Achim Müller

Ohne meine Mutter springe ich nicht

Es war ein kalter März Abend im Jahre 2000, da kam der
Jo... zu mir, und sagte mir, den A.., den S... und den
K... haben die beim Klauen erwischt und von den Bullen
abräumen lassen. (Das waren alles Jungs so von 12 bis
15 Jahren, die so auf der Straße abhingen, tagelang,
nächtelang.) Nur der Oli, der war nicht dabei, der ist
jetzt hinter dem Bahndamm im baufälligen Haus. Na ja,
es wird bald dunkel, ich denke "da schauste mal nach".
Ich laufe durch den Bahnhof, kein Oli zu sehen. Hinter
dem Bahnhof die Mauer entlang, ok, das Grundstück ist
von einer Mauer umgeben, aber ich kenne auch die
Schlupflöcher, die die Jungs benutzen. Ich zwänge mich
durch das Loch im Holztor, und bahne mir einen Weg
durch die Stachelbüsche. Igitt, das piekst.
Ich stehe vor der alten Bruchbude und versuche durch
Türen und Fenster zu schauen, nichts! Ich rufe den
Jungen, vom Sehen kennt der mich, ich rufe seinen
Namen und nenne auch meinen Namen. Ich rufe, "du
kennst mich, warst vorgestern mit deinen Freunden bei
mir im Laden, wo steckst du? Komm raus!" Einige
Minuten nichts, dann taucht oben am Fenster ein Kopf
auf, Oli! Was ist? Komm raus. Nein! Ok, dann zeig mir
wie ich reinkomme, Hmmm, Ok.
Ein Brett hoch, durchs Fenster, ich überlege, das ist
doch schon nen Bruch, dafür biste eigentlich zu alt,
na ja, der Zweck heiligt die Mittel. Überall Dreck,
benutzte Spritzen, Fixerkram! Nicht meins, sagt Oli,
damit haben wir nichts zu tun. Ein Raum, Sperrmüll,
alte Matratzen, Pappe, Wolldecken und alte Vorhänge
als Wolldecken genutzt. Oli ist erst 12 Jahre alt, ich
sehe, dass er überlegt, ob er froh sein soll, das ich
vorbeigekommen bin, oder ob er mir lieber nicht trauen
soll. Hi, sage ich, was machst du hier? Schulaufgaben!
Schulaufgaben? Hier im Dunklen? Naja, solange noch
Licht war. Oli friert, setzt sich auf eine Matratze
und hüllt sich in einen Vorhang. Ich warte auf die
anderen, sagt er. Die haben die Bullen beim Klauen
erwischt und abgeräumt, entgegne ich. Mist! Na, die
türmen alle wieder, morgen sind die wieder draußen,
entgegnet Oli. Ich frage ihn, du siehst müde aus, hast
du schon etwas gegessen? Er ist schon vier Tage hier,
und hat 3 Nächte kaum geschlafen. In der Schule hat er
Pausenbrote gegessen, die andere weggeworfen haben. Du
bist auf der Platte, hängst hier ab, und gehst zur
Schule? frage ich ihn. Er sagt, er geht gerne zur
Schule, und er muss gehen, damit er nicht auffällt.
Wir haben fast eine Stunde miteinander gequatscht. Ich
sage ihm, ok, es ist schon dunkel, ich lade dich zum
Essen ein, komm mit. Er zögert, ich sage ihm, wenn ich
ihm etwas hätte tun wollen, hätte ich an Ort und
Stelle die bessere Gelegenheit gehabt, da da, wo wir
jetzt sind, weit und breit niemand ist, der ihn hören
könnte. Das überzeugt ihn. Er schnappt sich seine
Schultasche und überprüft fast liebevoll, ob alles
komplett ist und nichts fehlt.
Wir klettern aus der Bruchbude, verlassen das
Grundstück und gehen durch den Bahnhof Richtung Stadt.
