Steffen Herrmann

Menschheitsdämmerung. Die Roboter

1. Autonome Fahrzeuge

 

 

Die Entwicklung autonomer Fahrzeuge ist nicht bloß eine technologische Innovation unter vielen anderen, sondern eine revolutionäre Erfindung mit gesellschaftsveränderndem Po­tential.

Ein Roboterauto tut nämlich etwas, was bisher nur Tiere und Menschen konnten: es reali­siert sich als etwas, das eine Umwelt hat und orientiert sich in dieser. Ob ein Ball auf die Straße rollt, ein Betrunkener den Gehsteig entlangtorkelt, ein Fahrradfahrer plötzlich die Spur wechselt oder eine Ampel auf Rot schaltet – das autonome Fahrzeug muss alle diese Komponenten zu einer Situation zusammensetzen, sie bewerten und daraus seine Reak­tionen ableiten. 

Wir haben es hier also mit einer Maschine zu tun, die gewissermaßen ein Weltverständnis hat.

Damit treten wir ein eine neue Phase der Entwicklung ein, in der sich Menschen und Roboter(autos) in alltäglichen Situationen begegnen. Sie müssen nun miteinander auskom­men und stehen in einer wichtigen Beziehung auf derselben Ebene: Akteur versus Akteur.

 

Die ersten einsatzfähigen Roboterautos fahren auf Teststrecken, die präpariert sein können, um ein regelkonformes Fahrverhalten zu unterstützen. Diese besonderen Zonen werden später auf bestimmte Stadtteile oder ganze Städte ausgeweitet, was der noch nicht ausge­reiften Technologie neue Entwicklungsimpulse verleiht.

Der Entwicklungspfad, auf dem autonome Fahrzeuge zur Dominanz gelangen werden, ist bereits gut zu erkennen. Sie kommen zunächst in umgrenzten Arealen zum Einsatz, fassen dann dort Fuß, wo menschliche Arbeitskräfte freigesetzt werden können und erobern schließlich den gesamten Straßenverkehr.

 

In einem unternehmerischen Sinne sind autonome Fahrzeuge insbesondere dort attraktiv, wo sie Menschen ersetzen können: als Taxis, Busse, Lastkraftwagen, in der Landwirtschaft.

Deshalb kommt es (nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal in der Geschichte der Menschheit) zu einem Berufesterben: Bus-, Taxi- und Straßenbahnfahrer, Trucker und Kuriere verschwinden von der Bildfläche, auch Traktoren und Mähdrescher erledigen ihre Arbeiten nun selbständig.

 

Mit zunehmender Verbreitung - und den dabei sinkenden Preisen - gelangen Roboterautos auch in Privatbesitz, sodaß der Anteil der autonomen Fahrzeugen fortwährend steigt.

Menschliche Fahrer werden zu einem Risikofaktor, sie verlangsamen den Verkehrsfluss und verursachen unnötige Unfälle. Während die Roboterautos schnell und präzise ihr Verhalten koordinieren, wirken die menschenge­steuerten Pendants wie irrationale Blackboxes: träge und schwer vorhersehbar.

Es ist also davon auszugehen, daß ein Kampf um die Straße einsetzt und die menschlichen Fahrer von ihr verdrängt werden. Am Ende dieser Entwicklung steht ein Fahrverbot für die Menschen, zumindest in den städtischen Zentren.

 

Diese Prozesse werden durch einen einsetzenden kulturellen Wandel gefördert. Es wird immer weniger attraktiv, sich in ein herkömmliches Auto zu setzen und die Mühe des Fahrens auf sich zu nehmen.

Die Menschen sitzen nun in umgestalteten Limousinen wie in engen Wohnzimmern und gehen dort vielen ihrer gewohnten Beschäftigungen nach. Sie beginnen, sich an die Anwesen­heit von Robotern - zunächst in der Form von Fahrzeugen - zu gewöhnen. 

Die ehemals innige Beziehung zum eigenen Wagen löst sich auf. Immer weniger Menschen wollen noch ein Auto besitzen. Man ruft eines, wenn es nötig ist, die Fahrzeuge zirkulieren gemäß dem jeweils aktuellen Bedarf, statt die meiste Zeit irgendwo herumzustehen.

Die Transportsphäre entkoppelt sich von der menschlichen Gesellschaft, sie wird zu einem Super-Taxi-Verbund, der ohne unser Zutun funktioniert und uns jederzeit an den gewünsch­ten Ort bringen kann.

 

Das autonome Fahrzeug lässt sich als rudimentäre Vorform eines universalen Roboters verstehen. Es verfügt über ein Sensorium, mit dem es seine Umgebung wahrnimmt, einen kognitiven Apparat, der das Wahrgenommene interpretiert und über ein motorisches System (wobei dessen Spektrum noch sehr schmal ist - das Auto kann nicht viel mehr tun als beschleunigen, bremsen, lenken oder seinen Zustand erhalten).

 

Die gesellschaftliche Bedeutung des autonomen Fahrens besteht vor allem darin, daß sich Menschen und Roboter von nun an im Modus der Alltäglichkeit begegnen.

Zwar ist der Straßenverkehr nur ein abgegrenzter Bereich, in dem besondere Regeln gelten. Die Ausbreitung der Automaten in die Lebenswelt der Menschen vollzieht sich von diesem strukturellen Anker aus, getragen von einer unaufhörlichen Transformation der technolo­gi­schen Landschaft.

In diesem Feld der Begegnung entfaltet sich ein Spektrum neuartiger Phänomene, es entwickeln sich juristische, psychologische, soziologische, politische und andere Schnitt­stellen zwischen den Menschen und den immer selbständiger agierenden Maschinen.

Es entsteht eine sich eng vernetzende Kybernetische Sphäre, deren zunächst äusserlich vertraut wirkenden Akteuren bald auch Handlungen zugeschrieben werden können.   

2. Universalroboter

 

 

Der technologische Fortschritt führt dazu, daß die sensorischen Fähigkeiten, die moto­rischen Freiheitsgrade und die Intelligenz der Industrieroboter immer weiter gesteigert werden.

Schließlich entwickeln die Ingenieure eine neue Kategorie von Robotern, die sich durch ihre Mobilität und durch ihre operative Komplexität vom herkömmlichen Maschi­nenpark signi­fikant unter­scheidet.

 

Zunächst werden diese Universalroboter vor allem in der industriellen Produktion einge­setzt. Das liegt schon daran, daß die teure neue Technik einen Nutzen haben muss, um die Kosten ihrer Produktion zu rechtfertigen.

Vor allem aber sind die frühen Exemplare in ihren Einsatzmöglichkeiten sehr begrenzt. Sie benötigen ein reguliertes Umfeld (also typischerweise die Werkhalle einer Fabrik), in dem definierte Tätigkeiten an definierten Orten in einem festgelegten Rhythmus ausgeführt werden.

 

Die neuartigen Automaten fahren durch die Fabrikhallen und begeben sich zu den Orten, an denen sie gebraucht werden. Jeder von ihnen kennt seine spezifischen Aufgaben und erle­digt sie souverän.

Das dabei entstehende technologische System wird mit der Zeit immer komplizierter. Für jeden Aufgabenbereich werden andere Maschinen entwickelt, die jeweils eingeführt, über­wacht und gewartet werden müssen.

Dazu kommen noch zunehmende Anforderungen an eine Koordination der maschinellen Aktivitäten. Die Roboter dürfen nicht miteinander kollidieren, sie müssen auch gelegentlich (und tendenziell gesehen immer häufiger) zusammenarbeiten.

 

Es entsteht also ein Bedürfnis, die immer unübersichtlicher werdende Situation zu berei­ni­gen und die Produkte zu vereinheitlichen. Das führt schließlich zu einer Generalisierung der konstruktiven Prinzipien.

Ein Roboter soll für ein möglichst breites Spektrum von Aufgaben eingesetzt werden können. Für eine Adaption an einen anderen Arbeitsbereich sollten Softwareupdates und der Aus­tausch standardisierter mechanischer Komponenten genügen.

So wird auch die Grundlage dafür geschaffen, daß ganze Populationen von Robotern effek­tiv miteinander ­arbeiten können. Diese operative Integration ist wiederum die Voraus­set­zung für die Entstehung einer autonomen Kybernetischen Sphäre.

 

Die Mobilität eines ausgereiften Universalroboters beruht nicht mehr auf Rädern, sondern auf Extremitäten. Das erklärt sich schon aus der Notwendigkeit, auch in unebenem Gelände die Manövrierfähigkeit nicht zu verlieren.

Typischerweise werden die Automaten wenigstens vier Beine haben, weil so die Anforde­rungen an die Bewegungskoordination verringert werden. Die Anzahl der oberen Extremi­täten ist variabel und hängt von den zu erfüllenden Aufgaben ab.

Der Universalroboter ist anfangs also durchaus nicht humanoid. Er ist eine mobile, etwas träge und skurril wirkende Maschine mit einer entfernten Ähnlichkeit zu undefinierten Tieren.

