schlecht. In jeder Öffnung lag nur ein einziger, länglich geformten Metallzylinder, dessen beide Enden mit klobig geformten, bläulich-schwarzen Kappen verschlossen waren. Jeder der Männer nahm jetzt einen Zylinder in die Hand, entfernten vorsichtig den Staub von der Hülle und wendeten ihn mehrmals nach allen Seiten, konnten jedoch rein äußerlich nichts Auffälliges daran entdecken.

Was glauben sie Lektro-One, was das hier ist?“

Der Bordingenieur der Zeitkapsel zögerte einen Moment mit der Antwort, drehte den Metallzylinder noch einmal prüfend herum und sagte dann: „Ich bin mir nicht ganz sicher, Commander, aber ich denke mal, diese Dinger sehen ein bisschen wie Urnen aus, in denen sich normalerweise die eingeäscherten Überreste von Toten befinden. Könnte natürlich auch was völlig anderes sein. – Was weiß ich?“

Commander Sirius überlegte und runzelte nachdenklich die Stirn.

Ja, du könntest Recht haben, Lektro-One. Aber ich sehe keine namentliche Beschriftung oder sonstige Hinweise von Verstorbenen auf den einzelnen Zylindern. Das gleiche gilt auch für die Nischen. Nirgendwo auch nur ein einziges Schriftzeichen. Noch nicht einmal eine Nummer oder ähnliches, wenn ich mal von der Beschriftung über den Eingängen draußen absehe. Die werden ihre Verstorbenen doch nicht alle anonym bestattet haben! Wäre doch reiner Unsinn! – Oder?“

Während Commander Sirius redete, blickte er dabei gleichzeitig in der großen Grabhalle herum, in der sich mittlerweile ein staubiger Nebel ausgebreitet hatte und das Licht von draußen ein wenig abdunkelte. Die gesamte Atmosphäre machte auf ihn langsam einen unheimlichen Eindruck. Außerdem drang eine scheußliche Kälte von draußen rein, was den Commander dazu veranlasste, die Innentemperatur seines Schutzanzuges leicht zu erhöhen.

Schließlich sagte er: „Und wenn das hier keine Urnen sind, sondern etwas ganz anderes? Wir sollten vorsichtshalber eine bestimmte Anzahl Zylinder mitnehmen und den Inhalt in unserem Labor genauestens untersuchen. Wir müssen uns sicher sein, was da drinnen ist. Wir haben noch mindestens zwei Tage Zeit, bevor wir endgültig mit der Zeitkapsel wieder in unsere eigene Zeit zurück müssen.“

Ok, geht in Ordnung, Commander! Ich schnappe mir ein paar von diesen Dingern und nehme sie mit.“ antwortete Lektro-One, griff sich zwei von den herumliegenden Metallzylindern, verstaute sie in seinem mitgebrachten Rucksack und schritt etwas später dem Ausgang der Halle entgegen. Commander Sirius tat es ihm gleich. Vor dem Mausoleum aktivierten sie ihre umgeschnallten Fluggürtel und schwebten langsam in Richtung Zeitkapsel davon, geleitet vom Signal des Peilsenders.

Draußen war es schon fast dunkel geworden, als die beiden Männer endlich den ruhig da liegenden Landeplatz ihrer Zeitkapsel erreichten. Dann schritten sie zum Eingang rüber, öffneten ihn und stiegen ein. Die mitgebrachten Zylinder wurden aus Sicherheitsgründen in der Einstiegsschleuse verstaut, aus der man hinterher jegliche Atemluft entfernte und auf diese Weise in eine Vakuumkammer umfunktionierte.

Der zurück liegende Tag war anstrengend gewesen. Commander Sirius und Lektro-On machten es sich im Steuer- und Navigationsraum bequem, checkten nebenbei nochmals alle wichtigen Funktionen der Zeitkapsel durch und ließen zuletzt den Energieschild mit ein Drittel Kraft hochfahren. Man wollte auf jeden Fall vor unangenehmen Überraschungen sicher sein.

***

Am nächsten Morgen, nach einem ruhigen Schlaf und einem ausgiebigen Frühstück, legte sich Lektro-One den klimatisierten Schutzanzüge an, überprüfte die Dichtheit des Raumhelmes und stieg zusammen mit Commander Sirius hinab zum Schleusenausgang. Dort angekommen ließ Lektro-One über ein zischendes Einlassventil Luft zum Druckausgleich in die Schleusenkammer strömen und öffnete über eine Hydraulik das schwere Sicherheitsschott. Auf Anweisung von Commander Sirius war die Vorgehensweise zum Öffnen eines der Metallzylinder vorher genau festgelegt worden, um im Falle einer Gefahr sofort einschreiten zu können.

Der schlaksige Lektro-One begab sich jetzt allein in die Schleuse. Nachdem das Innenschott geschlossen war, setzte Commander Sirius das Außenschott in Betrieb, damit sein Bordingenieur mit dem Zylinder ins Freie gehen konnte. Zum Schluss schaltete er alle Sicherheitseinrichtungen ein, um sie im Notfall sofort einsetzen zu können, sollte es zu einem Zwischenfall kommen.

Keine fünf Minuten später stand Lektro-One draußen vor der Zeitkapsel im tiefen Schnee. Die beiden Helmkameras liefen mit, die jede noch so kleine Bewegung aufzeichneten. Die interne Kommunikationseinrichtung war eingeschaltet.
„…Lektro-One, wie ist die Verbindung?“ fragte der Commander.

Klar und deutlich! Ich gebe ihnen Zeichen, wenn ich damit anfange, den Zylinder zu öffnen!“

Aufmerksam beobachtete Commander Sirius jetzt auf dem flachen Monitor neben dem inneren Schleusenschott das Geschehen im Freien. Dann befahl er Lektro-One eine der Kappen des silbrig glänzenden Metallzylinders behutsam zu entfernen. Der konzentriert arbeitende Bordingenieur brauchte noch nicht einmal zwei Minuten dafür, um den klobigen Verschluss von dem röhrenförmigen Ding zu lösen. Kurz danach hielt er beide Teile einzeln direkt in die Objektive seiner laufenden Helmkameras.

Lektro-One, schauen sie mal selbst in den Zylinder! Ich glaube, da hat sich im innern was bewegt. Seien sie vorsichtig, mein Freund!“

Plötzlich schien draußen der Teufel los zu sein. Die Stimme von Lektro-One überschlug sich beinahe als er aufgeregt sagte: „Commander, ich schwitze unangenehm. Meine Thermosensoren schlagen Alarm und warnen mich davor, dass die Lufttemperatur in der unmittelbaren Umgebung des Zylinders bereits auf über 65 Grad Celsius gestiegen ist. Was soll ich tun?
„Lektro-One, kehren sie sofort in die Schleuse zurück! Werfen sie den Zylinder weg! Lassen sie alles stehen und liegen! Ich werde die Desinfektionsanlage in Betrieb setzen, sobald sie drinnen sind und das Außenschott geschlossen und verriegelt ist.“

Im gleichen Moment fing der Bordingenieur draußen an zu schreien: „Commander, irgendwas dringt durch die Außenhülle meines Schutzanzuges. Ah, die Hitze verbrennt mich! Verdammt, was ist das? Ich kann meine Beine nicht mehr bewegen…! Helfen sie mir, Commander! Ich…, ich sehe nichts mehr…!

Lektro-One riss in einer verzweifelten Geste die Arme hoch. Im nächsten Augenblick blähte sich sein Schutzanzug wie ein Ballon auf, um sofort wieder in sich zusammen zu fallen. Dann kippte Lektro-One der Länge nach in den tiefen Schnee und blieb dort regungslos liegen. Es dauerte eine Weile, da bewegte sich der zerborstene Schutzanzug plötzlich zuckend hin und her und eine ekelhaft aussehende, breiig-rote Fleischmasse kroch aus ihm heraus, die sich langsam wie eine blutrot gehäutete Schlange auf die geöffnete Schleuse der Zeitkapsel zu bewegte.

Commander Sirius hatte den dramatischen Todeskampf seines Bordingenieurs wie gelähmt vor Entsetzen auf dem kleinen Schleusenmonitor mit bekommen. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass da draußen mit Lektro-One etwas Schreckliches passiert sein musste. Instinktiv schlug er mit der Faust hastig auf den Notknopf der Schnellverriegelung. Sofort setzte sich mit einem lauten Geräusch das Außenschott hydraulisch in Bewegung, um die Zeitkapsel hermetisch abzuschließen. Er warf noch schnell einen Blick auf den Monitor und glaubte, draußen im aufkommenden Schneegestöber eine Gestalt gesehen zu haben, die sich auf die Zeitkapsel zu bewegte und aussah wie Lektro-One.

Verwirrt von diesem letzten Eindruck lief der Commander so schnell er konnte mit weit ausholenden Schritten in den Steuer- und Navigationsraum zurück, betätigte in aller Eile die Schnellstartsequenz des Antimateriegenerators, wartete einen Moment, bis die Leistungsanzeige bei fast hundert Prozent lag und ließ dann den Energieschild hochfahren, der sich hell flimmernd in Sekundenschnelle um die ganze Zeitkapsel legte.

Der nächste Schritt bestand für Commander Sirius darin, die Zeitsprungkoordinaten frei zuschalten, die auch in der Basisstation gespeichert waren. Ein dringender Notfall war eingetreten. Dann schickte er ein kodiertes Hyperraumnotsignal los, um die absolute Priorität seines Zeitsprunges durchzugeben. Nur wenige Minuten später erreichte ihn eine klare Bestätigung, welche am Steuerpult durch ein grünes Licht angezeigt wurde. Die ruhig daliegende Zeitkapsel begann noch im gleichen Moment unter der gewaltigen Energie des Antimateriegenerators zu vibrieren, bis sie etwas später vom Sog des schlagartig auftauchenden Wurmloches mitgerissen wurde und darin verschwand.

***

Als die Zeitkapsel aus dem stationären Wurmloch unter heftigen Turbulenzen am anderen Ende in das gigantische Start- und Landegebäude geschleudert wurde, geriet sie sofort in die aktivierten Magnetkräfte des Raumkrümmers, der sie automatisch in den geöffneten Andockmechanismus hineinzwang. Nach den üblichen Sicherheitsprozeduren ließen die Wissenschaftler der Versuchsanlage Commander Sirius aussteigen. Einige Stunden später traf man sich in einem der Beratungsräume innerhalb der Sicherheitszone. Außer Commander Sirius waren noch drei weitere, hochrangige Wissenschaftler zugegen, die ihn zuerst Willkommen hießen und sich anschließend der Reihe nach vorstellten.

Einer der drei Forscher trat aus der Reihe hervor und begann zu reden.

Commander Sirius, wir möchten ihnen zuerst einmal mitteilen, dass bedauerlicherweise ihr Bordingenieur Lektro-One bei seinem letzten Einsatz ums Leben gekommen ist. Wir haben ihn leider nicht retten können. Sicherlich wollen sie jetzt wissen, was mit ihrem Freund da draußen vor der Zeitkapsel passiert ist. Ich werde es ihnen gleich erklären. – Sie selbst haben übrigens sehr gute Arbeit geleistet. Wir müssen uns bei ihnen dafür bedanken. Durch ihre schnelle Reaktion haben sie verhindert, dass ein überaus gefährliches Virus in die Zeitkapsel eindringen konnte. Es wurde in dem Moment vernichtet, als sie den Schutzschild rechtzeitig aktivierten. Das Wurm ähnliche Wesen, ich nenne es mal Alien, ist durch die Berührung mit der Schirmenergie förmlich verdampft. Außerdem haben wir bereits das an die Zeitkapsel übertragene Bildmaterial der Helmkameras und die Daten aller anderen Meßinstrumente von Lektro-One ausgewertet und dabei festgestellt, dass in den gefundenen Zylindern winzigkleine Nanomaschinchen deponiert waren, die einen Virus im Gepäck hatten, das äußerst aggressiv gegen alles vorgeht, was lebendig ist. Aber es kommt noch schlimmer. Die Nanomaschinen leisten nur die Vorarbeit. Sie knacken fast jedes Material und erzeugen dabei eine brutale Hitze. Ist der Wirtskörper erreicht, dringen sie über die Haut in den Körper ein und setzen erst hier das Virus frei. Dieses beginnt sofort damit, die Zellstruktur des infizierten Lebewesens umzuprogrammieren. Das Ergebnis haben sie ja selbst sehen können. Es nimmt vorübergehend die Gestalt seines Wirtes an und verwandelt sich erst später in eine intelligente, weitaus verbesserte Lebensform, die uns bisher so noch nicht begegnet ist. Wir wissen nicht einmal aus welcher Ecke des Universums diese Kreaturen kommen. Eines ist aber jetzt schon sicher: Sie verbreiten sich auf raffinierte Art und Weise und haben auf dem Planeten NOXOS vor mehr als 25 Tausend Jahren ein gewaltiges Depot in Form einer Stadt angelegt, die wie ein gigantischer Friedhof auf den Betrachter wirkt. Wahrscheinlich nicht ganz ohne Grund. Denn an diesem Ort haben sie ihre eigenen Gene abgelegt, die tief in den Viren schlummernd eingebettet ihrer Freisetzung harren und möglicherweise Jahrtausende in den Metallzylindern, der zusätzlich noch mit einer Gelee ähnlichen Substanz ausgekleidet ist, überdauern können. Übrigens haben wir die übrigen Zylinder aus der Schleusenkammer der Zeitkapsel bereits sichergestellt. Sie liegen jetzt gut verpackt in unserem Hochsicherheitslabor für außerirdische Lebensformen. Wir haben einen von ihnen ausgiebig untersucht und interessante Sachen heraus gefunden. Sie können froh sein, dass diese Dinger den Zeitsprung schadlos überstanden haben. Wäre es nicht so gekommen, hätten wir sie zusammen mit der Zeitkapsel vernichten müssen. Nun, das Glück war auf ihrer Seite, und es wäre wirklich schade um sie gewesen, Commander Sirius.“

Schließlich trat ein weiterer Wissenschaftler hervor, den der Commander entfernt von einigen Testläufen her kannte.

Seine Stimme war etwas schleppend, als er anfing zu sprechen.

Ja, Commander, wir haben in der Tat ein Problem gehabt. Ich will ihnen das mal so erklären. – Während wir sie und Lektro-One 25 000 Jahre zurück in die Zeit reisen ließen, haben unsere Kryptocomputer fast zur gleichen Zeit einen großen Teil der Schriftzeichen entschlüsseln können, die sehr aufschlussreich waren. Wir fanden nämlich heraus, dass diese sog. „Stadt der Toten“, wir wollen sie mal so nennen, nur dazu diente, um dort ein hoch aggressives Virus zu hinterlegen, das über äußerst ungewöhnliche Fähigkeiten verfügt. Mein Kollege hat es ja schon angedeutet. Wir haben einiges an Mehr herausgefunden.

Nun, da gibt es eine Kombination aus Nanomaschinchen und Virus, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit von einer uns bisher völlig unbekannt gebliebenen Raum fahrenden Rasse stammt. Wir haben alles zusammen unter dem Begriff „Trojaner“ zusammengefasst. Die Erfinder dieses Trojaners haben es damit fertig gebracht, ihr eigenes Überleben zu sichern, indem sie andere Lebewesen mit dem Virus infizieren, das den befallenen Wirt in die eigene körperliche Gestalt, also die der Aliens, umwandelt. Das funktioniert sogar bei Tieren und Insekten. Wenngleich nicht so effektiv wie bei höher entwickelten Lebensformen. Eine faszinierende Metamorphose setzt sich dabei jedes Mal in Gang. Das Virus ist nicht nur überaus intelligent, sondern noch dazu im höchsten Maße überlebensfähig, was nicht verwundert, denn sie lagern mitunter mehrere Tausende von Jahren oder noch länger in ihren Metallzylindern, dessen Struktur denen von Kristallen gleicht und praktisch nicht verrotten kann. Die Totenstadt beherbergt offenbar Million davon. Wahrscheinlich liegen die ganzen Gene eines Volkes dort deponiert herum. Nun, wie schon gesagt. Hat das Virus erst einmal seinen wehrlosen Wirtskörper befallen, wandelt es diesen nach und nach in die Gestalt jener Lebewesen um, die einmal weit vor der Entstehung unserer eigenen Zivilisation den Planeten NOXOS aus dem All besucht haben. Die unbekannte Rasse baut wahrscheinlich überall im Universum ähnlich aussehende Totenstädte, offenbar mit der Absicht, dass andere intelligente Lebensformen, von ihrer Neugier getrieben, diese früher oder später finden werden, um die dort deponierten Zylinder zu öffnen. Das haben wir ja auch getan, nur mit dem Unterschied, dass wir die Gefahr rechtzeitig erkannt haben und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten konnten. – Aber bitte, dieses Thema geht an meinen nächsten Kollegen! Der wird ihnen alles Weitere erklären.“

Der nächste Wissenschaftler trat auf Commander Sirius zu.

Nun, Commander“, fragte er mit nachdenklichem Gesichtsausdruck, „wie soll ich nur anfangen?“ Er zögerte etwas, als wolle er jeden Satz auf die Goldwaage legen.

Schließlich fuhr er fort: „Nun, als wir heraus gefunden hatten, in welcher Gefahr sie und Lektro-One schweben würden, wenn solch ein gefährlicher Zylinder erst einmal geöffnet worden ist, schickten wir umgehend ein zweites Zeitreiseteam los, aber nicht um sie zu warnen, das sollte später geschehen, sondern um eine unserer mächtigsten Antimateriebomben im Zentrum der Totenstadt durch dieses Team anbringen zu lassen. Der Zeitzünder war so eingestellt worden, dass er die Bombe erst dann zur Zündung bringen sollte, wenn sie und Lektro-One wieder bei uns in der Versuchsanlage in Sicherheit waren. Leider kam es anders – jedenfalls für Lektro-One. Aber das die Antimateriebombe später tatsächlich doch explodiert ist, haben sie ja an den zerstörten Resten sehen können, die wir tief unter uns im Boden von NOXOS als millionenfach zerrissene Steinfragmente durch Zufall gefunden haben. Wir haben die Stadt der Toten, mit ihrem gefährlichen Virus darin, zerstört.

Aber das ist immer noch nicht die ganze Wahrheit, Commander.

Mittlerweile wissen wir, dass die gewaltige Explosion der Bombe nicht alle Nanomaschinchen und ihre Viren vernichten konnte, sondern dass einige von ihnen die Katastrophe überlebt haben. Wahrscheinlich darunter auch die Reste aus Lektro-One’s Zylinder. Irgendwie haben es dann die überlebenden Viren geschafft, einige der damals schon auf NOXOS lebenden Säugetiere zu infizieren. Durch ständige Mutationen schaffte es das Virus schließlich eine intelligente, humide Art hervorzubringen, die in vieler Hinsicht bereits der unseren glich. Die neuen Lebewesen veränderten sich kontinuierlich. Ihre Zahl wuchs unaufhörlich an und schließlich schufen sie auf dem Planeten NOXOS im Laufe der Zeit ansehnliche Kulturen und Zivilisationen. Manche gingen unter, andere entstanden neu. Aber immer war die ganze Zeit das gleiche Virus am Werk. Die Nanomaschinchen gab es natürlich bald nicht mehr. Die wurden auch nicht mehr gebraucht. Dann hatten wir einen Verdacht, der uns anfangs schier unvorstellbar vorkam.

Unsere Biologen konnten nämlich anhand vergleichender Gen- und Zellproben den eindeutigen Nachweis liefern – und daran besteht jetzt gar kein Zweifel mehr, dass wir Nachkömmlinge jener säugetierartigen Lebewesen sein müssen, die das überlebende Virus nach der Explosion der Antimateriebombe angefallen und infiziert hat.

Aber bitte, ich möchte meinem letzten Kollegen das Schlusswort überlassen. Er ist einer der Biologen aus dem Forscherteam, die uns dieses sensationelle Ergebnis beschert haben. Der Wissenschaftler drückte auf einen Knopf.

Ein hochgeschossener Mann im weißen Kittel trat durch eine Seitentür ein und blieb schließlich mitten im Raum stehen. Dann wandte er sich dem Commander zu und sagte: „Wir haben mittlerweile Pläne ausgearbeitet, die das sichere Überleben unserer Rasse auch noch in ferner Zukunft nicht nur auf NOXOS erlauben wird.

Zu diesen Zweck hat sich der oberste Wissenschaftsrat jetzt schon dazu entschlossen, die restlichen Zylinder samt Inhalt in unseren Hochsicherheitslabors genauestens zu analysieren. Unser Ziel ist es, alles haargenau zu kopieren. Das wird uns nicht besonders schwer fallen. Wenn das geschehen ist, werden wir dazu in der Lage sein, die Gene unserer eigenen Rasse in das von uns neu erschaffene Virus zu importieren. Auch die nächsten Schritte stehen schon fest. Mit Hilfe unserer Zeitsprungtechnik werden wir auf jeden Planeten, den wir besuchen, aufwendig gestaltete Depots errichten, in den unsere Zylinder mit den gesamten Genen unseres Volkes, innewohnend in Billionen von Viren, hinterlegt sind.

Im Grunde genommen wenden wir nur die gleiche Überlebensstrategie der unbekannten Fremden aus dem All an. Diese Methode der Arterhaltung stufen wir als außerordentlich effektiv ein. Das müssen doch auch sie zugeben, Commander Sirius. Unsere Rasse würde dadurch so gut wie unsterblich werden.“

Der Commander schaute den Biologen jetzt unverwandt in die Augen. Dann sagte er: „ Tja, mein Guter. Wie sagt man noch? Ach ja! Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Was heißen soll: Wir sind die Alien..., nicht wahr? Oder etwa nicht?“

Noxos

Ende

(c)Heinz-Walter Hoetter


 

 

***

3. Betty, meine geliebte Androidin


 

Ich bumste die Frau schon mindesten 15 Minuten lang und blickte ihr dabei die ganze Zeit unverwandt in ihre blitzenden Augen. Plötzlich trat bei ihr der Orgasmus ein. Jedenfalls tat sie so. Tja, eigentlich war ich immer noch der dümmlich anmutenden Meinung, ihr ein bisschen Geist und Verstand reinbumsen zu können, aber leider vergeblich. Ist doch klar, fiel mir plötzlich ein, so was geht bei ihr nicht.


Ich stoße, keuche und schwitze und versuche, keine negativ gefärbten Gedanken aufkommen zu lassen. Sex und kritisches Denken, beides passt gleichzeitig nicht zusammen.

Aber kein Funke von Geist erkenne ich in diesen blicklosen, leeren Augen, nicht einmal jetzt, wenn sie sich im Rausch des Orgasmus begierig unter mir hin und her bewegt. Ich stoße weiter, schwitze wie ein 100 Meter Läufer und sie versucht alles, mir auf dieser animalischen Ebene Freude zu bereiten.

 

Eigentlich möchte ich es ja nicht zugeben, aber in der Tat: sie treibt mich ebenfalls zum Höhepunkt und im anschwellenden Feuerwerk der Gefühle scheine ich fast die Sinne zu verlieren. Dann, mit einem Schlag ist alles vorbei. Während ich mich langsam wieder entspanne, betasten mich die weichen Lippen ihres Mundes immer noch am ganzen Körper.

Ich muss zugeben, auf ihre Art ist
Betty einfach unschlagbar. Schade, dass sie keine echte Frau ist, so eine aus Fleisch und Blut meine ich.

Betty ist nur ein weiblicher Androide, aber sie ist mir trotzdem lieb und teuer geworden.

Die Zeit drängt. Es ist schon fast acht Uhr. Um 9 Uhr muss ich spätestens im Büro sein.

Ich schalte Betty kurzerhand ab und verlasse das runde Wasserbett, um mich frisch zu machen. Als ich das Haus verlasse, werfe ich noch einmal einen prüfenden Blick ins Schlafzimmer. Betty starrt immer noch mit weit aufgerissenen Augen regungslos zur Decke. Noch kurz vor dem Abschalten hatte sie beide Arme zu einer seltsam aussehenden Pose hochgerissen, gerade so als wolle sie damit sagen: "Komm bald wieder, ich warte auf dich!"


 

 

 

ENDE


©Heinz-Walter Hoetter


 

***


 

Nachtrag zur Geschichte


Die Kurzgeschichte von Betty ist im Prinzip ein Protest gegen die sexuelle Verfügbarkeit der Frau in unserer modernen Gesellschaft. „Lust" zeichnet sich hier in meiner Geschichte als das bedrückende Bild eines desolaten und gefühllos gewordenen Gesellschaftssystems, das die Frau (aber auch nicht minder den Mann) in allen sozialen und politischen Bereichen in die Rolle des Objekts zu zwingen versucht. Sex beschreibe ich in diesem Falle als Machtergreifung des Mannes über die Frau. Der Protagonist nimmt seine „Betty“, wenngleich sie auch nur eine Androidin ist, tagtäglich gewaltsam in Besitz. Betty wird zum Instrument seiner Lustbefriedigung. Wäre sie ein menschliches Wesen, könnte man in der Tat von „Entmenschlichung“ sprechen.

Aber Betty ist sein (willenloses) Eigentum, in das er investiert hat, und das er deshalb auch benutzen darf. Sie ist kein menschliches Wesen. Man kann sie nicht degradieren. Sie ist nur ein Gebrauchsgegenstand wie ein Auto, das seinen Zweck erfüllt, ein Behältnis, das zur Aufnahme seiner Lust bereitsteht.

So steht Betty sinnbildlich für eine Klomuschel, damit der Mann sein Geschäft in sie hinein machen kann. Die Liebe ist tot. Eine Maschine kann man nicht lieben, weil echte Liebe nur von beseelten Wesen erlebt, gelebt und durchlebt werden kann und mehr als bloßer Sex ist.

Viele mögen es nicht wahr haben. Wir leben in einer Gesellschaft, in der viele Menschen Angst vor der echten Liebe haben, weil sie fürchten, die Liebe könnte größer werden als ihr Egoismus.

(c)Heinz-Walter Hoetter

 

 

 

 

***

4. Adam und Eva


 

Adam wachte zuerst aus seinem künstlichen Tiefschlaf auf. Nachdem er einige Minuten brauchte, um sich zu orientieren, ließ er per Knopfdruck die Schlafkapsel so weit nach oben fahren, dass er sie bequem ohne Schwierigkeiten verlassen konnte. Dann ging er hinüber zu einer zweiten Tiefschlafeinheit, die sich im gleichen Raum befand und überprüfte sie ebenfalls, ob alles in Ordnung war.

 

Die Gesundheitsdaten des Computers meldeten keinerlei Störungen. Auch Eva ging es gut. Adam machte trotzdem zur Sicherheit, wie es das Protokoll vorschrieb, einen Check aller Systeme. Nachdem alle Daten im grünen Bereich lagen, ging er unter die Dusche, reinigte sich von Kopf bis Fuß und zog sich nach dem Trocknungsprozess seine eng anliegende Uniform an.

 

Das kugelförmige Raumschiff "Genesis" raste mit unvorstellbarer Geschwindigkeit lautlos durch die unendlichen Weiten des Universums. Auch wenn der Bordcomputer kleinere Beschädigungen an der Außenhülle des Raumschiffes meldete, so hatte es bisher die lange Reise dennoch ohne nennenswerte Beschädigungen überstanden, was angesichts der unvorstellbaren Entfernung, die es bereits zurück gelegt hatte, schon fast ein kleines Wunder war.

 

Adam machte es sich im Sessel des Kommandanten bequem, bevor er die aktuelle Position überprüfte. Zu seiner großen Zufriedenheit hat der Autopilot des Kugelraumers tatsächlich die letzten 300 Lichtjahre lange Reise durchs All den vorgeschriebenen Kurs gehalten und sein Ziel punktgenau erreicht.

 

Adam suchte auf dem großen Bildschirm nach einem bestimmten Planeten, bis er ihn schließlich lokalisieren konnte.

 

Und da war er tatsächlich!

 

Die nachfolgende Auswertung der ersten Planetenanalyse zeigte, dass der vor ihm liegende Planet zwar etwas kleiner als sein Heimatplanet war, dennoch in vieler Hinsicht ihm sehr ähnlich schien. Es gab leuchtend blaue Ozeane, kleine und große Berge, riesige grüne Zonen, weite Wüsten und sogar Eisflächen an den Polarregionen.

Zudem zeigten die Abtastungen der Planetenoberfläche, bis auf das Vorhandensein von Tieren und Pflanzen, keine intelligente Lebensformen an. Es schien, als hätten die Astronomen seines Heimatplaneten recht gehabt, dass dieser neu entdeckte Planet als ein geeigneter Zufluchtsort für ihre Rasse dienen konnte.

 

Adam ging zurück in den Tiefschlafraum und weckte Eva auf. Nach etwa einer Stunde stand sie angekleidet neben ihm und hatte vorsorglich auch ihren Schutzhelm mitgebracht.

 

"Das Shuttle ist bereit, Eva. Wir können für eine genauere Analyse runter auf die Planetenoberfläche fliegen. Einen Ort gibt es auch schon, den wir anfliegen werden. Die KI übernimmt die Kontrolle des Raumschiffes und sorgt vom Orbit aus für unsere Sicherheit."

 

Eva nickte mit dem Kopf und begab sich zusammen mit Adam runter in den weiten Hangar, wo eines der Raum tüchtigen Shuttle stand.

 

Der Flug bis auf die Planetenoberfläche dauerte nicht lange. Sie landeten genau an der voraus berechneten Stelle. Nachdem die Außensensoren grünes Licht für das Verlassen des Shuttles gegeben hatte, verließen Adam und Eva in ihren Raumanzügen das Miniraumschiff und traten durch die Schleuse hinaus ins Freie. Die Luft war gut und sauerstoffreich. Deshalb nahmen beide ihre Helme ab und genossen die frische Luft der sauberen Atmosphäre. Dann marschierten sie los und beobachteten ihre Umgebung genau. Adam entsicherte vorsorglich sein schweres Strahlengewehr, um keine Überraschungen zu erleben, die ihr beider Leben gefährden könnte.

 

Plötzlich entdeckte Eva seltsam aussehende Strukturen, die sich direkt vor ihr hinter einer dichten Vegetation versteckten. Über den internen Funk machte sie Adam darauf aufmerksam. Adam reagiert sofort und schritt auf die Strukturen zu. Nachdem er genauer hinsah, traute er seinen Augen nicht. Es waren ganz klar die Überreste künstlicher Bauwerke. Es gab Fenster und Türen, was darauf schließen ließ, dass es hier einst intelligentes Leben gegeben haben muss. Je weiter sie vordrangen, desto größer und höher wurden die Bauwerke, die jetzt allerdings nur noch aus Ruinen bestanden. Überall lagen kreuz und quer seltsam aussehende Fahrzeuge ohne Räder herum. Die Straßen waren überwuchert von riesigen Pflanzen, die weit in den Himmel hinein ragten.

 

Dann erblickte Adam den Eingang einer gewaltigen Halle und ging mit Eva direkt darauf zu. Bevor sie das düster vor ihnen liegende Gebäude erreichten, schalteten sie mit zitternden Händen ihre Scheinwerfer am Helm ein. Eva blieb dicht hinter ihrem Kommandanten und beide tauchten hinein in das Dunkel eines Raumes, der voller seltsamer Geräte stand, die Adam an vieler Hinsicht an Computer erinnerten, die sie in ähnlicher Form und Bauweise von ihrem Heimatplaneten her kannten.

 

In einem Nebenraum gab es noch weitere davon, die sich allerdings hinter Panzerglas befanden und offenbar noch völlig unversehrt waren.

 

Adam schoss mit seinem Lasergewehr auf die Glaswand, die durch die enorme Hitze des Laserstrahls sofort zerplatze. Aus mehreren Computern entnahm er einige Datenträger und verstaute sie in einer mitgebrachten Vakuumtasche. Er wollte sie später in seinem Labor auslesen lassen.

 

Adam und Eva durchstreiften noch den ganzen langen Nachmittag die zerstörten Straßen und ihre angrenzenden Ruinen, deren gewaltige Größe man hier und da noch erahnen konnte, bevor sie mit dem Shuttle zum Mutterschiff zurück flogen.

