Elke Becker

Mein Leben mit LRS und Epilepsie

Schon oft hat man mir gesagt, ich sollte doch mal alles auf schreiben was wir mit unserer Tochter Jessica erlebt haben. Vielleicht können wir anderen Menschen deren Kinder auch an Epilepsie oder an LRS(Lese und Rechtschreibschwäche) leiden helfen.
Wenn auch nur mit Ratschlägen oder Hilfe bei irgendwelchen Behördengängen
denn ich glaube auch andere Eltern müssen heute noch um so manche Dinge kämpfen, bekommen aber wohl kaum die richtige Unterstützung. Wir wissen wie es ist wenn man auf weiter Flur alleine da steht. Nichts und niemand wird auf einem zu kommen und helfen.
genau so erging es uns vor 15 Jahren.




Es war Freitag der 13.09.1985 als Jessica in Wanne- Eickel durch einen Kaiserschnitt um 8.35 Uhr geboren wurde.
Wir waren wohl die glücklichsten Eltern auf dieser Station im Krankenhaus. Dreizehn Jahre haben wir auf ein Kind warten müssen. Nach vielen Eingriffen und Operationen hatte es endlich geklappt und die Operation war gut verlaufen.
Sie wog 7,5 Pfund und war 54 cm groß. Sie hatte schwarze Haare, braune Augen und eine gesunde Hautfarbe. Ihr Leben bestand nur aus essen und schlafen.
Wir nahmen an jeder Vorsorgeuntersuchung teil und es schien immer alles in Ordnung zu sein.
Den ersten Zahn bekam sie mit 8 Monaten und mit 1 Jahr fing sie an zu laufen. Krank war sie eigentlich selten, es gab schon mal einen Husten oder Schnupfen aber alles war nicht sehr akut. Sie entwickelte sich wie jedes andere Kind.
Nach ihrem 2.Geburtstag mussten wir leider erkennen, dass Jessica doch anders war als andere Kinder.


Es war Samstagnachmittag, als mein Schwager mit seiner Frau zu Besuch kam. Sie spielten die meiste Zeit mit unserer Tochter und hatten riesigen Spaß zusammen. Als es Zeit zum baden wurde für Jessica, zog ich sie wie immer bis auf die Windel aus.
Nackig rum zu laufen machte ihr immer sehr viel Spaß. Nun war Versteck spielen angesagt. Es lief auch eine ganze Zeit mit viel schreien und lachen ab. Doch plötzlich kam Jessica nicht mehr aus ihrem Versteck hervor. Sie stand hinter der Gardine im Wohnzimmer und gab keine Antwort als ich nach ihr rief. Als ich nach schaute sah ich wie sie die Gardine immer vor ihrem Gesicht hin und her schob und mich mit großen Augen anstarrte. Mein Mann und ich schauten uns fragend an, was war das denn schon wieder für ein neues Spiel. Ich sprach mit ihr, doch sie reagierte nicht. Als mein Mann sie hinter der Gardine hervor holte, sackte sie zusammen. Sie hing wie leblos in seinen Armen. Alles rufen und schreien nach einer Antwort war umsonst. Sie nahm überhaupt nichts war. Das laute tiefe atmen machte mir große Angst.
Ihr Kopf war nach hinten gefallen und der Kehlkopf stand weit hervor.
Der Notarzt den wir gerufen hatten, konnte uns auch nicht weiter helfen. Wir machten uns sofort auf den Weg zur Kinderklinik nach Bochum. Auf den Weg zum Auto erbrach sich Jessica gab aber keinen Ton von sich. Alles war seltsam, Kinder schreien doch wenn ihnen was weh tut oder erbrechen. So kannten wir es jedenfalls von unserer Tochter. Doch sie gab kein Laut von sich und reagierte auf nichts und niemand.
Auf der Fahrt zur Klinik gingen mir viele Gedanken durch den Kopf,
„Solange mussten wir auf dieses Kind warten“
„was haben wir alles über uns ergehen lassen“ (co.eb.)
„sollte nun wieder alles umsonst gewesen sein“
„was habe ich wieder falsch gemacht“
ich hatte vor 2. Jahren eine Eileiterschwangerschaft im Dritten Monat und verlor das Kind.
Danach brauchte ich fast ein Jahr um allen Lebensmut wieder in mir auf zubauen.
Wie ich dann erfuhr, dass ich schwanger war musste ich sechs Tage später wieder ins Krankenhaus wegen einer Blutung. Bis zum fünften Monat musste ich fast nur liegen und durfte mich nicht körperlich belasten. Ab dem sechsten Monat lies dann die Blutung nach und ich fühlte mich pudelwohl. Zur Entbindung hatte ich ein Gewicht von 91,5 Kilo. Ich hatte fast 31 Kilo zugenommen, aber mir ging es gut. Nun war das mit Jessica.
In der Klinik wurden wir sehr freundlich und schnell auf genommen. Bis der Arzt kam erbrach Jessica noch zweimal, danach war auf einmal wieder alles beim altem. Sie rief wieder nach ihrer Mama und ihrem Papa. Wir konnten einfach nicht begreifen was geschehen war. Gerade war sie noch ganz weggetreten und nun war sie wieder ganz die alte.
Der Arzt beruhigte uns, nach der Untersuchung erklärte er uns was geschehen war.
Sie hatte einen Krampfanfall, dass heißt, dass Gehirn bekommt nicht mehr genug Sauerstoff dadurch setzt die Durchblutung einiger Gehirnzellen aus und es entsteht eine Bewusstlosigkeit. Durch das messen der Gehirnströme( EEG) konnte man feststellen, wie stark der Anfall war. An diesem Samstagabend klappte es nicht mit dem messen, denn alle Geräte waren belegt viele Patienten lagen in einem Schlaf EEG.
Da Jessica wieder in Ordnung war, sollten wir sie mit nach Hause nehmen und am Montag einem Neurologen aufsuchen. Sollte aber irgendetwas übers Wochenende sein, sollten wir unbedingt sofort wieder kommen. Doch das Wochenende verlief ohne einen neuen Anfall.
Nach dem EEG am Montag stellte sich heraus, dass Jessica einen epileptischen Anfall hatte.
Um weitere zu verhindern, musste sie von nun an zweimal am Tag ein Medikament nehmen. Vom Arzt erfuhren wir dann auch, dass Epilepsie vererblich ist. „ Vererblich“ ich musste sofort an meine Schwester Andrea denken, da war doch was? Epileptische Anfälle waren mir durch sie bekannt. Andrea hatte damals auch mit zwei Jahren ihren ersten Anfall.
„Doch da war alles ganz anders“
Bei meiner Schwester verkrampfte sich der ganze Körper und sie wurde ganz steif. Bei Jessica hingegen war der ganze Körper schlapp und leblos wie eine Marionette.