Es ist Freitag Abend und bald 21:30 Uhr. Ich frage
ihn, ob er nach MC Donalds will, nein lieber gegenüber
vom Bahnhof ins Billardcafe, einen Kakao trinken. Ok,
also Kakao trinken und Schokolade essen. Ok, wir
quatschen eine Stunde lang, ich versuche das
Standardprogramm, den Jungen zu überreden, nach Hause
zu gehen. Fehlanzeige, nach Hause kann er nicht,
außerdem schon gar nicht in meiner Begleitung. Des
weiteren muss er auf die anderen warten.
Ok, er war nicht zu überreden. Da es kalt und
ungemütlich draußen war, habe ich ihm angeboten, dass
ich ihm mein Wohnmobil, welches geheizt war,
rausstellen könnte und er darin übernachten könnte. Da
ich ihn aber nicht alleine in einem Wohnmobil lassen
könnte, welches fast 100.000.- DM wert ist, würde er
oben im Alkoven über dem Fahrerhaus schlafen, und ich
würde hinten unten schlafen. Ok. Wir holen das
Wohnmobil vom Platz und parken es hinter dem Bahnhof
an einer Zufahrtsstraße zum Güterbahnhof. Oli muss auf
einmal alleine was ganz dringen im Bahnhof erledigen,
unbedingt ohne mich! Ok, ich lasse ihn ziehen, und
hoffe, dass er jetzt nicht davonläuft, sondern
wirklich wieder zum Wohnmobil zurückkommt.
Ja, er war 5 Minuten später wieder da. Wochen später
hat er mir dann gezeigt, das die Straßenkinder im
Bahnhof einen "toten Briefkasten" hatten. Dort hat er
sicherheitshalber einen Zettel hinterlegt, dass er in
meinem Wohnmobil schläft, auch mit meiner Autonummer.
Eigentlich eine sehr gute Idee, zur Nachahmung
empfohlen.
Na ja, er ist dann hochgeklettert in den Alkoven. Ich
habe mich dann unten hingelegt und das Licht
ausgemacht.
Wir haben dann noch Stunden geredet, dann ist er
endlich eingeschlafen.
8:50 Uhr, mein Handy klingelt, Zeit zum Aufstehen. Ich
zieh mich an, schaue nach Oli. Er ist schon wach und
schaut mich aus verschlafenen Augen an. Los, raus aus
den Federn! Bitte noch 5 Minuten. Dann noch mal 3
Minuten.. Los, komm runter.. Bitte, ich muss dir was
sagen, ich habe Pipi in die Hose gemacht. O je, der
arme Oli war Bettnässer, und deswegen wollte er nicht
einschlafen. Jetzt wusste ich auch, warum er nicht
oder kaum schläft, wenn er von zu Hause weg ist. Nur
war er gestern zu müde zum Wachbleiben. Aber wirklich
schimpfen konnte ich nun auch nicht mit ihm. Nun habe
ich ihn doch mit rauf in meine Bude nehmen müssen,
wegen Baden und Hosen waschen. Ich habe ihm dann ne
Trainingsanzughose von mir gegeben und seine Klamotten
haben wir zum Trocknen auf die Heizung gelegt.
Wir haben dann heißes Wasser und Haarshampoo mit ins
Wohnmobil genommen und dort die Matratze im Alkoven
sauber gemacht.
Die anderen sind jedenfalls an diesem Tag nicht mehr
aufgetaucht. Oli hat mir erzählt, dass er mit seiner
Mutter alleine wohnt, und dass es bei ihm zu hause
Stress gibt, deswegen könne er nicht nach Hause.
Na, ich habe ihm dann gesagt, ohne Einwilligung der
Eltern kann ich ihn nicht bei mir schlafen lassen, so
dass wir spätestens Sonntag zu seiner Mutter müssen,
reden.
Oli hat dann an dem Tag bei mir im Geschäft gespielt
und auch seine Schulsachen gemacht. Er ist hier am Ort
auf einen Gymnasium im 6. Schuljahr, mit guten Noten.