 

Dort angekommen übergab Adam einem der Wissenschaftsandroiden die mitgebrachten Datenträger und befahl ihm, einen ausführlichen Report an die Kommandozentrale zu übermitteln.

 

Der Report kam etwa zwei Stunden später rein. Adam und Eva hörten sich den Bericht gemeinsam an, der von der künstlichen Stimme der KI vorgelesen wurde.


Es lebte vor langer Zeit einmal auf diesem Planeten eine sehr weit entwickelte Hochkultur. Doch sie führten schreckliche Kriege untereinander und vernichteten sich erbarmungslos gegenseitig. Außerdem betrieben sie im großen Maße Raubbau an der Natur ihres Planeten, den diese Kreatur als ERDE bezeichnete, wie wir heraus bekommen haben. Obwohl sie die Technologie besaßen um zu den Sternen zu reisen, verhinderte ihr absurdes Verhalten jeden sinnigen und notwendigen Fortschritt. Doch irgendwann war es zu spät. Als sie merkten, dass sie das Klima irreparabel geschädigt hatten und dringend etwas Radikales getan werden musste, lief ihnen die Zeit davon, um endlich wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.

Verzweifelt versuchten sie noch, ihre Zivilisationen mit allen nur möglichen Mitteln zu retten, aber ihr Untergang war nicht mehr aufzuhalten. Nach und nach starben ganze Völker aus, bis alle ausgerottet waren.

Diese Kreatur nannte sich übrigens "Mensch" oder auch "Homo sapiens sapiens". Diese Angaben fanden wir auf einem der unbeschädigten Datenträger über ihre Geschichte, die leider kein gutes Ende für sie genommen hat. Sie sollte auch für uns eine Mahnung sein.

Im Anschluss an diesen Report schlage ich vor, wir übersenden diesen an den Obersten Rat, um mit der Besiedelung dieses Planeten beginnen zu können. Ihr seid die ersten Ankömmlinge, Adam und Eva. Man wird sich immer an euch erinnern, solange unsere Rasse existieren wird. Die Arbeitsandroiden sind angewiesen worden, mit dem Aufbau der ersten Station zu beginnen, die nicht unweit der von euch entdeckten Ruinenstadt eingerichtet wird, damit ihr eine lebensfreundliche Umgebung habt. Für unsere Rasse ein historisches Datum der Besiedelung eines neuen Planeten.

Viel Glück ihr beiden!


 

Ende

 

(c)Heinz-Walter Hoetter

 

 

 

***

 

 

 

5. Das Geheimnis der SS Hyperion


 

Dunkle Gewitterwolken hingen düster am neu entdeckten Planetenhimmel. Es regnete in Strömen.

 

Angestrengt schaute Commander Tyrion Maybeelen durch das getönte Panzerglas des quadratischen Beobachtungsturmes, der hoch droben sicher auf einer felsigen Anhöhe am Rande eines weitverzweigten Flusses stand, der von einem wuchernden, schier endlos erscheinenden, giftgrünen Urwald gesäumt wurde.

 

Der geräumige Turm war Teil einer komplexen Außenstation, die ringsherum von einer mehr als sechs Meter hohen und fast mehr als fünfzig Zentimeter dicken, extra harten Kunststoffmauer umgeben war. Das obere Ende wurde durchgängig von einem rot leuchtenden Laserstrahl permanent gesichert, der jedes Mal laut knisterte, wenn ihn herab prasselnde Regentropfen trafen.

 

In der Ferne zuckten heftige Blitze durch eine graue Regenwand. Nur schwach konnte man die Silhouetten der gewaltigen Berge am Horizont erkennen, die hinter einem dichten Vorhang aus Wasser lagen.

 

Die Blitze kamen immer näher, gefolgt von dröhnenden Donnerschlägen, die die einsam da liegende Außenstation erbeben ließen. Plötzlich gingen die Lichter aus und die Notbeleuchtung schaltete sich ein. Eine Sirene heulte mehrmals kurz hinter einander auf, die aber, wegen eines offensichtlichen Fehlalarms, bald wieder verstummte.

 

Dem ganzen Geschehen haftete etwas Irreales an. Außerdem hatte dieser erdähnliche Planet, auf dem es scheinbar die meiste Zeit nur regnete, bisher noch keinen Namen erhalten. Vielleicht sollte man ihn „Seeworld“ nennen, dachte sich der Commander, weil er nur aus zwei kleinen Kontinenten bestand, die zusammen ein Fünftel der sichtbaren Landmasse ausmachten. Vier Fünftel des Planeten waren mit Meerwasser bedeckt.

 

Darüber hinaus wusste Commander Tyrion Maybeelen, dass da draußen ein gestrandetes Raumschiff lag und einige seltsam anmutende Wesen existierten, die sogar mehrmals versucht hatten, in das Innere ihrer Außenstation zu gelangen. Aufgrund dieser Tatsache hatte die künstliche Intelligenz (KI) zwingend die höchste Alarmstufe ausgelöst. Alle Waffensysteme waren vorsorglich aktiviert worden und im Bedarfsfall sofort einsatzbereit.

 

Eigentlich war es nicht das Ziel ihrer Mission gewesen, havarierte Raumschiffe oder eine außerirdische Spezies zu entdecken, sondern sie hatten einfach nur in Erfahrung bringen wollen, was da draußen war, als diese schemenhaften Erscheinungen auf den Monitoren ihrer ferngesteuerten Erkundungsfahrzeuge plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht waren, um gleich darauf wieder zu verschwinden, als hätte es sie nie gegeben.

 

Es galt die Maxime: Exakte Aufklärung diente der allgemeinen Sicherheit, denn ohne Sicherheit war an eine ungestörte Forschungs- und Erkundungsarbeit nicht zu denken. Einige der Bordwissenschaftler der Firebird II, die sich mit neu entdecktem Leben auf Exo-Planeten beschäftigten, hielten es daher für dringend erforderlich, sich so schnell wie möglich mit der fremdartigen Kreatur zu befassen und forderten deshalb gleich mehrere Suchexpeditionen an, um die geheimnisvollen Wesen aufzuspüren.

 

Der oberste Raumschiffrat der Firebird II, dem auch Commander Tyrion Maybeelen angehörte, hatte nach Lage der Dinge nichts dagegen und erteilte die Genehmigung zur Durchführung der von den Forschern beabsichtigten Expedition. Schon bald begannen die Suchmannschaften damit, die weit voneinander entfernt liegenden Kontinente in großer Höhe mit Raumfähren zu überfliegen, um sie mit ihren hochempfindlichen Bioscannern flächendeckend abzutasten. Für die abgelegenen Inseln, auf die man überall verstreut in den unendlich erscheinenden Wassermassen gestoßen war, setzte man unbemannte Flugdrohnen ein, die den gleichen Suchauftrag hatten.

 

Ein anderer Teil der Crew war ebenfalls mit einigen der zahlreich vorhandenen Landefähren des gewaltigen Explorer Raumschiffes, das weit oben im Orbit kreiste, auf dem Regenplaneten gelandet, um die bevorstehende Suche nach möglichen Rohstoffvorkommen vorzubereiten. Der verbliebene Rest der Besatzung errichtete parallel dazu mit zahlreichen Androiden zusammen die Außenstation am Rande eines Felsplateaus, zu dessen Füßen sich ein breiter Fluss in zahllosen Windungen bis zum Horizont durch den dichten Dschungel träge dahin schlängelte.

 

Die Station erhielt nach ihrer Fertigstellung den Namen ‚Refuge’ und wurde überwiegend aus vorgefertigten Bauelementen zusammengesetzt. Sie hatte mehr Ähnlichkeit mit einer Bunkerverteidigungsanlage, als mit einer wissenschaftlichen Forschungseinrichtung. An allen strategisch wichtigen Punkten waren darüber hinaus gefährlich aussehende, vollautomatisch arbeitende Lasergeschütze postiert.

 

Es gab auch keine Fenster, höchstens ein paar kleine Bullaugen aus dickem Panzerglas. Im Innern war alles so praktisch und optimal wie möglich ausgestattet worden. Jedes einzelne Gebäude konnte von den übrigen durch schwere Sicherheitsschotts hermetisch abgeriegelt werden, um im Ernstfall nicht die ganze Station zu gefährden. Größtmögliche Sicherheit war stets das oberste Gebot.

 

Die Raumschiffbesatzung der Firebird II hatte die Welten weit zurück gelassen, auf denen sich menschliche Siedlungen befanden. Sie waren damit ein hohes Risiko eingegangen. Aber was tat man nicht alles, wenn lukrative Gewinne lockten, die mächtige interplanetarische Minengesellschaften dafür zahlten, wenn neue für sie wichtige Rohstofflagerstätten auf irgendwelchen Planeten in der Galaxis gefunden wurden.

 

Fakt war aber auch, dass die intergalaktische Raumflotte nur in ganz besonderen Ausnahmefällen in Anspruch genommen werden durfte, wenn z. B. existenzielle Gefahr für Besatzung und Raumschiff bestand. Dafür gab es genau festgelegte Notfallpläne, die sogar vorsahen, dass die künstliche Intelligenz (KI), auch ohne Zustimmung der obersten Kommandoführung, Zeitsprung fähige Schlachtschiffe der intergalaktischen Raumflotte anfordern konnte, die mit ihrem schrecklichen Waffenarsenal dazu in der Lage waren, ganze Planeten in Schutt und Asche zu verwandeln. Alle Mitglieder eines Raumschiffes im Universum schätzten natürlich diesen Sicherheitsservice ungemein, denn er bedeutete in vielen Fällen oft auch Rettung aus höchster Lebensgefahr.

 

Plötzlich ertönte eine bassartige Stimme aus dem Lautsprecher. Commander Maybeelen zuckte unwillkürlich etwas zusammen.

 

Hier Landefähre ‚Libelle’. Wir sind unterwegs, Tyrion. Die Flugzeit wird etwa noch vier bis fünf Minuten dauern.“

 

Seid nach der Landung vorsichtig, wenn ihr da rausgeht. Geht direkt zu der Luftschleuse. Habt ihr den E-Generator mitgenommen?“

 

Na klar. Wir haben auch den Hochenergielaser und einige Magnetkäfige dabei. Wir werden trotzdem vorsichtig sein. Mach dir keine Sorgen, Tyrion.“

 

Vorsicht ist besser als Nachsicht, Messias. Zielkoordinaten sind eingegeben. Zielort ist die zweite nördliche Luke der Außenstation.“

 

Verstanden, Tyrion. Schade, dass wir die Flugtore nicht öffnen und mit der ‚Libelle’ in die Bodenstation direkt rein fliegen können.“

 

Tut mir einen Gefallen und macht es so, wie wir es vorher besprochen haben. Die Sicherheit hat absolute Priorität. Setzt die Kampfandroiden zum Transport der Gerätschaften ein und kommt mit euren eigenen Waffen nach der Landung sofort zu mir.“

 

Okay, Tyrion. Wir sind gleich da. Wir sehen bereits die nördliche Luke. Wir nähern uns kontinuierlich dem markierten Landeplatz. Die Positionslichter sind trotz des heftigen Dauerregens deutlich zu erkennen.“

 

Tyrion an Messias und Stronghold. Ich werde die Entriegelung sofort freigeben, sobald ihr gelandet seid.“

 

Wir haben verstanden. Setzen jeden Moment auf. Wir sind so weit. Öffne jetzt die äußere Schleuse, Tyrion!“

 

Vorsichtig Männer! Das Wetter spielt hier unten verrückt. Das Wasser steht kniehoch. Die Sicht ist mehr als nur schlecht. Wir wissen auch nicht, ob einige von den seltsam aussehenden Kreaturen in der Nähe unserer Station herumschleichen.“

 

Wir haben die Scanner aktiviert. Der Autopilot steuert tadellos. Wir sind gelandet. KI schaltet Atmosphärentriebwerke ab und geht in Bereitschaft. Ich sehe gerade, dass die äußere Luftschleuse offen ist. Alles klar, Tyrion. Wenn wir drinnen sind, gebe ich dir umgehend Bescheid.“

 

Sehr gut Männer! Macht weiter so!“

 

Besatzung der ‚Libelle’ an Tyrion. Haben die Fähre verlassen. Wir sind jetzt in der äußeren Luftschleuse. Die Androiden sind bei uns. Ihre Verteidigungssysteme sind aktiviert. Schließe das äußere Tor und öffne die innere Sicherheitsluke. Bis jetzt ist alles noch im grünen Bereich.“

 

Okay Männer! Äußeres Schott geschlossen, inneres geöffnet. Die Luftschleuse ist sicher. Ich erwarte euch im Bereitschaftsraum. Wir sehen uns dann gleich.“

 

Alles in Ordnung, Commander. Schalten jetzt auf stationäre Kommunikation um.“

 

Roger, Messias. Die KI hat alles mitgehört und hält die Verbindung mit dem Mutterschiff aufrecht. – Ende der Durchsage.“

 

Ein paar Minuten später betraten Othello Messias und Pit Stronghold den geräumigen Bereitschaftsraum. Nach einer kurzen Pause mit anschließender Besprechung bereitete man sich auf die Erkundung des fremden Raumschiffes vor, das auf der anderen Flussseite wie verloren im dichten Dschungel lag. Zwei mächtige Kampfandroiden nahm man zur Sicherheit mit.

 

Die KI an Bord der Firebird II zeichnete alles auf, was in der Außenstation, in den einzelnen Landefähren, auf der Brücke, im Frachtraum oder im Maschinenraum passierte. Es gab kein Bereich, der von ihr nicht abgehört und mitgeschnitten wurde. Allerdings konnte sie mittels eines bestimmten Codes auch abgeschaltet werden, um beispielsweise ein privates Gespräch führen zu können oder wenn es generell um die Einhaltung der Privatsphäre ging. Allerdings konnte man in dieser Hinsicht nie ganz sicher sein. Manche Besatzungsmitglieder glaubten nämlich, dass sich die KI nur zum Schein abschaltete, weil ihr die Sicherheit der Crew, die Einsatzfähigkeit und die Unversehrtheit der Firebird II wichtiger war als alles andere. Für die KI konnte so was wie Geheimhaltung oder ähnliches nicht geben.

 

***

 

Commander Tyrion Maybeelen, Steuermann Othello Messias und der Navigator Pit Stronghold flogen mit der Landefähre ‚Libelle’ zu dem unbekannten Raumschiff hinüber, das etwa sechs oder sieben Meilen vor ihnen auf einer Lichtung im Urwald stand. Sie umrundeten in geringer Höhe das Schiff und konnten keinerlei Anzeichen einer Beschädigung ausmachen. Auch auf der Brücke, die sich hoch über dem Rumpf befand, schien alles in Ordnung zu sein.

 

Die Kennzeichnung auf der Außenhaut des Schiffes war allerdings verbrannt und dadurch unlesbar geworden. Die KI bekam während dessen den Auftrag, das fremde Raumschiff aufgrund seiner äußeren Bauform zu identifizieren.

 

Messias, bring uns längsseits zur Haupteinstiegsluke und lande dort“, ordnete Commander Maybeelen an. Der Steuermann führte den Befehl aus und setzte die kleine Fähre auf den weichen Dschungelboden auf. Dann kontrollierten sie ihre Sicherheitsdruckanzüge und verließen, als die Lampen der Schleuse grün aufleuchteten, die kleine Landefähre und gingen hinüber zu dem unbekannten Raumschiff, das wie ein gigantisch aussehender, lebloser Körper eines Wales aussah.

 

In diesem Augenblick meldete sich die KI über den internen Funk.

 

Commander, ich habe interessante Nachrichten für Sie. Nach den Umrissen zu urteilen handelt es sich bei dem Raumschiff offenbar um die verschollen geglaubte SS Hyperion, die nach geheim gehaltenen Berichten der Sternenflottenadministration vor mehr als zwanzig Jahren von der gewaltigen Schockwelle eines explodierenden Riesensternes erfasst und dann, ähnlich wie ein Stück Treibholz in der Flut, von dieser mehrere Lichtjahre weit mitgerissen wurde. Seit dem Zeitpunkt galt sie als vermisst, weil kein Not- bzw. Peilsignal von der SS Hyperion aufgefangen werden konnte. Doch wie es jetzt aussieht, hat der Autopilot das Schiff nach jener überraschend eingetretenen Kollision noch bis zu diesem Planeten geflogen, wo er dann notgelandet ist. Was dann aus der Besatzung wurde, darüber steht nichts in den Aufzeichnungen. Man nimmt jedoch an, dass alle Besatzungsmitglieder der SS Hyperion nach und nach gestorben sind. Anscheinend hat keiner der über zweihundert Männer und Frauen, die sich an Bord des Schiffes befanden, die nachfolgenden Strapazen auf diesem Planeten überlebt. Trotzdem könnten meinen Überlegungen nach wahrscheinlich noch einige Mitglieder der Crew am Leben sein. Der Planet verfügt besonders in den Meeren über fischreiche Nahrungsvorkommen. Leider haben wir bis jetzt keine verwertbaren Daten darüber, ob die vorgefundene Flora und Fauna auch für Menschen genießbar ist. Das müssen wir erst noch untersuchen. Wir sind aber schon dabei.“

 

Waren Androiden mit an Bord der SS Hyperion?

 

Nein, Commander. Die sündteuren Androiden sind ausschließlich ein Privileg der Raumschiffe der Explorer-Klasse und der Zeitsprung fähigen Schlachtschiffe der intergalaktischen Raumflotte. Damals, wie heute. Die SS Hyperion gehörte außerdem einer privaten interplanetarischen Fluggesellschaft, die viele Jahre lang ausgesuchte Kolonisten zu weit abgelegenen Planetensystemen brachte. Sie stand für ihre Mission damals jedoch bei der intergalaktischen Raumflotte vorübergehend unter Vertrag und diente einem geheimen Auftrag. Näheres kann ich ihnen dazu nicht sagen.“

 

Danke KI. Jetzt wissen wir wenigsten Bescheid, dass es sich um kein direktes Schiff unserer eigenen Raumflotte handelte. Es war eine privates. Vielleicht finden wir heraus, was mit der Besatzung passiert ist. Ich denke, wir sind es ihr schuldig. Es waren mutige Männer und Frauen, an die wir uns erinnern sollten.“

 

***

 

Das ovale Bedienfeld des monströsen Außenschotts funktionierte einwandfrei, und schon nach kurzer Zeit öffnete sich die Einstiegsluke. Die Männer in ihren Schutzanzügen traten in die Luftschleuse; die Luke schloss sich hinter ihnen automatisch. Dann öffnete sich surrend die Innenluke.

 

Es war dunkel im Innern des havarierten Raumschiffes. Die Temperatur lag etwas höher als draußen. Dafür war es trocken. Die drei Männer schalteten ihre Schulterlampen an und nahmen die Druckhelme ab, nachdem die Sensoren die Atemluft als ausreichend sauerstoffhaltig, sauber und normal anzeigte.

 

Commander Tyrion Maybeelen rief den Code aus, um die KI des Schiffes anzusprechen. Er hätte ihr zwar keine Anweisungen erteilen können, aber wenn sie noch intakt geblieben ist, müsste sie ihm antworten. Nichts rührte sich jedoch.

 

Stronghold schüttelte den Kopf.

 

Sie arbeitet nicht, obwohl anscheinend noch genug Energie vorhanden ist. Mein Energiescanner zeigt an, dass circa achtzig Prozent der Antimaterie noch vorhanden sind“, sagte er bitter.

 

Der Steuermann Messias ließ seine Lampe über die Inneneinrichtung gleiten. Mittlerweile befanden sich alle drei in der zentralen Befehls- und Gemeinschaftshalle. Ihre Ausmaße waren so groß wie ein Kino und konnte mindestens zweihundert Personen locker Platz bieten.

 

Der Commander ging auf die Brücke, die sich weiter oben auf der dritten Ebene befand. Nach ein paar Minuten war er wieder zurück und informierte seine beiden zurückgebliebenen Männer.

 

Keine Seele an Bord. Auch nicht auf der Brücke. Niemand da. Und was noch seltsamer ist, man kann nirgendwo eine Beschädigung feststellen. Das Raumschiff ist sogar noch nach all den Jahrzehnten vollkommen flugtauglich. Es muss nicht einmal technisch überholt werden. Das zeigt jedenfalls die Analyse meines Recorders an, der die Daten überprüft. Wenn die KI funktionieren würde, könnte sie sogar das Licht wieder einschalten. Wir müssten dazu in den Maschinenraum, der sich am Heck des Schiffes befindet. In einem Nebenraum sind alle Hauptsicherungen untergebracht, sowohl für die E-Generatoren, als auch für die gesamte elektrische Anlage des Raumschiffes.“

 

Ob die gesamte Besatzung der SS Hyperion tot ist?“ fragte der Navigator Pit Stronghold mit nachdenklichem Gesicht in den Hallen ähnlichen Raum hinein und schaute dann seinen Commander an.

 

Der fühlte sich angesprochen und zuckte mit der Schulter.

 

Kann ich nicht sagen. Ich selbst habe nicht die geringste Ahnung, was mit den Männern und Frauen der SS Hyperion geschehen ist“, antwortete Commander Maybeelen.

 

Aber es besteht die Möglichkeit von Überlebenden“, warf der Steuermann Messias ein und schaute mit fragendem Blick in die Runde. Dann sprach er mit leiser Stimme weiter.

 

Das Schiff verfügte zum Zeitpunkt der Schockwellenerfassung offenbar noch über ein intaktes Schutzschild, andernfalls wäre es zerstört worden. Es wurde mitgerissen und später vom Autopiloten hier hin gebracht, und zwar unversehrt, wie man eindeutig sehen kann. Wahrscheinlich hat die gesamte Besatzung den fürchterlichen Höllenritt auf der Schockwelle des explodierenden Sterns überlebt, aber dann die SS Hyperion nach der Landung auf diesem Planeten aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen verlassen. Unsere Bioscanner haben im gesamten Schiff bisher kein einziges menschliches Lebenszeichen entdecken können. Also, entweder sind sie alle tot oder es laufen von denen noch einige Überlebende hier auf dem verdammten Planeten herum. Das müssen wir unbedingt heraus bekommen. Vorher sollten wir mit unserer Rohstoffsuche nicht beginnen.“

 

Vielleicht sind ein paar von ihnen durchgedreht und haben sich gegenseitig umgebracht. Wer weiß, was die Besatzung durchgemacht hat, als sie von der Energie der Schockwelle erfasst und mitgerissen worden ist“, gab Pit Stronghold, der Navigator, zu bedenken.

 

Der Commander räusperte sich und fuchtelte etwas verärgert mit der rechten Hand in der Luft herum. Er wandte sich an Stronghold und sagte mit deutlich hörbarer Stimme:

 

Das ist eine waghalsige Theorie, mein lieber Pit. Jemand schnappt sich eine Waffe und läuft damit Amok. Das tut keiner dieser Raumfahrer und Kolonisten, die sich der Besiedelung fremder Welten verschrieben haben. Es sind allesamt gut ausgebildete, charakterstarke Männer und Frauen. Nein, nein..., jeder von ihnen hatte ein beispielhaftes Leben geführt und wäre zu so einer Tat grundsätzlich nicht fähig gewesen.“

 

Dennoch ließ ihn allein die Vorstellung daran schon schaudern. Sollte es tatsächlich einen irren Schlächter an Bord des havarierten Raumschiffes gegeben haben? Vielleicht sogar mehrere? Commander Tyrion Maybeelen schnitt diesen Gedanken einfach abrupt ab. Er wollte davon nichts wissen. Derart abstruse Überlegungen waren für ihn schlichtweg undenkbar.

 

Wir brauchen Licht. Geh’ in den Maschinenraum und suche nach den Hauptsicherungen“, befahl er seinem Steuermann Messias, der neben Stronghold stand. Kurz darauf machte sich Messias auf den Weg ins Heck der SS Hyperion. Nach etwa fünfzehn Minuten war er wieder zurück und öffnete eine graugrüne Abdeckplatte am Fuß des Pilotensitzes, der sich in einem eigenen Raum gleich unterhalb der Brücke befand.

 

Die elektrische Anlage ist in Ordnung. Irgend jemand muss die zentralen Hauptsicherungen der Knotenpunkte heraus genommen haben. Das ist eigentlich verboten, weil damit auch die KI abgeschaltet wird. Ich habe die Dinger wieder installiert.“

 

Dann griff er nach einem gelb markierten Schalter und schob ihn behutsam nach vorne. Anschließend drückte er eine Reihe blinkender Einschaltsensoren und mit einem Schlag ging überall die Bordbeleuchtung des Raumschiffes an. Auch die KI funktionierte plötzlich wieder.

 

Sie nannte sich ‚Quantenrose' und begrüßte die anwesenden Männer der Sternenflotte mit ihrer weiblichen Stimme.

 

Hallo, mit wem habe ich die Ehre?“

 

Ich bin Commander Tyrion Maybeelen vom intergalaktischen Explorerraumschiff Firebird II der Raumflotte. Prioritätenfrage! Was ist mit diesem Schiff und der Besatzung geschehen - Quantenrose?“

 

Commander, es tut mir wirklich Leid, aber ich verstehe Ihre Frage nicht“, antwortete die KI.

 

Ihr seid vor mehr als zwanzig Jahren hinter dem Andromedanebel von der Schockwelle einer explodierenden Sonne mitgerissen worden und Lichtjahre davon auf diesem Planeten notgelandet. Wir haben euch durch Zufall entdeckt, aber ohne die Crew des Schiffes. Wo ist die Besatzung der SS Hyperion, KI?“

 

Ich habe das Schiff auf den Sprung zurück zur Galaxie Milchstraße vorbereitet, da wir unsere Mission schon fast beendet hatten“, sagte die KI zum Commander Maybeelen.

 

Was ist dann passiert?“

 

Die KI zögerte etwas mit der Antwort.

 

Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Meine Erinnerungsspeicher sind leer. Jemand muss meine Datenaufzeichnungen gelöscht haben.“

 

Wer kann so etwas getan haben, KI?“ fragte der Commander.

 

Es gibt nur wenige Personen an Bord eines Raumschiffes, die auf den Datenspeicher einer KI zugreifen dürfen. Das Löschen der Daten ist allerdings strengstens verboten. Ein Backup ist zwingend vorgeschrieben, falls mal so ein Eingriff notwendig werden sollte.“

 

Die KI kann uns also nicht weiterhelfen. Wir werden uns demnach selbst auf die Suche machen müssen, was mit der Besatzung passiert ist. Wir bleiben in Sichtweite zusammen“, sagte Commander Maybeelen und gab den Befehl dazu, das Raumschiff genauestens zu inspizieren.

 

Sie durchschritten zuerst den Hauptkorridor. Der Commander berührte einen Taster an der ersten Tür. Es war genau jene, die zum Quartier des Captains führte. Die Kabine war leer, aber alle persönlichen Sachen befanden sich ordentlich aufgeräumt an ihrem Platz.

 

Auch die übrigen Kabinen der anderen Korridore waren ebenfalls leer. Das Gleiche galt für die Waschräume.

 

Unheimlich“, bemerkte Stronghold.

 

Was befindet sich unter diesem Deck?“ fragte der Commander über Funk die KI.

 

Frachtraum, Depot für die Landefähren, Waffenkammern usw.“, gab diese zur Antwort.

 

Sie gingen in einen der Personenaufzüge und ließen sich hinunterfahren. Doch auch hier unten war niemand.

 

Messias ging voran in den Frachtraum, dann hinüber zum Fährenhangar.

 

Sie näherten sich den dort fest verankerten Landefähren, dem einzigen Platz im ganzen Schiff, an dem sie noch nicht nachgesehen hatten. Jede einzelne Fähre wurde genauesten untersucht. Messias öffnete jede Luke und blickte hinein.

 

Niemand auf den Vordersitzen, niemand auf den Sitzen im hinteren Teil der Fähren.

 

Der Commander und seine Männer fühlten sich wie in einem Spukhaus.

 

Ich möchte zum Teufel noch mal wissen, was hier vorgegangen ist. Alles ist unversehrt geblieben. Man könnte schon fast glauben, jemand hat das Schiff in Schuss gehalten, um selbst damit fliegen zu wollen. Nur fehlte es bisher an der nötigen Besatzung“, sagte der Commander.

 

Sie machen wohl einen Scherz, Commander Maybeelen. Wer sollte denn so was Abgefahrenes vorhaben?“ fragte der Navigator Pit Stronghold leicht nervös.

 

War nur so ein Gedanke von mir, Pit. Reg’ dich ab!“ beschwichtigte der Commander seinen Navigator und ordnete an, die SS Hyperion wieder zu verlassen.

 

Sie schalteten das Licht aus und setzten das Raumschiff in den Energiesparmodus. Dann gingen sie durch die Luftschleuse hinaus, ließen die Außenluke offen und kehrten in ihre eigene Raum- und Landefähre zurück.

 

Die drei Männer waren froh, als sie wieder in den trockenen Räumen der Außenstation waren. Draußen regnete es immer noch wie aus vollen Eimern. Commander Maybeelen rief nach der KI und ließ sich mit dem Explorerraumschiff Firebird II verbinden.

 

Was werden Sie ihnen erzählen?“ fragte Stronghold?

 

Darüber denke ich noch nach. Mir bleibt ja doch nichts anderes übrig, als der obersten Administration das zu schildern, was wir bisher in Erfahrung bringen konnten, nämlich so gut wie nichts. Erfreulich ist nur der gute Zustand des Raumschiffes. Auf jeden Fall werden wir die SS Hyperion in sicherem Abstand zur Firebird II rauf bringen lassen. Wenn wir unsere Mission hier beendet haben, fliegen wir zusammen mit ihr zurück zur Erde“, sagte der Commander, setzte sich hin und ließ sich von der KI einen Kanal zur Kommandoführung der Firebird II frei schalten.

 

Die KI kam ihm zuvor.

 

Die oberste Raumschiffadministration hat eine wichtige Information für Sie, Commander. Ich habe Sie direkt durchgestellt. Sie können das Gespräch jetzt annehmen.“

 

***

 

Die Planetenforscher hatten für eine riesige Sensation gesorgt.

 

Nachdem der starke Regen etwas nachgelassen hatte, entdeckten die externen Bioscanner an der Außenhaut der Raumfähren schon nach kurzer Zeit an einigen Meeresküsten eine arthropodische Kreatur, die offenbar ein ausgesprochenes kulinarisches Interesse an menschlichem Fleisch hatte.

 

Die Außenstation wurde aufgrund dieser faszinierenden Entdeckungen unverzüglich um eine große exobiologische Abteilung erweitert, um exakte Forschungen vor Ort an dieser neu entdeckten Lebensform durchführen zu können.

 

Die vorwiegend marinen Lebewesen sahen aus wie jene Trilobiten, welche vom Kambrium bis ans Ende des Perm in den Urmeeren der Erde existierten.

 

Nur waren diese Dinger hier auf dem unerforschten Planeten um ein Vielfaches größer und schienen darüber hinaus nicht nur schnell und überaus flink zu sein, sondern verfügten offensichtlich auch über eine ziemlich hohe Intelligenz, was zumindest für jene Exemplare zutraf, die man dort unten entdeckt hatte.

 

Die Biologen für außerirdische Lebewesen vermuteten sogar, dass sie sich untereinander mittels eines komplizierten Lautsystems verständigen konnten. Sie krochen oft in großen Formationen bis weit ins Landesinnere, um auch dort nach Nahrung zu suchen. Es schien, als täten sie das ganz bewusst, um das Land zu erkunden. Wasser in Flüssen und Seen gab ja es überall genug.

 

Zum Entsetzen der Forscher fand man bei dieser besonders großen Art die sterblichen Überreste von mehr als einhundert Besatzungsmitgliedern der SS Hyperion, die den Trilobitenwesen offenbar alle im Laufe der Zeit zum Opfer gefallen waren. Dem Rest der Crew war anscheinend das gleiche Schicksal zuteil geworden. Ihre Leichen konnten allerdings nirgendwo gefunden werden und so erklärte man sie einfach für tot. Das Geheimnis des verschollen geglaubten Raumschiffes SS Hyperion und das grausame Schicksal der Besatzungsmitglieder war damit überraschend aufgeklärt worden. Man schloss die ganze Sache ab und errichtete in der Nähe ihres Landeplatzes auf dem Wasserplaneten, den man bereits „Seeworld“ getauft hatte, ein weithin sichtbares Denkmal mit den Namen all jener Männer und Frauen, die hier im Dienste der intergalaktischen Raumflotte gestorben waren. Spätere Generationen von Raumfahrern und wagemutigen Siedlern sollten sich ihrer stets erinnern.