Vier Wochen kam Jessica mit diesem Medikament gut zurecht. Doch dann war da etwas was mich stutzig machte. Des Öfteren rief ich nach ihr, ohne eine Antwort zu bekommen. Beim erzählen stockte sie im Satz ab und fing nach zwei, drei Sekunden wieder an weiter zu sprechen. Genau so war es auch beim singen. Sie sang zum Beispiel „Alle meine Entchen......
zwei Sekunden ruhen und dann weiter...schwimmen auf den See“ in den Pausen flackerte sie dann immer mit den Augen.
Mein Mann meinte ich würde alles viel zu eng sehen und sollte mich nicht verrückt machen.
„Doch es machte mich verrückt“, nach einigen Tagen suchten wir unseren Kinderarzt auf.
Bei der Untersuchung bekam Jessica wieder so einen Anfall und ich war froh dass es jemand miterlebte. Sofort wurden wir in die Bochumer Kinderklinik eingewiesen.
Die Gehirnströme wurden gemessen und das EEG viel sehr schlecht aus. Die Ausfälle die Jessica hatte, waren kleine Anfälle (Absencen). Wir mussten in der Klinik bleiben. Jessica sollte auf ein anderes Medikament eingestellt werden.
„Aber welches?“ wir hatten nun wieder ein neues Problem. ( co.eb. )
Der Professor half uns dabei und die Entscheidung war richtig.
Das neue Medikament war in Amerika erfunden worden, wurde aber in Deutschland noch nicht mit behandelt. Jessica sollte eine mit von den ersten sein, an denen man es testen würde.
Wir fragten den Arzt, was er an unserer Stelle machen würde. Er meinte: wir sollten uns für das neue Medikament entscheiden das alte würde alleine nicht mehr ausreichen, man müsste noch eines hinzufügen und ob die zwei dann ausreichen würden konnte er uns nicht sagen.
Also was machen wir? Nach guter Überlegung und vielen Gesprächen stimmten wir dem neuen Medikament zu. Schon nach einer Woche in der Klinik war der Erfolg zu sehen.
Jeden Tag mussten wir in einem Kalender, für jeden Anfall den Jessica am Tag hatte einen Strich machen. Am Anfang waren es zwischen 20 und 30 Striche(Kleine Anfälle). Nach einer Woche nur noch 10 bis 15 Striche.
In der zweiten Woche in der Klinik, bekam Jessica noch eine Harnwegentzündung und ein paar Tage später die Windpocken.
Dass es schon wieder eine Harnwegentzündung sein sollte konnte ich gar nicht glauben, sie hatte doch erst eine vor einigen Wochen. Doch beim Wasser lassen schrie sie immer häufiger auf. Ich lies ihren Urin untersuchen und es stellte sich heraus, dass jede Menge Keime darin waren. Um der Sache auf den Grund zu gehen warum es so oft passierte, wollte man ihr Urin durch die Bauchdecke entnehmen. Mit einer Spritze stach man durch die Bauchdecke direkt in die Blase und zog so Urin ab. Es wurden Keime gefunden, die man hätte sonst nicht finden können. Nach einer Woche hatten wir die Entzündung überstanden und seid dem Tag hat sie auch nie wieder eine Harnwegentzündung gehabt.
Wenn Jessica heute mal was an der Blase hat, muss ich immer daran denken wie sehr sie damals geschrieen hatte bei diesem Eingriff. Ich durfte damals nicht dabei sein. Sie hatte so laut nach ihrer Mama gerufen und geweint, dass man es auf der ganzen Station gehört hatte. Die Schwestern mussten mich zurück halten sonst hätte ich dem Arzt bestimmt was angetan. Diese fürchterlichen Schreie haben in mir soviel aufgerissen, dass ich mit den Nerven am Ende war. Mein Kind lag da in fremden Händen und ihre Mama war nicht da.