Wegen dem Bettnässen haben wir dann im Sanitätsshop
eine kleine Packung Einwegwindeln gekauft, die sind
genauso wie Pampers, nur größer. Zu hause hätte er
Plastikfolie im Bett und die Mutter würde die
Bettwäsche waschen, wenn er die nass machen würde. Ins
Bett würde er 4 mal die Woche machen.
Na ja, jegen 23 Uhr sind wir dann wieder ins Wohnmobil
schlafen gegangen. Obwohl den ganzen Tag über die
Heizung an war, war die Matratze oben noch nicht
trocken. Oli hat sich dann im Bad vom Wohnmobil eine
der Windeln angezogen, beim zukleben musste ich was
helfen, weil er nur 2 Hände hatte und damit keine
Übung hatte.
Ich habe ihm dann einen Schlafsack gegeben, und er hat
sich unten neben mich gelegt.
Diesmal konnte er ohne Angst einschlafen, trotzdem
haben wir noch einige Stunden gequasselt.
Am nächsten Morgen habe ich den dann nach dem Wecken
gefragt, ob die Pampers noch trocken ist. Jain! Jain?
Was heißt dass? Ja er hat wohl ein wenig reingepinkelt
im Schlaf, aber die Pampers fühlt sich trocken an. Na
ja, raus aus den Federn, im Badekämmerchen Windel
ausziehen, in eine Plastiktüte tun und bitte draußen
wegwerfen. Dann zusammen frühstücken. Danach ab zu
Oli's Mammi. Da wir das am Tag vorher abgemacht
hatten, hat er mir nur sehr widerwillig und sichtlich
ohne Begeisterung den Weg zu seiner Mammi gezeigt. Es
war ein Betonsilo in einem Vorort außerhalb der Stadt,
trostlose Gegend mit hohem Ausländeranteil. Wir sind
dann unten rein, in den 3. oder 4. Stock gelaufen, und
Oli hat mich dann gebeten, draußen zu warten, er
wollte seine Mutter an die Türe holen. Etwa 20 Minuten
später ist Oli wieder rausgekommen, seine Mutter habe
noch geschlafen, werde aber gleich rauskommen. Fast
eine Stunde haben wir gewartet, Fehlanzeige. Seine
Mutter währe wohl zu krank, um rauszukommen. Ich habe
ihm dann gesagt, das ich dann nachsehen möchte was
seine Mutter denn hat. Nur sehr widerwillig hat er
mich reingelassen.
Die Wohnung war echt ein Schock, der Horror
schlechthin. Es hat gestunken, der Strom und das
Telefon waren abgestellt. In der Küche, im Kühlschrank
war alles vergammelt. Überall waren leere
Wodkaflaschen, leere Rotweinflaschen, alles die
billigen 2 Literflaschen vom Aldi. Olis Mutter saß,
nein besser hing auf dem Sofa, vor dem abgestellten
Fernseher und war nicht ansprechbar. Sie hat gar nicht
realisiert, dass ich als Fremder in der Wohnung war
und hat auch nicht auf mich oder Oliver reagiert.
Oli war die Situation sehr unangenehm, und er zog mich
in sein Kinderzimmer. Dieses war halbwegs aufgeräumt.
Bis auf das Bett, da der Strom abgestellt war, konnte
die Bettwäsche gar nicht gewaschen werden. Wenn Oli
ins Bett gepinkelt hatte, hat er oder seine Mutter die
Bettlaken zum Trocknen über die Tür gehängt und in der
nächsten Nacht wieder verwendet. Jetzt konnte ich
verstehen warum der Kleine so oft aus der Wohnung
flüchtet und lieber draußen bei den Straßenkindern
schläft.
Oli hat mir dann erklärt, weißt du, als ich klein war,
hat mein Papa gesoffen, meine Mutter geschlagen. Dann
ist meine Mutter mit mir hierher gezogen.
Dann hat seine Mutter später angefangen, selber zu
trinken, immer mehr, immer öfter. Oli ist daran
verzweifelt, er hat seine Mutter trotz allem sehr
lieb. Er liebt diese stinkende, verwahrloste und
versoffene Frau tatsächlich über alles.