 

Tief in der Mitte der SS Hyperion waren die gewaltigen kugelförmigen Wassertanks untergebracht, die immer noch randvoll gefüllt waren. Niemand ahnte etwas davon, dass sie von Millionen und Abermillionen winziger Trilobiten bevölkert waren, die darauf warteten, irgendwann auszuschlüpfen.

 

***

 

Rückblick

 

Was war mit der SS Hyperion wirklich geschehen?

 

Als die KI zusammen mit dem Autopiloten das havarierte Raumschiff auf einer Lichtung mitten im Dschungel sicher runter gebrachte hatte, stellte die überraschte Besatzung über ihre intakt gebliebenen Außenscanner sehr schnell fest, dass sie auf einem Regenplaneten notgelandet waren. Sie hatten im Prinzip Glück im Unglück gehabt.

 

Später schickte man Erkundungstrupps los, die damit beauftragt wurden, das kostbare Süßwasser der zahlreich vorhandenen Flüsse und Seen auf Trinkbarkeit zu testen. Es war tatsächlich für Menschen genießbar.

 

Obwohl das Wasser des erdähnlichen Planeten ständig auf Keime und sonstige Verunreinigungen untersucht wurde, übersah man aus noch unbekannten Gründen eine fast unscheinbar wirkende mikroskopisch kleine Substanz, die wie ein transparentes Kügelchen aussah und im Wasser nur sehr schwer erkannt werden konnte. Die Schiffsbesatzung der SS Hyperion füllte jedoch damit ihre Wassertanks neu auf und trank auch ausgiebig davon, weil man aufgrund der durchgeführten Tests das neugewonnene Frischwasser für unbedenklich hielt.

 

Weil man nicht wusste, wo man sich im Universum eigentlich mit dem Raumschiff genau befand und sich zudem die Positionsbestimmung durch die fremde Sternenkonstellation als ungewöhnlich schwierig gestaltete, war das reichlich vorhandene Süßwasser des Regenplaneten für die Besatzung der SS Hyperion tatsächlich zur einzigen Überlebenschance geworden. Hätte es das Raumschiff irgendwo anders hin verschlagen, wären die gesamte Crew wohl früher oder später verdurstet, da die mitgeführten Wasservorräte irgendwann aufgebraucht worden wären, trotz der Wiederaufbereitungsanlagen. Das Wasser des Planeten war demnach ihre Rettung gewesen.

 

Doch was bis dahin keiner der gestrandeten Besatzungsmitglieder ahnen konnte: Eine tödliche Gefahr lauerte bereits in den riesigen Wassertanks der SS Hyperion.

 

Aus einem Teil der winzigen Eier schlüpften nämlich bald kleine Trilobiten artige Kreaturen, die sich explosionsartig über das gesamte Trinkwassersystem des Raumschiffes ausbreiteten. Jedes Mitglied der Besatzung trank von dem Wasser, ohne zu wissen, dass es ein tödliches Geheimnis in sich barg.

 

Die Katastrophe nahm damit ihren schrecklichen Lauf.

 

Die unscheinbaren Kleinstlebewesen waren magensaftresistent und drangen schon nach kurzer Zeit über den Darm in die Blutbahn ihrer Opfer ein. Sie entwickelten sich in dem warmen Medium noch besser, als in ihren angestammten Lebensräumen, weil das Blut des Menschen vom Salzgehalt her dem Meerwasser ähnelt. Nach den ersten Todesfällen brach unter der Besatzung eine Panik aus, dann setzte schlagartig ein regelrechtes Massensterben ein, denn die schnell wachsenden Mini-Trilobiten begannen damit, ihre Opfer von Innen her aufzufressen. Die befallenen Crewmitglieder verbluteten elendig und starben innerhalb nur weniger Minuten.

 

Da die restlichen Überlebenden der Raumschiffsbesatzung davon überzeugt waren, dass sich der Ursprungsherd der Seuche anscheinend in ihrem eigenen Raumschiff befand, wurde es vorsorglich vollständig evakuiert. Vorher kappte man noch die Hauptenergieversorgung, indem man die wichtigsten Knotenpunktsicherungen entfernte. Damit wollte man sicherstellen, dass die KI der SS Hyperion kein SOS-Peilsignal senden konnte, um ahnungslose Raumschiffsbesatzungen auf das havarierte Schiff aufmerksam zu machen. Ihnen würde, wie man glaubte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das gleiche tödliche Schicksal widerfahren. Soweit wollte man es aber unter keinen Umständen kommen lassen.

 

Nicht auszudenken, wenn sich die schreckliche Seuche unbemerkt ausbreiten und möglicherweise sogar auf die Bewohner anderer Planetensysteme übergreifen würde, was man um jeden Preis verhindern wollte.

 

Die Erinnerungsdatenbank der KI wurde gelöscht und ein Backup angelegt, das der 1. Captain der SS Hyperion in einem kleinen Speicherwürfel am Ringfinger bei sich trug. Ausgewachsene und überaus intelligente Trilobiten verschleppten den geschwächten Offizier und hielten ihn bis zu seinem Tode in Gefangenschaft. Danach diente er ihnen als willkommene Nahrungsergänzung.

 

Der weitaus größte Teil der Überlebenden der SS Hyperion wurde jedoch nach und nach von wandernden Trilobiten angefallen, verschleppt und ebenfalls gefressen. Niemand der ehemals stolzen Besatzung überlebte das schreckliche Gemetzel.

 

Zurück blieb nur ein einsames Raumschiff, bis die SS Hyperion mehr als zwanzig Jahre später zufällig von der Besatzung der Firebird II auf dem Regenplaneten ‚Seeworld’ wiedergefunden wurde..., ihre tödliche Gefahr aber immer noch in sich tragend.

 

***

 

Eine kleine Gruppe intelligenter Trilobiten schaute aus sicherer Entfernung zu, wie sich das gewaltige Raumschiff langsam und majestätisch in den Himmel erhob. Die Antimaterietriebwerke der SS Hyperion fauchten donnernd durch die regnerische Atmosphäre und bald war das Schiff hinter einer dichten Wolkendecke verschwunden.

 

Einer der Trilobiten zirpte plötzlich wie eine Grille.

 

Glaubst du, dass unsere Nachkommen die weite Reise durchs All überstehen werden, Maakh?“

 

Die Zweibeiner verfügen über einen Lichtantrieb. Sie beherrschen auch die Zeitsprungtechnik perfekt. Mach’ dir keine Sorgen, Ohook! Ich denke mal, unsere Rasse ist robust genug, dass sie auch diese schwere Prüfung unbeschadet überstehen wird.“

 

Das denke ich auch“, sagte ein dritter Trilobit, der sich jetzt hoch aufgerichtet hatte und alle anderen weit überragte. Dann fuhr er fort: „Alles Wasser im Universum ist von der gleichen Beschaffenheit. Und wo diese aufrecht gehenden Wesen herkommen, da muss es Wasser in sehr großen Mengen geben. Sie tragen es sogar in sich. Sie bestehen überwiegend daraus. Unsere kleinen Trilobiten können, ohne Schaden zu nehmen, in ihrem Blut leben. Das Fleisch der Zweibeiner ist außerdem bemerkenswert saftig. Es schmeckt einfach vorzüglich. Unsere mutigen Nachkommen werden nicht verhungern. Das stimmt mich außerordentlich hoffnungsvoll. Wir Trilobiten werden einen neuen Planeten erobern. Lasst uns daher jeden Tag in demütiger Ehrfurcht an sie denken“, sagte Thoonguulu, der Trilobitenkönig und schaute dabei wehmütig nach oben in einen wolkenverhangenen Himmel, aus dem es immer noch in Strömen regnete und dadurch den freien Blick zu den Sternen verwehrte.


 

 

ENDE

 

© Heinz-Walter Hoetter

 

 

***

 

 

6. Das Wasser der Erde


 

Ich sah auf meine Armbanduhr. Es war kurz vor Mittag. Draußen war es sehr heiß, so um die +50 Grad oder mehr. Ich quälte mich den Hang zum Kettenfahrzeug hinauf, das verlassen auf dem staubigen Felsenboden des Plateaus stand. Ich wusste nicht, ob ich noch genug Kraft besaß, um mich aus dem tiefen Flussbecken hochzuziehen, in dem ich eine kleine Wasserstelle gefunden hatte. So konnte ich wenigstens meinen zur Neige gehenden Wasservorrat wieder auffüllen, der nur noch für maximal ein oder zwei Tage gereicht hätte.

 

Die glutheiße Sonne tauchte das hinter mir liegende Tal in eine flimmernde, gespenstisch aussehende Gerölllandschaft. Die meisten Bäume und Sträucher waren verdorrt. Man hörte kein anderes Geräusch als den leicht säuselnden Wind, der die ausgedörrten Gräser und Blätter erzittern ließ. In der Mitte des Tals befand sich das riesige ausgetrocknete Flussbett, wo früher einmal träge ein breiter Streifen sauberen Wassers dahinkroch. Das ist aber schon lange her.

 

Nur in den ausgeschwemmten Senken, tief auf dem ehemaligen Flussgrund, befanden sich hier und da noch kleinere Ansammlungen von Wasserpfützen über denen riesige Fliegen- und Stechmückenschwärme schwirrten, die in dem flachen Brackwasser in einem verzweifelten Überlebenskampf Milliarden ihrer Eier ablegten.

 

Dort, wo sich einmal das Flussufer befunden haben muss, stand ein Häuschen aus vertrocknetem Holz, das die unregelmäßigen Stöße des Windes klappernd abfing. Seine vordere Fassade, mit zwei offenen Fenstern und einem Eingang ohne Tür, loderte Orangen farbig unter der Glut des hoch am Himmel stehenden Gestirns auf. Drinnen, in dem einzigen Raum, befand sich ein menschliches Skelett. Auf einem vermoderten Flugzeugsitz halb ausgestreckt, grinste mich ein Pilot mit seinen Zähnen ohne Lippen und ohne Zahnfleisch an, den Knochenschädel in der Höhlung seines Helmes ruhend. Sein altes Wasserflugzeug war mit dem sinkenden Wasserpegel bis auf den Grund des ehemaligen Flussbodens abgesackt, wo es schon seit vielen Jahren stark beschädigt langsam verrottete.

 

Aber selbst ein Leichnam kann noch sprechen, wenn man die Umstände seines Todes kannte.

 

Helft mir doch! Helft! Ich verdurste!“

 

Der Donnerschlag krachte durch die trockene Gegend, keine hundert Meter vom Haus entfernt. Aber ich dachte nicht länger darüber nach, obwohl deshalb in mir ein unangenehmes Gefühl hochkam. Ich kannte diese scheußliche Wettererscheinung, die es früher, als die Welt noch in Ordnung gewesen war, so nicht gegeben hatte. Ein heißer Sandsturm kam auf, gefolgt von heftigen Blitzen, die sich spontan entluden und die umliegende Umgebung in ein höllisches Inferno verwandelten.

 

Trotz der Gefahr riss ich mich zusammen und beeilte mich mein Kettenfahrzeug zu erreichen, einen Koffer ähnlichen Behälter auf zwei kleinen Rädern hinter mir herziehend, in dem sich mein aufbereitetes Trinkwasser befand.

 

***

 

Sie waren von weit her gekommen, von einem anderen Sonnensystem, vielleicht sogar aus einer anderen Galaxie. Kommt es überhaupt noch darauf an? Schließlich gab es ja fast niemanden mehr, der sie kommen sah, weil die meisten Menschen tot waren. Alle elendig verdurstet.

 

Die Außerirdischen hatten mit einer gewaltigen Armada von Raumschiffen die Erde überfallen, die Menschheit nicht einmal mit ihren überlegenen Waffen bekämpft, sondern im Verlauf ihrer jahrzehntelangen Besetzung einfach über 90 Prozent des vorhandenen planetarischen Wassers in eine endlosen Kette heran fliegender Transportschiffe hoch gebeamt und mitgenommen. Und so schnell wie sie gekommen waren, so schnell verschwanden sie dann auch wieder irgendwo in den unendlichen Weiten des Alls. Zurück blieb eine sterbende Menschheit, deren Bestand nach dem Raub des Wassers innerhalb weniger Jahre von acht Milliarden Menschen auf weniger als Hunderttausend zusammenschrumpfte.

 

Einer von diesen letzten Überlebenden war ich.

 

Ich habe sie gesehen, diese Fremden aus dem All.

Sie kamen von weit her, von einem anderen Sonnensystem, vielleicht sogar aus einer anderen Galaxie.

 

Niemand konnte sie aufhalten.

 

Die Wesen kannten keine Gefühle, kein Mitleid. Sie weinten auch nicht. Und auch das Wort Wahnsinn war ihnen fremd. Sie sahen die Menschheit vor ihren eigenen Augen qualvoll in gewaltigen Massen dahin sterben, und wie auf allen Kontinenten der blanke Horror ausbrach, als das vorhandene Trinkwasser immer weniger wurde. Grauenvolle Szenen ereigneten sich unter den Menschen, aber die Okkupanten aus dem All interessierte das nicht. Ihnen war nur das lebenswichtige Wasser des Planeten Erde wichtig, das sie für ihre weitere Reise durchs Universum brauchten.

 

Dann wurde es still auf Terra.

 

Die Erde bestand danach fast nur noch aus wasserlosen, ausgetrockneten Flussbecken und ebenso ausgetrockneten Meeresgründen. Ein Planet der Wüsten, ein Planet der Hölle. Reste von Wasser waren zwar noch vorhandenen, aber die lagerten tief und unerreicht in ihrem Innern. Und dort, wo es zutage trat, verdunstete es meistens sehr schnell und war den Insekten und Bakterien wehrlos ausgeliefert, die es ungenießbar für die letzten Überlebenden der Menschheit werden ließen.

 

Ich stieg matt und geschwächt in mein Kettenfahrzeug und fuhr langsam los. Ganz in der Nähe gab es eine kleine menschliche Siedlung am Rande einer ausgestorbenen Riesenstadt, die früher mal eine schillernde Metropole gewesen sein soll und sich New York nannte. Sie lag jetzt an einem riesigen, ausgetrockneten Kontinentalhang, der von tiefen Gräben und Schluchten durchzogen war. Man hätte von hier zu Fuß nach Europa gehen können.

 

Ich starrte nach vorne durch die verschmutzte Frontscheibe des Fahrzeuges in eine völlig ausgetrocknete Landschaft und dachte während der Fahrt an eine längst vergangenen Zeit.

 

Ich stellte mir vor, ich würde wieder im grünen Gras liegen, lauschte hingebungsvoll dem gleichmäßigen Plätschern eines vorbeifließenden Baches und labte mich an seinem frischen Wasser. Das muntere Zwitschern unzähliger Vögel erfüllte mein zufriedenes Herz.

Ach, das ist schon so lange her. Ich habe manchmal das komische Gefühl, alles nur geträumt zu haben. Aber ich erinnerte mich gerne daran, solang ich noch konnte.

 

Tränen liefen mir jetzt über meine knochigen Wangen, als ich die trostlos aussehende Siedlung erreichte, die nur aus einigen verrosteten Eisenbahnwaggons bestand.

 

Wie lange würde ich dieses schreckliche Leben noch aushalten?

 

***


Eine halbe Stunde später.

 

Schweigend starrte ich finster ins Glas.

Dann, nach einer langen Pause trank ich mit Genuss den Rest meines Drinks aus und verließ die Holothek, wo ich mir eines dieser real wirkenden Weltuntergangsvisionen reingezogen hatte, die unsere mächtige Raumflotte von ihren vielen Streifzügen durchs grenzenlose All auf der Suche nach neuen Wasserplaneten als Holographie abgespeicherte 3D-Realdokumentation mitgebracht hatte.

Man konnte dabei auf raffinierte Art und Weise in die Rolle eines der Lebewesen schlüpfen, die in ihrer langsam austrocknenden Welt verzweifelt ums Überleben gekämpft hatten.

Der Unterhaltungswert der holographischen Darstellungen war schlichtweg atemberaubend und jedes mal der reinste Nervenkitzel, weil man den Eindruck von absoluter, selbst erlebter Realität vermittelt bekam.


Als ich durch den zuckenden Energievorhang nach draußen ins Freie trat, war der künstliche Himmel über mir mit grauen, weißen und an einigen Stellen auch mit schwarzen Wolken überzogen, die am weiten Firmament dahinzogen. Hier und da schütteten sie Regen aus, den ich wohltuend feucht und frisch auf meiner grünen Schuppenhaut spürte.

 

Ob es das Wasser von diesem sterbenden Planeten Erde war, das da von oben herunter regnete?

 

Im Prinzip war mir das egal.


Ich genoss einfach das kühle Nass wie immer. Ich wünschte mir, dass es nie versiegen würde.

Aber deswegen brauchte ich mir bestimmt keine Sorgen machen. Auf unsere mächtige Raumflotte war stets Verlass. Sie hat immer noch irgendwo in den unendlichen Weiten des All einen Planeten mit Wasser gefunden.


 

ENDE

 

© Heinz-Walter Hoetter

 

 

 

***

 

 

7. Das Wesen Ashtar


 

Mr. Walter Ammon gehörte nicht zu den Leuten, die gleich nach dem Aufwachen die Augen aufschlagen und sofort hellwach sind. Im Gegenteil! Er brauchte immer eine ganze Weile, bis er dazu im Stande war, seine nächtlichen Träume von fernen, unbekannten Welten von der Wirklichkeit auseinander zu dividieren.

 

Endlich schlug er die Augen auf und schaute sich verschlafen im halbdunklen Zimmer um.

 

War da nicht irgend etwas oder hatte ihn sein trüber, verschwommener Blick nur getäuscht? Mr. Ammon drehte seinen Kopf zurück in Richtung Fußende.

 

Also doch!

 

Eine schattenhafte Gestalt stand vor seinem zerwühlten Bett, die einen metallischen Gegenstand in der rechten Hand hielt, den Mr. Ammon leider nicht richtig erkennen konnte, weil nur wenig Tageslicht durch die zugezogenen Schlafzimmervorhänge von draußen hereinfiel.

 

Er kniff seine Augen mehrmals hintereinander fest zu, rieb an ihnen herum und öffnete sie dann wieder, weil er dachte, das Gesehene sei vielleicht nur ein Spuk.

 

Doch diesmal stellte sich heraus, dass der Mann am Fußende des Bettes keine Traumgestalt war und eine gefährlich aussehende Waffe auf Mr. Ammon gerichtet hatte.

 

Der Kerl stand einfach so da, zischte etwas, das allerdings sehr bedrohlich klang, bloß verstand Mr. Ammon kein einziges Wort davon.

 

Wozu auch? Das klobige Ding mit dem spitzen Lauf in der Hand des Unbekannten sprach sowieso ein deutliche Sprache. Es war eine dieser absolut tödlichen Strahlenwaffen, genannt Destruktoren, die nur von einer ganz bestimmten Spezies im Universum benutzt werden durften – den so genannten Zeitjägern. Er kannte diese Typen.

 

Mr. Ammon erschrak jetzt doch ein wenig, als er sich schlagartig der gefährlichen Situation bewusst wurde, in der er sich befand. Trotzdem blieb er nach außen hin so ruhig wie möglich und versuchte angestrengt sein hektisches Denken und seine verworrenen Gefühle schnell wieder unter Kontrolle zu bringen. Nach einem kurzen Moment der Konzentration hatte er sich wieder voll im Griff.

 

Eine Menge Gedanken jagten jetzt durch sein pulsierendes Gehirn. Es waren jene Art von Gedanken, die sich, wie von einer fremden Macht gesteuert, hinter seiner hohen Stirn zu einem gewaltigen Energiezentrum zusammenballten und telekinetische Kräfte unvorstellbaren Ausmaßes freisetzen konnten – wenn er es nur wollte.

 

Dann sah Mr. Ammon so unauffällig wie möglich hinüber zu dem bewaffneten Mann am Fußende seines Bettes und musterte ihn von oben bis unten mit argwöhnischen Blicken.

 

Der bullige Kerl trug eine schwarz glänzende Lederjacke, die eher den Eindruck einer Uniform machte. Er war sehr groß, leicht korpulent und hatte welliges, schwarzes Haar, das streng nach hinten zu einem Zopf zusammen gebunden war. Unter seinen wachsamen Augen stülpten sich faltige Tränensäcke hervor. Offenbar schien er nicht mehr der Jüngste zu sein oder seine menschliche Maske machte ihm Schwierigkeiten.

 

Noch immer hatte der Zeitjäger diesen gefährlichen Destruktor in der Hand, dessen nadelförmiger Lauf drohend auf Mr. Ammon gerichtet war.

 

Sind Sie Mr. Walter Ammon?“ fragte der Mann in der schwarzen Lederjacke unvermittelt.

 

Ich sage Ihnen gar nichts. Das müssen Sie schon selber rauskriegen. Was wollen Sie überhaupt von mir? Wer hat Sie eigentlich in meine Wohnung gelassen?“

 

Das ist unwichtig, Mr. Ammon. Oder sollte ich doch lieber Geist von Ashtar zu Ihnen sagen? Ich habe den Auftrag, Sie unter allen Umständen nach Sumercoord X zurück zu bringen, wo eine hermetisch abgeriegelte Zelle auf sie wartet. Leisten Sie Widerstand gegen Ihre Festnahme, muss ich leider sehr unangenehm werden und rücksichtslose Gewalt anwenden. Sie sind eine große Gefahr für das gesamte Universum. Wir wissen ganz genau Bescheid über Sie, wozu Sie fähig sind und was sie mit Ihren mentalen Kräften anstellen können. Sie greifen willkürlich in das bestehende Raum-Zeit-Gefüge ein, was wir auf keinen Fall hinnehmen können. Es haben schon genug Erschütterungen auf allen Zeitebenen stattgefunden. Ergeben Sie sich also! Jetzt sofort! Auf der Stelle!“

 

Panik schoss durch den Körper von Walter Ammon wie glühendes Feuer, als der Mann erneut die schwere Strahlenwaffe hob und möglicherweise sogar abdrücken wollte. Das Geistwesen Ashtar, das sich in der Welt des Menschen Mr. Ammon nannte, hob abwehrend die Bettdecke, eine hilflose Geste, die eine instinktive Schutzreaktion war. Jedes Lebewesen würde das so machen, auch wenn der Körper nur ein künstlicher war und als Wirt diente.

 

Man hatte ihn also entdeckt. Aber wie war das möglich gewesen? Er dachte sich auf dem Planeten Erde doch so sicher. Hier kannte ihn niemand. Er war schon fast ein Mensch geworden, zumindest rein äußerlich. Und jetzt das. Unruhe erfasste sein inneres Wesen, das nicht menschlicher Natur war und sich Ashtar nannte.

 

Dann geschah es, ganz ohne Vorwarnung.

 

Mr. Ammon atmete tief durch, presste die Lippen zusammen und stieß kurz darauf die Luft in seiner Lunge explosionsartig wieder aus.

 

Ein fürchterlicher Knall erfüllte das stille Schlafzimmer und wie aus dem Nichts erschien direkt hinter dem Rücken des bewaffneten Zeitjägers eine über zwei Meter große, hässlich aussehende pechschwarze Öffnung, durch die fauchend die Luft aus dem Zimmer entwich, alles aus seiner unmittelbaren Nähe in sich hinein reißend.

 

Mr. Ammon konnte gerade noch sehen, wie der Zeitjäger den automatisch um sich schießenden Destruktor verlor, seine beiden Arme blitzartig hochriss, um sich in einem verzweifelten Rettungsversuch an den pulsierenden Rändern des schwarzen Loches festzuhalten. Doch sein massiger Körper hielt den gigantischen Saugkräften des Wurmloches nur für wenige Sekundenbruchteile stand. Dann wurde er Stück für Stück in großen Fetzen auseinandergerissen, bis er schließlich in der gähnenden Öffnung verschwand. Der Zeitjäger kam nicht einmal mehr dazu, einen Schrei auszustoßen. Nur ein Schutzanzug vom Planeten Sumercoord X hätte ihn vor der eigenen Vernichtung bewahren können.

 

Als das tosende Wurmloch wieder verschwunden war, beugte sich Mr. Ammon vornüber aus dem Bett und erbrach sich auf dem bunt gemusterten Teppich des Schlafzimmerbodens. Ashtars menschliches Verhalten war verblüffend weit fortgeschritten und wirkte überaus echt.

 

Dann holte er tief Luft, legte sich entspannt zurück aufs Bett und starrte mit leerem Blick rauf zur Decke.

 

Das war knapp, ich muss hier weg“, sagte er zu sich selbst. „Es kann nicht lange dauern, bis sie den nächsten Zeitjäger schicken, um meiner habhaft werden zu können. Sie werden niemals damit aufhören, mich zu jagen, diese dreckigen intergalaktischen Söldner, die sich als Zeitjäger ausgeben. Sie haben es in Wirklichkeit auf meine besonderen telekinetischen Fähigkeiten abgesehen, um sie für sich selbst nutzbar zu machen. Jetzt, da sie wissen, wo ich mich aufhalte, bleibt mir nur noch die Flucht. Ich werde meine Sachen packen und so schnell wie möglich von hier verschwinden. Eigentlich schade, die Erde des Menschen hat mir gut gefallen. Es war ein schöner Ort zum Leben.“


***

 

Eine Stunde später.

 

Mr. Walter Ammon, oder das außerirdische Geistwesen namens Ashtar in ihm, stand in seinem hermetisch geschlossenen Schutzanzug mitten im leergeräumten Wohnzimmer und konzentrierte sich mit geschlossenen Augen per Gedankenkraft auf einen imaginären Punkt im Raum. Die Energie dazu kam vom Geistwesen Ashtar.

 

Quantenfluktuationen stellten sich plötzlich ein.

 

Es dauerte nur wenige Sekunden, als der hölzerne Fußboden und die Zimmerwände heftige Wellen schlugen, sich biegend verformten, um schließlich schlagartig in der Mitte des Zimmers ein stabiles Wurmloch zu erzeugen, das im fertigen Endstadium einen Durchmesser von knapp zwei Meter aufwies. Die zusammenfließende Quantenenergie war gewaltig und das Wurmloch sog alles in sich hinein, was in seine Nähe kam.

 

Mr. Ammon machte einen Schritt nach vorne und wurde noch im gleichen Augenblick in das schwarze Loch hineingerissen, ähnlich einer winzigen Ameise, die vom Sog eines Staubsaugers erfasst worden ist.

 

Die Zeit schien still zu stehen.

 

Doch dann kollabierte das temporäre Wurmloch unter heftigen Energieentladungen plötzlich und fiel mit donnerndem Grollen in sich zusammen.

 

Das fremdartige Geistwesen, mit seinen gewaltigen telekinetischen Kräften, war zu diesem Zeitpunkt bereits schon wieder unterwegs in eine neue Welt, die irgendwo da draußen in den unendlichen Weiten eines unbekannten Universums lag und vielleicht sogar intelligentes Leben beherbergte.

 

Das Wesen Asthar wusste aber auch, dass seine Flucht vor den Zeitjägern nie enden würde, solange es existierte – und das tat es schon eine Ewigkeit.

 

 

ENDE

 

© Heinz-Walter Hoetter


 

***


 

8. Der fünfte Zustand


 

Der Sturm hatte im Laufe der Nacht zugenommen und bleischwere Wolken trieben auf die hohen Berge und die umliegende Landschaft zu.

 

Der junge Tom Hoover stand mit seinem Fahrrad unter dem gläsernen Vordach einer Bushaltestelle in der Innenstadt von Oldale Town und blickte prüfend zum tiefhängenden Himmel hinauf. Tom spürte ein leichtes, wärmendes Kribbeln auf seiner Haut, als würde ein schwacher Strom durch sein Nervenkostüm fließen. Er wunderte sich darüber, beachtete aber diesen eigenartigen Gefühlszustand nicht weiter. Vielleicht würde er Fieber bekommen, dachte er so für sich.

 

Seine Arbeit rief, die er so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte.

 

Es war Samstagmorgen, kurz vor sieben, und er musste noch die letzten sechs Zeitungen austragen. Tom fragte sich nachdenklich, ob er noch vor dem Einsetzen des Regens rechtzeitig mit dem Zeitungsaustragen fertig werden würde. Er wollte auf jeden Fall mit trockener Kleidung nach Hause kommen.

 

Er schwang sich auf sein Rad, griff noch während der Fahrt mit der rechten Hand nach hinten, zog eine Zeitung vom Gepäckträger und hielt wenige Minuten später mit schnarrender Handbremse vor einem Haus, dessen Eingangstür aus massivem Eichenholz gefertigt war. Mit geübtem Griff drückte er die kupferfarbene Briefkastenklappe hoch und schob die Zeitung durch den schmalen Schlitz.

 

Dann radelte er weiter.

 

Gerade wollte er die letzte Zeitung in einer vornehmen Villa abliefern, die weit am unteren Ende der Straße lag, als in diesem Augenblick ein fürchterlicher Donnerschlag die Stille des noch relativ jungen Morgens zerriss. Mehrere heftige Blitze zuckten fast zeitgleich vom wolkenverhangenen Himmel und tauchten die ganze Umgebung in ein schummrig fahles Licht.

 

Tom erschrak am ganzen Körper, steckte rasch die Zeitung in den Briefkasten am verschnörkelten Eisentor, machte die seitlich am Gepäckträger hängenden Satteltaschen zu und begab sich sogleich auf den Heimweg. Der Sturm nahm an Stärke zu, und gleichzeitig fing es heftig zu regnen an. Erst tröpfelte es ein wenig, dann folgte ein sich mehr und mehr verstärkendes Prasseln, sodass man meinen konnte, die Sintflut bräche herein.

 

Tom schob sein Fahrrad so schnell er konnte in die schützende Toreinfahrt eines großen Hauses hinein, das direkt an der Straße zum Markt lag und beobachtete aus sicherer Entfernung den Sturm gepeitschten Platzregen.

 

Plötzlich erzitterte der Boden unter seinen Füßen von einem gewaltigen Knall, als ob der Himmel auf die Erde gestürzt sei. Tom zuckte schlagartig zusammen und blickte noch im gleichen Moment zum Marktplatz runter, wo die gewaltige

Explosion stattgefunden hatte und jetzt eine große Wolke aus Rauch und Staub hoch über die Dächer nach oben stieg.

 

Fast alle Fenster in der unmittelbaren Umgebung der Detonation waren zersplittert. Unvermittelt setzte das ohrenbetäubende Heulen einer Sirene ein. Obwohl es immer noch stark regnete, strömten eine Menge Leute mit geöffneten Regenschirmen runter zum Markt, wo sich bald eine große Menschenmenge versammelte. Tom Hoover lehnte aufgeregt sein Fahrrad an die Innenwand der überdachten Toreinfahrt, rannte mit einigen anderen Passanten zum Ort des Geschehens und mischte sich unter die neugierig da stehenden Schaulustigen.

 

Auf dem Bürgersteig und auf dem Marktplatz lagen überall Glasscherben und andere lose Gegenstände herum, die aus den umliegenden Geschäften stammten. Die Druckwelle war so stark gewesen, dass man immer noch nicht genau sagen konnte, wo die schwere Explosion stattgefunden hatte. Alles lag im dichten Nebel einer mächtigen Staubwolke.

 

Die Alarmanlage verstummte plötzlich. Dafür hörte man auf einmal das Heulen einiger Polizeisirenen, die aus verschiedenen Richtungen schnell näher kamen.


Wenige Sekunden später brausten zwei Streifenwagen um die Ecke, rasten über den Markt zwischen all den verstreuten Gegenständen und den gaffenden Menschen hindurch, bis sie schließlich mit kreischenden Bremsen vor dem Gebäude des großen Museums hielten. Dann sprangen Beamte aus den Fahrzeugen und scheuchten die neugierigen Schaulustigen zur Seite.