Mit den Windpocken war es auch so eine Sache.
Plötzlich waren da ein paar rote Pocken und niemanden ist es aufgefallen. Ich wusste nicht wie Windpocken aussehen. Der Arzt der jeden Tag kam hatte auch nichts gesagt.
Die Kinder spielten wie jeden Morgen auf dem Flur. Wir Mütter saßen immer dabei und unterhielten uns, als plötzlich eine laute Stimme über den Gang schrie“ wem gehört das Kind hier, dass hat ja die Windpocken.“
Alle sahen sich fragend an- Windpocken?
Der Professor rief noch mal“ wer ist das hier?“
Die roten Pocken gehörten zu Jessica. Nur waren die Pocken schon ein paar Tage da, und nun machte man so eine Hektik.
Sofort mussten wir die Station verlassen und wurden von allem isoliert, damit wir nicht noch andere Kinder anstecken konnten. Wir bekamen ein Zimmer mit einer Schleuse, wo das Essen für Jessica oder andere Dinge rein gestellt wurde. Erst wenn die Schwester die Schleuse verlassen hatte, durfte ich die Tür öffnen und die Sachen herein holen.
Wenn ich zum Essen wollte musste immer erst eine Ablösung kommen, ich durfte das Kind nie alleine lassen. Doch mit der Ablösung zum essen klappte es auch erst nach zwei Tagen, denn man vergaß mich immer. Bis mein Mann sich beim Professor beschwerte. Ich hatte schon einige Kilos abgenommen durch den ganzen Stress und nicht mal eine Stunde Zeit für mich. Ich war ständig bei meiner Tochter.
Nach der Beschwerde klappte es prima. Ich konnte sogar mit meinem Mann wenn er kam, mal einen Kaffee trinken gehen. Von nun an hatte ich auch mal eine Stunde Auszeit für mich.
In Gedanken hatte ich große Sehnsucht nach zu Hause und wir waren froh, als wir nach mehr als drei Wochen die Klinik verlassen durften. Jessica war gut auf das neue Medikament eingestellt. ( co.eb. )
Von nun an, beobachtete ich unsere Tochter noch mehr als vorher.


Die Zeit war schlimm, immer mit den Gedanken dabei zu sein passiert es wieder oder nicht.
Jetzt mussten wir uns alle drei Monate zu einer Kontrolluntersuchung in der Klinik vorstellen.
Die Zeit verging und Jessica hatte keine Anfälle mehr.




Sie war jetzt schon fast vier Jahre alt und sollte den Kindergarten besuchen.
Sehr begeistert waren die Betreuerinnen nicht, als sie erfuhren das Jessica an Epilepsie leidet.
Doch nach langem Reden und hin und her, nahmen sie Jessica an. Wir hinter legten im Kindergarten ein krampflösendes Mittel, falls mal ein Anfall kommen sollte konnte man ihr damit helfen den Krampf zu lösen.
Gott sei Dank im Kindergarten kam es zu keinem Anfall. Ich sprach des Öfteren mit der Betreuerin und war glücklich dass keine Anzeichen für Anfälle zu merken waren.


Das letzte Halbjahr vor der Einschulung, sie war nun schon sechseinhalb Jahre alt sollte uns doch noch mal in Unruhe bringen. Die Betreuerin erzählte mir eines Morgen, dass Jessica seit einiger Zeit nicht mehr so richtig mit arbeiten wolle und es käme ihr vor, als wenn sie so man Sachen vergessen hätte.
Sofort schoss mir der Gedanke in den Kopf „Anfälle“.
Wir ließen uns einen Termin in der Klinik geben und ein EEG machen. Doch dieses EEG viel sehrgut aus. Nach Meinung des Professors entwickelte Jessica ganz normal. Vielleicht war es die Angst der Betreuerin damit nicht fertig zu werden, wenn mal so ein Anfall kommen sollte.
Es kostete viel Kraft damit um zu gehen, doch gemeinsam waren wir stark.