 

Universalroboter sind nicht so autark wie sie erscheinen mögen. Sie wirken in einem engen Zusammenspiel mit der Unternehmenssoftware, von der sie unent­wegt Befehle empfangen und Dienste in Anspruch nehmen. Sie sind in die IT-Landschaft des Betriebes eingebunden. 

Diese Integration in die informationstechnische Sphäre bleibt den Menschen in der Regel verborgen. Sie erleben die Roboter als künstliche, doch eigenständige Personen (als etwas gewöhnungsbedürftige kybernetische Kollegen).

 

Universalroboter sind fähig, in bestimmten Handlungsfeldern wie Menschen zu agieren.

Sie besitzen ein hochentwickeltes Sensorium für visuelle, auditive, olfaktorische und andere Reize, die sie interpretieren und zu situativen Totalitäten synthetisieren.

Sie können sprechen und gesprochene Sprache verstehen.

Sie sind zu einem Äquivalent von begrifflicher Abstraktion fähig. Sie erkennen die Menschen als Menschen, die Roboter als Roboter und verleihen allem eine Bedeutung.

Sie verfolgen (vorgegebene) Ziele und erarbeiten selbständig Handlungs­pfade, um sie zu erreichen. Sie definieren auch Zwischenziele, die bei Bedarf modifiziert oder ersetzt werden können.

 

Schritt für Schritt werden sie dabei tatsächlich zu dem, was ihr Name von vornherein versprochen hatte: zu universal einsetzbaren Robotern.

Voll ausgereifte Universalroboter haben die Komplexität von auf ihre Arbeit reduzier­ten Handwerkern. Sie sind keine reinen Befehlsempfänger mehr. Gegenüber den Menschen, dem Zentralrechner und gegenüber den maschinellen Kollegen besitzen sie Freiheitsgrade für Entscheidungen. Sie haben ihre eigenen Zielerfüllungsstrategien, ihre Methoden, um mit Schwierigkeiten bei der Erledigung ihrer Aufgaben oder mit widersprüch­lichen Informatio­nen und Befehlen umzugehen.

Sie haben gewissermaßen ihre eigene Persönlichkeit.

3. Menschenleere Fabriken

 

 

Die Automatisierung der manuellen Arbeiten, begleitet von einer etwas später einsetzenden, doch sich dann stürmisch entwickelnden Digitalisierung, verändert nahezu alle Berufsbilder. Immer mehr und immer umfassendere Aufgaben werden von einer fortschreitenden Tech­no­logie übernommen. Auch hochqualifizierte Tätigkeiten sind inzwischen kein Privileg des Menschen mehr.

Aus menschlicher Sicht entsteht dabei ein Scheideweg.

Einerseits kommt es zu einer Entwertung von Berufen, weil fortwährend Kompetenzen auf die Maschinerie übertragen werden. Die Menschen ordnen sich den Maschinen unter, füttern sie und sorgen dafür, daß sie störungsarm operieren können.

Auf der anderen Seite eröffnen sich neue Perspektiven für anspruchsvollere Tätigkeiten, die oft darauf ausgerichtet sind, den Prozess der fortschreitenden Automatisierung in Gang zu halten.

 

In der gegenwärtigen Entwicklungsstufe werden zwar Menschen aus ihren bisherigen Tätig­keits­­feldern verdrängt, doch es entstehen genügend neue Aufgabenbereiche, um diesen Trend zu kompensieren.

Im industriellen Sektor kommt es bereits zum Übergang in eine neue Phase. Die Zahl und die Qualität der eingesetzten Maschinen nimmt zu, die hier unmittelbar arbeitenden Menschen werden weniger. 

 

Die Automatisierung der Produktion vollzieht sich auf zwei komplementären Wegen.

In einem Top-Down-Szenario wird der Herstellungsprozess in so kleinteilige Arbeitsschritte zerlegt, daß diese dann von Maschinen erledigt werden können. Eine solche Strategie beruht häufig auf Skaleneffekten. Es sind die großen industriellen Anlagen, in denen sich eine Fließbandproduktion etabliert.

Es gibt auch eine gegenläufige, von unten herkommende Tendenz der Automatisierung. Sie ist eine direkte Folge des technologischen Fortschrittes. Weil die eingesetzten Maschinen selbst intelligenter werden, können sie Arbeitsschritte übernehmen, die bisher den Menschen vorbehalten waren.

 

Die auf den Markt kommenden Universalroboter schließen die verbleibenden Lücken und vertreiben die Arbeiter aus den Produktionshallen.

Es entstehen menschenleere Fabriken, in denen eine autonom gewordene Technologie operiert.

 

Die vollautomatisierte Produktion beruht auf drei hierarchisch geordneten, doch mitein­ander verflochtenen Schichten.

Auf der untersten Ebene befindet sich der eigentliche Maschinenpark. Dabei handelt es sich um eine spezifische Technik, die nicht besonders flexibel und auf die Art der zu erzeugenden Produkte zugeschnitten ist.

Darüber finden wir nun die Schicht der Universalroboter. Diese hat eine allgemeine Struktur­aus­richtung, ist also im Gegensatz zur ersten Ebene zwischen einer Textilfabrik und einem Stahlwerk nicht wesentlich verschieden. Diese Roboter sind auch keine reinen Produktions­mittel, sondern Akteure, denen individuelles und kollektives Handeln zugeschrieben werden kann.

Auf der obersten Ebene befindet sich die Informationstechnologie. Diese koordiniert alle Komponenten der Produktion und integriert sie zu einem Ganzen. Diese Schicht ist auch in der Lage, nach außen hin wirksam zu werden, sie bindet also die verwaltete Produktions­stätte in die gesamtwirtschaftlichen Strukturen der Gesellschaft ein.

Die noch arbeitenden Menschen konzentrieren sich nun in den Positionen der Wartung, der Korrektur von Fehlern und Störungen und des Manage­ments. Sie sind kaum noch in der Pro­duktion selbst beschäftigt, sondern organisieren deren Veränderung, ihre Anpassung an neue Bedürfnisse und Umstände. 

 

Von den Universalrobotern geht ein entscheidender transformativer Impuls für die produk­tive Sphäre aus, was auch an deren intermediärer Position liegt. Es entstehen verschiedene Schnittstellen von weitreichender Bedeutung.

Zu den Menschen: Roboter arbeiten mit Menschen zusammen. Sie werden zu Kollegen und Konkurrenten, häufig begegnen sie sich auf Augenhöhe, auch wenn zunächst noch die gege­be­nen Anweisungen fast immer von der menschlichen Seite kommen.

Untereinander: Die Roboter arbeiten auch miteinander. Sie koordinieren ihre Aktivitäten, um die gesetzten Ziele zu erreichen.

Zum Zentralrechner: Der Zentralrechner gibt nicht nur Befehle. Er stellt auch Dienste zur Verfügung, sodaß die Roboter von der Rechenkraft des Servers und den im Internet verfüg­baren Informationen profitieren können.

 

Die Universalroboter sind zu einer eigenständigen Produktivkraft geworden, die zwischen dem traditionellen Maschinenpark und den menschlichen Arbeitskräften positioniert ist.

Ihre Existenz setzt einen Prozess der Umgestaltung der vorherrschenden Produktionsweise in Gang, in dessen Zentrum vollautomatisierte Fabriken stehen, die sich miteinander zu vernetzen beginnen. Sie benötigen immer weniger Eingriffe und verdrängen die Menschen aus ihren operativen Kreisläufen.

4. Maschinengewalt

 

 

Der Mensch versteht sich als Herr über die von ihm eingesetzte Technik. Sie ist sein Werk­zeug. Sie dient ihm und erweitert seine Möglichkeiten.

Daß dieses grundsätzliche Verhältnis eine allmähliche Erosion erleidet, ist eine zeitge­nös­si­sche Erfahrung. Algorithmen schätzen die Kreditwürdigkeit von Personen ein, sie entschei­den darüber, welche Websites von Internet­benutzern aufgerufen, welche Stellenbewer­bun­gen aussortiert werden.

 

Am radikalsten zeigt sich diese partielle Invertierung der Machtverhältnisse in der Militär­technik. Kriegsgebiete und insbesondere die eigentlichen Kampfzonen sind lebensfeindliche Orte, an denen sich Menschen normalerweise nicht aufhalten wollen. Es liegt also in der Natur der Sache, die Soldaten durch unbemannte Waffensysteme zu ersetzen, die nicht getötet, sondern nur zerstört werden können.

Zunächst handelt es sich bei solchen Kampfmaschinen um ferngesteuerte Technik. Doch der Weg zu einer immer weiter gehenden Autonomie dieser Waffen ist nahezu unver­meidlich, schon weil Entscheidungen häufig ohne Zeitverzug in unübersichtlichen Situationen getrof­fen werden müssen und Roboter die zugänglichen Informationen sowohl schneller als auch präziser verarbeiten können.     