 

Die Polizeibeamten hatten große Mühe, die sensationshungrige Menschenmenge in Schach zu halten. Ein anderer Beamter rief über Funk Verstärkung herbei. Dann setzte er sich mit der Feuerwehr und der Rettungszentrale des städtischen Krankenhauses in Verbindung.

 

Keine fünf Minuten später jagten zwei Kranken- und ein Notarztwagen über den Platz, dicht gefolgt von mehreren Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr, die sich um das rauchende Museumsgebäude herum postierten. Männer in weißen Kitteln und breiten Alukoffern in den Händen stiegen aus und verschwanden zusammen mit einigen Feuerwehrmännern im Innern des weitläufigen Komplexes, aus dem immer noch eine große Staubwolke heraus wirbelte.

 

Tom Hoover hatte sich mittlerweile in die vorderste Reihe der Schaulustigen vorgearbeitet, die jetzt geduldig hinter einem schwarzgelben Absperrband standen. Fasziniert beobachtete er das hektische Treiben der Einsatzkräfte, die aufgeregt hin und her liefen. Er wartete auf eine günstige Gelegenheit, um noch näher ran zukommen.

 

 

***

 

 

Die gleiche Woche. Freitag, kurz vor acht Uhr abends.

 

In Oldale Town war es dunkel und still. Das Wochenende stand vor der Tür.


Die meisten Leute waren bei dem schlechten Wetter lieber in ihren Häusern geblieben und gingen jetzt ihren allabendlichen Beschäftigungen nach.

 

Der alte Museumswächter saß in einem bequemen Bürosessel und war vor laufendem Fernseher etwas eingenickt; hin und wieder warf er einen prüfenden Blick durch die hohen Glasscheiben seines Wachraumes hinein in den Saal mit den seltsam aussehenden Artefakten, die seit drei Wochen hier ausgestellt waren und ein Publikumsmagnet ersten Ranges darstellten. Angeblich soll es sich bei den dort ausgestellten Gegenständen um die versteinerten Überreste einer Million Jahre alten Zivilisation handeln, die man in der Arktis gefunden hatte, nachdem das Eis dort geschmolzen war und an vielen Stellen dadurch neues Land zutage trat.

 

Die Artefakte waren vor knapp vier Wochen in großen Holzkisten gebracht worden und einige von ihnen sahen aus wie bearbeitete Kristalle, die im kalten Neonlicht funkelten und blitzten wie Diamanten. Dann gab es da noch einen fast zwei Meter großen Monolithen aus einem bisher unbekannten Material, den man im freigelegten Arktisboden durch puren Zufall gefunden hatte und jetzt schwarz und drohend in der Mitte des kreisrunden Museumssaales stand.

 

Der Wärter gähnte wieder, reckte und streckte sich in seinem weichen Sessel und war im nächsten Moment hellwach, denn er blickte direkt in den Lauf einer Pistole. Vor ihm stand ein Mann in einer schwarzen Uniform unbekannter Herkunft. Über den Kopf hatte er eine seltsam aussehende Maske gezogen.

 

Ehe der Museumswärter noch einen Laut von sich geben konnte, war der unheimliche Fremde an ihn herangetreten und drückte ihm einen mit Äther getränkten Lappen gegen Mund und Nase. Keuchend schnappte der alte Mann nach Luft, versuchte sich zu wehren und wollte sich erheben, aber es ging nicht. Er fühlte sich dem Erstickungstod nahe, dann sackte er bewusstlos in den Sessel zurück, wo ihn der Unbekannte die Hände hinter der Sessellehne zusammenband, sodass er sich nicht mehr daraus befreien konnte.

 

Nachdem der Pistolenmann sich davon überzeugt hatte, dass der Wächter bewusstlos war, setzte er die gesamte Sicherheitsanlage mitsamt den Überwachungskameras ausser Betrieb. Er wusste genau, was er tat.

 

Dann holte er einen kleinen, quadratischen Kasten mit einer Unzahl verschieden farbiger Leuchtzeichen zum Vorschein und ging hinüber zu dem schwarzen Monolithen in der Mitte des Museumssaales.

 

Obwohl er sich offenbar gut auskannte, brauchte er dennoch mehrere Minuten, bis er eine ganz bestimmte Stelle in der Mitte des zwei Meter hohen Gebildes gefunden hatte und seine seltsam aussehende Apparatur in eine sich plötzlich öffnende Vertiefung einsetzte, die sich kurz darauf wieder mit einem leicht surrenden Geräusch schloss. Schließlich trat er ein wenig zurück und drückte auf einen gelben Sensor unterhalb seines Armgelenkes. Der schwarze Monolith vibrierte leicht und im gleichen Augenblick verschwand der Mann auf geheimnisvolle Art und Weise, gerade so, als hätte ihn der Erdboden verschluckt.

 

Nach diesem verblüffenden Ereignis veränderte sich die Umgebung geräuschlos in die Vergangenheit zurück bis hin zu jenem Zeitpunkt, die Gegenwart war, als der Museumswärter gerade in seinem weichen Sessel saß, sich reckte und streckte und dabei gähnte. Der alte Wächter öffnete schläfrig ein paar Mal die Augen, blinzelte hinüber in den vor ihm liegenden Ausstellungssaal und nickte bald wieder ein, als wäre nichts geschehen.

 

Tief im Innern des Monolithen aber arbeitete ein unbekannter Mechanismus unhörbar leise vor sich hin.

 

 

***

 

 

Noch immer stand Tom Hoover in der vordersten Reihe der Schaulustigen vor dem qualmenden Museumsgebäude. Es hatte mittlerweile zu regnen aufgehört. Trotzdem blieb der Himmel wolkenverhangen, der nur an wenigen Stellen spärlich aufriss und das Morgenlicht der Sonne schwach hindurchließ.

 

Tom schaute auf seine Armbanduhr, die zu seiner Überraschung plötzlich stehen geblieben war. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand tippte er vorsichtig auf den Glasdeckel. Doch nichts tat sich. Die Zeiger bewegten sich nicht mehr. In dieser Moment gab es einen weiteren, weitaus größeren Knall als bei der ersten Explosion. Das gesamte Museumsgebäude erhob sich auf einmal wie von Geisterhand bewegt etwa fünf Meter hoch in die Luft, dann stürzte es krachend zurück und fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Erneut verbreitete sich eine riesige Staubwolke rasend schnell nach allen Seiten. Die gaffende Menschenmenge wich jetzt laut schreiend zurück. Panik brach aus und Tom wurde von einem der herumfliegenden Steinfragmente am Kopf getroffen. Im nächsten Augenblick fiel er rücklings halb bewusstlos auf den harten Teerboden des mit zahllosen Trümmern übersäten Marktplatzes.

 

Aus weiter Ferne drangen unzählige Stimmen an sein Ohr, die er aber nicht verstand, weil es eine unbekannte Sprache war. Er blickte auf und sah in ein starres Gesicht, das Ähnlichkeiten mit einem Roboter zu haben schien. Es schwebte über ihm.

 

Es tut uns Leid“, sagte das Gesicht, „aber wir mussten es tun, denn der Monolith ist unsere einzige Zuflucht in Raum und Zeit. Er ist der Hort unserer Seelen. Er gehört meinem Volk, das vor vielen Millionen Jahren auf der Erde eine hoch entwickelte technische Zivilisation hervorgebracht hatte und schließlich unterging. Doch wir konnten weit vor unserem Untergang einen Quantenweltspeicher in Form eines Monolithen erschaffen. In seinem Innern existiert der fünfte Zustand. In diesem Zustand schwingen alle Atome in gleicher Frequenz. Sie sind zu einer einzigen Welle zusammengeschlossen. Es ist eine Welt der absoluten Harmonie und des ewigen Friedens. Wir haben das Paradies gefunden tief im Innern der Teilchenwelt, eine Welt, die ihr erst noch finden müsst. Es ist euer Schicksal, genauso wie es unseres war. Wir werden euch jetzt verlassen und nach einer neuen Heimat irgendwo da draußen in den unendlichen Weiten des Universums suchen. Der Monolith wird alle Zerstörungen in dieser Welt wieder rückgängig machen, die er durch die Freisetzung seiner Energie hervorrufen wird. Wenn das alles vorbei ist, brauchen wir den Monolithen nicht mehr. Dann haben wir die höchste Stufe des Seins erreicht und können auch ohne ihn weiterexistieren. – Lebt wohl, ihr Menschen der Erde!“

 

Nach dem letzten Wort des sprechenden Gesichts erhellte ein gigantischer Lichtausbruch für wenige Sekunden die Umgebung des Marktes. Dann erfolgte eine gewaltige atomare Kernfusion, die alles in einem Umkreis von mehreren Hunderten von Kilometern pulverisierte und dem Erdboden gleichmachte. Dann wurde es schlagartig still, als hätte jemand den Herzschlag der Zeit angehalten.

 

Tom Hoover meinte, in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen. Ein sengender Schmerz schoss durch seinen Körper und vage wunderte er sich darüber, wie er noch Schmerzen empfinden konnte, wo er doch schon tot war. Dann sah er das Licht. Eine gleißende Helligkeit hüllte ihn ein, verwandelte sich in ein wunderschönes Farbenmeer. Danach formten sich die ineinander verlaufenden Farben zu freundlich aussehenden Gesichtern, die er zu kennen meinte, aber nicht genau zuordnen konnte. Dann verblassten sie und Tom spürte, wie die Welt um ihn herum verschwamm. Sein sterbendes Bewusstsein versank in der Dunkelheit eines absoluten Nichts.

 

 

***

 

 

Die Zeit veränderte sich unbemerkt und erzeugte eine neue Gegenwart.

 

Es war Samstagmorgen, kurz vor sieben. Der junge Tom Hoover stand mit seinem Fahrrad unter dem gläsernen Vordach einer Bushaltestelle in der Innenstadt von Oldale Town und blickte prüfend zum wolkenlosen Himmel hinauf.

 

Die aufsteigende Morgensonne schien über das weite Land und tauchte es in ein herrlich goldfarbenes Licht. Tom spürte ein leichtes, wärmendes Kribbeln auf seiner Haut, als würde ein schwacher Strom durch sein Nervenkostüm fließen. Er wunderte sich darüber, beachtete aber diesen eigenartigen Gefühlszustand nicht weiter. Vielleicht würde er Fieber bekommen, dachte er so für sich.

 

Seine Arbeit rief, die er so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte.

 

Um zehn Uhr hatte er außerdem eine Verabredung mit seiner Freundin Ramona, die mit ihm heute ins Museum am Marktplatz von Oldale Town gehen wollte. Dort wurden schon seit drei Wochen versteinerte Artefakte einer längst untergegangen Zivilisation gezeigt, die aus vor arktischer Zeit stammen sollen. Man hatte sie gefunden, nachdem das Eis dort geschmolzen war und an vielen Stellen neues Land zutage treten ließ.

 

Aber die eigentliche Sensation war ein schwarzer Monolith aus einem bisher unbekannten Material, den man durch Zufall im freigelegten Arktisboden gefunden hatte. Er bestand zwar nur aus einzelnen Fragmenten, aber selbst die waren noch imponierend genug. Jetzt waren sie im konzentrierten Scheinwerferlicht genau in der Mitte des kreisrunden Museumssaales nebeneinander aufgebaut.

 

Tom wollte sich beeilen. Er schwang sich auf sein Rad, griff noch während der Fahrt mit der rechten Hand nach hinten, zog eine Zeitung vom Gepäckträger und hielt wenige Minuten später mit schnarrender Handbremse vor einem Haus, dessen Eingangstür aus massivem Eichenholz gefertigt war. Mit geübtem Griff drückte er die kupferfarbene Briefkastenklappe hoch und schob die Zeitung durch den schmalen Schlitz.

 

Dann radelte er schnell weiter. Er musste sich noch umziehen und wollte die Verabredung mit Ramona auf keinen Fall verpassen.


 

 

ENDE

 

© Heinz-Walter Hoetter


 


 


 


 


 


 

9. Der Fremde aus dem All

 

 

Kleine grüne Männchen aus dem All? Sie müssen nicht unbedingt grün, schleimig oder gefräßig sein. Das musste auch der alte Nick Taylor erfahren, als plötzlich ein Alien aus dem All in Menschengestalt in seiner Tankstelle auftauchte.

 

***

 

Der alte Nick Taylor saß schon fast den ganzen Tag hinter der Kasse seiner Tankstelle und wartete darauf, dass endlich sein Sohn Max kommen würde, um ihn abzulösen. Noch hatte er über eine Stunde Zeit, bis seine Schicht ablief. Schließlich stand er auf, ging hinüber zum Zeitungsregal, holte sich ein Magazin und setzte sich zurück auf den Kassenplatz.

 

Hin und wieder schaute er hinaus aus dem großen Fenster und fragte sich dabei, ob heute überhaupt noch ein Kunde kommen würde, denn seit die Straße ein paar Kilometer entfernt durch den Starkregen der letzten Tage immer noch überschwemmt war, verhinderte dieser Umstand, dass fast niemand mehr zur Tankstelle kommen konnte, jedenfalls aus der Richtung nicht, wo der Fluss über seine Ufer getreten war. Nur einige seiner besten Freunde und einige gute Bekannte seiner Familie kamen bei ihm ab und zu noch vorbei, um sich bei ihm Benzin für ihre Autos zu holen.

 

Zum Glück musste er keine Pacht an irgendeine Mineralölgesellschaft zahlen, denn die Tankstelle gehört ihm schon seit vielen Jahren allein, die er sich von dem Geld einer unverhofften Erbschaft günstig gekauft hatte, die sogar mit einer kleinen Wohnung ausgestattet war, wo er sich nach Feierabend zurück ziehen konnte.

 

Einmal im Jahr kam der Tankwagen aus der nah gelegenen Stadt und füllte seine unterirdischen Treibstofflager wieder auf. So gesehen hatte der alte Nick Taylor ein geregeltes Leben, dass eigentlich doch sehr langweilig ablief, denn hier draußen an der Landstraße war die meiste Zeit nichts los. Aber Taylor war trotzdem mit seinem Dasein zufrieden, weil er hier wenigstens seine Ruhe hatte, im Gegensatz zur Hektik in der Stadt.

 

Plötzlich schreckte der Alte auf.

 

Ein großer Kerl betrat nämlich ganz unverhofft den Vorraum der Tankstelle, baute sich vor dem Alten demonstrativ auf und schaute sich dabei gleichzeitig prüfend im ganzen Laden herum. Dann griff er in seine rechte Manteltasche, holte ein Smartphone ähnliches Gerät daraus hervor und tippte mit schnellen Fingerbewegungen auf den Tasten herum.

 

Einen Moment später steckte er das Gerät in die Tasche zurück und blickte Taylor mit stechendem Blick an.

 

Verstehst du mich?“ fragte er den verblüfften Alten und musterte dabei die Regale mit den unterschiedlichsten Waren darin, die dort gelagert waren.

 

Nick Taylor nickte mit dem Kopf.

 

Ich möchte bei dir vor allen Dingen frisches Wasser und Nahrungsmittel kaufen. Hast du hier so was?“

 

Natürlich!“ antwortete Taylor und fuhr in gleichem Atemzug fort: „Mineralwasser ist überhaupt kein Problem. Nur mit den Lebensmitteln sieht es nicht so gut aus, weil die leicht verderben können. Aber Kekse, Konserven und ein paar andere Dinge gibt es hier genug, Mister.“

 

Der unbekannte Mann schlenderte zu den Regalen hinüber und sah sich das Angebot genauer an.

 

Was ist das für ein Zeug hier?“, fragte er spontan und deutete auf mehrere Tüten hin, in denen sich Kartoffelchips befanden.

 

Alles frisch und ist erst vor ein paar Tagen angeliefert worden. Beste Qualität“, gab Taylor zur Antwort und wies auf weitere Regale hin, wo noch andere essbare Sachen lagerten.

 

Plötzlich flimmerte die Luft um den Unbekannten herum und sein Körper schien sich in eine andere Gestalt verwandeln zu wollen, was aber nur für den Bruchteil von Sekunden andauerte.

 

Der alte Nick Taylor kniff die Augen zusammen. Vielleicht hatte er sich auch nur getäuscht. Doch das Flackern der Luft um den Körper des Mannes kam wieder zurück. Stärker noch als vorher.

 

Der Fremde drehte sich auf einmal zu Taylor herum, sah ihn an und sprach: „Entschuldige bitte, aber das ist nicht meine eigentliche Gestalt. Ich habe mein Aussehen geändert, bevor ich die Tankstelle betreten habe. Ich wollte dich nur nicht erschrecken. Ich bin nicht von der Erde und auch kein Mensch, sondern ein Außerirdischer oder Alien, wie ihr sagen würdet. Ich kann jede Gestalt annehmen, wenn ich eine entsprechende Vorlage habe, wie auf dem Plakat da draußen vor deiner Tür.“

 

Der Alte blieb erstaunlicherweise sehr ruhig, als er das hörte. Dann antwortete er: „Ich habe mich schon gewundert, dass Sie wie der Tankwart von der Ölgesellschaft auf der Werbung aussehen. Unglaublich!“

 

Das ist nur äußerlich. Darunter trage ich einen Raumanzug, den du nicht sehen kannst. In diesem Raumanzug stecke ich.“

 

Das ist kein Fleisch oder so? Kommen Sie aus dem All?“

 

Ja, ich bin mit einem kleinen Raumschiff gekommen. Es liegt nicht weit von deiner Tankstelle entfernt hinter dem Hügel dort. Es ist kein besonders großes Schiff, wie schon gesagt, sondern eine Erkundungsfähre. Das Mutterschiff ist natürlich viel größer und hat hinter eurem Mond Stellung bezogen, um nicht entdeckt zu werden. Leider gab es Probleme mit dem Antrieb der Raumfähre. Aber mein Reparatur-Roboter ist dabei, den Schaden wieder zu beheben. Vielleicht ist er sogar schon fertig.“

 

"Sind Sie abgestürzt?“ fragte Taylor.

 

Ach was. Abgestürzt ist nicht das richtige Wort, nur notgelandet. Das ist natürlich auch nicht gut, aber was anderes als ein Absturz.“

 

Der alte Nick Taylor nickte mit dem Kopf und dachte sich, dass man Kunden nicht widersprechen sollte, vor allen Dingen dann nicht, wenn sie nur auf der Durchreise sind.

 

Der Fremde aus dem All nahm sich eine Kiste Mineralwasser aus dem Regal, legte noch einige Packungen Kekse oben drauf und verstaute alles in einer mitgebrachten Tasche, die in Hüfthöhe über dem Boden schwebte. Ganz zum Schluss nahm er noch einige Suppendosen, etwas Obst und Gemüse mit, die ebenfalls in der Schwebetasche verschwanden.

 

So, meine Guter. Das will ich natürlich nicht alles umsonst mitnehmen.“

 

Der Außerirdische legte plötzlich einen riesigen Diamanten auf den Tresen, als wäre es das Normalste auf der Welt.

 

Ich hoffe, das reicht für die Bezahlung? Wir haben auf unserem Planeten genug davon. Für uns sind diese Diamanten wertlos, weil es einfach zu viele bei uns davon gibt.“

 

Der alte Taylor war sprachlos.

 

Ist der auch echt?“

 

Der Stein ist aus reinem Kohlenstoff. Ich habe ihn vorher noch schnell von meinem Roboter so schön schleifen lassen. Jetzt strahlt er in allen Farben. Ein wunderschöner Diamant, nicht wahr? In eurer Welt ist er wohl unbezahlbar, denke ich mal. Komm, nimm ihn einfach! Er gehört dir!“

 

Der Fremde aus dem All griff nach seiner schwebenden Tasche, schob sie vor sich her und verabschiedete sich von dem Alten mit den Worten: „Friede für dich und für die ganze Menschheit! Vielleicht kommen wir eines Tages doch noch zu euch, wenn ihr etwas friedlicher geworden seid. Ihr seid nämlich eine kriegerische Rasse, was im Universum prinzipiell nicht oft vorkommt. Vielleicht tragt ihr einen genetischen Defekt in euch oder leidet an an einer fortgeschrittenen Geisteskrankheit. Das wissen wir noch nicht. Wir kriegen das schon raus und eines Tages kommen wir wieder und werden euch heilen. Noch lassen wir euch in Ruhe und beobachten euch nur. Wir wollen aber auf keinen Fall, dass ihr diesen schönen Planeten vernichtet. Das werden wir mit allen Mitteln verhindern.“

 

Dann drehte sich der Außerirdische am Ausgang noch einmal lächelnd herum und rief mit lauter Stimme: „Friede mit euch Menschen!“

 

Friede für uns alle!“ rief ihm Taylor noch hinterher, dann verschwand der Fremde aus dem All in der beginnenden Dunkelheit, die sich mittlerweile über das Land gelegt hatte.

 

Taylor ging zurück hinter den Tresen, nahm den funkelnden Diamant in beide Hände und betrachtete ihn von allen Seiten. Es war ein besonders schönes Stück, das wohl gleich mehrere Millionen Dollar auf einer Versteigerung einbringt, wenn er diesen Diamant zu Kauf anbieten würde. Ab heute war er auf jeden Fall ein reicher Mann. Vorsichtig legte er ihn ganz hinten in die Schublade und versteckte ihn unter ein Stapel Papiere.

 

Als sein Sohn später zur Tür reinkam, sagte er nur zu ihm, er solle überall das Licht ausmachen und wieder nach Hause gehen. Morgen würde er die Tankstelle zum Verkauf anbieten und ein völlig neues Leben anfangen, denn die Welt ist zu schön, um einfach nur an einem Ort zu bleiben. Alles würde jetzt anders werden für ihn. Dank dem Fremden aus dem All, der gerade mit seinem kleinen Raumschiff über seine Tankstelle flog, dann steil nach oben schoss und in Richtung des hellen Mondes flog.

 

 

ENDE

 

(c)Heinz-Walter Hoetter


 


 


 

***


 


 

10. Der Königsandroide


 

"Jahrzehntelang erforschte ich den Planeten TELLOGG und entdeckte immer wieder Aufregendes. Doch die Jahre gingen dahin, und bald merkte ich, wie der Zahn der Zeit auch an mir unaufhörlich nagte. Ja, die Menschheit hat das Universum erobert aber gleichzeitig auch den Tod überall mit hingenommen, den jedes einzelne Individuum als biologisches Erbe in sich trug."

Peter Rosenberg

 

***

 

Hier draußen auf dem weiten Landeplatz mit seinen Staub überzogenen Positionslichtern hatte die Stille schon seit vielen Jahrzehnten ein festes Zuhause. Nur das leise Dauerrauschen der mannshohen Rotoren der Frischluftanlagen im Hintergrund der riesigen Betongebäude störte ein wenig die unheimliche Ruhe der einsam daliegenden Planetenstation, die sich weit draußen irgendwo in den unendlichen Weiten des Universums auf dem Planeten TELLOGG befand, der eine für den Menschen weitestgehend lebensfreundliche Atmosphäre besaß und über eine äußerst exotische Flora und Faune verfügte.


Es gab sogar monströs aussehende Fleisch fressende Pflanzen, die leicht einen ausgewachsenen Menschen verspeisen konnten. Sie lebten gerne in sandigen Gegenden, wo sie sich tief im Boden eingegraben hatten und oft viele Wochen lang geduldig auf ihre Beute warteten. Deshalb mied ich diese wüstenähnlichen Gebiete tunlichst und machte meist einen weiten Bogen um sie herum, wenn ich hin und wieder die Station ROSENBERG mit einem der robusten Antigravitationsgleiter (kurz von mir AGG genannt) verließ, um die abwechslungsreichen, kontinentalen Landschaften des Planeten zu erkunden.

 

Ich suchte allerdings stets nach irgendwelchen größeren Hügeln im offenen Gelände, die mit genügend festem Untergrund ausgestattet waren und mir für den schweren AGG als Landeplatz ausreichend geeignet und entsprechend sicher erschienen.

 

Von solchen Stellen aus unternahm ich zusammen mit meinem Androiden TRION ausgedehnte Märsche in die umliegende Gegend, aber nur zusammen mit ihm, weil dieser künstliche Mensch über Kräfte verfügte, die einem hydraulisch arbeitenden Bagger gleichkamen. Da TRION fast drei Meter groß war, saß ich deshalb die meiste Zeit oben auf seinem breiten Rücken in einem durchsichtigen, Kabinen ähnlichen Rucksack und beobachtete von dieser Warte aus die weite, sich bis zum fernen Horizont ausbreitende, grüne Dschungellandschaft.

 

Außerdem verfügte TRION über einige gefährliche Waffen, wie z. B. einen Hochenergie-Impulslaser und über eine unbestimmt Anzahl dieser faustgroßen und flugfähigen Antimaterie-Granaten, die eine fürchterliche Explosionswirkung entwickeln konnten. Schon allein mit diesen Dingern war es ihm möglich, eine kleine Armee aufhalten zu können. Der Androide war damit sozusagen meine wichtigste Lebensversicherung, denn seine unglaublichen Fähigkeiten ließen seine Einsatzmöglichkeiten schier unbegrenzt erscheinen.

 

Der Name der Station hieß früher übrigens ASS-TG 6422. Irgendwann habe ich sie einfach "Rosenberg Station" genannt, weil ich glaubte, dass es für mich besser war, wenn sie meinen Namen trug. Dafür hatte ich meine ganz persönlichen Gründe, denn nach so langer Zeit war sie zu meinem einzigen Zuhause geworden..., so unendlich weit von Mutter Erde entfernt.

 

***

 

Auf TELLOGG gab es immer viel Neues zu entdecken. So gesehen wurde es mir auch nie langweilig. Auf meinen ausgedehnten Entdeckungsreisen, in die völlig unberührte Natur dieses außergewöhnlichen Planeten, traf ich bisweilen auf gewaltige Gebirgsketten mit mehr als achttausend Meter hohen, schneebedeckten Gipfeln von außergewöhnlicher Schönheit. Am Fuße der Berge gab es tiefe Täler und ungestüm dahinfließende Wildbäche, wie ich sie noch nie zuvor in meinem Leben gesehen habe. Sie wurden auf beiden Seiten von einer unglaublich bizarren und schier undurchdringlichen Pflanzenwelt gesäumt, in die ich mich allerdings nicht rein traute, auch in Begleitung meines Beschützers TRION nicht, denn diese wilde Dschungellandschaft erschien mir irgendwie außerordentlich heimtückisch und gefährlich zu sein, auch deshalb, weil es in ihr ziemlich viele fressgierige Tiere gab, die bestimmt selbst vor dem Verzehr von menschlichem Fleisch nicht zurückschrecken würden. Manche von ihnen schienen sehr intelligent zu sein, und ich konnte nur von Glück reden, dass die gesamte Station von einer fast vier bis fünf Meter hohen Steinmauer umgeben war, die zusätzlich rundherum durch eine große Anzahl empfindlicher Annäherungssensoren abgesichert wurde. Bei drohender Gefahr schossen die Lasergeschütze der zahlreich vorhandenen Verteidigungstürme mit tödlicher Sicherheit automatisch und ohne Vorwarnung auf alles, was sich in unberechtigter Weise der Station näherte oder möglicherweise sogar in sie eindringen wollte.

 

***

 

Wie ich im Laufe meiner Erkundungsreisen herausfand, gab es auf TELLOGG insgesamt fünf kleinere Kontinente, die durch gewaltige Meere voneinander getrennt waren. Zwischen den weit auseinander liegenden Landmassen entdeckte ich zahllose große und kleine Inseln. Auf den größeren davon gab es imposant aussehende Vulkane, die äußerst aktiv waren. Manche dieser beeindruckenden Feuerberge schleuderten Massen von glühender Lava in die Luft und dicke Rauchwolken verfinsterten zusätzlich den Himmel bis hin zum Horizont, sodass ich mit meinem AGG diesen gefährlichen Bereich stets weit umfliegen musste.

 

Der größte Kontinent bestand, einmal abgesehen vom Meerwasser umspülten Küstenbereich, nur aus trockenen Wüsten und kargen Steppen. Trotzdem gab es hier üppig gedeihendes Leben, wie z. B. diese gefährlichen Fleisch fressenden Pflanzen, vor denen man sich ganz besonders in Acht nehmen musste.

Jahrzehntelang erforschte ich den Planeten TELLOGG und entdeckte immer wieder Aufregendes. Doch die Jahre gingen dahin, und bald merkte ich, wie der Zahn der Zeit auch an mir unaufhörlich nagte. Ja, die Menschheit hat das Universum erobert aber gleichzeitig auch den Tod überall mit hingenommen, den jedes einzelne Individuum als biologisches Erbe in sich trug.

 

***

 

Nun, nach irdischer Zeitrechnung schrieb man heute den 21. Juni des Jahres 4920. Ich bin also schon seit über siebzig Jahre hier allein auf dem Planeten TELLOGG. Diese vollautomatisch arbeitende Außenstation wurde genau im Jahre 4800 funktionstüchtig fertig gestellt. Für sie war zu einem späteren Zeitpunkt unter anderem auch eine militärische Bedeutung vorgesehen. Die zahlreich vorhandenen unter dem Boden liegenden Abschussrampen für die atomar bestückten Abwehrraketen stehen aber heute noch leer und waren somit völlig nutzlos geblieben. Gegen einen bewaffneten Angreifer aus dem All gab es somit überhaupt keine all zu großen Verteidigungsmöglichkeiten. Die Lasertürme oben auf der Schutzmauer konnten die Station zwar auch effektiv verteidigen, wozu sie bestimmt in der Lage gewesen wären, aber einem massiv geführten Angriff würden auch sie bestimmt nicht dauerhaft standhalten können.

 

Gott sei Dank hat die Rosenberg Station seit ihrer Fertigstellung bis heute aber nie auch nur einen einzigen direkten Angriff erfahren, was sicherlich einzigartig war, denn die intergalaktische Föderation hatte sich auch einige schlimme Feinde im Universum gemacht, die danach trachteten, alles was menschlich war gnadenlos zu vernichten.

 

***

 

Ich erinnere mich an die Zeit, als ich zum ersten Mal meinen Fuß auf diesen Planeten setzte.

 

Ich wurde von der galaktischen Flottenleitung im Jahre 4850 als Wartungstechniker nach TELLOGG zur Station Rosenberg abkommandiert, da war ich gerade mal zweiundzwanzig Jahre alt. Doch kurz nach meiner Indienststellung kam alles ganz anders, als die meisten von uns wohl gedacht hatten. Eine gefährliche Konfrontation zwischen den PLEJANERN und der intergalaktischen Föderation bahnte sich an.

 

Als der große galaktische Krieg 4851 schließlich begann, verließen alle Besatzungsmitglieder mit dem einzig noch verfügbaren Raumschiff fluchtartig den Planeten TELLOGG, weil sie einen Hyperfunkspruch mit der dringenden Warnung erhalten hatten, dass wohl mehrere feindliche Kampfschiffe der PLEJANER bereits auf dem Weg zu unserer Station waren, um sie zu vernichten.

 

Plötzlich ging alles sehr schnell. Innerhalb weniger Stunden war die gesamte Anlage menschenleer und ohne Personal. Komischerweise griffen die PLEJANER aber nie an, weil einfach keine kamen. Mich hatte man allerdings Mutterseelen allein zurück gelassen. Der Grund dafür war einzig und allein der, dass ich mich damals ziemlich weit unten im elektrischen Turbinenraum der Zwillingskernfusionsreaktoranlage befand und von der überstürzten Flucht der übrigen Stationsbesatzung einfach nichts mit bekommen hatte. Mehr als 120 Männer und Frauen waren in panischer Angst vor den zu erwartenden Angriffen der PLEJANER geflohen, die für ihre grausame, überaus gnadenlose Brutalität gegenüber der menschlichen Rasse überall im Universum bestens bekannt waren. Und so kam es, dass ich plötzlich ganz allein war und nicht wusste, ob mich ein Rettungsteam der Föderation hier von TELLOGG jemals wieder abholen würde.