Bei der letzten Untersuchung vor der Einschulung teilte uns der Professor mit, dass wir nun langsam anfangen könnten das Medikament zu reduzieren. Jessica hatte es nun fast vier ein halb Jahre eingenommen. Jeden zweiten Tag wurde nun ein Tropfen weniger gegeben. Nach einem halben Jahr hatten wir es geschafft und sie bekam auch keine Anfälle mehr.

Meine Schwester Andrea hatte damals auch lange keine Anfälle erst am Tag der Einschulung passierte es wieder. Der Arzt meinte damals dass es die Aufregung war vor etwas neuem.
Doch Jessica verbrachte den einen Schultag ohne einen Anfall.
Das erste Schuljahr verlief nicht so gut und wir überlegten, ob sie es noch mal wiederholen sollte. Doch in den Sommerferien 1993 ergab es sich das wir umzogen und zwar nach Hessen. Mein Mann war schon seit drei Jahren in Rente und ich hatte meinen Job verloren.
Wir wollten schon immer aus der Grosstadt raus und irgendwo auf dem Lade leben. Meine Eltern und Geschwistern hatten diesen Schritt schon vor zwanzig Jahren gemacht. Mit einer Wohnung klappte es sehr schnell. Die Gegend war herrlich und Jessica fühlte sich hier pudelwohl. Wir meldeten sie in der Schule an und machten eine Neueinschulung für die erste Klasse. Jetzt war sie schon bald acht Jahre alt. (co.eb.)
Alles lief eigentlich ganz gut, bis zum ersten Halbjahr der dritten Klasse. Sie hatte zwar immer schon Probleme beim lesen und schreiben, doch wir dachten es würde sich irgendwann mal bessern. Mir war auf gefallen, dass sie keine Lust zum lesen hatte. Auch beim schreiben lies sie so manche Buchstaben aus oder sie waren spiegelverkehrt geschrieben. Da waren Buchstaben die überhaupt nicht zu diesem Wort gehörten. Warum machte mich kein Lehrer darauf aufmerksam. Die Lehrerin sagte immer nur, sie wäre mit Jessica zufrieden. Ich bemühte mich trotzdem um Nachhilfeunterricht und fand dann auch einen Platz bei der Schülerhilfe.
Die erste Zeit sah auch alles recht gut aus und es schien auch gut zu laufen. Doch das war nur von kurzer Dauer. Nach fast vier Monaten Unterricht hatte sich kaum etwas verändert beim schreiben und lesen. Ich entschloss mich an einer Nachhilfestunde teil zunehmen. Zum Glück für Jessica kann ich heute nur sagen, denn was da ablief musste man selbst miterlebt haben. Die Gruppen waren total überfüllt und die kleinen Schüler mussten darunter leiden.
Man hatte mir zwar mitgeteilt, dass in einer Gruppen nicht mehr als acht Kinder sein würden aber es waren meistens dreizehn oder vierzehn. Mit den Grossen lernte der Lehrer Englisch oder Mathe und die kleinen durften Sätze abschreiben. Damit war Jessica gar nicht geholfen. Sätze abschreiben konnte sie auch bei mir zu Hause. Also nahm ich meine Tochter nach vier Monaten wieder aus diesem Kurs, der uns im Monat ja schließlich 199,-DM kostete.
Wenige Zeit später fanden wir einen Kindertherapeuten den Jessica zweimal die Woche aufsuchte. Es kostete uns nun zwar 60,- DM die Stunde doch das lesen und schreiben machte ihr nun wieder spaß. Nach drei Monaten mussten wir uns wieder etwas anders suchen, weil der Therapeut weg zog. Mit der Schule hatten wir schon vor Monaten über Jessica ihre Probleme gesprochen dort konnte oder wollte mir niemand richtig zu hören. Nach langem suchen, fand ich den Treffpunkt in Limburg. Dort kostete uns nun der Unterricht 270,-DM im Monat. Am 5.09.1996 begann Jessica mit dem Nachhilfeunterricht im Treffpunkt Limburg.