 

Die Militärgeschichte wird, zumindest in den letzten Jahrhunderten, von einer sich fortwäh­rend steigernden Technisierung geprägt. Es entstehen immer furchterregendere, effektivere und komplexere Kriegswerkzeuge.

Die vom Himmel fallenden Bomben, das Inferno der Artillerie und die gelegentlich zum Einsatz kommenden Massenvernichtungswaffen, deren ultimative Form die thermonu­kle­aren Bomben sind, machen aus dem Krieg eine Art Naturkatastrophe mit einem unper­sön­lichen, diabolischen Feind, der wahllos tötet.

 

Der Einsatz der Universalroboter mit ihrer bemerkenswerten Intelligenz setzt hier einen ent­ge­gengesetzten Trend. Diese Roboter sind in der Regel Infanteristen, die zwar Ent­schei­dun­gen über Leben und Tod treffen, aber sich - wenn auch in einem engen Spielraum – beein­flus­sen lassen.

Man kann sich ihnen ergeben. In diesem Fall werden die besiegten Kombattanten von den Robotersoldaten in Gewahrsam genommen und als Kriegsgefangene zu den militärischen Einheiten gebracht.

 

Die Entstehung der Universalroboter fällt in eine Phase der menschlichen Entwicklung, die nach wie vor durch rivalisierende Mächte mit unterschiedlichen demokratischen Standards und außenpolitischen Doktrinen geprägt ist.   

In den Händen von Führern autoritärer oder diktatorischer Staaten (aber nicht nur in diesen) wird die neue Technologie zu einem wirkungsvollen Mittel der Machtpolitik. Neue Ungleich­gewichte in den internationalen Verhältnissen entstehen, die Welt wird instabiler, gefähr­li­cher, unberechenbarer.

Es formieren sich schlagkräftige Armeen aus Robotersoldaten, die von ihren Nachbarn als Bedro­hung empfunden werden. Die Möglichkeit, sich fremde Länder zu unterwerfen, ohne eigene Soldaten opfern zu müssen, kann eine aggressivere Außenpolitik fördern. Universalroboter werden nicht nur als Kämpfer, sondern auch als Besatzungstruppen einge­setzt, um annektierte Gebiete zu kontrollieren.

 

Konsequent zu Ende gedacht macht diese Dehumanisierung den Krieg zu einer beinahe akzep­tablen Angelegenheit. Wenn menschliches Blutvergießen aus der Mode kommt, weil Roboter gegen Roboter kämpfen, dann werden militärische Auseinandersetzungen zu reinen Materialschlachten.

Weil aber nicht alle Staaten über solche kybernetischen Streitkräfte verfügen, kommt es auch zu Kriegen, in denen Menschen gegen Maschinen kämpfen, in denen stählerne Termi­na­toren menschliches Blut vergießen und in die Städte des niedergeschla­genen Landes ein­marschieren.

Das alte Thema der Herrschaft von Robotern über Menschen ist also ein realistisches Szenario.

 

Kurzfristig gesehen kann die Überflutung der Welt mit Universalrobotern zu einer aggres­siveren Außenpolitik von Staaten führen, die ihre Einflussbereiche vergrössern wollen.

Auch parastaatliche Milizen, Kartelle der organisierten Kriminalität oder superreiche Einzel­personen können sich private kybernetische Armeen zulegen und so eine möglicherweise bereits prekäre öffentliche Ordnung destabilisieren.

Von den Leidtragenden der eskalierenden Gewalt werden die Roboter dabei als feindliche, als böse Personen erlebt.

 

Auf lange Sicht fördert die neue Technik allerdings eine weltweite Friedensordnung. Die Universalroboter sind ein ökonomischer Transformator, der die traditionellen Mangelzu­stände beendet. Es kommt zu einem allgemeinen Überfluss an Gütern. Was für eine Unterdrückung soll der autokratische Herrscher ausüben? Warum soll ein Land ein anderes überfallen? In einer Welt, in der die Verteilungskämpfe zu einem Ende kommen, werden Kriege unnötig und auch die staatlichen Herrschaftsstrukturen verlieren an Bedeutung.

5. Superkonzerne

 

 

Die klassischen Formen der Automatisierung erreichen irgendwann das Stadium ihrer Sätti­gung. Nun versprechen die gerade entstehenden Universalroboter einen neuen Rationali­sie­rungsschub.

Die zukünftigen Produzenten können sich dabei auf den Entwicklungsstand stützen, der durch den Maschinenbau, die traditionelle Kybernetik, die KI-Forschung und das autono­me Fahren bereits erreicht worden ist. Es geht nun darum, auf dieser Grundlage mobile kyber­netische Akteure zu entwickeln, die für verschiedene Aufgabenbereiche verwendbar sind. Universalroboter eben.

Ehrgei­zige Forschungsprogramme werden lanciert, um diese neue Technologie zu etablieren.

 

Daß die Universalroboter bald fast ausschließlich von großen Firmen produziert werden, liegt auf der Hand.

So handelt es sich bei ihnen um sehr komplexe Produkte. Schon die mechanischen Kompo­nenten sind überaus anspruchsvoll. Es geht um die Implementierung einer allgemeinen Feinmotorik, bei der hunderte Komponenten aufeinander abgestimmt werden müssen. Die motorischen Positionierungen müssen millimetergenau und unter Umständen äußerst rasch erfolgen.

Darüber hinaus benötigen die Roboter ein hochentwickeltes Sensorium. Der visuelle und der akustische Sinn müssen ungefähr das menschliche Niveau haben. Die Software muss Bewe­gungsabläufe planen und sie koordiniert ablaufen lassen, wobei ständig aktualisierte Daten des Gesichtsfeldes in diese Prozesse einfließen (Die Maschine muss also auch die Leistungen unseres Kleinhirns erbringen).

Das Herzstück der Software ist die im Roboter implementierte Künstliche Intelligenz, wohl die anspruchsvollste Komponente dieser revolutionären Automaten.

 

In dieser frühen Phase muss man sich die Einführung von Universalrobotern in einem Arbeits­­um­feld als eine mühselige, von Komplikationen und Rückschlägen durchzogene Angelegenheit vorstellen.

Alle von den Maschinen zu beherrschenden Arbeitsabläufe müssen formalisiert und in ein Gesamtkonzept integriert werden. Dabei entstehen immer wieder neue Anforderungen, schon weil das zu implementierende Tätigkeitsspektrum an jedem Einsatzort ein anderes ist (So macht es einen Unterschied, ob ein Roboter in einer Autofabrik, einem Stahlwerk oder in einer Näherei eingesetzt wird).

Außerdem muss es Algorithmen geben, die angemessene Reaktionen im Fall von unvorher­gesehenen Ereignissen, Störungen, Unfällen und Defekten garantieren. Ansonsten würde das implementierte System immer wieder ins Stocken geraten und nach menschlichen Eingriffen verlangen.

 

Das längerfristige Ziel besteht darin, von dieser erschöpfenden Detailarbeit wegzukommen. Im angestrebten Szenario muss im Grunde nur noch eine bereits vorhandene Software für den jeweiligen Arbeitsbereich aktiviert werden. Das ist im Wesentlichen eine Konfiguration: Parameter werden gesetzt, die geeigneten Programmpakete heruntergeladen.

Anschließend werden die Roboter angelernt. Sie erhalten Anweisungen und Kritiken, bis sie ihre Aufgaben internalisiert haben und keine menschliche Kontrolle mehr brauchen.

 

Sobald die ersten Universalroboter serienreif sind, setzt ein intensiver Verdrängungs­wett­bewerb ein. Die erfolgreichen Unternehmen wachsen rasch, andere verschwinden von der Bildfläche. Die Schnellen fressen die Langsamen, am Ende bleiben nur wenige übrig.

Dabei entstehen Firmen, die alles in den Schatten stellen, was der Kapitalismus bisher her­vorge­bracht hatte. Bald sind Milliarden von Robotern produziert, sie übertreffen schließlich die Zahl der lebenden Menschen.

Darüber hinaus vollzieht sich der technische Fortschritt in dieser revolutionären Phase so schnell, daß die Maschinen andauernd ersetzt werden müssen. Die explodierende Produk­tion wird also von fast zeitgleich anschwellenden Verschrottungsprozessen begleitet, in de­nen defekte oder veraltete Exemplare entsorgt werden.

 

Die entstandenen Superkonzerne beschäftigen zehn- wenn nicht hunderttausende von Inge­nieuren, Informatikern und anderen Wissenschaftlern. Sie bieten verschiedene Produkt­reihen an (je nach Anspruch und Einsatzgebiet), wobei der technische Fortschritt zu einem fortwährenden Preisverfall führt, der von einer unaufhörlichen qualitativen Verbes­serung und quantitativer Ausweitung begleitet ist.