Ich selbst habe eigentlich nie in Erfahrung bringen können, was der Besatzung mitsamt ihrem Raumschiff, der EARLY BIRD, nach der hastigen Flucht vom Planeten TELLOGG da draußen in den unbekannten Weiten des Alls zugestoßen war. Ich hatte jedoch schon damals die böse Vermutung, dass die PLEJANER das terranische Raumschiff wohl möglich als leicht zu erlegende Beute ohne lange zu zögern angegriffen haben und es ein für allemal vernichten wollten. Wenn das zutraf, dann mussten die PLEJANER ihr blaues Wunder erlebt haben.

 

Die EARLY BIRD besaß nämlich außerordentlich gefährliche Waffen an Bord, die sie zu ihrer Verteidigung sehr wirkungsvoll einsetzen konnte. Ich hielt es sogar theoretisch für möglich, dass alle beteiligten Raumschiffe im Verlauf der kriegerischen Handlungen mindestens schwer beschädigt oder sogar vernichtet worden waren. Immerhin haben sich die PLEJANER auf TELLOGG ja nicht sehen lassen und von der EARLY BIRD erhielt ich ebenfalls kein einziges Lebenszeichen mehr, obwohl ich damals pausenlos ein verschlüsseltes Notsignal gesendet habe, um heraus zu bekommen, was eigentlich geschehen war. Leider bekam ich auf meine verzweifelten Funksprüche keine Antwort. Also musste etwas Außergewöhnliches passiert sein, was auch eventuell die Vernichtung der EARLY BIRD mit einschloss.

 

Dann gab es plötzlich auch keine Kommunikationsmöglichkeiten mehr. Immer dann, wenn ich die Hyperempfangsanlage der Station einschaltete und auf ein erlösendes Rettungssignal von draußen aus den unendlichen Weiten des Alls hoffte, empfing ich nur ein langweiliges, knisterndes Dauerrauschen, das ich irgendwann einfach nicht mehr hören konnte, weil es mich total nervte. Ich ließ deshalb die gesamte Sende- und Empfangsanlage einfach im automatischen Empfangsmodus weiterlaufen, ohne mich dabei auch nur einen Deut um sie zu kümmern.

 

Ab und zu befasste sich allerdings TRION mit der Anlage. Es gab Tage, da schlich er sich unauffällig in den Senderaum der Station und machte dort irgendwelche Dinge, die ich nicht verstand. Ich kümmerte mich aber wohlweislich nicht darum. Es war mir auch irgendwie egal gewesen, was er da tat. Ich vermutete jedoch, dass er hin und wieder heimlich ein Notsignal in den Hyperraum absetzte, wohl in der Hoffnung, dass es irgendwo aufgefangen und gehört wurde. Aber nichts geschah. Es gab einfach keinen Kontakt mehr mit der intergalaktischen Förderation. Nicht einen einzigen Funkspruch erhielt ich, der mir sagte, es käme bald Rettung, um mich aus meiner grenzenlosen Einsamkeit in Raum und Zeit zu befreien.

 

***

 

Nun, ich stand wieder einmal allein und verlassen hier draußen mitten auf dem kreisrunden Landeplatz für die AGG's und blickte nachdenklich nach oben in den blauen, wolkenlosen Himmel. Die Doppelsonnen von TELLOGG standen hoch am Firmament und langsam wurde es unerträglich heiß.

 

Doch heute war für mich ein ganz besonderer Tag, denn ich hatte Geburtstag. Es war der 21.06. des Jahres 4920, nach irdischer Zeitrechnung jedenfalls. Und damit bin ich genau 92 Jahre alt geworden. Über siebzig Jahre meines Lebens habe ich auf diesem einsamen Planeten zugebracht und währenddessen nie einen anderen Menschen zu Gesicht bekommen, außer TRION, der aber kein echter Mensch war, sondern ein Androide, allerdings der Extraklasse, die ihn fast menschenähnlich aussehen ließ. Manchmal stellte ich mir daher die wundersame Frage, ob man einen Androiden, der ja eigentlich im Prinzip eine Maschine war, ebenso lieben könnte wie einen echten Menschen. Ich konnte es jedenfalls nicht, obwohl TRION mir sehr ans Herz gewachsen war. Für ein echtes, unverfälschtes Gefühl der Liebe reichte es eben nicht, weil dem Androiden etwas fehlte, was uns Menschen ja so einzigartig machte. Wir besaßen eine Seele, die Androiden nicht.

 

Wie auch immer.

 

Ich wunderte mich plötzlich darüber, dass ich überhaupt solange auf dem Planeten TELLOGG allein durchgehalten hatte, denn ich war mittlerweile ziemlich gebrechlich geworden. Der Rücken war in den letzten Jahren immer krummer geworden und meine Beine wollten mich nicht mehr tragen. Auch waren die Haare mittlerweile schlohweiß und reichten mir fast bis zur Schulter runter. Ich hatte einfach keine Lust mehr dazu, sie immer wieder kurz zu schneiden. Die Haut an meinem Körper war dunkelbraun und sah wie gegerbtes Leder aus. Mein Gesicht war eingefallen und von tiefen Furchen durchzogen. Sehen konnte ich noch relativ gut, obwohl meine Augen in den letzten Jahren immer häufiger schlimme Entzündungen über sich ergehen lassen mussten, und die Sehkraft langsam aber sicher dadurch ständig weiter abnahm.

 

Heute jedoch gestand ich mir endlich ein, dass mir die Lust am Leben zu bleiben, endgültig vergangen war. Die Einsamkeit in den vielen zurückliegenden Jahrzehnten hatte mich zermürbt und seelisch fertig gemacht. Außerdem wollte ich nicht auf einem fremden Planeten, so entsetzlich fern der heimatlichen Erde, langsam und qualvoll dahinsiechen, bis der Tod mich von meinen Qualen endlich erlösen würde. Ich hatte deshalb beschlossen, am Tag meines jetzigen Geburtstages Selbstmord zu begehen. Für mich gab es in dieser Hinsicht kein Zurück mehr. Mein Entschluss stand fest. Ich wollte einfach nur noch sterben, mehr nicht.

 

***

 

Ja, heute würde ich meinem Leben ganz bewusst ein Ende setzen. Ich rief deshalb über Interkom nach TRION, der wenige Minuten später neben mir stand.

 

"TRION, hast du die Spritze dabei?" fragte ich ihn mit fast tonloser Stimme.

 

"Natürlich Sir. Sobald Sie mir den außerordentlichen Befehl dazu gegeben haben, werde ich Sie narkotisieren und danach das Gift spritzen. Normalerweise dürfen Androiden keinen Menschen töten, aber Sie haben mich für diesen bevorstehenden Prozess kurzzeitig anders programmiert. Diese Programmierung wird in etwa dreißig Minuten von selbst aufgehoben bzw. gelöscht. Wir sollten uns deshalb hier nicht lange aufhalten und mit dem AGG auf ihre Lieblingsanhöhe fliegen. Dort werde ich Ihnen das Giftgemisch injizieren. Nachdem Sie friedlich eingeschlafen sind, lege ich den toten Körper in den bereitgestellten Vakuumzylinder und befülle ihn gänzlich mit flüssigem Stickstoff. Ihr Körper wird darin möglicherweise mehre Jahrhunderte oder länger vollständig erhalten bleiben, weil keine Verwesung eintreten kann. Auch die DNA bleibt in diesem Kältezustand der Konversierung komplett erhalten. - Wir sollten jetzt aber endlich aufbrechen, Sir."

 

"In Ordnung, dann lass uns losfliegen, TRION! Du wirst anschließend zurück zur Station fliegen und alle notwendigen Wartungsarbeiten übernehmen. Es könnte ja sein, dass irgendwann einmal ein Raumschiff der Föderation nach TELLOGG zurück kommt. Wenn es die PLEJANER sein sollten, dann jage die gesamte Anlage in die Luft. Du musst auf alles vorbereitet sein! Ist es die Föderation, dann zeige der Besatzung, wo du meine Leiche aufbewahrt hast. Vielleicht sehen wir uns ja eines Tages wieder, auf welche Art und Weise auch immer, TRION. Nun, ich danke dir jetzt schon mal für deine Loyalität und Treue, die du mir gegenüber in all den vielen zurück liegenden Jahrzehnten so eindrucksvoll bewiesen hast. Du warst ein wirklich großer Freund für mich. Was hätte ich ohne dich gemacht, hier auf diesem einsamen Planeten am Rande der Milchstraße, den wir TELLOGG nennen? - Übrigens, was ich dich schon immer mal fragen wollte. Wie alt kannst du eigentlich werden TRION?"

 

"Wie bitte, Sir?"

"Komm schon TRION! Stell dich nicht so an! Wie alt kannst du werden?"

 

"Meine technische Lebenserwartung liegt im Durchschnitt bei ca. 800 Jahre. Dann sind meine Antimateriebatterien verbraucht. Da ich mich auch ohne fremde Hilfe reparieren und warten kann, bin ich auch dazu in der Lage, die Antimateriebatterien selbst austauschen zu können. Solange mir diese rechtzeitig zur Verfügung stehen, ist meine Lebensdauer also unbegrenzt - nach dem heutigen Stand der Androidentechnik natürlich."


"Kann man da überhaupt noch von ‚Alter’ sprechen, wie bei einem Menschen? Ihr Androiden seid uns heute schon weit überlegen. Wir Menschen sind äußerst zerbrechliche Wesen. Wir sehnen uns nach Schutz und Fürsorge. Deshalb brauchen wir euch Androiden. Ihr verfügt über Fähigkeiten, von denen wir nur träumen können. Wir haben euch zur Existenz verholfen. Dann habt ich euch eigenständig weiter entwickelt und habt euch trotzdem nicht von uns abgewendet. Im Gegenteil. - Wie auch immer, vergiss mich nicht, TRION! Halte mich immer in guter Erinnerung, mein alter Freund!"

 

"Natürlich Sir. Wie könnte ich Sie auch jemals vergessen. In meinen Molekularspeichern wurde jede Information über Sie abgelegt, die ich für relevant gehalten habe. - Aber gut, lassen Sie uns jetzt losfliegen und die verabredete Angelegenheit zu Ende bringen. Ich wünsche Ihnen eine gute Reise, wohin auch immer, Sir!"

 

"Danke TRION. Du bist schon fast wie ein richtiger Mensch geworden. Nun trage mich rüber zum AGG und lass' uns von hier verschwinden."

 

***


 

Etwa einhundertunddreißig Jahre später nach irdischer Zeitrechnung.


Ein gewaltiger Kugelraumer war neben der Rosenberg Station gelandet. Überall ging es hektisch zu. Androiden und Roboter untersuchten die wissenschaftlichen Labors der Außenstation und sammelten Informationen.

 

Ein Mann in einem schwarzen Raumfahreranzug stand einsam und allein mitten auf dem freigelegten, kreisrunden Landplatz und blickte angestrengt hinüber zu einer nah gelegenen Anhöhe.

 

Plötzlich kam über Funk eine Nachricht zu ihm rein.

 

"Jack, wir haben hier einen vollautomatisch funktionierenden Metallzylinder mit einer einwandfrei erhaltenen, männlichen Leiche darin gefunden. Sie liegt in Flüssigstickstoff. Auf der Erkennungsplatte außen steht gut lesbar der Name des Verstorbenen. Willst du, dass ich ihn dir über Funk mitteile?"

 

"Ja..., schalte aber auf eine andere Frequenz um, Mike! Ich will nicht, dass jeder den Namen des Mannes erfährt, der hier mal vor langer Zeit auf der Rosenberg Station seinen Dienst einsam und völlig allein auf sich gestellt so heldenhaft verrichtet hat. Nun, um wen handelt es sich also? Ich bin mal gespannt ob ich mit meiner Vermutung richtig liege."

 

"Sein Name war Peter Rosenberg. Alle weiteren Informationen teile ich dir mit, wenn wir den gesamten Metallzylinder an Bord unseres Schiffes gereinigt und analysiert haben. Da steht noch mehr auf der Erkennungsplatte, aber sehr undeutlich und schlecht lesbar."

 

"In Ordnung! Der Metallzylinder wird aber vorläufig nicht geöffnet. Es ist gut möglich, dass die DNA auch noch nach so langer Zeit erhalten geblieben ist. Wenn das der Fall sein sollte, können wir ihn als Königsandroiden auferstehen lassen. Aber darüber muss der intergalaktische Rat entscheiden. Verdient hätte er sich das. Also ab mit der Leiche in die Konservierungskammer. Wir werden zur Erde zurückfliegen und lassen etwa 120 Männer und Frauen auf der Rosenbergs Station zurück. Sie sollen die gesamte Anlage wieder richtig in Schuss bringen. Sie haben Zeit dafür, bis wir wieder zurückkommen."

 

"Alles klar Jack. Wir bringen jetzt die Leiche aufs Schiff. Wir sehen uns dann später!"

 

"Ist in Ordnung, Mike. Ich werde in etwa dreißig Minuten bei dir sein. Ich habe hier noch jemanden, mit dem ich reden muss. Ich werde mich aber beeilen. Also warte auf mich!"

 

Der Mann in dem schwarzen Raumfahreranzug drehte sich plötzlich auf der Stelle herum. Hinter seinem Rücken hatte sich ein fast drei Meter großer Androide aufgebaut und schaute stumm auf ihn herab.

 

"Wie ist dein Name. Gib dich zu erkennen, Androide!"

 

"Mein Name ist TRION, Sir. Ich stehe Ihnen jederzeit zu Diensten. Ich habe Peter Rosenberg gut gekannt. Wir waren etwa siebzig Jahre lang zusammen hier auf der Station und haben gemeinsam den Planeten TELLOGG erforscht. Die Daten sind alle in meinem Molekularspeicher untergebracht. Bevor Peter Rosenberg mit 92 Jahren starb, habe ich eine DNA Probe von ihm nehmen können und in der Kältekammer der wissenschaftlichen Abteilung konserviert, sozusagen aus Sicherheitsgründen. Ich war mir nämlich nicht ganz sicher, ob die DNA in dem Metallzylinder größere Zeiträume unversehrt überstehen kann. Die von mir sicher gestellte DNA von Peter Rosenberg ist auf jeden Fall noch vollständig erhalten. Ich habe sie immer wieder überprüft. Ich würde mich daher sehr freuen, wenn Rosenberg als Königsandroide wieder auferstehen könnte. Wir waren auf TELLOGG ein überaus erfolgreiches Team. Sein ganzes Leben hier habe ich mit ihm ohne Probleme zusammengearbeitet. Auf diesem Medium, einen Quantenspeicherwürfel, sind alle meine Aufzeichnung und Daten abgelegt. Sie haben das Recht, darüber zu verfügen."

 

Der Androide stockte plötzlich. Dann sagte er: "Sir, ich hätte da mal eine Frage an Sie."

 

"Und die wäre, TRION?"

 

"Sind Sie wirklich mit Peter Rosenberg entfernt verwandt?"

 

"Ja, das bin ich. Ich heiße Jack Rosenberg. Peter Rosenberg ist in der Tat ein entfernter Verwandter von mir, sozusagen ist er mein Ururur Großvater. Er hatte seinerzeit eine kurze Liebschaft mit einer jungen Astrophysikerin, die ebenfalls zur Besatzung dieser Station gehörte. Als der Krieg gegen die PLEJANER begann, floh die Mannschaft überstürzt mit ihrem Raumschiff vom Planeten TELLOGG und sie gerieten schon kurze Zeit später an zwei Kriegsschiffe der PLEJANER, die auf dem Weg zur Rosenbergs Station waren. Es kam schließlich sehr weit von TELLOGG entfernt zu einem heftigen Kampf. Die PLEJANER wurden dabei vernichtend geschlagen, aber auch das terranische Schiff, die EARLY BIRD, wurde dabei erheblich beschädigt und torkelte ohne Antrieb durchs All. Als die Überlebenden endlich gerettet wurden, waren nur noch ganze zwölf Besatzungsmitglieder am Leben, darunter auch eine schwangere Frau namens Linda Davies. Als sie später erfuhr, wer der Vater ihres Kindes war, taufte sie ihn auf den Namen Erik und nahm den Familiennamen Rosenberg ihres Geliebten an. Auch Linda Rosenberg glaubte wohl ganz fest daran, dass ihr Geliebter bei dem Kampf mit den PLEJANERN ums Leben gekommen sei, dabei war er gar nicht auf dem Schiff gewesen, wie wir heute wissen. Nun, als Erik Rosenberg schließlich erwachsen war, heiratete er mit etwa achtundzwanzig Jahren eine gewisse Stella Cromwell, die sich nach der Heirat Stella Cromwell-Rosenberg nannte. Erik zeugte selbst wieder drei Söhne mit ihr. Die Söhne hießen Bruce, Philipp und Ron. Der jüngste von ihnen, Philipp Rosenberg, war übrigens mein Vater."

 

"Und wie haben Sie Peter Rosenberg gefunden?"

 

"Als man die elektronische Passagierliste der schwer beschädigten EARLY BIRD überprüfte, fehlte ein Mannschaftsmitglied, nämlich Peter Rosenberg. Man gab diese Information an die Zentrale der intergalaktischen Föderation weiter, die auf dem Mond ein Zentralarchiv für verschollene Raumfahrer unterhielt, wo dieser spezielle Fall auch aufgenommen und abgespeichert wurde. Aber man vergaß ihn wohl, aus welchen Gründen auch immer. Wahrscheinlich wegen der Kriegswirren. Die Sache wurde irgendwann nicht mehr weiter verfolgt. Der Krieg gegen die PLEJANER dauerte länger als ein halbes Jahrhundert, bis wir ihn endlich für uns entscheiden konnten. Heute ist die Föderation mächtiger denn je. Die PLEJANER wurden entwaffnet und der intergalaktischen Föderation einverleibt. Als ich die Raumakademie mit Erfolg verließ, arbeitete ich eine Zeit lang in dem erwähnten Zentralarchiv auf dem Mond. Dabei stieß ich zufällig auf den Namen Peter Rosenberg und nahm mich der Sache an, weil mich schon allein die Namensgleichheit irgendwie interessierte. Seltsamerweise wusste die Föderation nichts mehr von dem damals neu entdeckten Planeten TELLOGG, auf dem sich die Rosenberg Station befand. Jahre später wurde ich dann Raumschiffkommandant des hypersprungfähigen interstellaren Kugelraumers TRANSGALAKTIKA mit weit über 2000 Besatzungsmitgliedern. Es ist ein reines Kampfschiff und bestens ausgerüstet für ausgedehnte Reisen durch Raum und Zeit. Eines Tages erinnerte ich mich wieder an das Schicksal Peter Rosenbergs und forschte nach den Koordinaten des Planeten TELLOGG. Ich fand sie schließlich im alten Logbuch der EARLY BIRD, die es allerdings zurzeit meiner Nachforschungen nicht mehr gab. Man hatte sie kurz nach Rettung der letzten überlebenden Besatzungsmitglieder in ein Hangar geschleppt und verschrottet. Das Logbuch der EARLY BIRD befand sich übrigens in einem der zahlreichen Raumfahrtmuseen in NEW YORK. Ich fand schließlich die Koordinaten des Planten TELLOOG. Mit der TRANSGALAKTIKA war es schließlich ein Kinderspiel, ihn am Rande der Milchstraße wiederzufinden."

 

Der Androide hörte aufmerksam zu. Schließlich räusperte er sich ein wenig, fast wie ein Mensch.

 

Dann sagte er: "Die Geschichte ist sehr interessant, Major Rosenberg. Alles scheint mir irgendwie miteinander über weite Strecken in Raum und Zeit verknüpft zu sein. Nun, wenn Sie es erlauben, würde ich gerne auf der TRANSGALAKTIKA Dienst tun, Herr Major."

 

"Kein Problem für mich, TRION. Ab jetzt bist du Mitglied meiner Crew. Ich möchte dich immer in meiner Nähe haben und alles von dir über Peter Rosenberg erfahren. Melde dich in der Kommandozentrale bei Captain Mike Avenger. Er wird dich in deine neue Arbeit bei uns einweisen."

 

"Vielen Dank Sir. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem Peter Rosenberg wieder auferstehen wird. Vielleicht setzen wir eines Tages unseren Dienst gemeinsam wieder auf der Rosenberg Station fort, wenn alles gut geht und der intergalaktische Rat seine Zustimmung zur Wiederaufstehung gibt."

 

"Ich hätte nichts dagegen, TRION. Ich habe sehr großen Einfluss auf die Entscheidungen des intergalaktischen Rates. Eines der Mitglieder ist übrigens mein ältester Bruder Ron, der Flottenadmiral ist und zum inneren Zirkel der weisen Männer gehört. Sein Wort hat großes Gewicht. Ich denke, er wird sich in dieser Angelegenheit bestimmt positiv entscheiden. Er hat mir noch nie einen Wunsch abschlagen können. - Aber jetzt ist erst einmal Arbeit angesagt, TRION. Ich muss auf die Brücke. Captain Avenger wartet auf mich. Wir haben noch viel zu tun. Die TRANSGALAKTIKA ist startbereit und wird in etwa 30 bis 40 Minuten abheben. Gehen wir also an Bord!"

 

***

 

Neun Jahre Später nach irdischer Zeitrechnung.

 

Die Rosenberg Station ist um vier neue Start- und Landeplätze erweitert worden. Die Abwehrraketen sind mittlerweile installiert und befinden sich einsatzbereit in Explosion gesicherten Bunkern. Überall geht es überaus hektisch zu. Am fernen Horizont entsteht gerade eine riesige Kuppelstadt, denn seit zwei Jahren kommen immer mehr Siedler mit Raumschiffen aus allen Regionen des Alls und lassen sich auf TELLOGG nieder.

 

Vor dem Haupteingang der Rosenberg Station stehen zwei fast drei Meter große Androiden stumm nebeneinander vor einem in Stein gemeißelten Gesicht. Darunter steht der Name auf einer schwarzen Metallplatte: "ZUM ANDENKEN AN DEN RAUMFAHRER PETER ROSENBERG".

 

Unter der Metallplatte befand sich ein gläsernes Medium und erzählte mit freundlicher Stimme die Geschichte von einem Mann, der hier mal auf der Rosenberg Station siebzig Jahre lang seinen Dienst getan hat, und das einsam ganz allein auf sich gestellt.

 

Plötzlich fing einer der Androiden an zu sprechen.

 

"Man hat mir alle meine Erinnerungen wieder gegeben, TRION. Nichts ist bei der Wiederauferstehung verloren gegangen. – Das war ich also einmal. Ich kann es fast nicht glauben. Die Menschen verehren mich heute als großes Vorbild und nur wenige wissen, was aus mir geworden ist und wer ich wirklich bin. - Ich bin jetzt ein Königsandroide und war einmal der Mensch Peter Rosenberg."


 

 

ENDE


 

(c)Heinz-Walter Hoetter


 


 

***


 

11. Die Begegnung der dritten Art


 


 

Draußen war es stockdunkel.

Mr. Walter Rotschild fuhr gerade mit seinem Mini Cooper auf einer einsamen Landstraße, als es plötzlich heftig zu regnen begann. Er schaltete sofort die Scheibenwischer ein, drosselte ein wenig die viel zu hohe Geschwindigkeit seines Autos und blickte angestrengt nach vorne in die beiden zitternden Scheinwerfer-Lichtkegel, die sich wie riesige Finger in die regnerische Nacht vortasteten.


Dann geschah etwas, womit Mr. Rotschild nie gerechnet hätte.

Zuerst dachte er, seine Sinne wollten ihm einen Streich spielen, denn vor ihm tauchte ganz unerwartet mitten auf der Straße ein großes Pelzwesen auf, das regungslos im prasselnden Regen stand und Ähnlichkeiten mit einem Orang-Utan hatte.

Mr. Walter Rotschild erschrak bis ins Mark, trat dennoch sofort instinktiv auf die Bremse und versuchte verzweifelt, das Steuer herum zu reißen. Aber es war schon zu spät. Mit quietschenden Reifen krachte er mit einem lauten Knall seitlich mit seinem roten Mini Cooper auf etwas, das er nicht sehen konnte, jedoch von einer ungewöhnlichen Härte sein musste, denn sein Wagen wurde wie Butter regelrecht in zwei Teile zerlegt. Dann fiel Mr. Rotschild in eine tiefe Ohnmacht.

Irgendwann wachte er wieder auf. Er war noch ganz benommen und versuchte sich zu orientieren. Mit leicht verschwommenem Blick schaute sich Walter Rotschild vorsichtig nach allen Seiten um. Offenbar lag er auf einer Krankenstation. Im nächsten Moment zuckte er unwillkürlich zusammen, denn das riesige Zottelwesen stand auf einmal direkt vor ihm und beobachtete interessiert seine Reaktionen.

"Kannst du mich verstehen?", fragte es Mr. Rotschild wie selbstverständlich, der das Pelzwesen jetzt völlig verwirrt anstarrte. Das Ding da vor ihm redete tatsächlich in seiner Sprache. Ohne es eigentlich zu wollen, antwortete Walter Rotschild mit einem heiseren Ja.

"Das ist gut. Das ist sogar sehr gut. Hab' keine Angst vor mir. Ich tue dir nichts. Du solltest dich aber vorläufig noch nicht zu stark bewegen. Du warst sehr schwer verletzt. Außerdem kann ich deine Gedanken lesen. Ich weiß genau, wer du bist. Deshalb möchte mich jetzt erst einmal bei dir vorstellen. Nun, mein Name ist Ormadon von Andromeda. Aus menschlicher Sicht bin ich sozusagen ein Außerirdischer. Leider musste ich mit meinem Raumschiff auf eurem Planeten vorübergehend notlanden, weil ich ganz unerwartete Schwierigkeiten bekam, als ich den Hyperraum verließ. Ich konnte plötzlich nichts mehr sehen, war total blind und torkelte halb besinnungslos umher. Das automatische Notlandesystem steuerte den nächstmöglichen Planeten an und führte mich schließlich hier in diese einsame Gegend auf der Erde. Dann legte es eine Tarnkappe über das gesamte Raumschiff. Dummerweise war es ausgerechnet auf dieser Landstraße gelandet. Nachdem meine Gesundheit wieder hergestellt war, überprüfte ich die Zusammensetzung der Atmosphäre. Sie war für mich atembar. Dann öffnete ich die Ausstiegsschleuse und erkundete ein wenig die nähere Umgebung. Ich fand den Regen überwältigend. Doch plötzlich schoss dieses kleine Fahrzeug heran, das wenige Sekunden später voll in eine der unsichtbaren Landestützen meines Raumschiffes krachte. Ich befahl sofort einige Helferandroiden herbei, die mir meldeten, dass sich eine Lebensform in dem zerstörten Vehikel befände, und das offensichtlich bei dem Aufprall schwer verletzt worden war. Es blutete sehr stark. Schnell befahl ich noch andere Helferandroiden zur Unfallstelle, die deinen leblosen Körper bargen und dich in mein Raumschiff brachten. Du hast wirklich großes Glück gehabt, denn deine Verletzung waren tödlich. Jetzt befindest du dich allerdings auf meiner Krankenstation in einem medizinischen Wundergerät, das alle Verletzung biologischer Wesen schnell und sicher heilen kann, deine und auch meine. Eigentlich wollte ich gleich nach meiner Genesung sofort wieder starten. Nun ja, wie auch immer. Ich habe es mir dann schließlich anders überlegt. Als mich meine fleißigen Helferandroiden aus der biologischen Wiederherstellungskammer raus geholt haben, bin ich einfach raus aus dem Raumschiff, um den herrlichen Regen draußen zu genießen. Ich dachte, wenn man schon mal ungewollt auf einem fremden Planeten gelandet ist, dann sollte man sich auch einen kleinen Spaziergang gönnen. Dann passierte der Unfall mit dir. Als ich begriff, was geschehen war, musste ich eingreifen. Wir sind nämlich sehr humane Wesen. Wir haben große Achtung vor allem Lebendigen. Ich konnte dich ja nicht einfach so sterben lassen und legte dich in diese Wundermaschine. Nun, in wenigen Minuten bist du wieder komplett hergestellt. Dann kannst du wieder gehen. Auch deinen Wagen habe ich originalgetreu durch den Materieformer replizieren lassen. Frag' mich aber bitte nicht, wie das funktioniert, du würdest es sowieso nicht verstehen. So, das war's dann auch schon. Ich muss dich leider gleich wieder in den Tiefschlaf versetzen und die Zeit ein wenig zurückdrehen und zwar bis zu dem Punkt, bevor du mit deinem Mini Cooper verunglückt bist. Du wirst dich außerdem an nichts mehr erinnern können. Ich wünsche dir noch alles Gute, Mr. Walter Rotschild!"

Das zottelige Wesen grinste jetzt ein wenig und gab einem der anwesenden Helferandroiden einen fast unmerklichen Wink. Mr. Rotschild sah gerade noch, wie die lange Nadel einer Spritze in seinen Oberarm eindrang, dann verlor er abermals das Bewusstsein.

***

Draußen war es stockdunkel. Mr. Walter Rotschild fuhr gerade mit seinem Mini Cooper auf einer einsamen Landstraße, als es plötzlich heftig zu regnen begann. Er schaltete sofort die Scheibenwischer ein, drosselte ein wenig die viel zu hohe Geschwindigkeit seines Autos und blickte angestrengt nach vorne in die beiden zitternden Scheinwerfer-Lichtkegel, die sich wie riesige Finger in die regnerische Nacht vortasteten.
Dann geschah etwas, womit Mr. Rotschild nie gerechnet hätte.


Im zitternden Licht der beiden Scheinwerfer entdeckte er ganz unerwartet auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein noch qualmendes Unfallfahrzeug, das in zwei Hälften zerrissen im abschüssigen Straßengraben lag. Walter Rotschild bremste sofort und hielt mit quietschenden Reifen an. Schnell stieg er aus, rannte hinüber zum Unfallwrack, um erste Hilfe zu leisten. Doch zu seiner großen Überraschung fand er nicht ein einziges Unfallopfer, weder im Auto selbst, noch in der unmittelbaren Umgebung. Erst als Mr. Rotschild durch Zufall das verbogene Nummernschild am zerfetzten Heck erblickte, wunderte er sich darüber, dass es sein eigenes polizeiliches Kennzeichen war. Im nächsten Augenblick erstarrte er vor Schreck, als er zudem noch bemerkte, dass es sich unzweifelhaft um seinen roten Mini Cooper handelte, der hier verunglückt im Straßengraben lag. Es gab keinen Zweifel. Dann wanderte Mr. Rotschilds Blick ungläubig hinauf zur Straße, wo der gleiche Mini Cooper mit laufendem Motor auf ihn wartete. Er konnte sich aus der ganzen Sache keinen Reim machen.

Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, erschien über Mr. Walter Rotschild ein riesiges Raumschiff. Er konnte es wegen der Dunkelheit und des ununterbrochenen Regens nur ungenau erkennen, aber es war gigantisch. Zuerst starrte er wie gebannt nach oben, dann rannte Mr. Rotschild in wilder Panik den Straßengraben hoch zu seinem wartenden Mini Cooper, öffnete mit zitternden Händen die Wagentür, setzte sich hinters Steuer und brauste schnell davon. Im Rückspiegel konnte er noch erkennen, wie ein bläulicher Lichtstrahl die zerfetzten Trümmerteile des Unfallfahrzeuges scannte. Kurz darauf wurden alle Überreste ins schwebende Raumschiff gezogen und verschwanden darin. Danach zog das gewaltige Raumschiff steil nach oben, bis es schließlich von den dichten Regenwolken verschluckt wurde und Kurs auf die funkelnden Sterne nahm.


ENDE

(c)Heinz-Walter Hoetter


 


 

***


 

12. Der Landschaftsprogrammierer


 


 

Und während der alte, bärtige Mann gemächlich das Holz hackte, die einzelnen abgeschlagenen Holzscheite gleich neben seinem Platz an der weiß getünchten Rückwand der idyllisch gelegenen Berghütte zu einem großen Holzstapel kunstvoll aufschichtete, kam JOHN BATTON mit langen, weit ausholenden Sätzen den schmalen Weg vom Tal heraufgeeilt.