Nach vier Wochen teilte mir die Leiterin vom Treffpunkt, die mit Jessica gearbeitet hatte mit das Jessica ein LRS Kind sei.“ LRS“ was war das denn nun wieder. LRS ist eine Lese und Rechtschreibschwäche erklärte uns die Leiterin. Sie konnte nicht begreifen, dass das kein Lehrer bemerkt haben will. Ich sollte mich sofort mit dem Schulamt in Verbindung setzen
und Jessica testen lassen.
Am 7.11.1996 fand eine schulpsychologische Untersuchung statt. Zwei Wochen später am 22.11.1996 bekamen wir die Ergebnisse vom Schulamt zugeschickt
.
Darin heißt es:
Die Schüler Jessica Becker wurde mir von den Eltern wegen Konzentrations- und Schulleistungsschwierigkeiten vorgestellt. Verbunden mit vor- und nachbereitenden Eltern- und Lehrergesprächen fand am 7.11.1996 eine schulpsychologische Untersuchung statt. Zur Anwendung gelangte der Intelligenztest K – ABC.
Zu den Ergebnissen insgesamt nehme ich wie folgt Stellung:
Bei der Schülerin Jessica Becker handelt es sich um ein Mädchen, deren Leistungsbild neben gut durchschnittlichen intellektuellen Fähigkeiten auch spezifische intellektuelle Beeinträchtigungen aufweist. Gleichzeitig erreichen die schulbezogenen Fertigkeiten bei weitem nicht das Niveau der intellektuellen Fähigkeiten des Kindes.
So erbrachte Jessica Leistungen, denen ein Prozentrang von ca. 70entspricht, wenn sie Denkprobleme mit visuell zu bewältigenden Aufgaben lösen musste. Leistungsschwächen wurden offensichtlich, wenn akustisch Speicherprozesse und sprachliche Konzeptbildung und Beachtung chronologischer Abläufe verlangt wurden.
In der Schule vermag Jessica dem entsprechenden tadellos abzuschreiben und vermag im Kunstunterricht bildnerisch gut gestaltete Arbeiten anzufertigen, hat aber große Probleme im Leseverständnis und hat Rechtschreibschwierigkeiten ebenso wie Rechenprobleme. Weiter heißt es: Das Beeinträchtigungen der Integration der auditiven Sinnestätigkeit die gesamte Lernbiographie des Mädchen beeinflussen dürften und gleichzeitig den maßgeblichen Hindergrund ihres impulsiven Arbeitsverhalten und ihrer Aufmerksamkeitsdefizite aber auch ihrer Motivationsprobleme in immer weiteren schulischen und außerschulischen Lernfelder darstellen.
Aus schulpsychologischer Sicht wird dringend empfohlen, der Familie Becker die nötige Unterstützung bei der Durchführung der Therapie für Jessica zu gewähren.


Jessica sollte also eine Therapie machen. „Warum hatte niemand in der Schule davon etwas bemerkt?“
Wir ließen diese Gutachten der Krankenkasse zukommen und fragten nach einem Therapeuten. Diese teilte uns mit, dass unser Neurologe bei dem Jessica in Behandlung war uns jemanden nennen sollte. Der Neurologe suchte in einer Liste, die in der Praxis auslag, eine Therapeutin heraus und wir holten uns einen Termin. Am 21.01.1997 hatten wir unser erstes Gespräch mit der Therapeutin.
Schon im Dezember 1996 hatten wir schriftlich einen Antrag bei der Krankenkasse auf Kostenübernahme für einen Psychotherapeuten gestellt. Erst nach dem Jessica schon einige Stunden bei der Therapeutin verbracht hatte, kam von der Krankenkasse der Ablehnungsbescheid. Die Psychologin hätte keine Kassenzulassung und sie würden die Kosten nicht übernehmen. Sie nannten uns einen anderen Therapeuten, mit der Mahnung „ den oder keinen“. Was blieb uns anderes übrig, wir selber konnten die 80,- DM pro Stunde nicht bezahlen. Der Therapeut würde sich bei uns melden, teilte uns die Kasse mit. Durch einen Bekannten erfuhren wir, dass man auch Hilfe vom Jugendamt bekommen kann. Wir sollten beim Jugendamt einen Antrag auf Eingliederungshilfe Pa.35a. Kinder und Jugendhilfegesetz Wegen drohender und seelischer Behinderung. Wenn dieser Antrag gewährt wird, müsste das Jugendamt die Kosten für einen Nachhilfeunterricht übernehmen.
Wir erhielten aber statt des Antrags auf Eingliederungshilfe einen Antrag auf Sozialhilfe vom Jugendamt. Ich meldete mich telefonisch beim Jugendamt und bekam zur Antwort man würde die Sache prüfen und uns bescheid schicken. Das Jugendamt schrieb uns dann wir sollten uns bei Sozialamt melden, die wären dafür zuständig. Doch das Sozialamt war da anderer Meinung, und schickte uns wieder zum Jugendamt. Das Jugendamt schickte uns nun zum Gesundheitsamt, Jessica sollte nun Untersucht werden. Beim Gesundheitsamt fragte man „ was wir denn hier sollten“, sie könnten so was gar nicht entscheiden. Also gingen wir wieder zum Jugendamt. Dort meinte man nun wir würden Nachricht bekommen. Ich habe alle Wege gemacht die man mir aufgetragen hatte, doch nun war das Maß voll. Das Jugendamt hat mich bis zu diesem Zeitpunkt nur Nerven gekostet und mich auf Deutsch gesagt nur verarscht. Ich war genau so weit wie am Anfang. Als wir weder vom Jugendamt als auch vom Therapeuten bis Mitte Februar immer noch nichts gehört hatten, rief ich wieder an. „ Es wäre alles in Arbeit hieß es“. Nun übergaben wir die ganze Sachen einem Anwalt.