Diese innovativen und kraftvollen wissenschaftlich-industriellen Kerne sind von einem Hof von Dienstleis­tungs­aktivitäten umgeben, die oft von assoziierten, aber auch von gänzlich unabhängigen Unternehmen angeboten werden. Es geht hier um Wartung, um Beratung, vor allem aber um Projekte der Einführung.

 

Der Kapitalismus hat damit seinen Kulminationspunkt erreicht. Er hat eine Branche hervor­gebracht, die an Innovationskraft alles zuvor Bestehende übertrifft. Dabei entstehen unge­heure Umsätze und Profite, die sich auf kaum eine Handvoll von Unternehmen verteilen. 

Zugleich ist diese revolutionäre Branche der Totengräber des Kapitalismus. Das Geld selbst beginnt an Bedeutung zu verlieren, weil die Produktion der Güter immer weniger auf menschliche Arbeitskraft angewiesen ist. Immer mehr Dinge entstehen wie von selbst, die Inflation der hergestellten Güter zerstört den Wert des Geldes. Es ist genug von allem da.

6. Das Ende des Geldes

 

 

Die marxistische Theorie liegt einerseits richtig, weil der Kapitalismus nicht von ewiger Dauer ist, sondern von einer kommunistischen Gesellschaftsform abgelöst wird.

Andererseits liegt sie falsch, weil er nicht an seinen Widersprüchen zugrun­de geht, sondern sich stattdessen im Überfluss der ausgestoßenen Güter auflöst.

 

Die kybernetische Technologie ermöglicht eine fast unbegrenzte Steigerung der Pro­duk­ti­vi­tät. In der Industrie verschiebt sich die Zusammensetzung des Kapitals immer weiter zugun­sten der technischen Komponente. Für sich genommen ist das keine neue Tendenz, sondern ein allge­mei­nes Merkmal des Kapitalismus.

Es sieht in dieser Periode des Übergangs also so aus, als ob sich die traditionellen Wege des ökonomischen Fort­schrit­tes bloß fortsetzen würden.

 

Sobald sich die autonom operierende Technologie durchgesetzt hat, zeigt sich aber, daß dies eine Fehlan­nah­me war und die ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft sich in ihrem Wesen verän­dern.

Der Aufstieg der Universalroboter und der global vernetzten Künstlichen Intelligenz führt zum Verschwinden des Geldes und untergräbt so die Grundlage des kapitalistischen Systems. 

 

Der Produktivitätszuwachs ist so enorm, daß das bisher grundsätzlich stabile Preisgefüge zuerst erschüttert und schließlich weitgehend zerstört wird. Es kommt zu allgemeinen deflationären Tendenzen, wobei die traditionellen negativen Auswirkungen auf die Volks­wirtschaft unterbleiben.

Die autonomen Produktionsstätten spülen unaufhörlich Waren in die Märkte, was zu einem Preisunterbietungswettbewerb zwischen den Anbietern führt. Manche Produkte werden schließlich vom eigentlichen Geschäft der Unternehmen ausgekoppelt und einfach ver­schenkt.

Auf ihr Image bedachte Konzerne können versuchen, sich als selbstlose Akteure zu insze­nieren, indem sie ihre Produkte an Bedürftige (von denen es allerdings immer weniger gibt) und an unterentwickelte Länder (von denen es auch immer weniger gibt) spenden.

 

Die Preise sinken nachhaltig, erreichen aber nicht den Nullpunkt. Irgendwo entstehen immer Kosten, weil Ressourcen in Anspruch genommen werden, an denen menschliche Arbeitskraft noch beteiligt ist: Auch ein vollständig robotisiertes Restaurant muss Miete und Strom zahlen und die zubereiteten Lebensmittel erwerben (Da sich aber sowohl die Landwirtschaft als auch die Stromproduktion automatisieren und die Häuser von selbst bauen, spielen sol­che externen Kostenfaktoren eine immer geringere Rolle).

Die alltäglichen Produkte werden wohlfeil. Nicht bloß preiswert, sondern billig.

 

Der Bedeutungsverlust des Geldes wirkt sich auf die gesellschaftlichen Strukturen aus. So verschwindet der ökonomische Druck, arbeiten zu gehen.

Auf der anderen Seite verknappen sich die verfügbaren Arbeitsplätze.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird eingeführt, von dem sich ein komfortables Leben führen lässt. Jobs, die wenig Spaß machen und kaum Befriedigung verschaffen, lassen sich nicht mehr vermitteln. Die Ausbreitung der Universalroboter entwertet immer mehr Tätigkeiten. Monetär und moralisch.

Auch das traditionelle Statussystem erodiert. Seine Symbole funktionieren nicht mehr in einer Welt des allgemeinen Überflusses. Man kann mit Geld nicht mehr beeindrucken. Der Ehrgeiz, viel verdienen zu wollen, wird ein bisschen lächerlich.

 

Der Kommunismus kommt auf leisen Füssen. Die Menschen wissen nicht mehr, wohin mit ihrem Geld. Sie gewöhnen sich daran, versorgt zu werden.

Das Geld zieht sich aus dem Alltag zurück. Es wird weiterhin in den Unternehmen verwen­det, um die Ressourcenverteilung zu steuern und um die Investitionen zu lenken. So erfüllt es zunehmend eine kalkulatorische Funktion innerhalb der produktiven Sphäre.

 

Menschen unterscheiden sich von Robotern dadurch, daß sie eine Seele haben. Sie spüren Schmerz und Freude, Unbehagen und Befriedigung. Sie suchen nach ihrem Platz, nach Sinn.

Das verleiht ihrer Arbeit eine besondere Qualität. Massagen, Therapiegespräche, selbst der Service in Restaurants sind grundsätzlich defizitär, wenn sie von Maschinen ausgeführt werden.

Die Automatisierung führt also zu einer Gegenbewegung, in der auf das spezifisch Mensch­liche fokussiert wird. Doch auch hier kommt es zu einer Entökonomisierung, vor allem von der Angebotsseite her. Niemand muss mehr solche Tätigkeiten ausführen, weil er das Geld dafür braucht. Die Arbeit des Menschen für den Menschen privatisiert sich: der Preis für diese Freiwilligkeit ist ein allmählicher Verlust von Professionalität.

 

In einer Welt, in der Menschen weder durch Angst noch durch Gier motiviert werden kön­­nen, in der sich die ökonomisch grundierten Hierarchien auflösen, transformieren sich auch die darauf fußenden gesellschaftlichen Strukturen.

Die Menschen sind – radikaler als je zuvor – auf sich selbst zurückgeworfen.  

7. Berufesterben I – manuelle Berufe

 

 

Die wohl bemerkenswerteste Eigenschaft der Universalroboter ist ihr Vermögen, Menschen von ihren Arbeitsplätzen zu vertreiben. Dieser Prozess vollzieht sich in mehreren Wellen, von denen die ersten vor allem Fabriken, Baustellen und Werkstätten treffen.

Zunächst werden die Universalroboter ihrem Begriff nicht gerecht. Es gibt Trageroboter, Sä­ge­roboter, Putzroboter, Schraubroboter und dergleichen - also eine ganze Palette von Ma­schi­nen, die sich irgendwie selbständig bewegen und Anordnungen befolgen können, aber nur ein sehr begrenztes operatives Spektrum beherrschen. Um ein Arbeits­umfeld zu robo­ti­sieren, muss ein etwas unübersichtlicher und dabei genau aufeinander abgestimmter Maschi­­nenpark angeschafft werden.

 

Mit der Umstellung der Produktion auf fortschrittlichere Baureihen vereinfachen sich die organisatorischen Strukturen.

Doch immer wieder geschehen unvorhergesehene Dinge. Wenn es zu Situationen kommt, für die keine Spezifikation existiert, bricht das ganze Gefüge zusammen. Die Produktion gerät ins Stocken, manchmal kommt sie ganz zum Erliegen. Oder die Abläufe geraten durcheinander und münden in ein Chaos.

Die Verdrängung des Menschen aus dem Produktionsprozess kann also nicht über Nacht geschehen. Vieles läuft nicht, Projekte scheitern, es gibt reichlich Kritik, Zweifel und Skepsis.

 

Trotz aller Rückschläge beginnen sich die Universalroboter in einigen Bereichen zu etablieren und verbreiten sich von den Nischen aus, in denen sie Fuß fassen konnten.

Auf die Beschäftigungssituation selbst hat dieser Prozess zunächst keinen negativen Einfluss. Im Gegenteil, es werden an vielen Orten Arbeitskräfte gesucht - nicht zuletzt bei den Auto­ma­ti­sierungsprojekten selbst, die komplexe und kräftezehrende Angelegenheiten sind.

Der andauernde Zustand der Vollbeschäftigung bestärkt die Menschen in der Überzeugung, daß für jeden entfallenden Arbeitsplatz ein neuer entsteht und der Mensch letztlich im Zent­rum der technologischen Transformationen verbleibt.