Plötzlich bog er von dem holprigen Steinweg rechts ab, betrat eine grüne Almwiese und zog eine dunkle Fußspur durch das feuchte Gras des sanft ansteigenden Berghanges hinter sich her, bis ihm schließlich ein Brust hoher Holzzaun den Weg versperrte über den er jedoch mit einem einzigen mühelosen Sprung, wie der einer geschmeidigen Raubkatze, hinweg setzte, um ihn auf der anderen Seite des Zaunes mit sportlich federnden Schritten wieder abzufangen. Dann reckte JOHN BATTON seinen gut durchtrainierten, braungebrannten Körper pfeilschnell in die Höhe, ruderte ein paar Mal mit seinen kräftigen Armen ausbalancierend hin und her und tänzelte dabei von einem Fuß auf den anderen, wobei ihm der frische Bergwind heftig durch die langen blonden Haare blies. JOHN fühlte sich hier oben in der weiten Bergwelt wohl, die in der letzten Zeit schon fast seine zweite Heimat geworden war. Ihn faszinierte die erhabene Schönheit der eisblauen Gletscher und er bewunderte immer wieder das gewaltige Gebirgsmassiv mit seinen vielen weiß leuchtenden Schneekuppen am Horizont. Aber es gab auch schroffe Steilhänge und zerklüftete Täler in denen wilde Gebirgsbäche donnernd dahin rauschten. Alles sah in seiner Gesamtkomposition einfach majestätisch und atemberaubend aus. Es war schlichtweg ein faszinierendes Panorama, das einfach jeden in seinen Bann ziehen musste. Die ganze Berglandschaft war John mittlerweile irgendwie ans Herz gewachsen, wenngleich sie in Wirklichkeit nur eine super komplexe Computer generierte Holografie war, die allerdings einem kritischen Vergleich mit natürlichen Berglandschaften jederzeit standhalten konnte. Alles wirkte deshalb so täuschend echt, weil gewaltige Quantencomputer echte Materie in die jeweiligen Holografien hinein transformierten und auf diese Weise künstlich geschaffene Landschaften produzieren konnten, die von denen in der realen Welt in nichts mehr zu unterscheiden waren.

Aus der Ferne hörte man auf einmal das dumpfe Grollen eines herauf ziehenden Gewitters. Obwohl es noch sehr weit weg war, runzelte der alte Mann nachdenklich die Stirn, legte die schwere Axt behäbig beiseite, schnappte sich seinen grauen Filzhut, setzte ihn auf den Kopf und schob ihn weit nach hinten in den Nacken. Dabei beobachtete er aufmerksam den weiten Horizont, der jetzt auf einmal von einer schwarzgrauen Wolke durchzogen wurde, die bedrohlich von einer Sekunde auf die andere an Größe zunahm. John bemerkte sogleich das nachdenkliche Gesicht des betagten Mannes, der sein Vater war. Deshalb beendete er auch mit einem Schlag sein kleines Fitnesstraining, stand abrupt still und blickte nun ebenfalls gespannt zum weiten Horizont hinüber. Das ganze Szenario wurde von einem unheilvollen Donnern begleitet, das schnell näher kam. Heftige Blitze zuckten wie wild geworden aus den dunklen Wolken hervor, durchschlugen mit einem lauten Knall die turbulente Atmosphäre und entluden ihre gleißend helle Energie irgendwo am Boden der Berge, deren felsige Gebirgslandschaft jedes Mal für wenige Sekunden in ein gespenstisch anmutendes, aschfahles Licht getaucht wurde. Es war einfach ein grandioses Naturschauspiel und man konnte förmlich das Knistern der elektrischen Entladungen spüren, als das tobende Gewitter langsam direkt an den beiden Männern vorbei zog.

Kurz darauf drehte sich der alte Mann langsam herum, nickte anerkennend mit dem Kopf und sagte dann: „Ein beeindruckendes Naturschauspiel hast du da zusammengestellt..., mein Sohn. Wirklich sehr gut gelungen und äußerst überzeugend, wie ich dazu feststellen muss.“

JOHN BATTON sah seinen Vater zufrieden an und gab ihm schließlich zur Antwort: „Ja, du hast Recht, es sah tatsächlich überwältigend aus. Trotzdem bin ich noch nicht ganz zufrieden damit. Einige wichtige Szenen des Wetterprogramms innerhalb der gerade vorgestellten Gebirgssimulation sollte ich besser noch einmal etwas genauer unter Lupe nehmen. Ich werde wohl ein paar kleine Änderungen vornehmen müssen. Das stellt für mich aber kein großes Problem dar." Dann redete er weiter: "Ich hatte den Eindruck, dass die Sequenzen der eingespielten Gewitterblitze zu kurz hintereinander abgelaufen sind. Sie haben deshalb ihre unmittelbare Umgebung für meinen Geschmack einfach zu lange ausgeleuchtet. Das wirkt insgesamt gesehen etwas zu unnatürlich. An einigen Stellen nahmen die eingespielten Blitze sogar den Weg von unten nach oben, was eigentlich von mir so nicht vorgesehen war. Scheint sich ein Fehler in der Programmierung eingeschlichen zu haben. Außerdem sollte eigentlich der aufkommende Regenschauer etwas früher einsetzen. Na ja, aber im Großen und Ganzen kann ich mit dem vorläufigen Ergebnis meiner Landschafts- und Wettersimulation eigentlich recht zufrieden sein. Aber wie gesagt, ein paar Fehler müssen noch korrigiert werden, dann ist die Sache wirklich absolut perfekt.“

Noch während JOHN BATTON den Satz beendete, schaute er zu seinem Vater hinüber, der langsam auf ihn zukam und wenige Augenblicke später direkt vor ihm stand. Dann sagte er: „Ich glaube, mein Sohn, wir machen für heute Schluss! Du hast genug Zeit! - Morgen ist auch noch ein Tag, um die beabsichtigten Änderungen am Holoprogramm vornehmen zu können. Trotzdem bin ich mir jetzt schon sicher, dass dich allein diese hervorragend gelungene Arbeit auf Anhieb ins Finale bringen wird.“

JOHN BATTON war sichtlich erleichtert. Wusste er doch, dass er dem profunden Urteil seines alten Vaters voll vertrauen konnte. Er hatte ihm viel zu verdanken, denn er war in ihrer Zeit der letzte noch lebende Großmeister aller Basissimulationsprogramme, die in speziell dafür vorgesehenen molekularen Speichermedien von Generation zu Generation bewahrt wurden, um damit die kollektiven Erinnerungen an die wunderschönen Landschaften ihres im Nebel von Raum und Zeit verloren gegangenen Heimatplaneten wach zu halten, dessen Namen sie nie vergessen würden. Dieser Planet hieß Erde.

Sie alle waren nämlich die fernen Nachkömmlinge jener uralten Menschheit gewesen, deren Vorfahren vor undenklichen Zeiten noch auf dem Planeten Erde gelebt und diesen dann aber irgendwann einmal als mutige Raumfahrer und Endecker verlassen hatten, um ferne noch unerforschte Welten in den unendlichen Weiten des Universums zu erobern. Immer weiter drangen sie dabei in die grenzenlose Tiefe des Alls vor, besiedelten selbst wieder Planeten oder zogen weiter, von Sternensystem zu Sternensystem, von Galaxie zur Galaxie, bis sich ihre Spur irgendwo da draußen in der Ewigkeit von Raum und Zeit verlor, gleichwohl aber die Geschichte ihrer Herkunft immer bei sich tragend.

Um also die Erinnerungen an ihren Ursprungsplaneten wach zu halten erschufen sie schon sehr früh äußerst leistungsfähige Supercomputer mit schier unglaublichen Fähigkeiten, die dazu in der Lage waren, jede nur denkbare Welt auf gigantischen Holoplattformen materiealisieren zu lassen. Tief im innern der gewaltigen Quantencomputer war jeder Quadratmillimeter der Erde mit all ihren schönen Landschaften originalgetreu abgespeichert worden und diese wiederum dienten als Vorlage für alle computersimulierte Darstellungen auf den Holobühnen.


 

So entstanden die Landschaftsprogrammierer und seit der Zeit veranstaltete man immer wieder eigens dafür ins Leben gerufene Wettbewerbe, um die fähigsten Programmierer unter ihnen ausfindig machen zu können, die das Talent dazu mitbrachten, mit ihrer angeborenen Programmiererkunst genau diese so überaus real wirkenden Landschaftsimulationen der Erde mit Hilfe der Computer entstehen zu lassen.

Vater und Sohn gingen jetzt gemeinsam hinüber zur zentral gelegenen positronischen Steuerungsanlage des gewaltigen Holodecks.

John gab persönlich den geheimen Code für den Befehl zum Abspeichern der holographischen Landschaft in den Computer ein und nach einer Weile verschwand die kilometerweite Gebirgslandschaft sukzessive wieder von der Bildfläche, als wäre sie nie da gewesen. An ihrer Stelle breitete sich bald nur noch ein undurchdringliches Schwarz aus, das aussah wie ein Universum ohne Sterne.

Dann durchschritten Vater und Sohn die leise surrenden Sicherheitsschleusen der riesenhaften Anlage, bis sie endlich den Ausgang erreichten, um draußen in einem der wartenden, radlosen Antigravitationsgleiter Platz zu nehmen, der sie beide, wie von Geisterhand gesteuert, zurück in die fern gelegene Großstadt Nova City bringen würde.

 

ENDE

©Heinz-Walter Hoetter


 


 

***


 

13. Die Invasion der Fanginsekten


 

Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen.“


 



 


Die Alarmsirenen heulten plötzlich auf.

 

Der Wissenschaftler Ahma K’henn saß gerade tief in Gedanken versunken am Schaltpult der Überwachungsanlage für den Peripherietransmitter, als der Nerven zerfetzende Dauerton einsetzte. Er zuckte etwas zusammen, blieb aber trotz des höllischen Lärms ruhig und gelassen. Sein sorgfältig prüfender Blick glitt über die vielen bunt leuchtenden Kontrolllämpchen der beeindruckenden Steuerkonsole, die in der Mitte von einem überdimensionalen Wandmonitor beherrscht wurde.

 

Bestimmt wieder so ein Fehlalarm, ausgelöst durch einen vorschnell handelnden Agenten“, grollte der in die Jahre gekommene Wissenschaftler mit dem braungebrannten Gesicht und den langen, grauweißen Haaren missmutig vor sich hin. Dennoch schaute er vorsichtshalber durch die massive Panzerglaswand hinüber zur dunkel gähnenden Transmitteröffnung, die einen kreisförmigen Innendurchmesser von etwa vier Meter hatte und von einem klobigen Rahmen aus besonders Hitze beständigem Spezialmetall begrenzt wurde. Ein überstarkes Magnetfeld sorgte außerdem dafür, dass die aktive Abstrahlenergie am Rand des Transmitters in sich selbst zurückfloss, damit sie den umgebenden Metallring nicht beschädigen konnte.

 

Es tat sich eigentlich nichts Besonderes in dem Transmitterraum, außer, dass der schrille Alarm den Mann im weißen Kittel nervte.

 

Schnell drückte Ahma K’henn hintereinander mit seinen schlanken Fingern ein paar halbrund geformte Tasten, die ununterbrochen zu blinken begonnen hatten. Kurz darauf verstummte das aufdringliche Heulen der Alarmsirenen abrupt und eine wohltuende Stille kehrte wieder in den mit Elektronik vollgestopften Überwachungsraum ein. Der Wissenschaftler atmete erleichtert auf.

 

***

 

Die einsam da liegende Außenstation war einmal vor langer Zeit von der mächtigen Planetenunion unter strengster Geheimhaltung erbaut worden, um Spezialagenten des Geheimdienstes der Zentralregierung eine schnelle und sichere Rückkehr während ihrer gefährlichen Einsätze zu ermöglichen, besonders dann, wenn es sich ganz klar abzeichnete, dass eine Mission unter Umständen scheitern würde oder eventuell sogar einen tödlichen Ausgang nehmen könnte. Wie viele es von diesen überall in der Milchstraße verteilten geheimen Anlagen gab, wusste eigentlich niemand so genau. Dafür wussten alle Agenten aber nur zu gut, dass der Alarmsprung durch den Transmitter ihre allerletzte verfügbare Lebensversicherung in höchster Gefahr war. Diese letzte Option durfte nur im äußersten Notfall in Anspruch genommen werden.

 

Trotzdem passierte es immer wieder, dass manche Agenten oder Agentinnen eine eingetretene Gefahrenlage falsch beurteilten und in Folge dessen eine vorschnelle Rettungsaktion auslösten, die eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre. So kam es sporadisch immer wieder zu Fehlalarmen, was natürlich für die jeweils betroffenen Bereitschaftsmitglieder der Rettungscrews in diesen Stationen mehr als nur ein Ärgernis war, da sie gezwungener Maßen jedes Mal voll ausgerüstet antreten mussten.

 

Die weitläufig angelegte Außenstation befand sich mitten in der Wüste eines erdähnlichen Planeten, der sich irgendwo am Rande der Milchstraße befand, den seine Entdecker sinnigerweise „Eismann“ getauft hatten. Wahrscheinlich deshalb, weil er nur über einen einzigen gewaltig aussehenden Riesenberg verfügte, der mit seinem weiß leuchtenden Gipfel aus Eis und Schnee weit in die für Menschen atembare Atmosphäre des Planeten hineinreichte, und den man sogar im Orbit von einem Raumschiff aus gut erkennen konnte.

 

Ganz in der Nähe der Station lag ein fast ausgetrockneter See, dessen salzige Wasserreste man zur Gewinnung von Trinkwasser nutzte. Hier und da wuchsen an manchen Stellen sogar palmenartig aussehende Bäume, die jedoch über und über mit spitzen Stacheln bewehrt waren, als deuteten sie damit unmissverständlich an, dass sie den von ihnen einmal eroberten Platz in der trockenen Wüste unter gar keinen Umständen mehr hergeben wollten.

 

Und da war noch etwas.

 

Hier und da hatten angeblich manche Crewmitglieder der Außenstation auf ihren ausgedehnten Expeditionen ins Landesinnere sogar schon einige insektenartige Lebewesen gesichtet, die, wie man vermutete, offenbar in weitläufigen Höhlen tief unter der Bodenoberfläche lebten. Genaueres wusste man allerdings nicht. Nun, solange sie den Menschen nicht gefährlich wurden, ließ man die Sache auf sich beruhen. Man hatte andere Dinge zu tun, die wichtiger waren, als vermeintlichen Insekten hinterher zu jagen.

 

***

 

Draußen erhob sich gerade ein heftiger Sandsturm, der an manchen Stellen die feinen Sandkörner durch die kleinen Ritzen und Risse der hohen Versorgungstunnel ins Innere der Station trieb, dessen Besatzung aus fünf Männern, fünf Frauen und drei Androiden bestand. Besonders ihrer hohen Lebenserwartung, ihrer geringen Störanfälligkeit und ausgeprägten KI (künstlichen Intelligenz) wegen waren diese menschenähnlichen Roboter unter anderem auch für die Wartung und die Instandhaltung der hochkomplizierten Transmittertechnik verantwortlich.

 

Die tief im Boden liegenden Unterkünfte der Crew hatte man absichtlich weit außerhalb des kuppelförmigen Transmitterterminals gebaut. Sie waren allesamt mit geräumigen Bodentunnel miteinander verbunden, in denen es sogar links und rechts schmale Fahrbahnen für kleinere Elektrotransportfahrzeuge gab. In sicherer Entfernung zur Außenstation lag ein gut getarnter Landeplatz für mittelgroße Raumschiffe. Etwas abgelegen davon befand sich noch ein gut versteckter Hangar mit zwei geländegängigen Kettenfahrzeugen und drei Raum tüchtigen Kampfjägern, die unter anderem auch der Verteidigung der Station dienten.

 

Im Großen und Ganzen war jedoch die mitten in der Wüste einsam daliegende Außenstation für die Besatzung recht komfortabel eingerichtet worden. Es mangelte eigentlich an nichts und trotzdem hassten viele Crewmitglieder ihren vertraglich vereinbarten Dienst, der, wenn er länger als erwartet andauerte, ihnen mehr als langweilig und stupide vorkam. Es war eben diese unerträgliche Einsamkeit und Stille auf dem Planeten „Eismann“, die auf Dauer zermürbend auf die Psyche der Männer und Frauen wirkte.

 

***

 

Nachdem die Alarmsirenen keinen Ton mehr von sich gaben, sah Ahma K’henn gespannt auf den großen Monitor hoch über dem Schaltpult, der sich selbsttätig eingeschaltete hatte und jetzt ein scharfes Bild vom Transmitterraum lieferte, wo es mehrmals hintereinander blitzartig hell aufleuchtete.

 

Die feingliedrigen Hände des Wissenschaftlers begannen auf einmal seltsam zu zittern.

 

Das ist kein Fehlalarm, sondern ein echter Notfall, dachte er aufgeregt, denn die Aktivierung des Transmitters war in der Regel nur durch einen streng geheimen Code möglich, der ausschließlich von Agenten oder Agentinnen benutzt werden konnte, die sich gerade irgendwo da draußen in den unendlichen Weiten des Alls im Einsatz befanden.

 

Die Luft in unmittelbarer Nähe des Transmitters begann plötzlich heftig zu flimmern. Dann bildete sich nach und nach eine glatte, bläulich weiße Oberfläche, die das Innere des Sprungtores bis zum Rand des Metallrahmens knisternd ausfüllte und große Ähnlichkeit mit einer senkrecht aufgestellten Wasserwand hatte.

 

Nur wenige Sekunden später torkelten kurz hintereinander zwei menschliche Körper daraus hervor, die aber schon bald vor lauter Erschöpfung zu Boden glitten, wo sie stöhnend liegen blieben. Ihre Uniformen sahen ziemlich mitgenommen aus und weißer Qualm stieg an einigen Stellen hervor, als würden sie Feuer gefangen haben.

 

Was geht denn hier vor?“ fragte Ahma K’henn mit halb erstickter Stimme ungläubig und drückte geistesgegenwärtig den Einschaltknopf der internen Sprechanlage, die alle verfügbaren Lautsprecher ansteuerte. Dann räusperte er sich kurz und schrie nach Dr. Reginald Lux, dem Arzt der Außenstation.

 

Der meldete sich sofort.

 

Was ist los mein Freund? Gibt es irgendwelche Probleme bei dir? Hattest du einen Fehlalarm oder war das eben nur ein Test?“

 

Nichts von alledem. Wir haben offensichtlich einen dringenden Notfall, Reginald. Komm’ sofort in den Transmitterraum und bring’ die anderen mit. Wir brauchen alle verfügbaren Kräfte. Zwei Personen liegen verletzt auf dem Boden. So viel ich von hier aus sehen kann, handelt sich eindeutig um zwei Menschen, eine Frau und einen Mann. Der Mann blutet stark aus mehreren Wunden und scheint offenbar ohnmächtig zu sein. Die Frau schleppt sich gerade auf allen Vieren zu ihm hinüber. Sie schreit laut um Hilfe. Ich kann sie deutlich hören, weil ich die Mikrofone eingeschaltet habe. Beil dich also! Lass’ alles stehen und liegen und bring’ deine medizinische Ausrüstung mit! Ich hab’ da so einen Verdacht. Du weißt schon, was ich meine.“

 

Ich bin sofort bei dir, Ahma. Öffne schon mal die Schleusen zum Transmitterraum und alarmiere die übrige Crew. Sie sollen ihre Waffen mitnehmen, damit die Außenstation notfalls verteidigt werden kann. Schick’ sie alle zu mir. Nur die beiden Piloten McAbelley und Linda Ohara sind davon ausgeschlossen. Sie erhalten den Befehl, sofort ihre Jäger startbereit zu machen und sollen vorerst auf weitere Anweisungen warten. Ich übernehme ab sofort das Kommando. Aktiviere die Androiden und versetze sie vorerst in den passiven Ruhezustand. Ich glaube nicht, dass wir sie im Moment brauchen. Das ist vorläufig alles.“

 

Ich habe verstanden, Reginald. Wir treffen uns dann an der Schleuse. Ende der Durchsage!“

 

Nach diesen Anweisungen wurde es wieder still im Raum.

 

Der Wissenschaftler setzte vorsorglich den internen Alarm ab, der nur die rot leuchtenden Warnlampen aktivierte und gab seine Befehle über Intercom an die Crewmitglieder weiter. Jeder wusste jetzt, was er zu tun hatte. Dann eilte Ahma K’henn zur Transmitterschleuse, wo er auf den Doktor und die übrigen Crewmitglieder traf, die bereits auf ihn warteten.

 

Die Schleuse stand mittlerweile offen. Einer nach dem anderen betraten sie den dahinter liegenden Raum mit dem imposanten Transmitter, der sich aus Sicherheitsgründen von selbst wieder deaktiviert hatte.

 

Die Frau blickte die anwesende Besatzung der Station mit weit aufgerissenen Augen aufgeregt an.

 

Er braucht dringend einen Arzt, schnell, er stirbt sonst!“

 

Ihre hysterische Stimme überschlug sich fast.

 

Endlich kam Leben in die Rettungsmannschaft. Sogar Harry Fuller, der Wachposten aus dem Hangar, war mittlerweile eingetroffen und sicherte mit seiner Waffe den Zugang zur Schleuse.

 

Der Doktor und seine Leute kümmerten sich sofort um den bewusstlosen Mann und die verletzte Frau. Beide wurden vorsorglich an ein künstliches Lebenserhaltungssystem angeschlossen. Dann ging es mit ihnen ab in den Operationssaal der Krankenabteilung.

 

Selbst hier, am Ende der Milchstraße, sorgte die mächtige Planetenunion für einen gewissen medizinischen Standard. Besonders in den weit abgelegenen Stationen war es von größter Wichtigkeit, stets qualifiziertes Personal vor Ort zu haben, wie sich gerade jetzt wieder bewies, damit auch in den unendlichen Weiten des Universums Menschen in Notlagen schnellste Rettung finden konnten.

 

Dr. Reginald Lux untersuchte gerade den verletzten Agenten, als vor ihm auf dem Bildschirm an der Wand ein Gesicht erschien. Es war das Gesicht von Major Franklin Fisher, des Chefs aller geheimen Außenstationen innerhalb der Milchstraße.

 

Der Wissenschaftler Ahma K’henn stand in unmittelbarer Nähe des Doktors. Als er den Major auf dem Plasmabildschirm sah, tippte er den Kommandanten vorsichtig auf die Schulter und wies mit dem ausgestreckten Zeigefinger der rechten Hand auf den großen Monitor. Er hatte nicht gewusst, dass sich der Major ganz ohne Anmeldung derart grenzenlos in das System schalten konnte, und voller Schrecken dachte er daran, dass die Geheimdienstzentrale jederzeit eine Kontrolle vornehmen konnte um zu überprüfen, was sich in den einzelnen Außenstationen so abspielte. Das war mehr als nur ein perfektes Überwachungssystem, fiel ihm dazu ein. Seltsam, dass ihm das nicht früher aufgefallen war, dachte Ahma K’henn so für sich. Er konnte sich jedoch an keinen Vorfall erinnern, der sie irgendwie in Verdacht gebracht hätte, dass in dieser Außenstation auf dem Planeten „Eismann“ irgendwas schief gelaufen wäre. Im Gegenteil! Alles funktionierte wie immer genau nach Plan.

 

Dr. Lux ließ sich zuerst nicht von seiner Arbeit ablenken, wurde aber jäh durch die donnernde Stimme von Major Fisher aufgeschreckt, der sich damit auffällig zu Wort meldete.

 

Ich möchte von Ihnen wissen, warum ich nicht sofort über diesen Vorfall benachrichtigt worden bin, Dr. Lux. Sie sind der Kommandant dieser Außenstation auf „Eismann“ und hätten umgehend Meldung an die Zentrale ergehen lassen müssen. Sie wissen doch, was auf dem Spiel steht! Ich erwarte daher eine klärende Antwort von Ihnen!“

 

Der Arzt nickte kurz seiner hübschen Assistentin Sonja Whitemann zu und übertrug ihr dann die weitere medizinische Versorgung des Patienten.

 

Die Wunde ist sauber und muss jetzt nur noch genäht werden. Machen Sie da weiter, wo ich aufgehört habe, Miss Whitemann. Ich muss mich leider um andere Dinge kümmern.“

 

Die Assistentin nickte bereitwillig mit dem Kopf und rückte auf den Platz von Dr. Lux vor, der sich mittlerweile vor dem großen Bildschirm an der Wand in seiner vollen Körpergröße aufgebaut hatte. Er stand da wie ein Zinnsoldat.

 

Der Major schnaubte vor Wut.

 

Wie lange dauert das denn noch, bis ich eine vorläufige Übersichtsmeldung von Ihnen erhalte, Dr. Lux. Oder hat Ihre Mannschaft bei aller Spielerei nur vergessen, den Alarm zu uns durchzustellen?“ fuhr Major Fisher mit grollender Stimme fort.

 

Wir waren zu sehr mit den beiden havarierten Agenten beschäftigt, Herr Major. Ihr Überleben geht vor. Bitte haben Sie dafür Verständnis. In der letzten Zeit ist es außerdem immer wieder vorgekommen, dass Fehlalarme bei uns eingingen. Vielleicht hat deshalb unser Wissenschaftler Ahma K’henn es nicht für nötig befunden, den Alarm unverzüglich auch an die Zentrale weiterzuleiten. Es wird bestimmt nicht wieder vorkommen, Herr Major.“

 

Das will ich auch hoffen, Dr. Lux. Ich werde von Ihnen in Zukunft keine Ausreden mehr akzeptieren. Sorgen Sie also dafür, dass Ihre Leute bei der Arbeit nicht einschlafen und ihren Dienst vorschriftsmäßig verrichten. Wir müssen stets wachsam bleiben. Die Situation ist schwierig genug. Mehr erwarte ich nicht von Ihnen und Ihren Leuten. Haben Sie das verstanden?“

 

Der Doktor nickte mehrmals hinter einander mit dem Kopf, hielt sich aber mit weiteren Bemerkungen zurück. Er wollte die angespannte Situation nicht noch weiter strapazieren.

 

Mit den vorwurfsvollen Worten des Majors war das Ende seiner Karriere sowieso schon eingeleitet worden. Das wusste Dr. Lux jetzt. Er mochte diesen aufgeblasenen Popanz Fisher nicht, der ihm schon immer unsympathisch gewesen war, seitdem ihn die Regierung zum Leiter aller geheimen Außenstationen befördert hatte. Vielleicht war es aber auch nur die neu eingetretene Lage, mit der auch der Major zu kämpfen hatte, weil im Augenblick für sie viel auf dem Spiel stand.

 

Ohne seine innere Anspannung nach außen dringen zu lassen, fing Dr. Reginald Lux damit an, die notwendige Meldung über die letzten Vorkommnisse in der Station zu machen, weil er sah, dass sich Major Fishers Gesicht immer mehr verdüsterte. Nachdem er mit seinen Schilderungen fertig war, wartete er ab, was der Major darauf antworten würde.

 

Seltsamerweise entspannten sich die Gesichtszüge Fishers auf einmal, als hätte er eine gute Nachricht vernommen. Sogar ein verwegenes, hintergründiges Lächeln huschte über seine wulstigen Lippen.

 

Ich schicke sofort ein Sprung fähiges Raumschiff los. Moment mal! Die „Poseidon“ hält sich in eurer Nähe auf. Sie wird etwa in einer Stunde die Außenstation auf „Eismann“ erreicht haben. Die beiden Personen werden sofort an Bord gebracht und unverzüglich zur Erde geflogen, wo sie in unserem zentralen militärischen Medicenter weiter versorgt werden. Sollte es aus irgendwelchen Gründen notwendig sein, werden Sie die beiden Agenten begleiten, Dr. Lux. Es wäre mir allerdings lieber, wenn Sie gleich die Leitung des Transporteinsatzes übernehmen würden. Ja, ich befehle es ihnen sogar. Ich erwarte Sie dann auf der Erde. Ende der Durchsage...!“

 

Die Verbindung wurde grußlos getrennt. Das Bild auf dem Monitor erlosch schlagartig und wurde durch das offizielle Emblem der Planetenunion ersetzt.

 

Eine Weile stand Dr. Lux so da und sagte kein Wort. Man hatte ihn soeben den klaren Befehl erteilt, mit zur Erde zu fliegen. Ungläubig und kopfschüttelnd schritt er langsam auf den OP-Tisch zu. Er hoffte nur, dass alles planmäßig ablaufen würde. Jedenfalls wollte er sein Bestes dafür tun.

 

Wie geht es dem Mann“, fragte er seine Assistentin Miss Sonja Whitemann, die soeben eine klaffende Wunde am Oberarm des Agenten genäht hatte.

 

Sein Kreislauf ist stabil. Wir haben ihm eine Bluttransfusion gegeben. Er ist außer Lebensgefahr und wird, was zumindest der vorläufige Befund bisher vermuten lässt, keine bleibenden Schäden davon tragen. Die Frau steht noch immer unter schwerem Schock, ist aber ebenfalls auf dem Weg der Besserung. Obwohl sie vorhin laut um Hilfe geschrien hat, sagt sie jetzt auf einmal kein einziges Wort mehr. Das ist zwar seltsam, aber wer weiß, was in ihr vorgeht. Ach so, beinahe hätte ich’s vergessen. Der Name des Agenten ist Clark Fender, die Agentin heißt Lynn Taylor. Wir haben die gesamten Daten der beiden von ihren implantierten Chips auf unseren Medicomputer übertragen. Alle wichtigen Proben sind ihren Körpern bereits entnommen worden und wurden in flüssigem Stickstoff eingelagert. Sie werden später genauer untersucht“, sagte die Assistentin mit ruhiger Stimme zu ihrem Vorgesetzten.

 

Gut gemacht, Miss Whitemann. Lassen Sie die Proben vorläufig dort, wo sie sind. Wir werden sie wahrscheinlich sowie nicht brauchen. Sie haben gehört, dass der Major ein Raumschiff zu uns schickt. Unser allmächtiger Chef will, dass ich die beiden Agenten mit nach Terra begleiten soll, wo man sie offenbar besser versorgen kann, als hier in unserer weit abgelegenen Außenstation. Ich sehe darin eine Gelegenheit, von diesem langweiligen Posten wegzukommen. Ich war noch nie auf der Erde“, sagte Dr. Lux und schaute dabei etwa verlegen in die Runde.

 

Der Wissenschaftler Ahma K’henn zuckte verdutzt die Schulter und verließ die Krankenstation. Er wollte jetzt wieder zurück in den Überwachungsraum gehen, um die gespeicherten Transmitterdaten auszuwerten. Mit ihrer Hilfe konnte er den genauen Herkunftsort der beiden Agenten zurück verfolgen lassen. Reine Routinearbeit, die allerdings ein wenige Zeit in Anspruch nehmen würde, dachte er so für sich und verschwand hinter der nächsten tunnelartigen Abzweigung, die zur Transmittersektion führte.

 

Dr. Lux stand immer noch am OP-Tisch.

 

Ich hoffe für Sie, dass alles gut geht. Wir sehen uns bestimmt wieder, Dr. Lux“, gab seine Assistentin mit einem kurzen Seufzer optimistisch zur Antwort und setzte ihre Arbeit am Patienten fort.

 

Dr. Reginald Lux drehte sich wortlos herum und verließ den OP-Raum. Sein Gesicht sah blass und eingefallen aus. Er musste noch einige persönliche Dinge regeln, bevor die Reise durchs All zur Erde beginnen konnte.

 

***

 

Es dauerte fast eine Stunde, bis das Fregattenraumschiff „Poseidon“ endlich auf den heißen Wüstenboden des Landeplatzes vor der Außenstation aufsetzte und die beiden Agenten mit an Bord nahm. Dr. Lux hielt den Zustand des Mannes zwar für recht gut, ließ ihn aber trotzdem keinen Moment aus den Augen. Zu kritisch war das physische Gleichgewicht.

 

Die Frau wirkte dagegen zwar immer noch wegen des Schocks leicht verstört, war aber ansonsten, bis auf ein paar leichtere Brandverletzungen im Bereich der Hüfte und Beine, soweit in Ordnung. Man hatte sie gut versorgt.

 

Zwei Mitglieder der Raumschiffbesatzung halfen ihm dabei, seine beiden Patienten in die für sie vorgesehene Tiefschlafkammer zu transportieren, damit ihnen der Hypersprung nichts anhaben konnte.

