Klaus-D. Heid

Wie geht es Ihnen, Herr Krämer?

Doktor Bellmann, Professor Stein, Frau Doktor Riebensam und weitere vier weiß bekittelte Herren, deren Namen ich nicht kannte, standen um mein Bett versammelt. Vor drei Tagen hatte mich Bellmann operiert. Eine ungewöhnliche Operation. Aus diesem Grund erschienen nun auch alle wichtigen Ärzte des Krankenhauses bei mir, um sich life über meinen Gesundheitszustand zu informieren.

„Na, Herr Krämer? Wie geht’s uns denn heute? Alles Paletti?“

Doktor Bellmann liebe den Ausdruck ‚Paletti’, der mir wiederum äußerstes Unbehagen bereitete. Ebenso unangenehm war es mir, vor so vielen Leuten über meinen Gesundheitszustand zu sprechen.

„Danke, Doktor. Es geht gut.“

„Es geht gut? Na, da untertreiben Sie aber, mein lieber Krämer! Ist doch alles Paletti, ja? Keinerlei Schmerzen? Keine Klagen, hm?“

Logisch, dass er es gerne euphorischer von mir hören wollte. Immerhin war er in bester Gesellschaft, zu der sogar Herr Professor Stein zählte. Stein galt als wahre Kapazität auf dem betreffenden Gebiet. Um also meine Komplimente fischen zu können, hakte Bellmann nach:

„Krämer, Krämer! Da liegen Sie hier, als wäre nichts geschehen – und machen ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter! Haben Sie mir nicht gestern noch erzählt, wie überglücklich Sie sind, dass alles so hervorragend und komplikationslos verlaufen ist? Na, sagen sie schon! Wie geht’s Ihnen nun wirklich? Alles Paletti, Krämer?“

Ein Blick in die Gesichter der anderen Ärzte zeigte mir, dass man bereits ungeduldig wurde. Also tat ich Bellmann seinen Gefallen.

„Bestens, Herr Doktor! Wirklich! Keinerlei Klagen. Ich fühle mich sozusagen wie ein neuer Mensch, wenn Sie verstehen! Es ist alles sehr paletti mit mir!“

Blödsinn. Man sagt nicht: >alles ist paletti mit mir.<

Um nicht nur dumm herumzustehen, sprach mich nun auch seine Majestät persönlich, Herr Professor Doktor Stein, an.

„Dann lassen Sie mich mal sehen, was unser Doktor Bellmann mit ihnen angestellt hat, Herr Krämer! Ich möchte doch mal einen Blick auf das fulminante Ergebnis werfen, ja?“

Bevor ich noch ‚NEIN’ brüllen konnte, hatte Frau Doktor Riebensam bereits mein Bettuch zurückgeschlagen. Da lag ich nun. Nackt, ungeschützt und ohne jegliche Intimsphäre.

„Donnerwetter, Bellmann! Alle Achtung! Das hätte ich selbst auch nicht besser hinbekommen. Wie sieht’s aus? Trinken wir nachher noch ein Glas Cognac zusammen? In meinem Büro? Fein. Aber jetzt müssen wir wirklich weiter. War eine erstklassige Demonstration, Bellmann.“

„Paletti, Herr Professor…!” antwortete Doktor Bellmann, während er brav und artig dem Kollegenteam und dem Herrn Professor hinterher watschelte, die eiligen Schrittes das Krankenzimmer verließen.

Mich ließ man indessen entblößt und entehrt zurück. Jedenfalls kam ich mir entehrt vor. Diese aufgeplusterten weißen Schlachterknechte hätten mich wenigstens ein einziges Mal fragen können, wie ich mich jetzt als Frau fühlte, statt mich immer noch mit

- Herr Krämer - anzusprechen...

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