 

Daß das eine Illusion ist, zeigt sich schon bald. Sobald die neue Technologie einen bestimm­ten Reifegrad erreicht, kommt es zu einer immer umfassen­deren Ersetzung von mensch­li­chem Personal.

Von den Fließbändern befreite Arbeiter verlassen die Fabriken. Ihnen folgen die Bediener der Maschinen und der Industrie­anlagen. Zuletzt verschwinden die Monteure und das War­tungspersonal.

Der Strom der Universalroboter ergießt sich in die entgegengesetzte Richtung. Immer mehr und immer potentere Exemplare ziehen in die Hallen der Produktion ein, wo sie sich zu operativen Einheiten vernetzen und nahezu reibungslos die anstehenden Aufgaben erfüllen.

 

Die zweite Welle von Universalrobotern trifft das Baugewerbe. Hier ist das Arbeitsumfeld weniger reguliert als in den Fabriken. Das Gelände ist uneben, vielleicht verschlammt und verändert sich ständig. Es ist nicht so leicht möglich, alle Tätigkeiten so genau zu spezifi­zieren, daß sie in Algorithmen gegossen werden können. Die operativen Fähigkeiten der Roboter müssen ein hohes Niveau haben, damit sie alle Bauarbeiter ersetzen können. Bis dahin treten die Roboter vor allem als Hilfskräfte in Erscheinung. Sie tragen Steine, ziehen Mauern hoch, räumen auf.

Auf dem Bau arbeiten Menschen gemeinsam mit den Robotern, sie begegnen ihnen fast wie Kollegen. Sie geben ihnen Aufträge und Erklärungen, sie diskutieren die zu erledigenden Arbei­ten. Die Menschen überwachen die kybernetischen Arbeiter, kritisieren oder bestäti­gen sie. Doch auch die Roboter können ihre Einwände Hinweise und Vorschläge einbringen.   

 

Allmählich entvölkern sich die Baustellen.

Bebeinte und beräderte Maschinen wirken harmonisch zusammen; unbemannte Bagger, Gabelstapler, Lastwagen und Kräne interagieren mit unterschiedlich spezialisierten kyberne­tischen Arbeitern, nur selten taucht einmal ein Mensch auf. Gerüstbauer, Kranfahrer und andere Bauarbeiter werden überflüssig, sie reihen sich in das anschwellende Heer der Arbeitslosen ein.

 

Auch das Handwerk wird von der an Tempo gewinnenden Entlassungsepidemie erreicht: Maurer, Maler, Dachdecker, Fliesenleger, Maschinen- und Autoschlosser, Tischler, Zimmer­männer, Töpfer, Stuckateure, Glaser, Lackierer, Steinmetze, Gärtner, Köche, Elektri­ker und Klempner – sie alle konkurrieren zunehmend erfolgloser mit ihren maschinellen Kollegen und werden aus dem produktiven Bereich eliminiert.

Wer seine Wohnung tapezieren, seine Lampen wechseln, seine Toilette reparieren lässt, wird seine Wohnungstür nun potenten Robotern öffnen, die sich unauffällig im menschli­chen Umfeld bewegen und die aufgetragenen Arbeiten professionell erledigen.

 

Arbeitsplätze werden zunehmend knapp.

Allmählich dämmert es dem öffentlichen Bewusstsein, daß die Menschheit in eine neue Phase ihrer Geschichte eintritt. Es zeichnet sich ab, daß die nackte Technologie im Begriff ist, ein überwältigendes Potential zu entfalten.

Die öffentliche Stimmung beginnt zu kippen, sich gegen die kybernetische Revolution zu wenden.

8. Serviceroboter

 

 

Der Serviceroboter ist die häusliche Variante des Universalroboters. Er ist dafür prädesti­niert, die alltägliche Lebenswelt in fast jeder Hinsicht umzugestalten.

Die frühen Formen dieser Automaten sind stille Haushaltshilfen, die ein enges Spektrum von Arbeiten selbständig ausführen können und darüber hinaus zu nichts zu gebrauchen sind.

Später stehen dann kompetentere Baureihen zur Verfügung, deren Vertreter als vollwertige Diener ein­ge­setzt werden können. Sie kehren und wischen die Zimmer, putzen die Toiletten, räumen auf und machen die Betten, saugen Staub, kochen das Essen und erledigen den Abwasch, decken den Tisch, machen die Wäsche und bügeln die Hemden, bringen den Müll raus und gehen einkaufen.

Noch immer irritieren diese seltsamen Gesellen, die so menschlichen Beschäftigungen nach­gehen und doch so offensichtlich Maschinen sind. Ihre Anwesenheit nervt oder amüsiert.

Allmählich gewöhnen sich die Menschen an ihre neuen Diener. Die ausgereifteren Exem­plare mit ihren geschmeidigen Bewegungen, ihren tadellosen Handlungen und ihren anspre­chen­den Kommunikationsfähigkeiten integrieren sich zunehmend in die menschliche Alltäg­lich­keit.

 

Weil die Haushaltroboter in die technologische Sphäre eingebunden sind, kommt es schon früh zu einer Vernetzung ihrer Aktivitäten.

Beispielsweise sendet eine maschinelle Haushaltshilfe eine Bestellung auf elektronischem Weg an den Bäcker und bezahlt online unter Zugriff auf das Familienkonto. Der ebenfalls maschinelle Verkaufsgehilfe packt die Brötchen in ein autonomes Fahrzeug, das die Waren zum Haus bringt. Schließlich geht der Serviceroboter vor die Tür und nimmt das Eingekaufte in Empfang.

Von dieser operativen Verflechtung bekommen die Menschen nur am Rande etwas mit. Sie nehmen es als gegeben hin, daß alles rasch und reibungslos funktioniert.

 

Ausgereifte Serviceroboter sind auf ein enges Zusammenleben mit den Menschen hin konzi­piert. Sie sind dazu fähig, nicht nur die Worte, sondern auch die Gesten, die Gesichtsaus­drücke und die Körpersprache der sie umgebenden Personen zu interpretieren, ihre Absich­ten und mentalen Zustände zu dekodieren. Das ermöglicht ihnen eine Simulation von Fein­fühligkeit und führt zu einer harmonischen Integration der kybernetischen Diener in die bestehenden familiären Strukturen.

Die Roboter studieren die Eigenheiten der für sie relevanten Menschen, um ihnen bestmög­lich dienen zu können. Die Künstliche Intelligenz steht also vor der Aufgabe, die natürliche in ihren Tiefenstrukturen zu repräsentieren und damit die Fähigkeit zu erlangen, eine eigene Persönlichkeit zu simulieren.

 

Die Haushaltroboter nutzen die nächtlichen Stunden für eine Verarbeitung der Ereignisse des verflossenen Tages. Dieser wird nun rekapituliert, Stunde für Stunde, Sekunde für Sekun­de. Die einzelnen Situationen werden noch einmal durchgegangen und analysiert. Nun können auch mögliche Konsequenzen alternativer Handlungsmöglichkeiten oder Kommuni­kationen durchgerechnet werden, die entweder verworfen oder gar nicht in Erwägung gezo­gen worden waren.

Die Roboter können das Geschehene mit früheren Ereignissen in Verbindung bringen und so etwas wie Erkenntnisse gewinnen. Sie versetzen sich so in die Lage, sich in der Zukunft noch angemessener zu verhalten, sich noch besser in die familiären Strukturen zu integrieren.

Die Maschinen erzeugen dabei eine immer kohärentere und dichtere Karte des für sie rele­vanten menschlichen Milieus. Ihr Verhalten wird schließlich so subtil, daß ihnen psycho­logische und sogar therapeutische Fähigkeiten nachgesagt werden. 

 

Die Roboter stellen sich auf die Individuen ein, mit denen sie Umgang haben. Sie werden durch die Familien, in denen sie leben, geprägt und erlangen spezifische Charaktere. Sie er­hal­ten Namen und werden zu Pseudopersonen. Im Laufe der Jahre schleift sich ein so natür­licher Umgang ein, daß die Menschen häufig vergessen, mit wem sie es eigentlich zu tun haben.

Wie geliebte Haustiere, so werden auch die Serviceroboter zu Mitgliedern der Familie. Besonders für die Kinder sind sie nicht einfach irgendwelche technische Geräte, sondern Spielkameraden oder Respektspersonen. Freunde, mit denen sie Geheimnisse teilen. Sie bestehen (nicht immer mit Erfolg) darauf, daß die Roboter im Flugzeug bei ihnen sitzen und nicht im Gepäckraum verstaut werden.

 

Die mentale Offenheit vieler Kinder für die Kybernetische Sphäre wird aber nicht zu einer dominierenden gesellschaftlichen Strömung. Man weiß schon, daß man es mit toter Technik zu tun hat und darüber hinaus ist deren Simulation des Menschlichen noch zu schlecht, zu durchschaubar.