 

Etwas später, als Dr. Reginald Lux die transparente Glaskuppel seiner eigenen Tiefschlafbox per Knopfdruck verriegelte, hob die „Poseidon“ in diesem Augenblick gerade von der Startrampe neben der Außenstation auf dem Planeten „Eismann“ ab, erreichte bald darauf den freien Raum und schoss wie ein Pfeil hinaus in die Unendlichkeit eines Sternen übersäten Universums. Ein heller Lichtblitz kündete davon, dass der schlanke Fregattenraumer in den Hypersprung gegangen war. Bald würde das Raumschiff die Erde des Menschen erreicht haben.

 

Die Menschheit konnte zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, dass ihr Heimatplanet schon bald von einer schrecklichen Bedrohung heimgesucht werden sollte. Sie würde Angst und Grauen unter den Menschen verbreiteten und eine einzige Apokalypse unvorstellbaren Ausmaßes unter ihnen auslösen.

 

Das Schicksal nahm seinen Lauf.

 

***

 

Der Wissenschaftler Ahma K’henn wertete gerade die Aufzeichnungen des Transmitters aus, als Miss Sonja Whitemann mit gebotener Zurückhaltung den Überwachungsraum betrat. Er tat so, als wolle er sich von ihr nicht stören lassen.

 

Die junge Frau räusperte sich, bevor sie zu sprechen anfing.

 

Sie sind jetzt automatisch der neue Kommandant der Außenstation auf „Eismann“, sagte sie mit seltsam leiser Stimme.

 

Sie machte ein kleine Pause und fuhr dann weiter.

 

Wir wissen nicht, ob Dr. Lux überhaupt noch mal zurückkehren wird. Ich vermute eher, dass uns Major Fisher einen neuen Vorgesetzten schickt. Aber deswegen bin ich eigentlich gar nicht gekommen. Ich wollte nur sagen, dass ich heftige Kopfschmerzen habe und mich schwach und elend fühle. Vielleicht habe ich mir ja nur den Magen verdorben, aber alle Mitglieder der Crew klagen über die gleichen Symptome wie ich. Einige haben Durchfall und hohes Fieber bekommen und liegen bereits in der Krankenstation. Das ist mehr als nur beunruhigend. Irgendwas stimmt hier nicht. Es könnte sich um eine Seuche handeln, die von den beiden Agenten eingeschleppt worden ist. Das ist zwar nur eine Vermutung, aber wir müssen die von ihnen entnommenen Proben sofort im Labor untersuchen. Außerdem sollten wir die Zentrale benachrichtigen, damit die Verantwortlichen eventuell notwendig werdende Rettungsmaßnahmen einleiten können, sollte sich herausstellen, dass...“

 

Die schöne Assistentin hielt plötzlich inne. Ihr stockte der Atem.

 

Der Angesprochene drehte sich auf einmal ganz langsam auf seinem Drehsitz zu ihr herum.

 

Der Wissenschaftler Ahma K’henn mit dem braungebrannten Gesicht und den langen, grauweißen Haaren begann sich vor ihren entsetzt drein blickenden Augen wie in Zeitlupe zu verändern. Innerhalb nur weniger Sekunden verwandelte er sich in eine fremdartige Kreatur, die äußerlich nur noch wenig Ähnlichkeit mit der Statur eines Menschen hatte. Das Gesicht von Ahma K’henn, oder was davon noch übrig geblieben war, nahm die schreckliche Form einer Gottesanbeterin an. Mit viel zu hoher Stimme fing das insektenartige Monster an zu sprechen. Es klang fast so, als zirpte eine Grille.

 

Einen Teufel werde ich tun, meine Gute. Wissen Sie, Miss Whitemann, die ganze Sache hier ist eigentlich schon längst gelaufen. Die „Poseidon“ hat euren Heimatplaneten vor wenigen Stunden irdischer Zeitrechnung erreicht und mit ihr Millionen zukünftiger Insekten unserer Rasse, die als mikroskopisch kleine Larven in den Körpern der beiden Agenten versteckt waren. Übrigens gehört Dr. Lux ebenfalls zu uns, wie auch Major Fisher und einige andere, die wir heimlich auf die Erde schleusen konnten. Sicherlich haben sie schon die Larven bereits in eurer ach so schönen Atmosphäre freigesetzt. Sie werden von Milliarden von Menschen unbemerkt eingeatmet, sich in ihre Körper einnisten und zu Millionen und Abermillionen in aller Ruhe darin vermehren.

 

Zum Schluss wird es allen Menschen so gehen wie denen hier auf dem Planeten „Eismann“. Tja, ihr hättet nicht kommen sollen, dann wäre euch das alles hier nicht passiert. Zuerst fühlt man sich schwach und elend, bekommt hohes Fieber oder leidet an einem fürchterlichen Durchfall und am Ende ist man wie paralysiert. Das ist eine ganz normale Schockreaktion, die durch unsere infiltrierten Larven entsteht. Von da an dauert es dann nicht mehr lange, bis der Tod durch Organversagen eintritt. Sehen Sie jetzt ein, dass die Invasion meiner Rasse einfach nicht mehr aufzuhalten ist? Wir sind eigentlich keine Raumfahrer, Miss Whitemann, und wir haben auch nie eine Raumflotte entwickelt, wie ihr Menschen. Wozu auch? Die Transmittertechnik war uns ebenfalls völlig unbekannt. Wir sind schon allein wegen unseres Körperaufbaues gar nicht dazu in der Lage, Werkzeuge, wie ihr sie benutzt, herzustellen. Das Einzige, was wir wirklich gut beherrschen ist, dass wir unsere Körperform für längere Zeit in jede x-beliebige Gestalt verändern können. Ihr Menschen nennt das wohl Anpassungsfähigkeit oder so. Wir leben auch überwiegend in Höhlen, die wir selbst anlegen. Das heißt aber nicht, dass wir keine Intelligenz besitzen. Wir sind sogar hochintelligent, wie ihr Menschen zugeben müsst. Der Trick ist im Prinzip eigentlich ganz einfach. Wir reisen in Form von Larven als Trittbrettfahrer in den Körpern höher entwickelter Lebewesen mit, die eine interstellare Raumfahrt entwickelt haben und lassen uns auf diese Art und Weise von einem Planeten zu anderen bringen. Eine einfache aber wirksame Strategie, nicht wahr Miss Whitemann? Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Hören Sie mich überhaupt noch? Sie machen es wohl nicht mehr lange – oder? Ich gebe ja zu, dass wir Insekten eigentlich ein bisschen zu viel reden. Na ja, wie auch immer, die Zusammenarbeit mit Ihnen hat mich jedenfalls immens gefreut...“

 

Miss Whitemann unterdrückte nur mühsam einen Anflug von Panik. Sie fing auf einmal an zu zittern wie Espenlaub. Die Wahrnehmungen ihrer Augen wurden unscharf und ihr Körper sackte plötzlich haltlos in sich zusammen. Dann krachte sie mit dem Kopf voran auf den harten Boden der Überwachungsanlage, wo sie sich, bereits sterbend, noch ein letztes Mal übergeben musste. Das Erbrochene aber schien zu leben, das aus unzähligen kleinen Insektenlarven bestand, die wie ein ekelhafter Schwall jetzt aus allen Öffnungen ihres immer schwächer zuckenden Körpers hervorquollen.

 

Der zu einem mannshohen Fanginsekt mutierte Ahma Khenn konnte sich nun vor lauter Fressgier nicht mehr zurückhalten und fiel wie von Sinnen über den toten Körper von Miss Whitemann her und verspeiste ihn genüsslich schmatzend.

 


ENDE


©Heinz-Walter Hoetter


 


 


 


 


 

14. Die Invasion der Roboter

 

 

 

 

Der 14-jährige Mark war ein stiller Junge, der nur selten etwas sagte. Er lebte ohne Geschwister weit außerhalb der Stadt auf einem alten Bauernhof zusammen mit seinen Eltern, die den Hof gemeinsam bewirtschafteten.

 

Mark musste tagsüber die Schafe auf einer abgelegenen Weide eines nah gelegenen Tales hüten, wo es einige Höhlen gab, von denen die einheimischen Bewohner sagten, dass sich dort fremdartige Kreaturen herum trieben, von denen man nicht wusste, woher sie kamen und was sie dort eigentlich so genau machten. Aber viele hielten diese Geschichten einfach nur für Sagen, die man gerne verbreitete, um den Leuten Angst zu machen.

 

Eines Tages schickten ihn seine Eltern wieder einmal los, um die Schafe zu beaufsichtigen, weil es sich herum gesprochen hatte, dass ein Wolf in der Gegend gesichtet worden war, der den Schafen gefährlich werden könnte. Deshalb drückte ihm sein Vater eine geladene Schrotflinte in die Hände, um die wertvollen Tiere besser beschützen zu können.

 

Als Mark die Herde erreichte, wunderte er sich darüber, dass das große Tor des Stalles bereits weit offen stand und die Schafe schon auf der grünen Wiese herum liefen. Jemand hatte das Tor geöffnet und die Schafe nach draußen gelassen. Aber wer?

 

Vorsichtig nahm der Junge die Flinte von seiner Schulter und lud sie durch. In der linken Hand hielt er zwei weitere Patronen, um schnell nachladen zu können.

 

Ihm kam die ganze Sache ziemlich seltsam vor. Ein mulmiges Gefühl machte sich in seiner Magengrube breit.

 

Plötzlich hörte er ein seltsames Geräusch aus dem Stall, das sich wie das Surren eines leise laufenden Motors anhörte. Das Surren kam näher.

 

Mark wurde neugierig, richtete den Lauf der Schrotflinte direkt auf den weiten Eingang des Stalles und rief so laut er konnte: „Wer ist da? Komm da raus oder ich schieße!“ Dann wartete er ab, was geschehen würde.

 

Auf einmal stand er da, dieser wuchtige Roboter, der aussah wie ein Alien aus einer fremden Welt.

 

Bitte nicht schießen, mein Junge! Ich habe nur die ganze Nacht hier bei den Schafen verbracht, weil man mich gesucht hat. Im Stall war ich sicher, da man mich nicht bei den Tieren vermutete. Jetzt möchtest du bestimmt wissen, wer hinter mir her ist – oder? Nun, ganz einfach! Es ist der finstere Bronk. Ich habe nämlich an seiner Zeitmaschine herum gespielt und fand mich von einer Sekunde auf die andere hier in deiner Welt wieder. Dieser schreckliche Bronk verfolgte mich unerbittlich, doch ich konnte mich in dem Stall bei den Schafen verstecken. Aber ich denke, er wird mich sicherlich bald aufspüren, um mich dann wieder in meine Welt zurück zu holen. Er ist sehr, sehr böse auf mich und hat mir damit gedroht, meine Energiestäbe heraus zu nehmen, um mich für eine lange Zeit zu deaktivieren. Aber ich möchte nicht deaktiviert werden. Lieber bleibe ich in deiner Welt und kehre nie mehr in meine zurück.“

 

Mark ließ den Doppellauf seiner Schrotflinte sinken. Er war darüber erstaunt, dass der Roboter seine Sprache redete und auch verstand.

 

Du sprichst meine Sprache? Wie hast du das so schnell geschafft, Roboter?“

 

Ich lerne superschnell, ganz egal, was es auch immer sein mag. Aber sag' einfach MX-22 zu mir. Und wie heißt du, mein Freund?“

 

Mein Name ist Mark, genau genommen heiße ich Mark Lodi. Ich hüte die Schafe meiner Eltern, die gleich hinter dem Tal einen kleinen Bauernhof besitzen. Ich bin ihr einziger Sohn. Eine ziemlich eintönige Arbeit ist das, jeden Tag diese blöden Viecher zu bewachen, kann ich dir sagen. Ich wünschte, ich könnte hier weg, um mal etwas anderes kennenzulernen, als nur Schafe zu hüten. Die Flinte hat mir mein Vater mitgegeben, damit ich die Herde vor einem Wolf beschütze, der sich hier in unserer Gegend aufhalten soll. Entschuldige bitte, dass ich dir vielleicht Angst mit diesem Ding eingejagt habe. Das wollte ich nicht.“

 

Ach was, mein Freund. Ich hab' alles nur gespielt. Angst kenne ich nicht und schon gar nicht vor so einem Schießeisen, das mir bestimmt nicht gefährlich werden kann. Ich bestehe aus einem Metall, das sehr widerstandsfähig ist und mich praktisch unzerstörbar macht. Na ja, fast, denn alles kann man zerstören, wenn man nur die richtigen Waffen hat.“

 

Auf einmal zuckte MX-22, der Roboter zusammen. Hinter der Scheune tauchte ganz unerwartet ein weiterer Roboter auf, der eine ziemlich gefährlich aussehende Waffe in der rechten Hand hielt und damit auf Mark zielte.

 

Warum zielt der auf mich?“ fragte der Junge erstaunt den vor ihm stehenden Roboter MX-22.

 

Das ist der böse Bronk aus meiner Welt. Er hat mich ausfindig gemacht und wird mich wohl in meine Welt zurück bringen wollen. Ich ergebe mich lieber sofort, bevor er noch böser wird, als er schon ist.“

 

Wer ist das da?“ fragte der zweite Roboter, der sich Bronk nannte und wandte sich mit dieser Frage an MX-22.

 

Das ist ein Mensch namens Mark. Er hütet hier tagsüber die Schafe seiner Eltern. Ich habe ihm gesagt, dass ich nur durch einen Zufall in seine Welt geraten bin. Ich wollte ihn eigentlich nur beruhigen, um ihm keine Angst einzujagen. Tatsächlich konnte ich in kürzester Zeit sein Vertrauen gewinnen. Ich wollte ihn eigentlich nur so lange hinhalten, bist du endlich den Sprung durch die Zeit geschafft hast. Wir können jetzt sofort mit der Durchführung unseres Planes beginnen, der mit diesem menschlichen Jungen anfängt. Die anderen Roboter haben sich bereits in Schafe verwandelt und warten vorerst weitere Befehle ab. Ich werde mich jetzt in diesen Mark verwandeln und seine Eltern hier hin locken. Der Grund dafür ist der Wolf, der ebenfalls einer von uns ist, den dieser Junge angeblich erlegt hat. Der Wolf ist nur unser Köder.

 

Dann wandte sich MX-22 an den Jungen, der wie versteinert da stand. Die Schrotflinte entglitt seinen Händen und fiel auf den weichen Rasenboden.

 

Im gleichen Moment packte ihn der Roboter, schleppte ihn in die Scheune und warf den zappelnden Jungen in eine schwarze Öffnung, wo er mit einem schrillen Aufschrei in sekundenschnelle verdampfte.

 

Der Roboter MX-22 verwandelte sich kurz darauf in Mark Lodi und marschierte zu seinen Eltern zurück, um ihnen von dem Wolf zu erzählen, den er erlegt hatte. Auch sie würde man beide töten, damit die anderen Roboter endlich die Gestalt von Menschen annehmen konnten, die noch als Schafe getarnt herum liefen.

 

Ganz hinten in der Scheune materialisierten mittlerweile weitere Roboter aus einer weit entfernten Galaxie, um mit der Invasion der Erde beginnen zu können.

 

 

ENDE

 

(c)Heinz-Walter Hoetter

 


 

***


 


 

15. Die sechzig-Jahre-Vision des Shan Malcom


 


 

Es war noch früh am Morgen, als der alte Shan Malcom aus tiefem Schlaf erwachte.

 

Behäbig stand er auf, glitt umständlich in seine braunen Ledersandalen, die vor seinem Bett standen, schlürfte schließlich träge zu dem kleinen Fenster hinüber und öffnete es vorsichtig.

 

Draußen war es noch dunkel. Kein Laut war zu hören. Selbst die Vögel schliefen noch.

 

Eigentlich war es noch viel früh, aber es war Zeit aufzubrechen. Seine innere Stimme sagte es ihm ganz deutlich, klar und unmissverständlich. Auf sie konnte er sich immer verlassen.

 

Shan Malcom zog sich an, griff nach seiner doppelläufigen Flinte, die vor ihm auf dem Holztisch lag und ging zur Tür hinaus. Sicher ist sicher, dachte er bei sich. Man weiß nie, was kommt.

 

Geräuschlos glitt er durch den düster daliegenden, parkähnlichen Vorgarten mit seinen hohen Laubbäumen, schlich leise an den ruhig daliegenden Häusern vorbei und erreichte bald den Ortsrand.

 

Er hatte ein ganz bestimmtes Ziel.

 

Nach etwa einer halben Stunde Fußweg näherte sich der Alte einem halb verfallenen Lagerhaus, das einsam und verlassen auf dem weitläufigen Gelände eines stillgelegten Kieswerks stand. Aus Sicherheitsgründen war es mit einem hohen Drahtzaun umgeben, denn an diesem Ort gab es viele unterirdische Hohlräume und einsturzgefährdete Kieswände.

 

Das baufällige Gebäude lag noch im Dunkeln. Shan schaute in Richtung Osten und stellte fest, dass die Dämmerung bald anbrechen würde. Aber lange müsste er nicht mehr warten, bis er seine Rückreise endlich antreten konnte.

 

Der alte Malcom wurde plötzlich unruhig, weil er auf einmal ein seltsam brummendes Geräusch vernahm, das kontinuierlich lauter zu werden schien. Dann schaute er angestrengt auf die mit unzähligen Schlaglöchern übersäte Straße hinunter.

 

Tatsächlich tasteten sich in der Ferne die zitternden Lichtkegel zweier Autoscheinwerfer durch die Dunkelheit. Sie kamen direkt auf ihn zu.

Shan Malcom verschwand hinter ein paar hohen Büschen nahe am Tor zu dem Lagergelände, entsicherte vorsorglich das Gewehr und wartete geduldig ab, was kommen würde.

 

Der Wagen kam schnell näher und hielt laut polternd an. Die Beifahrertür wurde aufgestoßen und ein Mann stieg aus, um das Tor zu öffnen. Dann stieg er wieder ein. Der Wagen fuhr sofort auf das Gelände und hielt erst wieder vor dem Lagergebäude.

 

Die Gelegenheit war jetzt günstig für den alten Mann, ebenfalls durchs geöffnete Tor zu schlüpfen, um sich auf der anderen Seite im Schatten einer kleinen Holzhütte zu verbergen. Dort verhielt er sich so ruhig wie möglich.

 

Ein paar Minuten später kam der Mann aus dem Auto zurück und schloss das Tor wieder ab. Danach verschwand er im Lagergebäude, wo der andere offenbar schon auf ihn wartete. Einige Lichter wurden eingeschaltet.

 

Gerade als Shan Malcom sein Versteck hinter der kleinen Hütte wieder verlassen wollte, um sich zum Lagerhaus rüber zu schleichen, entdeckte er noch einmal zwei Scheinwerfer auf der gleichen Straße, die ebenfalls schnell näher kamen.

 

Shan Malcom erstarrte. Er war etwas irritiert. Niemand durfte das Ende seiner Mission gefährden.

 

Nicht jetzt.

 

Dann lief er mit weit ausholenden Schritten zurück in den Schatten der Holzhütte.

 

Ein mittelgroßer Lastwagen kroch mühsam die letzte Anhöhe hinauf. Mit quietschenden Bremsen hielt er vor dem Tor. Jemand sprang heraus und öffnete es. Kurz danach setzte sich der LKW langsam und holpernd wieder in Bewegung, bis auch er schließlich vor dem Lagerhaus stehen blieb und dort parkte. Laute Befehle hallten durch den anbrechenden Morgen. Ein paar Minuten später wurde eine hohe Schiebetür laut knirschend geöffnet.

 

Der alte Malcom kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Dann erkannte er einige bewaffnete Gestalten, die plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht waren und mitten im hellen Licht der geöffneten Lagerhalle standen. Sie sahen aus wie Soldaten.

 

Ein leichter Angstschauer rann dem Alten über den Rücken, und Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. Man hatte offenbar sein Raumschiff entdeckt. In diesem Augenblick wünschte er sich, er wäre etwas früher aufgebrochen. Es lag ihm nichts daran, andere Lebewesen zu töten. Aber er hatte jetzt keine andere Wahl mehr. Er musste seine Mission beenden. Koste es, was es wolle.

 

Schließlich war es soweit. Shan Malcom sendete ein telepathisches Signal an das Raumschiff und wartete ab.

 

Mit einiger Genugtuung beobachtete der Alte aus seinem sicheren Versteck heraus, wie sich ganz plötzlich bläulich-violette Energieentladungen um die Lagerhalle bildeten, die in einem immer schneller werdenden Wirbel alles mit sich rissen, was nicht niet- und nagelfest war.

 

Von einer Sekunde auf die andere brach schließlich die gesamte Holzkonstruktion mitsamt der Hallenverkleidung in alle Richtungen mit lautem Getöse krachend auseinander und ein seltsam geformtes Etwas erhob sich majestätisch nach oben ins Freie. Aus den herum fliegenden Trümmern drangen die verzweifelten Todesschreie der Männer, die sich in der Lagerhalle aufgehalten hatten. Niemand konnte sie jetzt noch retten. Alle verbrannten bis zur Unkenntlichkeit in den sich mehr und mehr verstärkenden Energieentladungen.

 

Das schwarze Raumschiff sah aus wie ein eiförmiger Monolith mit am Heck abgeflachter Grundfläche von etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Meter in der Höhe, wo auch die vier externen Triebwerke angebracht waren, die nahtlos mit der stromlinienförmigen Außenhülle verschmolzen. Nach oben hin verjüngte sich der Schiffskörper und endete in schmalen Bullaugen, die aussahen wie die scharfen Augen eines nach Beute suchenden Adlers.

 

Der Monolithraumer dreht sich auf einmal ohne Vorwarnung um seine eigene Achse und streckte seine Nase genau in Richtung des alten Mannes, der sich jetzt schnell von der Hütte weg bewegte, um sich ins offene Gelände zu begeben.

 

Im nächsten Augenblick wurde Shan Malcom von einem gleißendhellen Lichtstrahl erfasst, der seinen ganzen Körper wie eine zweite Haut umhüllte, um in der nächsten Sekunde schlagartig von der Bildfläche zu verschwinden, als hätte ihn der staubige Kiesboden mit Haut und Haaren verschluckt.

 

Etwas später verschwand auch der schwarze Monolithraumer auf die gleiche Art und Weise. Dann kehrte eine seltsame Stille über den Ort der Zerstörung ein.

 

 

 

***

 

Das Geräusch einer fernen Explosion weckte den alten Shan Malcom aus seinem tiefen Schlaf. Er fuhr kerzengerade auf, sein Herz hämmerte gegen seine Brust. Er schaute sich im schwach beleuchteten Zimmer um, konnte aber im ersten Moment nichts Genaues erkennen.

 

Vom Schlaf noch ganz benommen erhob er sich aus dem Bett und ging zum reich verzierten Bogenfenster mit dem herrlichen Buntglas hinüber. Er öffnete behutsam beide Fensterflügel und hoffte, dass die morgendliche Nachtluft ihm helfen würde, den Kopf ein wenig freier zu bekommen. Draußen war alles ruhig. Es dämmerte aber schon etwas.

 

Dann legte sich seine innere Unruhe allmählich wieder.

 

Drei vertraute Monde unterschiedlicher Größe standen am nächtlichen Himmel und erhellten die Planetennacht von OM SOMIRDIAN II mit ihrem farbenprächtigen Licht..., seit undenklichen Zeiten schon.

 

Nachdem der alte Shan Malcom lange schweigend am Fenster gestanden hatte, drehte er sich mit einem Mal um und rief nach seinem Magier, der nur wenige Augenblicke später durch eine kleine Geheimtür leise ins Zimmer trat.

 

Der Herr hat nach mir gerufen?“

 

Ja, mein guter Padmashambaha. Hast du meine Visionen aufgezeichnet, die ich in der Nacht durchlebt habe?“

 

Der bärtige Magier nickte ergeben mehrmals hintereinander.

 

Ja, Herr. Die Diener der Zeit und ich haben die komplette Vision konserviert. Sie ist vollständig. Diesmal war mein Herr allerdings gefährlich weit weg. Fast zu weit. Zwar noch innerhalb der maximalen Reiseentfernung, aber vermutlich schon nah an der Grenze. Hunderttausend Lichtjahre von OM SOMIRDIAN II entfernt auf einem einsamen Planeten, den seine intelligenten Bewohner Erde nennen. Dieser Himmelskörper befindet sich in einer Galaxie, die diese zweibeinigen, aufrecht gehenden Wesen als Milchstraße bezeichnen. Keines unserer Visionsraumschiffe hat jemals eine so riesige Entfernung zurückgelegt. Es ist schier unglaublich..., Herr.“

 

Lass es gut sein, Padmashambaha. Ich werde mir die Aufzeichnungen der Reise durch die Zeit später in aller Ruhe anschauen. Doch eine letzte Frage habe ich noch. Wie lange war ich auf diesem Planeten..., dieser Erde, auf dem die Menschen leben?“

 

Wir haben die Zeit extrem dehnen können, was dazu geführt hat, dass der Herr in der zurückliegenden Nacht mehr als sechzig Jahre auf dem Planeten gelebt hat, bis einige dieser Kreaturen das Visionsraumschiff unerwarteter Weise entdeckten und es untersuchen wollten. Wir sahen uns deshalb dazu gezwungen, die Reise durch Raum und Zeit vorzeitig zu beenden, um das Leben und die Gesundheit Euer Gnaden nicht zu gefährden.“

 

Natürlich, natürlich, mein lieber Padmashambaha. Ich weiß deine Fürsorge um mich sehr wohl zu schätzen. In der Tat, ich genieße sie regelrecht. Aber nun mach deinen Zauber bereit für meine bevorstehende Verjüngung. Die sechzig Jahre auf dem Planeten Erde haben in der letzten Nacht fürwahr ihre Spuren in meinem arg strapazierten Gesicht hinterlassen...“

 

Der Magier verbeugte sich vor seinem Herrn und verließ den Raum, um den Verjüngungszauber vorzubereiten.

 

Shan Malcom aber ging noch einmal hinüber zum geöffneten Fenster und betrachtete mit großer Freude die ersten zaghaften Strahlen der aufgehenden Doppelsonnen von OM SOMIRDIAN II, die den Planeten in ein goldgelbes Licht tauchten.

 

Ein neuer, wunderschöner Tag begann. Es war ein Tag zum Feiern.

 

 

ENDE

 

©Heinz-Walter Hoetter

 


 

***


 

16. Erinnerungen sollte man pflegen

 


Eigentlich erinnere ich mich nur noch sehr vage an diese damalige Reise mit einem marsianischen Freund, die schon lange im Dunkel des Vergessens geraten war.


Aber ich hatte ja mein Recall-Gerät.

 

***

 

Ich besaß damals einen dieser neuartigen Gravi-Sportwagen auf Terra und fuhr mit meinem Freund, den ich im Reiseraumschiff "Phönix" kennengelernt hatte, ganz spontan zu einer ausgedehnten Spritztour nach New York City, die zu einer kosmopolitischen Weltstadt an der Ostküste der Vereinigten Staaten geworden war, die mittlerweile mehr als 30 Millionen Einwohner beherbergte, von denen viele aus allen Ecken des Universums kamen.

Mein Freund war Marsianer und wollte für ein paar Wochen auf der alten Erde mal wieder ein bisschen Urlaub machen. Die erste Zeit mit ihm ging alles gut, doch dann stellte sich heraus, dass wir beide zwei grundverschiedene Menschen waren, die sich außerdem fast so gut wie nichts zu sagen hatten.

Ich ging beispielsweise gerne in einfache Restaurants, in denen noch nach alten Rezepten gekocht wurde, aber mein Freund wollte immer in diese supermodernen Fresstempel gehen, in denen man von künstlichen Menschen bedient wurde. Mir lag das einfach nicht, weil mir das zu unpersönlich vorkam.

Auch mochte ich lieber in verträumten Seitengassen spazieren gehen, wo es so richtig gemütlich war, aber mein marsianischer Freund bevorzugte lieber die heißen Orte mit den futuristischen Diskos, in denen man die weiblichen Huren-Androiden reihenweise für ein paar galaktische Dollar abschleppen konnte.

Trotz aller persönlichen Widersprüchlichkeiten während unserer Spritztour nach New York kamen letztlich fast vierzehn Tage Halligalli zusammen, die mich beinahe um den Verstand gebracht hätten.

Endlich ging es zurück in meine gewohnte Umgebung, die weit außerhalb New Yorks auf dem Land lag. Unterwegs erzählte mir mein Freund vom Mars, dass er Regisseur sei und unseren gemeinsamen Ausflug verfilmen möchte. Er wolle daraus eine tolle Geschichte machen, wie er sagte.

Später setzte ich ihn am Raumflughafen ab, der auf unserem Weg lag, weil er kurzfristig, aus nicht näher geschilderten Gründen, noch eine Stadt auf dem Mond besuchen wollte.

Wir verabschiedeten uns schließlich freundschaftlich, wobei er mir seine elektronische Visitenkarte in die Hand drückte, auf der sein Name stand und ihn tatsächlich als Regisseur von Visions-Filmen aller Art auswies, die er unter anderem auch für die Mind-Trip Corperation herstellte, einer bekannten Traumfabrik in Hollywood, wo alles Erlebte, so auch Erinnerungen, in lebensechte 3D-Movies verwandelt werden, die man sich mit Hilfe dieser hochmodernen Recall-Geräte reinziehen konnte, von denen ich mir erst kürzlich eines dieser Dinger gekauft hatte, welches ich gerade vorsichtig vom Kopf nahm und neben meinem Bett auf die eigens dafür bereitgestellte Ablage legte.

Erinnerungen sollte man pflegen, dachte ich noch schläfrig verschwommen. Dann zog ich mir die kuschelige Decke über den Kopf, drehte mich auf die Seite und schlief bald ein.

 

 

ENDE

 

(c)Heinz-Walter Hoetter


 


 


 

***


 

17. Der Planet der Schattenwesen

Der Planet war in völliger Dunkelheit gehüllt. Es gab zwar

eine ferne Sonne, die aber nur als schwach leuchtender Punkt

im All zu erkennen war.

 

Aus der ewigen Finsternis dieser unheimlichen Welt starrten

tausende von Augenpaaren wie glühende Kohlen auf die

neuen Ankömmlinge aus einer fernen Welt, die mit starken

Scheinwerfern die Umgebung schemenhaft ausleuchteten und

gerade aus einem kugelförmigen Raumschiff gestiegen waren.

Noch ahnten sie nichts von ihrem kommenden Unglück.

 

***

 

Sie beherrschten diesen Planeten, und sie waren sehr viele.

Überall warteten sie schon seit sehr langer Zeit geduldig hinter

bizarren Felsen ab, um sich endlich auf ihre Beute stürzen zu

können, die sie per konzentrierter Gedankenkraft hier an

diesen unwirtlichen Ort im Universum mit Hilfe falscher

Signale zu sich gelockt haben. Jetzt würde ihre Falle

zuschnappen.

 

So machten sie das schon immer seit Anbeginn ihrer Existenz,

aber sie kannten keine Zeit, die es für sie einfach nicht gab.

Einer der Raumfahrer, es waren acht an der Zahl, fing

plötzlich an zu sprechen.

 

"Irgendwie kommt mir die Situation komisch vor. Unsere

Scanner haben im Orbit noch das üppige Vorhandensein von

vielfältigem Leben auf diesem Planeten angezeigt, aber jetzt

ist davon nichts mehr zu sehen. Die Scanner sind tot. Hier

stimmt was nicht, Commander. - Was sollen wir tun?"

 

"Ich möchte euch nicht in Gefahr bringen. Zieht euch sofort

ins Raumschiff zurück. Ich erkenne auf dem Bildschirm

seltsam aussehende Gebilde, die schnell näher kommen. Ich

befehle den sofortigen Abbruch der Mission! Alle

Crewmitglieder, die sich draußen aufhalten, kehren sofort ins

Schiff zurück!"

 

"Verstanden Commander! Wir sind schon unterwegs."

 

***

 

Plötzlich waren sie da, die unheimlichen Schattenwesen dieser

dunklen Welt, überfielen in sekundenschnelle die überraschten

Raumfahrer und hüllten sie ein wie in wallende

Totengewänder, in denen einer nach dem anderen schließlich

darin qualvoll erstickte.

