Claudia Bauer

Ava und der Weihnachtswunsch

Ava lebte in einem bescheidenen Haus. Neben der Schule half sie ihrer Mutter oft im Haushalt und beschäftigte sich mit ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder. Die Spielsachen der zwei Kinder wurden stets gemeinschaftlich geteilt und es wurde sehr aufeinander in Liebe geachtet. Ava hatte ein großes Herz voller Hoffnung und Träume. Jedes Jahr, wenn Weihnachten näher rückte, wünschte sich Ava aber nichts sehnlicher als ein eigenes Spielzeug, das nur ihr gehörte. Ein Spielzeug für sie allein, ein Symbol der Freude, das sie in den kalten Winternächten wärmen würde.

 

"Warum kann ich nicht wie die anderen Kinder sein und eigene Geschenke nur für mich bekommen?", fragte Ava ihre Mutter eines Abends, als sie zusammen am knisternden Feuer saßen.

"Meine liebe Ava", antwortete ihre Mutter daraufhin mit sanfter Stimme, "wir haben vielleicht nicht viel, aber wir haben einander, und das ist doch das größte Geschenk von allen."

 

Schräg gegenüber von Avas Wohnblock lebte in einem großen, prächtigen Haus ein reicher Junge namens Moritz. Er hatte alle Spielsachen, die man sich vorstellen konnte, und doch fühlte er sich oft einsam in den weiten Hallen seines Zuhauses. Seine Eltern waren stets beschäftigt und allerorts gern gesehene Gäste, und so verbrachte er viele Stunden allein, spielend, aber ohne wahre Freude.

 

"Warum fühle ich mich so leer?", sinnierte Moritz an diesem Abend, als er aus seinem Fenster auf die funkelnden Lichter der Hauptstraße blickte.

 

Es war der Tag vor Heiligabend, als die Sterne am Himmel besonders hell leuchteten, und Moritz beschloss, durch die Straßen zu spazieren, in der Hoffnung, die Weihnachtsstimmung zu spüren, die ihm zu Hause fehlte. Seine Eltern waren wieder einmal bei Freunden eingeladen und Moritz hatte keine Lust, sich der erwachsenen Feiergesellschaft anzuschließen. So blieb er also zuhause. Während seines Spaziergangs kam er auch an Avas Wohnblock vorbei und sah durch das Fenster der kleinen Mietwohnung im Erdgeschoss das Mädchen und ihre Mutter, die sich liebevoll umarmten.

 

In diesem Moment erkannte Moritz, dass wahres Glück nicht in den Dingen liegt, die man besitzt, sondern in den Momenten der Verbundenheit und des Teilens. Er kehrte nach Hause zurück, nahm eines seiner wertvollsten Spielzeuge, ein handgefertigtes Pferdehalfter, und machte sich wieder auf den Weg zu Avas Zuhause. Moritz kannte Ava vom Sehen und zum ersten Mal verspürte er nun den Wunsch, ihr auch nahe zu sein.

 

Er klopfte zaghaft an die Tür, und als Ava öffnete, hielt er das blaue Pferdehalfter vor ihr leicht errötetes Gesicht. "Ich möchte, dass du das hast", sagte er mit einem schüchternen Lächeln, "Vielleicht kann es dein Weihnachten ein wenig heller machen."

 

Avas Augen weiteten sich vor Überraschung und Freude: "Ist das Halfter nur für mich? Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe". Ihre Stimme zitterte vor Aufregung und sie nahm behutsam Moritz Hand. "Komm, lass uns zusammen damit spielen", freute sie sich juchzend und schon sprangen die beiden wie wilde Pferde zusammen durch die kleine Wohnung.

 

Und während Moritz großes Haus gegenüber verlassen und grau wirkte, schien Avas kleines Zuhause voller Leben und so hell wie die Sternennacht.

 

In jener magischen Weihnachtsnacht fanden Ava und Moritz etwas Wertvolleres als jedes Geschenk. Sie fanden Freundschaft und das Verständnis, dass das Teilen von Glück das Herz mehr erwärmt als alles andere auf der Welt.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.12.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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