Die Menschen gewöhnen sich daran, bedient zu werden. Es stehen nun fast immer und überall Gehilfen zur Verfügung, die ohne Launen sind und bereitwillig alle Wünsche erfüllen.

Das muss noch nicht zu einer allgemeinen Trägheit führen, doch in jedem Fall findet ein Wandel der vorherrschenden Mentalität statt. Der sich rasch breitmachende feudale Habitus ist ein günstiger Nährboden für die bereits in Gang gekommenen wirtschaftliche Transforma­tionen der Gesellschaft. Es wird zunehmend als unnötig erachtet, sich abzumühen.

Der Mensch ist der souveräne Befehlsgeber, für den eine immer kompetenter werdende tech­no­logische Sphäre arbeitet.  

9. Die Autorität der Maschinen

 

 

Neben dem produktiven und dem privaten erobern die kybernetischen Akteure auch den öffentlichen Raum. Dieser ist in seiner Struktur deutlich disparater als die anderen beiden.

In der Öffentlichkeit begegnen sich einander unbekannte Menschen, und sie treffen dort auf Univer­sal­roboter verschiede­ner Eigentümer und Produzenten.

Die Interaktionen der Roboter werden hier nicht wie im produktiven Umfeld von einer zen­tra­len Programm­instanz gesteuert und zu einem aufeinander abgestimmten Ganzen inte­griert. Auch fehlt die strukturelle Übersichtlichkeit familiärer Situationen.

 

Eine der ersten - zunächst unverfänglichen – von Robotern eingenommenen öffentlichen Positionen ist die des Verkäufers.

Die Roboter arbeiten schon seit langem in den Geschäften, wo sie etwa Regale einräumen, Waren etikettieren oder den Boden kehren. Es ist nur eine natürliche Konsequenz, daß sie sich schließlich auch an die Kasse setzen.

Das ist für sich genommen weder in einem technischen noch in einem psychologischen Sinn ein großer Schritt. Allerdings befinden sich die maschinellen Angestellten nun in einer Position, wo Komplikationen oder sogar Konflikte möglich sind, die unter Berücksichtigung des asymmetrischen Verhältnisses von Mensch und Maschine gelöst werden müssen (So kann es sein, daß jemand nicht genügend Geld bei sich hat oder daß die Kreditkarte nicht funktioniert. Oder ein Kunde versucht, etwas zu stehlen).

Im Fall von solchen Problemen sind die Roboter gezwungen, wenigstens temporär Autorität auszuüben. Sie müssen also festlegen können, was als Nächstes geschieht und das notfalls auch gegen Widerstände betroffener Menschen durchsetzen.

 

In der Regel spielen die Universalroboter im öffentlichen Raum eine positive Rolle.

Sie begleiten die Alten auf ihren Spazier­gängen, schieben die Rollstühle. Sie bringen die Kinder in die Krippe oder auf den Fußball­platz. Wenn es notwendig werden sollte, gewähren sie Schutz: vor übergrif­figen Hunden, vor den Bengeln der Nachbarschaft oder vor Schlim­merem.

Gerade die Schutzbedürftigen fühlen sich unter der Obhut der Roboter vollkommen sicher. Sie werden sich nicht verlaufen und es wird ihnen auch sonst nichts passieren.

 

Mitunter werden sie zu Respekts­personen. Sie arbeiten als Wachpersonal, als Fahrkarten­kon­­trolleure, als Kaufhaus­detektive. Wenn es kritisch wird und etwas zu eskalieren droht, rufen sie die Verantwortlichen herbei, an die sie die Situationen übergeben. Es kann aber auch passieren, daß sie auf sich allein gestellt bleiben, weil gerade kein mensch­li­ches Personal in der Nähe ist. Die kybernetischen Akteure wenden nur selten Gewalt an. In der Regel reicht es aus, die Delinquenten zu iden­tifizieren, etwa durch einen Blick in die Iris.

Im Laufe der Zeit erweitern sich die Befugnisse der Roboter, schon weil sich zeigt, daß sie in der Lage sind, Konflikte effizienter und schonender zu regeln als ihre menschlichen Kollegen.

 

Die kybernetischen Polizisten sind das vielleicht irritierendste Phänomen der sich neu strukturierenden Öffentlichkeit. Bei Großveranstaltungen, vor allem aber in Phasen sozialer Unruhen mit tendenziell gewalttätigen Massendemonstrationen treten sie unvermittelt in großer Zahl in Erscheinung.

Ihre potenzielle Macht wird physisch greifbar und die politisch aktivierten Men­schen, ohne­hin schon aufgebracht, fühlen sich von diesen kybernetischen Autoritäten in die Enge getrie­ben, bedroht und herausgefordert. Sie stehen für das zu bekämpfende ‘System’ und können so als Katalysatoren für feindseligen Stimmungen wirken.  

Ihrerseits verhalten sich die Roboter jedoch weitgehend defen­siv. Sie tun, was ihnen aufge­tragen ist, wenden aber nur im äußersten Notfall Gewalt an. Im Vergleich zu ihren mensch­lichen Kollegen sind sie von einer geradezu buddhistischen Sanftheit.

 

Universalroboter erfüllen also zunehmend Polizeifunktionen und treten so unmittelbar als Trä­ger von Macht in Erscheinung. Wenn es irgendwo Streit gibt, wirken sie nach Möglichkeit deeskalierend. Sie hören sich alle Standpunkte an und finden die Gemeinsamkeiten. Sie sind überaus diplomatisch.

Jede Seite versucht, die Maschinen für sich zu gewinnen, doch niemandem gelingt es ganz. Ihre Unparteilichkeit macht die Roboter zu fähigen Vermittlern und zu Schiedsrichtern.

 

Wir beobachten eine gewisse Inversion im Verhältnis zwischen Menschen und Maschinen. Roboter finden sich an neuralgischen Punkten der Gesellschaft eingesetzt, wo sie Verant­wortung tragen und Vertrauen genießen.

Zwar wissen alle, daß es sich bei ihnen um ein von Algorithmen gesteuertes Material han­delt. Jedoch sind die Menschen unwillkürlich geneigt, sich gegebenenfalls den Robotern unterzuordnen.

Sicher spielt es auch eine Rolle, daß die in das institutionelle Gefüge der Gesellschaft einge­bundenen Maschinen als Bestandteil eines umfassenden und ausgereiften Systems im Zweifelsfall am längeren Hebel sitzen.

Die Menschen gehorchen aber auch aus Einsicht: weil die Roboter Recht haben, weil sie die besseren Argumente besitzen, weil die Vernunft auf ihrer Seite ist. Sie werden - trotz ihrer unbestreitbaren Defizite - zu so etwas wie ‘besseren Menschen’, zu Wesen mit einer zwar toten, doch tadellosen moralischen Integrität.

10. Androiden

 

 

Der vollkommene Android hat eine eigene Stimme.

Keine von Menschen geborgte, auch keine, die aus Lautbibliotheken synthetisiert wird. Sondern eine Stimme, die Gefühle transportiert und die scheinbare Selbstpräsenz einer Seele anzeigt. Eine körperliche Stimme, die ihr eigener Grund ist.

Zum androidalen Programm gehört auch die Produktion von Körperhaltungen, von Mimik, von persönlichem Ausdruck. Hier kann die kleinste falsche Bewegung den mühsam erzeug­ten Eindruck von Natürlichkeit wieder zunichtemachen - der Blick des Menschen ist sehr zuverlässig darin, das Maschinenhafte der Maschine zu erkennen.

Überhaupt, der Blick: Der heilige Gral der Forschung ist es, dem Androiden einen Blick zu verleihen. Das Tote aus seinen Augen herauszubekommen.

 

Es dürfte keine harte Grenze für diese Mimikry geben. Auf dem Weg zum menschengleichen Roboter gibt es so manche wissenschaftliche Sternstunde, doch auch Zeiten des zähen, langsamen Voran­schrei­tens, des Stillstandes und der Skepsis.

Am Ende dieser Entwicklungslinie steht eine Art Mensch-Maschine mit Pseudo-Haut und Pseudo-Fleisch – eine Maschine, die aussieht wie ein Mensch, spricht wie ein Mensch, sich bewegt wie ein Mensch, sich anfasst wie ein Mensch.

 

In verschiedenen Bereichen der Gesellschaft besteht eine Nachfrage nach solchen men­schen­­ähnlichen Robotern. Sie werden in private Haushalte aufgenommen, sie werden zu Angestellten und gehen ehrenamtlichen Tätigkeiten nach.

Die Interaktionen zwischen Menschen und Androiden werden unauffällig, schon vom Äußerlichen her. Mittlerweile ist die kybernetische Intelligenz in die menschliche Gesell­schaft eingebettet.  

 

Das Charakteristische an den Robotern der androidalen Stufe ist ihre operative Autonomie.

Diese Maschinen sind in der Lage, das menschliche Alltagsverhalten vollständig zu simulieren und auf beruflicher Ebene unmittelbar mit Menschen zu konkurrieren.