 

Auch das gewaltige Raumschiff mit seinem leuchtenden

Bugfenstern aus Panzerglas war auf einmal nicht mehr zu

sehen. Die Schattenwesen hatten es ebenfalls nach und nach

umhüllt und waren durch die offenstehenden Luken ins Innere

des Kugelraumers eingedrungen. Überall auf den Stationen

ging plötzlich das Licht aus und bald herrschte im gesamten

Raumschiff eine unheimliche Stille.

 

***

 

Der König der Schattenwesen aber stand oben auf einem

hohen Plateau und schaute zufrieden runter ins Tal, dorthin,

wo der gewaltige Kugelraumer der Fremden aus dem All

gelandet war, der jetzt immer mehr in sich zerfiel, fast so, als

würde er innerlich von einer Säure zerfressen.

 

"Was für eine glorreiche Segnung für uns. Bringt alle

Bestandteile der neuen Beute in die Nahrungskammern tief im

Innern unserer Welt! Wer weiß, wie lange es dauern wird, bis

uns wieder ein so großer und seltener Fang zuteil wird."

 

 

Ende

 

(c)Heinz-Walter Hoetter

 

 

***

 

18. Das Universum in der magischen Kristallkugel

 

 

 

Ein rein verstandesmäßiges Weltbild ganz ohne Mystik ist ein

Unding.“

Erwin Schrödinger (12. Aug. 1887 - 4. Jan. 1961)

 

***

 

Norton Stretmer III war in die große Stadt gegangen und

spazierte an diesem Nachmittag gut gelaunt in der belebten

Fußgängerzone herum, als er plötzlich von einem ziemlich lädiert

aussehenden Androiden angesprochen wurde, der im trüben

Halbschatten eines steinernen Torbogens geduldig darauf wartete,

dass irgend jemand der vorbei hastenden Passanten bei ihm stehen

bleiben würde, um seinen unglaublichen Geschichten und

seltsamen Erzählungen zu lauschen, die er in all den

Jahrhunderten seiner künstlichen Existenz auf ebenso vielen

Welten selbst erlebt hatte. Das jedenfalls behauptete er immer

wieder, wenn die Leute ihn danach fragten.

 

Aber alle hetzten vorbei, weil jeder scheinbar etwas Wichtigeres

zu tun hatte, als einem offensichtlich herunter gekommenen

Androiden auch nur ein offenes Ohr zu schenken.

 

Hallo, bleiben Sie bitte stehen! Gehen Sie nicht vorbei und

kommen Sie zurück! Ich könnte Ihnen eine Menge interessanter

Dinge erzählen. Hören Sie mir einfach zu! Sie werden es bestimmt

nicht bereuen! Nähren Sie Ihr Wissen, beleben Sie Ihre Fantasie

und erweitern Sie damit Ihr Bewusstsein. – Na, was ist?“ flötete

der Androide werbend mit sanfter Stimme in einem fort und

beobachte dabei mit seltsam stechenden Blick seiner künstlichen

Augen den verdutzten Norton Stretmer III.

 

Der verharrte einen Augenblick, drehte sich ohne ein Wort zu

sagen behäbig auf der Stelle herum und trat schließlich mit

energischen Schritten auf den wartenden Androiden zu, der mit

dieser spontanen Reaktion offenbar nicht gerechnet hatte, weil er

auf einmal nichts mehr sagte.

 

Und was kostet mich der ganze Spaß, wenn du fertig bist?“ fragte

er den plötzlich stumm gewordenen, biokybernetischen

Maschinenmenschen.

 

Der antwortete sofort, fast wie aus der Pistole geschossen, als

hätte er nur darauf gewartet, wieder reden zu dürfen.

 

Aber ich bitte Sie, mein Herr! Wenn Sie mir meinen Geschichten

und Erzählungen zuhören wollen oder irgendwelche besonderen

Fragen haben – nur zu! Es kostet Sie keinen einzigen galaktischen

Cent. Alles ist vollkommen gratis. Nur ihr Interesse zählt.“

 

Tja, wenn das so ist, dann geht das schon in Ordnung. Leider

weiß ich noch gar nicht so genau, welche Art von Geschichten ich

mir von dir erzählen lassen soll oder was ich dich genau fragen

möchte. Gib mir etwas Bedenkzeit! Mir wird schon was einfallen.

Oder kannst du mir einen guten Vorschlag machen…,

Androide?“

 

Nun ja, Ihnen steht gewiss alle Zeit der Welt zur Verfügung, mein

Herr. Ich kann auf Sie warten! – Aber wenn ich bei dieser

Gelegenheit auf meine geheimnisvolle magische Kugel aus

echtem Occult-Kristall verweisen darf, die ganz besondere

Fähigkeiten besitzt und Ihnen vielleicht dabei behilflich sein

könnte, die richtige Themenwahl aus dem derzeit aktuellen

Vorhandensein Ihrer im Unterbewusstsein schlummernden

Wünsche und Sehnsüchte zu treffen, dann machen Sie bestimmt

keinen Fehler, wenn Sie mal einen Blick in sie hinein werfen. Sie

müssen sich nur eine Zeit lang auf den innersten Kern der

Magischen Kugel konzentrieren und abwarten, was sie macht. –

Sie kann in der Tat Wunder bewirken.“

 

Ist das wahr? Und wo ist dieses Wunderding ’Magische Kugel’?“

fragte Norton Stretmer III neugierig zurück. „Ich kann hier nichts

entdecken, was wie eine Kristallkugel aussieht, einmal von ihrem

Androidenschädel abgesehen, der aber auch nicht gerade rund ist,

sondern mehr eine ovale Form hat.“ hakte er hämisch grinsend

nach.

 

Der Androide tat etwas beleidigt, doch dann antwortete er

schließlich:

 

Ganz einfach. Ich halte sie unter Verschluss. Sie ist ein wertvolles

Andenken aus längst vergangenen Zeiten, als ich noch mit den

gewaltigen Expeditionsschiffen der intergalaktischen Raumflotte

in den unendlichen Weiten des Alls unterwegs war, um neue

Welten und unbekannte Lebensformen ausfindig zu machen. Diese

seltsame Kristallkugel fand ich auf einem namenlosen Planeten,

der weit entfernt von unserer eigenen Galaxie einsam und allein

um eine ebenso einsame Sonne kreiste. Der Planet muss wohl

einmal die Heimat intelligenter Kreaturen gewesen sein, die

allerdings schon längst ausgestorben waren, als wir dort mit

unseren Raumschiffen landeten. Die uns völlig fremde

Lebensform war verschwunden, aber nicht ihre Städte, die

gewaltige Ausmaße besaßen. Leider fanden wir nur noch ihre

verstaubten, steinernen Trümmer vor, die als stumme Zeugen einer

ehemals imposanten Hochzivilisation überall anzutreffen waren.

Lange blieben wir nicht auf diesem abseits gelegenen Planeten.

Wir führten einige Expeditionen auf allen drei Kontinenten durch,

die es dort gab, doch überall fanden wir das gleiche Bild der

schrecklichen Zerstörung vor. Eine schlimme Katastrophe muss

diese verlorene Welt heimgesucht haben. Eine andere Erklärung

fanden wir dafür nicht. Dann entdeckte ich diese seltsame blaue

Kristallkugel aus dem überaus seltenen Mineral Occult inmitten

umgestürzter, mächtiger Granitsäulenfragmente. Ihre einzigartige

Schönheit zog mich sofort in ihren Bann. Ich nahm sie heimlich an

mich und verstaute sie in meinem privaten Gepäck auf unserem

Expeditionsraumschiff. Dort versteckte ich sie die ganze Zeit in

einem kleinen Metallcontainer, bis ich aus dem Raumflottendienst

wegen Erreichens der höchstzulässigen Dienstzugehörigkeit

entlassen wurde. Danach vagabundierte ich von einem bewohnten

Planeten zum anderen.“

 

Der etwa zwei Meter große Kunstmensch hielt plötzlich inne und

kramte mit seinen beiden kräftigen Händen in einem quadratisch

aussehenden Metallkasten herum, der direkt hinter der wuchtigen

Säule des Torbogens im dunklen Schatten einer Ecke stand. Es

dauerte nicht lange, da kam eine bläulich fluoreszierende

Kristallkugel zum Vorschein, die er behutsam heraushob und in

die halbrunde Vertiefung einer kleinen Marmortischplatte legte,

die an vier kräftigen Metallketten befestigt von der Decke vor ihm

herunterhing.

 

Das ist sie,“ sagte der Androide mit leicht funkelndem Blick

überaus stolz und schaute dabei Norton Stretmer III direkt in die

Augen, der jetzt vor lauter Staunen den Mund nicht mehr

zubekam.

 

Der kybernetische Kunstmensch strich ein paar Mal vorsichtig mit

beiden Händen über die glatt polierte Oberfläche der

Kristallkugel, die daraufhin zu pulsieren anfing und abrupt in

einen noch helleren Blauton wechselte. Schnell zog er seine

Hände wieder zurück.

 

Ein wunderschönes Artefakt, nicht wahr? Werfen Sie ruhig einen

Blick hinein! Versuchen Sie einfach, sich konsequent auf den

rotierenden Kern im Mittelpunkt des Kristalls zu konzentrieren,

der aussieht wie die Miniaturausgabe einer Spiralgalaxie. Nach

wenigen Augenblicken werden Sie feststellen, dass die

Kristallkugel aktiv wird und dann versucht, eine Beziehung zu

Ihnen aufzubauen. Öffnen Sie willig Ihren Geist und üben Sie

keinen Widerstand aus, wenn Sie eine fremde Präsenz in Ihrem

Bewusstsein bemerken. Es wird Ihnen nichts geschehen. Das kann

ich Ihnen versichern. Alles ist völlig harmlos. – Kommen Sie

ruhig näher und schauen Sie hinein!“

 

Norton Stretmer III trat nur zögernden Schrittes an die bläulich

leuchtende Kugel heran und starrte jetzt mit konzentriertem Blick

in den langsam rotierenden Kern, der sich genau in der Mitte

befand und tatsächlich große Ähnlichkeit mit einer spiralförmigen

Galaxie hatte, deren Milliarden von funkelnden Sterne flimmernd

vor dem schwarzen Hintergrund des Alls in allen Farben des

Regenbogens hell leuchteten.

 

Wow, das ist ja schier unglaublich!“, schoss es ihm spontan über

die Lippen. „Ich habe so etwas vollkommen Schönes noch nie zu

Gesicht bekommen. Es sieht ja fast so aus, als würde diese blaue

Kristallkugel ein ganzes Universum in sich bergen.“

 

Dann verstummte Norton Stretmer III unvermittelt.

Etwas Unbekanntes drängte unaufhaltsam in sein Gehirn und

lähmte nach und nach seinen gesamten Körper, sodass er sich bald

nicht mehr bewegen konnte.

 

Nur wenige Augenblick später sah er sich über eine breite

gepflasterte Straße schreiten, die von Generationen von

Bewohnern ausgetreten worden war. Große Gebäude ragten zu

beiden Seiten hoch in den mit dunklen Wolken verhangenen

Himmel hinein, aus denen in unregelmäßigen Abständen helle

Blitze zuckten und die düstere Umgebung für wenige Sekunden

geisterhaft beschienen.

 

Er ging eine lange Zeit auf der Straße dahin, die vollkommen

verlassen da lag. Die Vegetation war üppig. Es gab sogar einige

fleischfressende Pflanzen, die nach ihm schnappten. Sie konnten

ihn aber wegen der großen Distanz nichts anhaben.

 

Es wurde noch dunkler draußen. Plötzlich flammte von

irgendwoher ein Licht wie ein heller goldener Schein aus dem

Nichts auf.

 

Norton Stretmer III traute seinen Augen nicht, als er die

Prozession sah, die sich am Ende der Straße über eine Ebene

dahinzog. Er konnte allerdings im Moment nicht viel davon

erkennen – wohl auch deshalb, weil seine Konzentration nachließ.

Er riss sich zusammen und strebte der Prozession hinterher.

Dann erblickte er diese Stadt. Sie war von einer hohen, mit

grünem Moos und allerlei Rankengewächsen überwucherten,

mächtigen Mauer umgeben, die von breiten Streifenornamenten

durchzogen war. Im Laufe der Zeit hatten Wind und Wetter jedoch

die Kanten bröckeln lassen. Auf der anderen Seite der Mauer,

direkt dahinter, erblickte Norton Stretmer III einen riesigen, mit

grauen Quarz gepflasterten Platz, der an seinen Rändern von

gewaltigen Steingebäuden gesäumt wurde.

 

Im Zentrum des Platzes standen eine Menge fremdartiger Wesen

um ein kugelförmiges Gebilde herum, das genauso aussah wie die

blaue Kristallkugel vor ihm in der Hängevorrichtung. Obwohl er

die Wesen nicht richtig erkennen konnte schätzte er ihre Größe auf

etwas mehr als einen Meter. Sie erinnerten entfernt in ihrer Gestalt

an die seiner eigenen Rasse, nur mit dem Unterschied, das diese

Fremden viel kleiner waren.

 

Dann brach mit einem Schlag das Chaos aus. Der Boden erzitterte

und schien sich in rhythmischen Schlägen auf- und abzuheben.

Ein fürchterliches Beben setzte ein und die riesenhaften

Steingebäude der unbekannten Stadt stürzten nacheinander in sich

zusammen wie Kartenhäuser, alles unter sich begrabend. Die

Katastrophe dehnte sich aus und überzog bald den ganzen

Planeten. Dann wurde es wieder still, als wäre nichts geschehen.

Ein eiskalter Knoten saß im Magen von Norton Stretmer III, als er

die Vernichtung einer ganzen Zivilisation mit ansehen musste. Die

Szene war grauenvoll, unwirklich und gespenstisch. Die magische

Kugel hatte mittlerweile unbemerkt Besitz von ihm ergriffen und

ließ ihn jetzt nicht mehr los, sodass in Norton Stretmer IIIl eine

leichte Panik hochkam. Er wollte sich von ihr abwenden, was ihm

aber nicht gelang.

 

Er ließ die zerstörte Stadt hinter sich, die jetzt eine tote war. So tot

und schweigend, dass er kaum zu atmen wagte. Alles war zerstört

und dem Erdboden gleichgemacht worden. Keines der

bedauernswerten Lebewesen auf dem kollabierenden Planeten

hatte das Inferno überlebt.

 

Doch da!

 

Er lauschte in die Stille hinein, weil er meinte, etwas gehört zu

haben.

 

Eine flehende Stimme begann in seinem Innern zu sprechen. Erst

leise dann unüberhörbar lauter.

 

Lass mich frei! Lass mich frei! Ich möchte endlich frei sein!

Bitte!“

 

Und dann sah er SIE, gefangen in einer transparenten Blase aus

reiner Energie, schwebend ruhend auf einem Felsen aus Kristall.

Norton Stretmer III brach in Schweiß aus. Er kniff beide Augen

zu. Aber es änderte nichts daran. Er sah SIE trotzdem. Mit all

seiner geistig-seelischen Kraft versuchte er sich dagegen zu

wehren, aber sein Wille war nicht stark genug.

 

SIE hatte endlos langes Haar, das so schwarz wie das All war. Ihr

ganzer Körper wurde davon eingehüllt und als SIE den Kopf hob,

teilte SIE den schwarzen Schleier ihres wallenden Haares mit

ihren zarten weißen Händen. Ihre Augen waren geschlossen, von

schweren dunklen Lidern bedeckt. Dann hob SIE die Hände zu

Norton Stretmer III wie ein kleines Kind, das mit geschlossenen

Augen andächtig betet. Aber SIE war kein Kind. SIE war eine wunderschöne Frau mit den betörenden unwiderstehlichen Reizen einer geheimnisvollen Liebesgöttin, sodass Norton Stretmer III vor Erregung zu zitterten begann.

 

Nein, nein! Ich muss hier weg! Wenn ich diesen Ort nicht sofort

verlasse, verliere ich noch den Verstand. Das ist doch alles nur

eine Illusion“, fing er vor lauter Angst zu schreien an und suchte

verzweifelt nach einer Möglichkeit, seinen gefangenen Geist aus

dem Innern der Kristallkugel zu befreien. Es gelang ihm nicht. Er

war einfach schon zu schwach geworden.

 

SIE hob abermals die Arme in einer flehentlichen Geste und

verharrte regungslos in dieser Stellung. Wieder flüsterte ihre

sanfte Stimme: „Lass mich frei! Lass mich frei! Ich möchte

endlich frei sein! Hilf mir! Bitte!“

 

Norton Stretmer III taumelt zu der elfenhaft aussehenden Frau

hinüber, die auf einem kleinen Felsen saß. SIE zog ihn an sich wie

der Magnet das Eisen.

 

Was willst du von mir? Sag’ es! Gleich hier und jetzt! Und mach’

endlich die Augen auf und sieh mich an!“ stammelte er halb

ohnmächtig.

 

Lass mich frei! Ich will nur frei sein. Mehr nicht.“

 

Norton Stretmer III bemerkte plötzlich, wie er vor der Frau mit

den langen schwarzen Haaren in die Knie ging. Er zitterte am

ganzen Körper wie ein Hund, der gerade aus dem kalten Wasser

gekrochen kam.

 

Warum tust du mir das an? Warum machst du mich verrückt mit

deiner Schönheit? Um mich hier zu behalten, hier, in deiner Welt,

wo ich nicht hin gehöre?“

 

Die weibliche Gestalt mit den langen Haaren schlug plötzlich die

Augen auf und sah zu ihm hinunter.

 

Ihr werdet bald alle tot sein. Deine Welt wird sterben, wie alle

anderen auch, die sich meinem Verlangen nicht gebeugt haben.

Befreie mich, dann kannst du das tödliche Schicksal abwenden,

das euch sonst bevorsteht.“

 

Das Blut pochte in den Schläfen von Norton Stretmer III wie eine

Trommel.

 

Willst du damit sagen, dass wir alle sterben müssen, wenn ich

dich nicht aus diesem Kristall befreie? – Wie soll ich das denn

können? Ich muss wahnsinnig sein! Ich rede mit einer

Halluzination.“

Es wäre besser, du würdest mich befreien. Wenn ich diesen Ort

nicht verlasse, wirst du und deine Welt gnadenlos vernichtet. Ich

kann es nicht aufhalten. Du kamst zur richtigen Zeit. Befreie

mich! Jetzt gleich!“

 

Die schlanke Frauengestalt hatte sich jetzt zusammen mit der

Energieblase von dem Felsen erhoben und deutete mit der rechten

Hand auf einen geheimnisvollen Mechanismus an der gegenüber

liegenden Wand.

 

Geh’ dort hinüber und lege deine Hände in die beiden

Vertiefungen! Dann komm’ zu mir zurück! Ich werde dich dafür

belohnen und dein heißes Verlangen nach mir stillen.“

 

Norton Stretmer III tat, was man von ihm verlangte. Der

Mechanismus öffnete einen verborgenen Durchgang im Kristall

und die knisternde Energieblase verschwand von einer Sekunde

auf die andere. Dann sah er zu der schönen Frau hinüber, die jetzt

frei war und stumm auf dem Felsen stand. SIE schüttelte ihre

langen schwarzen Haare mehrmals hin und her, wodurch ihr

nackter Körper freigelegt wurde. SIE war eine Traumgestalt, ein

Wunder der Vollendung wie aus einer fernen, unbekannten Welt.

 

Norton Stretmer's III Verlangen nach ihr wuchs zur rasenden

Begierde und langsam zog SIE ihn magisch zu sich heran. Dann

verschmolzen beide zu einem einzigen Körper, der wie eine

leichte Feder sanft zu Boden schwebte.

 

Die Zeit kam zum Stillstand und dehnte sich über das ganze

Universum im Kristall aus.

 

Sphärenmusik, die kein Ende zu nehmen schien.

 

Dann…

 

Norton Stretmer III stand auf und blickte benommen um sich. SIE

befand sich direkt vor ihm und beobachtete ihn. Langsam, wie ein

Nebelstreif beim Hauch des Windes, bewegte SIE sich von ihm

weg. SIE warf den Kopf in den Nacken und lächelte. Ihr Mund

war rot und voll, und ihre Zähne schimmerten weißer als Schnee.

 

Ihre Augen waren jetzt weit geöffnet und schwarz wie die Nacht.

Und dann begann SIE sich aufzulösen und verschwand durch den

sich langsam schließenden Durchgang wie eine Nebelwolke aus

dem Innern der occulten Kristallkugel.

 

Norton Stretmer III folgte dem davon flüchtenden Nebel,

versuchte ihn noch zu erhaschen und stieß im nächsten Moment

mit voller Wucht vor eine undurchdringliche blaue Wand. Der

heftige Aufprall ließ ihn zu Boden stürzen, wo er hart mit dem

Kopf aufschlug. Dann wurde es schwarz um ihn herum.

 

***

 

Die schöne, hochgewachsene Frau mit den langen schwarzen

Haaren und dunkelroten Lippen trat auf den Androiden zu und

wäre fast über den Mann gestolpert, der tot zu seinen Füßen lag.

Eine große Anzahl Passanten waren mittlerweile stehen geblieben

und zeigten aufgeregt auf den am Boden liegenden, leblosen

Körper. Dann eilte ein Arzt herbei, der sich durch die dichte

Menge schob, kniete vor dem toten Mann nieder und taste nach

dessen Halsschlagader.

 

Da ist nichts mehr zu machen. Offenbar hat er einen Herzschlag

erlitten. Ich werde die Stadtpolizei benachrichtigen, damit sie sich

der Sache annimmt. – Armer Kerl!“

 

Niemand der umstehenden Personen bemerkte den Androiden im

Schatten des steinernen Torbogens, wie er eine blaue Kristallkugel

vorsichtig in einen silbrig glänzenden Metallkasten verstaute und

damit den Ort des Geschehens leise und unauffällig verließ.

Eine schöne hochgewachsene Frau mit langen schwarzen Haaren

und dunkelroten Lippen begleitete den Androiden. SIE unterhielt

sich mit ihm angeregt.

 

Wie alt bist du eigentlich, Androide?“ fragte SIE.

 

Laut meinen internen Aufzeichnung bin ich bereits knapp

fünfhundert Jahre alt. Meine 'Lebenserwartung' ist aber faktisch

gesehen unbegrenzt, sofern ich hin und wieder gewartet werde,

was SIE übrigens übernehmen könnten.“

 

Das mache ich gerne,“ antwortete SIE und fuhr fort: „Ich werde

mich in dieser Welt um dich kümmern, solange du mir treu zu

Diensten bist. Ich brauche noch viele beseelte Geschöpfe für die

unzähligen Welten in meinem unvergänglichen Universum, das

tief verborgen im Kristall ruht. Du wirst mir dabei helfen, mein

Werk zu vollenden, Androide.“

 

SIE können meiner Hilfe sicher sein. Ich werde euch nicht

enttäuschen…, meine Göttin aus dem blauen Kristalluniversum!

Ihr Paladin steht Ihnen jederzeit ergebenst zu Diensten!“

 

***

 

Norton Stretmer III war in die große Stadt gegangen und spazierte

an diesem Nachmittag gut gelaunt in der belebten Fußgängerzone

herum, als er plötzlich von einem ziemlich lädierten Androiden

angesprochen wurde, der im trüben Halbschatten eines steinernen

Torbogens geduldig darauf wartete, dass irgend jemand der vorbei

hastenden Passanten bei ihm stehen bleiben würde, um seinen

unglaublichen Geschichten und seltsamen Erzählungen zu

lauschen, die er in all den Jahrhunderten seiner künstlichen

Existenz auf ebenso vielen Welten selbst erlebt hatte. Das

jedenfalls behauptete er immer wieder, wenn die Leute ihn danach

fragten.

 

Aber alle hetzten vorbei, weil jeder scheinbar etwas Wichtigeres

zu tun hatte, als einem offensichtlich herunter gekommenen

Androiden auch nur ein offenes Ohr zu schenken.

 

Hallo, bleiben Sie bitte stehen! Gehen Sie nicht vorbei und

kommen Sie zurück! Ich könnte Ihnen eine Menge interessanter

Dinge erzählen. Hören Sie mir einfach zu! Sie werden es bestimmt

nicht bereuen! Nähren Sie Ihr Wissen, beleben Sie Ihre Fantasie

und erweitern Sie damit Ihr Bewusstsein. – Na, was ist?“ flötete

der Androide werbend mit sanfter Stimme in einem fort und

beobachte dabei mit festem Blick Norton Stretmer III.

 

Der verharrte einen Augenblick, drehte sich ohne ein Wort zu

sagen behäbig auf der Stelle herum und trat schließlich mit

energischen Schritten auf den wartenden Androiden zu, der mit

dieser spontanen Reaktion offenbar nicht gerechnet hatte, weil er

auf einmal nichts mehr sagte.

 

 

Norton Stretmer III musterte den etwa zwei Meter großen

Androiden mit skeptischen Blicken von oben bis unten, dessen

Metallhaut im diffusen Schatten des steinernen Torbogens matt

silbrig glänzte.

 

Schließlich sagte er unverhohlen zu ihm: „Sind wir uns nicht

schon mal hier am gleichen Ort begegnet, Androide? Die Situation

kommt mir vor wie ein böses Déjà-vu.“

 

Nicht das ich wüsste, mein Herr. Möglicherweise verwechseln

Sie mich mit einem anderen Androiden. Wir sehen doch fast alle

gleich aus. – Ist es nicht so?“

 

Nein, nein und nochmals nein! Ich bin mir ganz sicher, dass wir

beide in der Vergangenheit schon mal etwas miteinander zu tun

hatten, Androide. Da bin ich mir ganz sicher.“

 

Das kann nicht sein, mein Herr. Sie müssen sich täuschen! Mein

Erinnerungsspeicher lügt nicht. Ich sehe Sie hier heute zum ersten

Mal“, gab der Androide gleichmütig zur Antwort.

 

Es könnte ja die Möglichkeit bestehen, dass jemand ganz gezielt

bestimmte Bereiche deines Erinnerungsspeichers gelöscht hat.

Wäre doch denkbar, mein künstlicher Freund – oder?“

 

Gewiss existiert diese Möglichkeit. Ja…, doch…, muss ich

ehrlicherweise zugeben, mein Herr.“

 

Da sind wir ja schon einen Schritt weiter. Künstliche Intelligenz

kann nicht lügen, das ist richtig. Die eingegebene

Basisprogrammierung verbietet es euch. Und wenn du es genau

wissen willst, kenne ich mich mit deiner Art von Androiden sehr

gut aus. Ich bin nämlich Norton Stretmer III, der Erfinder und

Konstrukteur deiner Baureihe. Du müsstest also wissen, wer ich

bin, weil in deinem Programm der Name des jeweiligen

Konstrukteurs abgespeichert worden ist. Suche also nach ihm!“

 

Der Androide verhielt sich völlig regungslos. Dann sagte er: „Ich

habe alle meine Speichermodule durchforstet und in der Tat den

Namen Norton Stretmer III gefunden. Sie sind der Erfinder und

Konstrukteur meiner Baureihe A15. Ich habe bereits nebenbei aus

Sicherheitsgründen ihre Pupillen gescannt und dabei festgestellt,

dass Sie ebenfalls ein Androide sind, wenngleich ein ganz neuer

Typ, den ich nicht kenne. Ihr seht einem echten Menschen zum

Verwechseln ähnlich. Seit wann werdet ihr gebaut?“

 

Das musst du nicht wissen. Wichtig ist nur, dass der echte Norton

Stretmer III hier bei dir war. Es ist reine Nebensache, woher wir

diese Informationen haben. Wir wissen alles über dich. Er hielt

sich die ganze Zeit in deiner unmittelbaren Gegenwart auf und hat

dabei in einen blauen Kristall gesehen, den du ihm präsentiert

hast. Kurz danach ist er auf mysteriöse Weise umgekommen. Du

bist für seinen Tod demnach ursächlich mit verantwortlich, wie

wir herausgefunden haben. Das ist sicher. Aber ein Androide oder

Cyborg darf kein intelligentes Geschöpf töten oder Umstände

herbeiführen, die zum Tode einer hominiden Spezies führen

könnten. Selbst der Versuch ist strengstens verboten. Dir ist

bekannt, welche Strafe dich für dieses schlimme Verbrechen

erwartet?“

 

Ja! – Man wird mich einschmelzen.“

 

Dann sag’ mir sofort wo die Kristallkugel ist!“

 

Sie ist hier!“

 

Und wo ist SIE?

 

Sie ist wieder in ihrem eigenen Universum zurück gekehrt,

zurück in die blaue Kristallkugel.“

 

Ist er auch dort? Ich meine das Duplikat des echten Norton

Stretmer III?“

 

Ja! Er ist bei ihr und SIE ist bei ihm. SIE liebt ihn offenbar.“

 

Wenn das so ist, dann wirst du natürlich verstehen, dass die

magische Kristallkugel unverzüglich in meinen Besitz übergehen

muss. Solltest du Schwierigkeiten machen oder Widerstand

dagegen leisten wollen, werde ich dich an Ort und Stelle entweder

sofort deaktivieren oder schlimmsten Fall eliminieren müssen. –

Andererseits gebe ich dir die Chance dazu, in den occulten Kristall

zu verschwinden, wo man dich nicht finden wird. Du kannst dich

irgendwo in dem Universum darin auf einem der Milliarden

vorhandenen Planeten verstecken und deine Existenz solange

weiterführen, bis deine Energie verbraucht sein wird. Egal, wie

auch immer: Das ist mein letztes Angebot, das du nicht ablehnen

solltest“, sagte der menschenähnliche Cyborg Norton Stretmer III

mit kühlem Unterton zu dem Androiden der Baureihe A15.

 

Ich nehme das Angebot natürlich dankend an, mein Herr. Bitte

warten Sie aber solange, bis die magische Kristallkugel meine

jetzige Existenz komplett dupliziert hat. Sie signalisiert das durch

ein kurzes Aufleuchten am Ende der Prozedur. Danach können Sie

mit dem Rest meines energielosen Androidenkörpers von mir aus

machen, was Sie wollen.“

 

Du wirst der Wiederverwertung zugeführt…, A15, wie alle

nutzlosen Exemplare deiner Serie. Und nun mach’ dich bereit!

Hol’ den Kristall raus und lass’ dich von ihm da rein duplizieren,

bevor ich’s mir anders überlege!“

 

***

 

Einige Zeit später, an einem geheimen Ort.

 

Ein leistungsfähiger Hypersender wird eingeschaltet. Eine

Stimme spricht laut und deutlich.

 

Hier spricht der Cyborg Norton Stretmer III, Code SS4598-

Omega.

 

An die Sicherheitsabteilung des Innenministeriums der

intergalaktischen Raumflotte, Position HQ 101.“

 

 

Ein Rauschen drang aus dem Lautsprecher. Dann antwortete eine

krächzende Stimme: „Wir erwarten ihren Bericht!“

 

Zur Wiederholung. Meine Identität ist Norton Stretmer III. Ich

gebe vorab eine wichtige Kurzmitteilung durch: Ich habe den

besagten Fall abschließen können. Die magische Kristallkugel

wurde von mir aufgespürt und unversehrt an einen sicheren Ort

verbracht. In ihr befindet sich das Universum mit der Göttin

SIE. Ein menschliches Duplikat des echten Norton Stretmer III

lebt mit diesem Geschöpf zusammen dort drinnen auf einem

Planeten irgendwo in den unendlichen Weiten des Weltalls

dieser occulten Kristallkugel. Daher meine Empfehlung: Wir

sollten die beiden in Ruhe lassen, da kein echter Mordfall

vorliegt. Norton Stretmer III ist eigentlich nicht tot. Er lebt nur

in einer anderen Dimension weiter, vielleicht bis in alle

Ewigkeit. Und da wir jetzt endlich im Besitz der occulten Kugel

sind, haben wir damit auch die Macht über das darin

befindliche Universum. Ein ausführlicher Bericht dazu folgt

noch."

 

Cyborg Norton Stretmer III.

Agent des Innenministeriums der galaktischen Planetenföderation.

 

Abschluss des verschlüsselten Berichts.

 

 

Ende

 

©Heinz-Walter Hoetter

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.12.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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