Das der Weg nach Hilfe so weit und lang sein würde, hatten wir damals nicht bedacht.
Noch bevor überhaupt alles anfing im Juli1995 wurde ich krank. Nach nicht ganz vier Monaten musste ich aus dem Berufsleben ausscheiden und bekam eine Rente. Mein Mann bekam schon seit Jahren nur eine Berufsunfähigkeitsrente. Nach allen Abgaben die wir hatten, konnten wir den Unterricht nicht selber bezahlen. Deshalb sollte uns das Jugendamt helfen.

Es war nun schon Februar 1997.
Unsere Anwältin stellte nun erneut einen Antrag auf Eingliederungshilfe. Daraufhin forderte das Jugendamt eine Stellungsnahme von der Schule. Von unserem Neurologen wollten sie ein Artest und eine Mitteilung ob der Förderunterricht überhaupt notwendig sei.
Im März 1997 bekamen sie Stellungsnahme von der Schule, vom Arzt und das Gutachten vom Schulamt. (co.eb.)
Im Mai 1997 schrieb das Jugendamt meiner Anwältin, dass die Entscheidung über die Gewährung einer Hilfe erst dann möglich sei, wenn das Ergebnis der schulpsychologischen Untersuchung vorliegt.
Das Ergebnis hatte ich dem Jugendamt schon beim ersten Antrag auf Eingliederungshilfe mit geschickt. Dann hieß es, es fehlen noch Daten und der Schulpsychologe dürfte sie erst weiter geben, wenn eine Einwilligung von uns bei ihm vorlege. Also erledigten wir erst das wieder und es hieß weiter warten.


Im August 1997 hatte das Jugendamt mal wieder Zeit für uns.
Sie stellten nun fest, dass Ihnen noch kein Nervenärztliches Gutachten vorliegt. Doch dieses hatten sie schon im März erhalten, von unserem Neurologen. Nachdem unsere Anwältin Rücksprache hielt mit dem Jugendamt wegen dem Gutachten, schrieb uns das Jugendamt erst wieder im September. Sie gaben an das Ihnen ein Fehler unterlaufen wäre, sie bräuchten kein nervenärztliches Gutachten sondern ein Gutachten von einem Kinderpsychiater. Nun sollten wir schon wieder ein Gutachten machen.

Im November 1997 fuhren wir nach Idstein im Taunus in die Kinder und Jugendpsychiatrie.
Zur Sicherheit falls das Jugendamt noch was von uns an Gutachten haben wollte, ließen wir uns noch eins von dem Kinderpsychologen und von der Leiterin des Förderunterrichts schreiben. Das war nun das vierte Gutachten. Selbst dieses sagte aus, dass Jessica große Schwierigkeiten im lesen und schreiben hat.
Nach diesem Test sollte nun aber entgültig entschieden werden.
Bis Weihnachten hatten wir aber immer noch keinen Bescheid.



Mitte Januar 1998 rief ich dann mal wieder beim Jugendamt an mit der Bitte um eine Antwort. Doch das Jugendamt hatte bis dahin angeblich noch keine Antwort von der Kinderpsychiaterin. Wir hatten das Gutachten aber schon seit Dezember 1997.
Um alles schneller auf eine Entscheidung zu bringen, reichte ich dem Jugendamt dieses Gutachten noch mal ein mit dem Glauben jetzt würde endlich eine Entscheidung fallen.
Doch das sollte leider nicht der Fall sein.
Man versprach mir zwar die Sache sofort zu bearbeiten, aber im Mai 1998 hatten wir immer noch keinen Bescheid. Erst nach mehreren Anrufen teilte man uns im Juni mit, dass die Unterlagen bei der Caritas - Limburg zur Prüfung vorliegen würden.
Vier Wochen waren vergangen und wieder hörten wir nichts.
Ich machte mir sehr viele Gedanken wie alles weiter gehen sollte. Die Noten im Zeugnis von Jessica waren eigentlich nicht so schlecht wir konnten zufrieden sein, doch die Diktate und Aufsätze sahen schlimm aus. Fehler über Fehler. Alles üben zu Hause war umsonst. Sie musste unbedingt pädagogische Unterstützung haben. Wir konnten ihr da wenig helfen.
So vergingen die Monate.