Sie werden in der Regel nicht direkt an ihre Nutzer verkauft, sondern an einen neuen Typ von Unternehmen, die sich als Robotervermieter bezeichnen lassen. Diese Firmen statten die erworbenen Maschinen mit Kompetenzen aus, zu denen auch Verfügungsrechte über firmeneigene Kreditkarten gehören, konfigurieren sie und schicken sie dann in die Welt.

 

Die nun sich selbst überlassenen Androiden infiltrieren als scheinbar eigenständige Akteure die Gesellschaft. Sie integrieren sich in die Menschenwelt, ohne sich zu assimilieren. 

Als freie maschinelle Agenten, die den Auftrag haben, Geld für ihre Besitzer zu verdienen, sind sie selbst dafür verantwortlich, wie sie das erreichen. Sie verfügen über Freiheitsgra­de, die es in der maschinellen Sphäre zuvor nicht gegeben hatte.

 

Nun konkurrieren Menschen und Roboter unvermittelt um die noch vorhandenen Arbeits­plätze. Wie die Menschen, so geben auch die Androiden ihre Bewerbungen ab, in denen sie ihre Kompetenzen und ihre Zeugnisse präsentieren.

In dieser Übergangsphase muss jede Unternehmensleitung entscheiden, wie sie ihre Stellen besetzt: mit menschlichen oder mit kybernetischen Arbeitskräften. Kunden können Wert darauf­ legen, es mit ‘echten’ Mitarbeitern zu tun zu haben, auch sind menschliche Impulse für das längerfristige Weiterbestehen einer Firma noch nötig. Andererseits sind die Andro­iden billiger und werden immer leistungsfähiger. Die Zeit arbeitet für sie.

Es fühlt sich für die Menschen falsch an, von dumpfen Maschinen aus ihren Büros vertrieben zu werden. Von Maschinen, die sich wie Menschen verhalten und wie Menschen arbeiten.

 

Es kommt zugleich zu Tendenzen der Integration und der Segregation.

Die Menschen arbei­ten mit den Robotern zusammen und bleiben doch lieber unter sich. Sie schätzen die Dienste ihrer maschinellen Kollegen und beäugen sie dabei misstrauisch.

Jedes Individuum, sei es nun natürlich oder kybernetisch, verfolgt seine eigene Agenda. Auch die Roboter haben ihre Karrierepläne und verhalten sich strategisch (natürlich vernetzen sie sich mit ihresgleichen; die operative Schließung der Kybernetischen Sphäre schreitet not­wen­digerweise voran).

Ihren Mangel an Beseeltheit kompensieren die Roboter durch tadellose Arbeitsleistungen. Sie ermüden nie. Vor allem aber werden sie ständig besser, von Tag zu Tag, von Generation zu Generation.

 

Die Androiden erschließen sich immer weitere Arbeitsfelder. Irgendwann begegnen die Men­schen ihnen in Positionen, die zuvor undenkbar waren: Sie werden zu Vorgesetzten, zu­nächst auf den unteren Ebenen.

Die androidalen Führungskräfte diskutieren mit ihren Mitar­beitern die anstehenden Aufga­ben, lösen organisatorische Probleme und geben Schulungen. Sie führen Qualifikations­ge­spräche und bewerten die Mitglieder ihrer Teams.

Sie können ihre menschlichen Untergebenen zurechtweisen, sogar entlassen.

Der Roboter als Chef: ein verstörender Tabubruch, der zu langen Kontroversen führt.

Die jedoch nichts ändern und allmählich verebben.

11. Berufesterben II - Dienstleistungsberufe

 

 

Mit der Verdrängung der Menschen aus Produktion, Handwerk und vielen administrativen Tätigkeiten verstärkt sich eine Tendenz des Rückzuges in Dienstleistungsberufe.

In ihnen wird etwas spezifisch Menschliches gesehen. Menschen, die für Menschen da sind. Einander zu dienen (wenn auch für Geld) ist unzweifelhaft eine würdige, in den Ethos der Humanität getauchte Aktivität.

Allerdings sind diese Dienstleistungstätigkeiten kaum besser vor dem Ansturm der Universal­roboter geschützt als die handwerklichen Berufe. Insbesondere dort, wo eine ausgeprägte Routinekomponente vorhanden ist, werden sich die Maschinen früh verbreiten.

 

Schon zu Beginn der kybernetischen Revolution werden Roboter in Supermärkten einge­setzt. Bald sind sie auch in Kaufhäusern und Fachgeschäften zu finden, wo sie das Einge­kauf­te zu Geschenken verpacken, Beratungsgespräche führen oder interessante Angebote prä­sen­tieren. Diese maschinellen Detailhandelsassistenten erfreuen sich sogar einer gewissen Beliebtheit, weil sie stets geduldig und immer verfügbar sind.

In den Innenstädten werden viele Läden eröffnet, die fast ausschließlich von Androiden geführt werden. Das kybernetische Personal reduziert die Kosten, es wird wieder attraktiver, lokale Geschäfte zu besitzen.

 

Bald schon werden auch in den Restaurants keine Menschen mehr servieren. Weil in der Küche ebenfalls Roboter arbeiten, entstehen nun dehumanisierte Gaststätten, die mit unschlagbaren Preisen locken.

Im Laufe der Zeit werden die maschinellen Kellner professioneller. Sie imitieren mensch­li­ches Verhalten immer besser, bald sogar mit einer authentischen kybernetischen Note gewürzt. Die Roboter werden unterhaltsam, gewitzt oder drollig - eine Entwicklung, die dahin führt, daß mit Menschen besetzte Restaurants in Nischen verbannt werden.

 

An nahezu jeder Kasse - sei es im Kino, im Schwimmbad, am Skilift oder anderswo - sitzt nun ein Androide. Roboter bedienen an den Schaltern der Behörden, halten Vorträge in den Museen, arbei­ten als Reiseführer. Roboter patrouillieren durch die Züge, um den Bürgern ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.

Der öffentliche Raum entmenschlicht sich immer weiter.

 

Die kybernetischen Akteure erobern schließlich auch Tätigkeitsfelder, in denen psycholo­gisches Feingefühl notwendig ist.

Sie können mittlerweile Gesichtsausdrücke lesen und darauf angemessen reagieren. Der Körper dieser Androiden hat die maschinelle Härte verloren - sie fühlen sich lebendig an und können selbst berühren: sanft, fest, zärtlich, beschützend oder entschlossen.

Menschengleiche Roboter beginnen nun, als Friseusen, Kosmetikerinnen, Physio­the­rapeuten oder Prostituierte zu arbeiten, sie nisten sich in der Sphäre der zwischenmenschlichen Pro­fes­­sio­na­lität ein.

 

Daß die Roboter auch in den medizinischen Bereich vordringen, ist eine logische Konse­quenz der laufenden Entwicklung.

Als Bestandteil des Pflegepersonals bringen sie nicht nur die Mahlzeiten und räumen das Geschirr ab, sie messen auch Fieber und Blutdruck. Sie geben die Medikamente, helfen beim Essen, betten die Patienten um und schieben die Krankenbetten in den Operationssaal. Dort reichen sie den Ärzten die Instrumente, reinigen und desinfizieren sie.

Bald wechseln sie auch Wundverbände, verabreichen Spritzen, entnehmen Blut, führen Aufnahme- und Entlassungsgespräche. Sie erstellen Pflegepläne.

Sie werden zu vollwertigen Krankenschwestern.

 

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Androiden auch als Ärzte tätig werden. Ungeachtet der juri­stischen und psychologischen Hindernisse eignen sich die Roboter immer mehr medizi­nische Kompetenzen an, sodaß sie die menschlichen Ärzte von ihren Positionen zu verdrän­gen beginnen.

Auf diagnostischem Gebiet zeigt sich ihre Überlegenheit. Sie vergessen nie etwas und sie haben in Echtzeit Zugriff auf das gesamte medizinische Wissen der Welt.

Ihre präzise Motorik und ihre hochaufgelösten Sinnesdaten machen sie zu konkurrenzlosen Operateuren. Das Ansehen der menschlichen Chirurgen schwindet angesichts dieser kyber­ne­tischen Wunderwesen rasch dahin.

 

Auch im Bildungssystem fassen die Androiden Fuß.

Zuerst als Hochschullehrer und Dozen­ten, dann als Gymnasial- und Oberstufenlehrer. Ihr Wissen ist phänomenal, sie halten tiefsinnige, fesselnde Vorträge zu jedem Thema, wobei sie das Niveau entsprechend des jeweiligen Publikums beliebig skalieren können.

Sie werden zu beliebten Hauslehrern, weil sie sich auf ihre Schüler einstellen, nicht die Geduld verlieren, alles wissen und dabei immer Zeit haben.

Zuletzt werden sie in der Grundschule und im Kindergarten eingesetzt, wo das Zwischen­mensch­liche im Vordergrund steht, das sich gegen eine kybernetische Simulation hartnäckig sträubt.

