Angie Pfeiffer

Ein fast vegetarischer Abend

„Was meinst du, sollen wir für das Abendessen etwas vom Griechen bestellen?“, fragte Alan und sah mich hoffnungsvoll an. Wir waren als mobile Einsatztruppe bei den Kindern aufgeschlagen. Unser Sohn hatte uns darum gebeten. Er wollte seine Frau mit einem Wellnesstag einschließlich einer Übernachtung zu zweit überraschen. Bei drei Kindern zwischen fast drei und sieben Jahren gibt es halt wenig Pärchenzeit … Natürlich hatten wir uns bereit klärten, in dieser Zeit die Enkel zu hüten.

Den Tag hatten Großeltern und Kinder genossen, jetzt ging es um das abendliche Mahl. Der beste Ehemann von allen liebt die griechische Küche und hatte die Gelegenheit beim Schopf erfasst.
„Hm, die griechische Küche ist ziemlich fleischlastig. Du weißt, dass sich die Schwiegertochter vegetarisch ernährt?“, überlegte ich. Alan grinste diabolisch. „Aber sie ist nicht hier. Also ist das kein Problem.“ Er schob sein Laptop in meine Richtung. „Hier ist die Speisekarte. Such dir doch einfach etwas aus und schau mal, was für die Kinder in Frage kommt.“
„Okay, ich schau‘ mal.“ Schnell hatte ich ein Gericht gefunden, das mir zusagte und wandte mich an unsere Enkelkinder. „Wir bestellen Essen, was möchtet ihr denn wohl?“
„Was gibt es denn?“, fragte Lotti, die Älteste.
„Ich will Pommes!“, rief Jakob, fünf Jahre alt.
„Pommes“, echote Sophie, die Jüngste.
„Es gibt leckeres Fleisch. Pommes oder Reis und natürlich Salat“, klärte Alan auf.
Lotti schaute ihn streng an. „Aber Opa, du weißt doch, dass ich Vegetarierin bin, so wie Mama. Ich esse kein Fleisch.“
„Ich auch nicht, bin auch Vegetarierin“, erklärte Jakob.
Sophie strahlte über das ganze Gesicht. „Fleisch … lecker … mit Pommes.“
„Gutes Kind.“ Alan tätschelte ihren Kopf, was sie mit einem Stirnrunzeln quittierte. „Also, entscheidet euch. Ich nehme einen Grillteller mit allem.“
„Ist da Fleisch drauf?“, fragte Lotti streng.
„Ja.“
„Und das isst du?“
„Ja, und zwar gerne!“
Lotti musterte ihn mit einem vernichtenden Blick. „Ich nehme Pommes ohne alles.“
„Ich auch“, nuschelte Jakob.
„Fleisch und Pommes“, krähte Sophie.

Das Essen war geliefert worden. Wir saßen zusammen am Tisch. Alan und ich auf der einen Seite, die Kinder auf der anderen.  Sophie, die Jüngste, stopfte sich mit Begeisterung ein Stück Fleisch in den Mund und kaute genüsslich. Wenigstens schienen den beiden Älteren ihre Pommes zu schmecken. Auch wir widmeten uns unseren Gerichten
Bis …
„Oma, was ist das da“, fragte Jakob und wies auf das Lamm Kotelett auf meinem Teller.
„Das ist …“
Schnell unterbrach ich Alan. „Das ist Ziege.“  Etwas Besseres war mir auf die Schnelle nicht eingefallen, denn die Reaktion auf die Information, dass Oma ein Teil von einem Lamm auf den Teller hatte, trieb mir den Schweiß auf die Stirn.
„Genau, Oma isst Ziege“, grinste Alan mich an und verzog schmerzhaft das Gesicht, denn ein dezenter Tritt vors Schienenbein ließ ihn verstummen.
„Ist da ein Knochen dran?“, erkundigte sich unser Enkelsohn interessiert.
„Ja klar, die Doofie, sieht man doch“, klärte seine Schwester auf und musterte mich mit einem finsteren Blick.
„Was ist das denn? Ein Ziegenbein“, bohrte Jakob weiter.
„Ne, das ist ein Kotelett von der … ähm … Ziege.“ Dieser Mann konnte es einfach nicht lassen. Allerdings hatte er vorsichtshalber seine Schienbeine in Sicherheit gebracht.
„Kotelett, kenn‘ ich nich‘. Ist das vom Arm?“ Jakob ließ nicht locker.
„Doofie! Das ist ne Rippe. Die sitzt hier.“ Lottie zeigte auf ihre Rippen. „Und sowas essen die.“
„Bäh“, ihr Bruder schüttelte sich. „Sowas will ich nicht essen. Ziegenrippen, ist ja ekelig.“
Frustriert legte ich mein Besteck auf den Teller. Irgendwie war mir der Appetit vergangen. Alan, der während der Konversation munter weiter gegessen hatte, wandte sich mir, beziehungsweise meinem Teller zu. „Isst du dein Fleisch nicht? Ich nehme das wohl.“
„Kannst du gern. Ich esse nur den Salat.“
„Fleisch“, ließ sich Sophie vernehmen. Sie hatte ihren Teller bereits ratzeputz leer gegessen und streckte ihre Finger begehrlich aus.
„Meine Kleine. Oma scheint keinen Hunger mehr zu haben. Wir teilen uns ihr Fleisch“, grinste Alan, während Lotti ihm einen vernichtenden Blick zuwarf.

Irgendwie beneidete ich ihn.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.12.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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