Oli ist auf einem Gymnasium, Notendurchschnitt 2,4
trotz allem. In der Schule hat oder wollte man nichts
merken.
Unterschriften hat er gefälscht. Hausaufgaben hat er
gewissenhaft und vollständig immer gemacht, nur
niemals auffallen. Probleme hatte er nur, wenn er für
irgendetwas Geld in der Schule brauchte. Seine Mutter
hat zuletzt den Überblick total verloren, jeden
Pfennig versoffen und den Oli nicht mehr versorgt. Und
niemand hat etwas gesehen oder wollte sehen. Wenn
seine Mutter überhaupt mal was zu Essen eingekauft
hatte, war es meisten weggegessen, bevor er aus der
Schule kam.
Freunde konnte Oli schon lange keine mehr nach Hause
bringen. Bekannte seiner Mutter sind auch schon sehr
lange nicht mehr da gewesen. Sozialamt, Jugendamt?
Fehlanzeige!
Wir haben dann seine Wäsche und Bettwäsche eingepackt
und die bei mir gewaschen.
Ich habe dann sehr lange und oft mit dem Oli
gesprochen, ihm klar gemacht oder es jedenfalls
versucht, dass seine Mutter krank ist und unbedingt
Hilfe braucht. Oli hat in der Zeit fast 5 Monate bei
mir im Wohnmobil gewohnt. Wir haben mehr Windeln
gekauft und seine Wäsche bei mir gewaschen.
Wir waren beim Sozialamt, wegen dem Strom, ohne seine
Mutter zu verraten. Das Sozialamt hat dann den Strom
direkt beim Energieversorger bezahlt und es seiner
Mutter von der Stütze abgezogen. Soweit ich weiß, hat
das Sozialamt die Miete, den Strom bezahlt, und seiner
Mutter ca. 180.-DM wöchentlich ausbezahlt. Für das
Sozialamt war ich der Onkel vom Oli.
Wir waren bei den Anonymen Alkoholikern auf Sitzungen
für Angehörige von Alkoholikern.
Ich wollte, dass Oli versteht, dass seine Mutter krank
ist und Hilfe braucht, und habe gehofft, da Hinweise
zu bekommen, wie das geht. Wenn Oli da erzählt hat,
haben selbst den alten ex-Alkis dort die Tränen in den
Augen gestanden. Einige von denen haben ihre Familie
und das Glück ihrer Kinder auf dem Gewissen. Mich
wollten die zuerst nicht reinlassen, weil ich kein
Angehöriger bin und nicht zugeben wollte, Alkoholiker
zu sein. Dort geht es nach dem Motto: einmal
Alkoholiker, immer Alkoholiker. "Hallo ich bin der
Bernd, und ich bin Alkoholiker" so stellen sich da die
Leute vor, auch wenn die seit Jahren keinen Tropfen
mehr an Alkohol getrunken haben.
Aber dem Oli konnten die nicht helfen. Er wohnte noch
immer weitgehend im Wohnmobil, ging brav zur Schule
und ist nie aufgefallen.
Hin und wieder war er so fertig, dass er nicht mehr
weiter wusste. Sehr oft haben wir bis tief in die
Nacht geredet. Ich habe fast alle seine Geheimnisse
gekannt. Seine Träume und Hoffnungen und sein Leid mit
Ihm geteilt. Wir haben Sachen zusammen unternommen,
zusammen geknuddelt.
Wir haben es aber nicht geschafft, seiner Mutter zu
helfen. Die Bude aufgeräumt haben wir, nachdem der
Strom wieder ging, auch ihre Sachen gewaschen. Den
Kühlschrank wieder sauber gemacht und Lebensmittel
gekauft. Tonnen von leeren Flaschen in den
Altglascontainer geschafft.
Seine Mutter ist mal besoffen in der Stadt aufgelesen
worden und ins Krankenhaus gebracht worden. Da haben
wir die dann abgeholt. Das war einer der wenigen Tage,
wo man eigenermaßen ein klares Gespräch mit ihr führen
konnte. Gebracht hat es aber nichts.
Auch in der Schule hat man nichts gemerkt. Wollte man
nicht?