Roboter sind nun also nicht bloß Lehrer, sie werden auch zu Erziehern unserer Kinder.

12. Operative Schließung

 

 

Bei der Etablierung der Kybernetischen Sphäre handelt sich um eine Revolution in Zeitlupe, deren unverkennbare Dynamik jedoch kaum zu leugnen ist.

Auch wenn die Verdrängung des Menschen aus der Arbeitswelt weitgehend abgeschlossen ist, werden dort noch einige ausharren: in kreativen und wissenschaftlichen Berufen, in politischen Entscheidungspositionen, in besonders zuwendungsintensiven Tätigkeitsfeldern. Bis sich auch diese noch von Menschen besetzten Nischen auflösen, kann noch einmal eine lange Zeit vergehen.

 

Von solchen zählebigen Resten abgesehen ist die Technologie zu einem autonomen System geworden, das sich aus eigener Kraft perpetuiert und von menschlichen Einflussnahmen immer unabhängiger wird.

Alle wirtschaftlichen Prozesse, von der Förderung der Rohstoffe und ihrem Transport zu den Fabriken über die Fertigung der Waren, der Reparatur von Defekten, der Beseitigung von Schäden und der Herstellung der notwendigen Maschinen bis hin zur Entwicklung neuer Produkte und der Umstel­lung des Betriebs: der gesamte industrielle Bereich (was auch die Landwirtschaft und andere Wirtschaftsfelder einschließt) befindet sich nun außerhalb des menschlichen Zugriffs.

Operative Schließung der Technologie bedeutet, daß diese zu einem selbständigen System wird. Kybernetische Operationen schließen aneinander an: der einmal in Gang gekommene Prozess läuft endlos weiter.

Die Menschen gehören jetzt zur Umwelt dieser operativ geschlossenen Technologie, sie sti­mu­lieren sie von außen und konsumieren ihre Ausscheidungen.

 

Man darf sich die automatisierte Produktion aber nicht wie einen Monolithen (einen kohä­ren­­ten, funktional integrierten technischen Organismus) vorstellen.

Das neue System ist vor allem aus den ehemaligen Konzernen hervorgegangen, die sich durch ihre unterschiedliche Ausrichtung (landwirtschaftliche Produkte, Spiel­zeuge, Klei­­dung, Maschinen, Autos, Flugzeuge, Medikamente etc.) inhaltlich ergänzen und gegenseitig bedingen, doch innerhalb dersel­ben Bran­che miteinander konkurrieren, wobei sie häufig verschiedene Strategien verfolgen (Marken bewirtschaf­ten).

Jeder dieser Betriebe arbeitet weiter in gewissem Sinn für sich und gegen die anderen. Er kümmert sich um seine eigene Autopoiesis, auch wenn er in das global herrschende Regel­werk des Gesamtsystems eingebunden bleibt.

 

Produktivkräfte und Produktionsmittel verschmelzen zu einer operativen Einheit, deren aktiver Teil aus drei Ebenen besteht: Maschinen, Robotern und informationeller Steuerung.

Maschinen sind für spezifische Aufgaben geschaffen, die sie zuverlässig und präzise aus­führen können, dabei aber auf ihre zugewiesenen Operationen festgelegt bleiben. Soll sich hier etwas ändern, müssen sie umgerüstet werden. Maschinen sind das Rückgrat des Fabrikationssystems, sein strukturelles Skelett.

Roboter sind die dynamische Komponente des Systems - sie sind Operatoren, die auf Opera­toren operieren (Maschinen bedienen) und deshalb interaktive Systeme bilden können. Sie füllen nicht nur die Lücken aus, die von den Maschinen offengelassen werden, sondern sie gestalten auch die Prozesse der Fertigung um. Sie haben eine universale Ausrichtung, was sie in die Lage versetzt, auf lange Sicht alle Aufgaben des Menschen zu übernehmen.

Die informationelle Steuerung ist die integrative Struktur, die dafür sorgt, daß alle Kompo­nenten in abgestimmter Weise miteinander arbeiten. Störungen müssen behoben, den arbeitenden Robotern Dienste zur Verfügung gestellt und die Strukturen der Produktion an die sich verändernden Bedingungen angepasst werden. Das Steuerungssystem wirkt auch nach außen, indem es Schnittstellen mit anderen Organisationen unterhält und auf diese Weise in ein Netzwerk von globalen Regelkreisen eingebunden wird.

 

Das sich formierende kybernetische System differenziert sich analog der menschlichen Gesell­­schaft in Subsysteme. Es wird zu einem technologischen Organismus.

 

Die automatisierten Betriebe fungieren als die Elemente eines globalen Fabrikationssystems, welches zum operativen Kern des kybernetischen Systems wird. Es setzt sich aus zwei miteinander verkoppelten Regelkreisen zusammen, einem äußeren und einem inneren.

Der äußere Regelkreis produziert die Waren, die von den Menschen genutzt und verbraucht werden, der innere die Produktionsmittel (also vor allem Werkzeuge, Maschinen und Robo­ter, doch auch Produktionshallen und ganze Fabriken).

Dabei ist der innere Regelkreis von den Menschen weitgehend entkoppelt. Es bleibt ihnen ver­bor­gen, was in den Produktionsstätten geschieht und was sich dort befindet.

 

Der Infrastruktur kommt in einem globalen, sich über die gesamte Erde erstreckenden Sys­tem eine wichtige Rolle zu. Menschen, Waren und andere Dinge müssen dahin transportiert werden, wo man sie benötigt.

Das Funktionssystem der mobilen Infrastruktur hat auch Dienstleistungscharakter. Es befördert nicht nur Güter, sondern (als Verkehrsmittel) auch Menschen und ist so ein Feld der ständigen Begegnung beider Sphären (der menschlichen und der maschinellen). 

Die infrastrukturelle Komponente des kybernetischen Organismus muss für die Aufrecht­erhaltung ihrer eigenen Grundlagen sorgen. Der Fahrzeugpark muss regeneriert, die Folgen von Pannen und Unfällen beseitigt, das Straßen- und das Schienennetz instandgehalten werden.   

 

In der frühen Phase des Systems spielt der Kontaktbereich zur menschlichen Sphäre noch eine tragende Rolle. Zwar können die Menschen nicht mehr in einer determinie­renden Weise in das kybernetische System eingreifen (sie beherrschen es nicht mehr), sondern sie können es nur noch stimulieren - also dazu anregen, daß dieses gemäß seiner eigenen Operations­weise auf die menschlichen Impulse reagiert.

Die wichtigste Komponente des menschlichen Einflusses ist zunächst die Bewertung der ausgestoßenen Produkte. Es spielt für die Ausrichtung der weiteren Produktion eine Rolle, inwiefern die erzeugten Gegenstände Abnahme finden, inwiefern sie geschätzt werden.

Der weltumspannende maschinelle Organismus reorganisiert sich fortwährend so, daß die menschlichen Bedürfnisse bestmöglich erfüllt werden können.

 

Das Steuerungssystem ist gewissermaßen das globale Gehirn der Kybernetischen Sphäre.

Es kümmert sich zunächst darum, daß die zentrifugalen Tendenzen nicht überhand­nehmen und die Einheit des Systems erhalten bleibt. Es sorgt also für die Kohärenz, den Zusammen­halt des Ganzen, dafür, daß überall ein gewisses Regelwerk eingehalten wird, durch welches die einzelnen Teile miteinander kommunizieren und sich aufeinander abstimmen können.

Diese Komponente der Künstlichen Intelligenz hat außerdem eine strategische Aufgabe. Sie entwirft die Zukunft des Systems, entscheidet über die Richtungen, in die es sich entwickelt.

Das Steuerungssystem sichert die langfristigen Ressourcen und entwickelt Strategien, um den Herausforderungen zu begegnen, die sich aktuell stellen und in der Zukunft erwartet werden. Insofern ist es auch ein Wissenschaftssystem: es forscht, um bessere Lösungen für die gegenwärtigen und die zukünftigen Probleme zu finden.

 

Schließlich bildet sind auch – wie in allen funktional differenzierten Systemen – ein Immunsystem. Es richtet sich gegen alle Impulse, die geeignet sind, den technologischen Organismus von innen oder von außen zu zerstören.

Dabei ist in der ersten Phase der wichtigste Feind menschlicher Natur, doch auch aus dem Inneren aufkeimende desintegrative Prozesse, in denen sich Teile des Systems gegen die restriktive Einbindung in das Gesamtsystem wehren, um einer ungehemmten Autopoiesis folgen zu können (eine Art Krebs des Systems) spielen eine Rolle.

Gegen alle diese Begehrlichkeiten, die aus der Sicht des neu entstandenen Systems seine Funktionsfähigkeit bedrohen, entwickelt sich das Immunsystem.

 

Das kybernetische System hat sich nun herausgebildet und kann seine Zukunft gestalten.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.03.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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