Die Sommerferien sind nun bald vorbei und das 6. Schuljahr begann.
Wir warten immer noch auf eine Antwort von der Caritas.
Im Oktober versuchte ich dann noch mal mein Glück und rief bei der Caritas an.
Ein Herr Klinkhammer meinte, dass die Unterlagen bei Ihm vorliegen würden, er aber noch keine Zeit hatte sich bei uns zu melden. Wir müssten noch ein Sehtest und ein Hörtest machen lassen. Für Mitte November machten wir einen Termin aus. Er müsste Jessica ja erst einmal kennen lernen bevor er ein Gutachten schreiben könnte.
Dieses Wort Gutachten konnte ich schon lange nicht mehr hören. (co.eb.)
Der Tag des kennen lernen war gekommen. Wir sprachen über Jessica ihre Probleme und versuchten eine Lösung zu finden. Im Gespräch versuchte er natürlich auch mir klar zu machen wie das Jugendamt die Sache sieht.
Doch bei allem Verständnis, dass Jugendamt hat mich nur verarscht. Das so etwas zwei Jahre bis heute dauern musste ist sehr traurig. Es wurde soviel Geld für Gutachten und Untersuchungen ausgegeben, was man für einen Förderunterricht hätte gebrauchen können.


Unsere Anwältin hatte sich schon lange nicht mehr gemeldet. Alle Wege seit November1997 hatten wir alleine ein geschlagen.
Nach dem Gespräch mit dem Herrn Klinkhammer waren wir so verblieben, dass der Lehrer von Jessica noch mal eine Beurteilung schreiben sollte und Jessica noch mal einen Test bei Ihm machen musste.
Eine Woche später war dieser dann an gesagt und die Beurteilung vom Lehrer hatten wir auch dabei. In spätestens 14 Tagen würden wir nun endlich den Bescheid bekommen. Das hatten uns schon viele gesagt, warten wir erst einmal ab.
Und so kam es dann auch
Im Dezember 1998 hatten wir immer noch keinen Bescheid.
Wir ließen Weihnachten vergehen und waren dann auch schon im Jahr 1999.

IM Januar 1999 nahmen wir uns wieder der Sache an.
Von der Caritas erfuhren wir dann, dass die Unterlagen schon seit längerer Zeit wieder beim Jugendamt vorlagen. Erst nach langen Gesprächen und erscheinen beim Jugendamt wurde mir nach einigen Wochen der Bewilligungsbescheid zu geschickt.
Nun sollten wir warten, bis sich die Caritas bei uns melden würde, um uns den Beginn des LRS Unterricht mit zuteilen.
Was dann auch endlich im März 1999 geschah.

Wenn man jetzt mal zurück schaut wann alles angefangen hat das war im Sommer 1995. Heute haben wir März 1999. So sind für die ganzen Untersuchungen und Gutachten 3 ½ Jahre ins Land gezogen. Das war eine Lange Zeit. Meiner Tochter hätten diese Jahre viel mehr bringen können. Aber so ist es nun mal, wenn man selbst das Geld nicht aufbringen kann für den Förderunterricht aber in Deutschland wird ja soviel getan für unsere Kinder

Das Jugendamt gewährte uns 40 Stunden Förderunterricht auf ein Jahr verteilt. Danach sollten wir einen neuen Antrag stellen, wenn kein Erfolg erzielt wurde. Ich sprach des Öfteren mit dem Pädagogen und blieb auch die eine oder andere Stunde beim Unterricht dabei. Er war zufrieden und wir merkten selbst dass es für Jessica sehr hilfreich war.
Mit der Zeit konnte Jessica schon fließender lesen. Es machte ihr jetzt riesigen Spaß mal was in einem Buch zu lesen.
Nach vierzig Stunden Nachhilfe und einem Jahr Therapie beim Kinderpsychologen hatten wir einiges geschafft. Selbst in der Rechtschreibung wurden die Fehler immer weniger.
Wir wussten ja auch, dass LRS nicht heilbar war, sondern man konnte durch Hilfe das lesen und schreiben nur verbessern.
Weitere Nachhilfestunden wurden uns vom Jugendamt nicht mehr gewährt. Die Caritas musste dem Amt mitteilen wie es mit Jessica nach 40 Stunden aussah. Die schrieben, dass im Moment keine Nachhilfe mehr gebraucht wird, weil Jessica gut zu recht kommen würde mit dem was bisher erreicht wurde.