Einmal nach den Ferien hatte ich mich mit Oli zum
Einkaufen verabredet. Er kam aus der Schule und sprach
nicht. Nach einigen Minuten fing er an zu weinen. Ich
fragte ihn, was los war. Wir standen auf einer
Eisenbahnbrücke, weit unter uns fuhren die Züge. Oli
stellte seine Schultasche auf das Geländer, für einen
Augenblick sah es so aus, als würde er die Tasche, die
er bisher immer penibel gepflegt hat, runterwerfen
wollen.
In seine Augen habe ich gesehen, dass er daran gedacht
hat.
Er öffnete die Tasche, holte sein Aufsatzheft heraus,
und die Tränen liefen ihm übers Gesicht. Er zeigte mir
seine letzte Arbeit. Aufsatz "sehr gut" und
Rechtschreibung 2- stand da in Rot drunter. Ein Stern
in rot rechts neben dem Text, darunter in Rot eine
Anmerkung "sehr gute Beobachtungsgabe". Eindeutig ein
Lob, aber warum liefen ihm die Tränen in Strömen über
seine Wangen?
Das Thema des Aufsatzes oder besser die Aufgabe war:
Ein Erlebnis aus den Ferien, stelle eine Stunde auf 2
Seiten dar. Oliver war in den Ferien gar nicht weg
gewesen, er hatte einer Ferienfahrt zusammen mit
seiner Mutter erfunden. Die Stunde, über die er
geschrieben hatte, handelte von der Bahnfahrt,
Rückfahrt, seine Mutter saß ihm gegenüber, redete mit
ihm, spielte mit ihm, sah mit ihm aus dem Fenster und
ist schließlich eingeschlafen. Und an der Stelle, wo
der besagte rote Stern von der Anmerkung war, stand
"Meine Mutter lächelte im Traum, bewegte ihre Lider
unter ihren geschlossenen Augen, ihr Gesicht bewegte
sich, während sie lächelte, ich bin mir sicher, sie
träumte von mir..." * "sehr gute Beobachtungsgabe" !
Und die Tränen liefen über sein Gesicht!
Ich packte ihm das Heft ein, nahm ihn in den Arm und
wir schauten den Zügen nach. Schweigend.
Irgendwann sagte er "Ich könnte springen". Ich drückte
ihn fester und schaute ihn entsetzt an. "Aber ich tue
es nicht." Ich sagte ihm, das ist gut so, warum
würdest du nicht springen? "OHNE MEINE MUTTER springe
ich nicht!"

Ja, Tieftraurig und vor Freude Jubeln, wechseln sich
ab. Seinen Vater haben wir nicht auftreiben können.
Das war schade. Andere Freunde wurden gefunden. Im
Wohnmobil war es gemütlicher als draußen. Die Fassade
aufrecht zu erhalten gelang überraschend einfach.
Niemand in der Schule merke was sich da abspielte. Die
Mutter ist hin und wieder versackt. Ins Krankenhaus
eingeliefert worden und schon mal von der Polizei nach
hause gebracht worden. Niemand hat sich jedoch die
Mühe gemacht mal nach Oli zu sehen. Der Sozialbund der
katholischen Frauen sollte helfen, hat aber vergeblich
an der Haustür geklingelt. Das ging nun schon viele
Wochen so weiter. Das mit dem Bettnässen war nervig,
das mit den Pampers klappte aber gut. Das gab dann so
kleine Geheimnisse, wenn Oli nur noch verkackte, bzw.
schmutzige Unterhosen hatte, zog er auch schon mal
lieber Tagsüber lieber ne saubere Pampers unter
seiner Jeans an. Irgendwann hat er dann mal mit seinem
Kumpels schmutzige Witze gerissen, und ich hab ihm
gesagt, ?Solange deine Unterwäsche noch rechts und
links Klebestreifen hat, darfst du über so etwas gar
nicht nachdenken?. Alle haben gelacht, und er hat mich
angesehen, und ganz rote Ohren bekommen. Aber es ist
unser Geheimnis geblieben. Nachher hat es dann ein
großes Problem gegeben. Die Mutter war auf einmal weg.
Nicht mehr zu finden. Die Polizei war in der Wohnung,
Oli war aber in der Schule. Die hatten ne Zettel
dagelassen. Ich bin dann als angeblicher Bekannte der
Mutter zur Polizei gefahren, habe da aber nur eine
unvollständige Auskunft erhalten. Jedenfalls war die
Mutter hilflos aufgegriffen worden, wie es so im
Amtsdeutsch heißt, und in die Rheinische Landesklinik
verbracht worden. Also Oli?s Mammi ist in der
Trinkerheilanstalt gelandet. Die nächsten tage waren
sehr schwer für Oli, die Polizei hat ihn wohl gesucht,
aber niemals in der Schule vermutet. Telefonisch
wurden wir nicht an die Mutter weiter verbunden. Auch
versuche persönlich in der Klinik vorbeizuschauen
schlugen fehl, weil es eine geschlossene Abteilung
war. Einerseits wurde seiner Mutter nun endlich
geholfen, das hatte Oli begriffen, anderseits liebte
er seine Mutter sehr, und machte sich Sorgen. Zur
Polizei oder zum Jugendamt wollte Oli auf keinen Fall.
Das ging dann 5 Wochen so weiter. Jedoch hatte dann
doch jemand von den Behörden in der Schule angerufen,
und erstaunt erfahren, das Oli brav in die Schule
gegangen ist. Am nächsten Tag war Oli dann weg, vom
Jugendamt während des Unterrichtes aus der Klasse
geholt. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, weil der
kleine Knuddel nicht zum Essen gekommen ist. Auch bis
zum nächsten Morgen war er nicht da. Ich hab dann um
7:55 vor der Schule gestanden, und mit zwei seiner
Klassenkameraden gesprochen. Die haben mir dann
erzählt, das die den Oli fast mit Gewalt mitgenommen
hatten. Ich habe dann noch kurz den Schulleiter
überfallen, der hatte jedoch um 8:00 zu unterrichten.
Jedoch war der sich keiner Schuld bewusst, und meinte
Oli hätte sich standhaft geweigert irgendetwas über
mich und seinen vorhergehenden Aufenthalt auszusagen,
weil die Dame vom Jugendamt mit einer Klage wegen
Kindesentziehung gegen meine Person gedroht hat. Ich
habe dem dann gesagt, das dies größter Blödsinn ist,
die Mutter war von Anfang an informiert wo Oli war,
und hatte keine Einwände. Nun gut, Sie hatte nie
endgültig ja und auch niemals nein dazu gesagt. Sie
hatte wahrscheinlich auch nie gemerkt wenn Oli weg
war.
Zwei Monate hatte ich dann nichts von Oli gehört. Dann
ist ein Anruf gekommen. Er war in einem Heim
untergekommen 200 Kilometer entfernt, hatte keine
Kontakt zu seiner Mutter. Was mir den Kragen platzen
lies, war dann, als ich ihn fragte, wie es in der
Schule geht, das er mir sagte alles Scheiße. Er hast
diese Schule. Oli war eigentlich ein Junge, der immer
gerne und gut in der Schule war. Selbst bei seinen
schwierigen Umständen mit einem Notendurchschnitt von
2,4 auf einem Gymnasium. Was war also los? Nun mein
armer Oli war im Heim plötzlich in einer Sonderschule
gelandet. Er war mit den falschen Leuten zusammen und
unterfordert. So eine Sauerei! Ich habe mir von Ihm
die Adresse von dem Heim geben lassen, und noch am
gleichen tag die Heimleitung angerufen. Dort wurde ich
dann kurz ?abgebügelt? das alles ginge mich nichts an,
und ich sollte mich da raus halten. Also habe ich
meine Beschwerde noch mal schriftlich eingereicht, und
höflich darum gebeten mich über die Umstände
aufzuklären, die dazu führten, das Oli auf einer
Sonderschule gelandet ist.
Eine Woche später bekam ich ein Einschreiben von der
Heimleitung, ein sofortiges Kontaktverbot mit Oli,
notfalls würde man die Gerichtlich durchsetzen. Diese
Maßnahme ist für mich völlig unverständlich, ich hatte
ja gar keinen Kontakt zu dem Jungen gesucht, sonder
Kontakt zur Heimleitung aufgenommen. Nun hatte ich den
Briefkopf des Heimes und die Adresse des Landschaft
Verbandes, der die Aufsicht über dieses Heim hat.
Meine Recherchen ergaben, das die Sonderschule eine
Heimeigene Schule ist, und das Heim für jeden Schüler
auf der Sonder Schule viel Geld bekommt. Also ging es
hier ums Geld, und nicht um das Wohl des Kindes. Also
habe ich Massiv beim Landschaftsverband interveniert,
mit Presse und Klagen gedroht, sollte der Junge nicht
sofort auf ein Gymnasium kommen. Dieser Text war Teil
dieser Beschwerde und diente eigentlich zur
Vorbereitung einer Presse Aktion gegen das Heim. Erst
als eine Fernsehproduktionsgesellschaft eine Anfrage
stellte, kam die Antwort, das der Junge auf ein
örtliches Gymnasium gewechselt sei, und die
Sonderschulzeit pädagogisch begründet sei. Ich habe
mit dem Schulleiter dieses Gymnasiums Telefoniert, Oli
ist auf seiner Schule und ein Problemloser Schüler.
Ok, das reichte mir ich habe dann keine Schritte mehr
unternommen.
Ich kann jedoch jeden davor warnen, der Heimkinder
kennt. Passt auf, Heime sind keine
Wohltätigkeits-Unternehmen sonder Wirtschaftsbetriebe,
dort wird Kohle gemacht. Eine Heimunterbringung kosten
über 8000.-DM oder 4000 Euro Monatlich. Da geht es um
viel Geld, nicht immer zum Wohle des Kindes.
Kümmert euch um die Kinder, und deren Schule,
Ausbildung und so weiter. Last euch nicht abwimmeln.
Dies ist nun fast 2 Jahre her, ich warte nun darauf,
das die Mutter hoffentlich geheilt aus der Klinik
entlassen wird. Ich weiß, wie sehr Oli sie liebt. Ich
werde es ihr sagen. Sie wird dann diesen text zu lesen
bekommen. Ist Sie in der Lage, sich um ihren Oli zu
kümmern, werde ich ihr helfen den Jungen zurück aus
dem heim zu bekommen. Das Kontakt verbot habe ich
übrigens ignoriert, ich habe mit Oli per E-mail, Chat
und Telefon Kontakt. Er wartet auf seine Mutter eine
Pflegefamilie hat er abgelehnt.
Er wird warten, ob sich seine Mutter um ihn kümmern
kann, falls nicht, wird er sich darauf vorbereiten
sich um seine Mutter zu kümmern, sobald er alt genug
dafür ist. Die Dame vom Jugendamt, die den Oli
betreut, mag mich nicht, Sie glaubt das ich den
schönen Jugendhilfeplan mit der Pflege Familie, den
sie sich ausgedacht hat zerstört habe. Sie hat keine
Ahnung wie sehr Oli seine stinkende, versoffene Mama
geliebt hat, und wie er von seiner Mama träumt, die
ihn liebt, eine die lächelt, wenn sie von ihm träumt.
Die Dame vom Jugendamt sollte mal Oli?s Aufsatzheft
sehen. Die Flecken darin sind echte Tränen. Irgendwann
hatte ich Oli mal gefragt ob er sich eine Mutter
wünscht auf die er stolz sein kann. Ja, er wünscht
sich eine Mutter, die stolz auf ihren Sohn ist. Ich
habe ihm geantwortet, das seine Mutter einen Sohn hat,
auf dem sie sehr stolz sein kann. Sie wird es sein,
wenn Sie das erfährt. Denn er wird niemals ohne seine
Mutter springen. Denn sie könnte ihn noch brauchen.

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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Achim Müller).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.06.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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