Jessica wurde nun bald 14 Jahre. (co.eb.)
Sie bekam zum erstenmal ihre Periode und ich musste sofort an die Worte des Professors denken. Der hatte damals gesagt, “ die Anfälle können wieder kommen, wenn sie in der Pubertät ist.“ Immer wieder fragte ich sie, wie es ihr geht und ob sie irgendwas anders ist als sonst. Doch es schien nicht der Fall zu sein. Trotzdem ließen wir hier in Hadamar bei einem Neurologen mal ein EEG machen. Die meinte da könnte was gewesen sein oder auch nicht. Wenn dann müsste sie mal ein Schlaf EEG machen um was zu sehen.
Doch in den Sommerferien fuhren wir in unsere Klinik nach Bochum und ließen dort das EEG machen. Der Arzt konnte uns beruhigen, denn es waren keine Anfälle zusehen.
Es muss ja nicht passieren meinte er, es kann schon mal vorkommen. Jessica gab er noch einen guten Rat mit auf dem Weg. Sie sollte doch nach Möglichkeit kein Alkohol trinken und nur nicht anfangen zu rauchen. Diese Dinge könnten Anfälle hervorrufen.
Noch heute mit 17 Jahren, fragt sie immer darf ich mal ein Schluck Sekt trinken oder mal ein Cola- Bier. Das rauchen hat sie bis heute noch nicht angefangen, obwohl mein Mann und ich Raucher sind. Sie hat wohl schon mal probiert aber es hat ihr nicht geschmeckt. Wir sind ganz froh darüber.


In den letzten drei Jahren haben sich Jessicas Zeugnisse stark gebessert. Sie besuchte von der Schule aus noch einen Deutschkurs dafür hatte sie kein Englischunterricht.
Erst in der 8 Klasse, als es um die Ausbildung und um eine weiterführenden Schule ging, wurde uns mitgeteilt, dass Englisch heute für die Berufsfachschule gebraucht wird. Also konnte Jessica die Schule nicht besuchen. Darüber machten wir uns auch erst mal keine Gedanken jetzt war wichtig erst mal einen guten Schulabschluss zu bekommen.
Jetzt musste Jessica sich erst mal einen Praktikum suchen was im Frühjahr der 8 Klasse stattfinden sollte. Zuerst wollte sie Friseuse werden. Den Beruf fand sie ganz toll.
Sie fand auch bald einen Platz und freute sich riesig darauf. Doch die Freunde war nur von kurzer Dauer. Schon nach zwei tagen war dieser Beruf wieder aus dem Rennen. Es gefiel ihr überhaupt nicht. Nur Haare auffegen, Kaffee kochen, Handtücher waschen und einkaufen gehen. Sie war froh dass die zwei Wochen vorbei waren. In der 9 Klasse sollte noch ein Praktikum gemacht werden und wir sprachen mit ihr darüber, in welchem Beruf sie denn nun mal reinschauen möchte. Ich möchte mit Menschen arbeiten, oder Menschen pflegen und helfen. Altenpflegerin in einem Altenheim das wäre doch schön.
In den Sommerferien wollte sie unbedingt ein freiwilliges Praktikum in einem Altenheim absolvieren. Eine Bekannte arbeitete im Alten und Pflegeheim in der Psychiatrischen Klinik in Hadamar. Sie fragten nach, ob Praktikanten genommen werden und Jessica konnte sich schon bald vorstellen.
Der Leiter war ganz begeistert, dass doch noch so junge Leute Interesse an diesen Beruf zeigten. Doch von Ihm erfuhren wir, dass man für diese Ausbildung einen Realabschluss oder eine Berufausbildung brauche. Wir holten uns noch eine Auskunft vom Arbeitsamt über die Ausbildung zur Altenpflegerin und bekamen die gleiche Antwort.
Ausbildung zur Altenpflegerin nur mit Realabschluss oder Berufsausbildung.
Für die Berufsfachschule musste man Englisch können. Englisch konnte Jessica nicht da sie in der Schule dafür in Deutsch gefordert wurde.
Also was blieb uns anderes übrig, als erst eine Ausbildung zu machen.
Ausbildung ohne Realabschluss oder Berufsfachschule ist bestimmt nicht einfach, doch wir wollten nun anfangen Bewerbungen zu schreiben. Jessica machte sich jetzt Gedanken was für sie in Frage kommt als Ausbildung.
Das Praktikum im Altenheim machte Jessica trotzdem, sie wollte wissen was man alles so machen muss und wie die alten Leute dort lebten. Jeden Tag war sie mehr begeistert von diesem Beruf. (co.eb.)

Wenn sie erzählte, was sie dort alles machen durfte.
Windelen wechseln bei den alten Leuten, duschen und baden helfen, mal Frau ... beim anziehen helfen und Herrn ... füttern. Sie war voll auf begeistert und sagte immer wieder zu mir:“ im Herbst werd ich noch mal ein Praktikum dort machen!“ Was sie dann auch tat.
Die Kollegen waren sehr zufrieden mit ihr und es machte ihr riesigen Spaß.
Die Beurteilungen für die beiden Praktiken wurden mit einer eins bewertet.
„ Da möchte ich meine Ausbildung machen.“
Doch Das Arbeitsamt teilte uns mit, dass Jessica eine Pflegeschule besuchen müsste um diesen Beruf zu erlernen. Doch das ist natürlich weit weg, in Wiesbaden oder Mains. Das wollte Jessica dann doch nicht. So weit weg von zu Hause und dann auch noch alleine.
„ Was machen wir nun?“
„ Wenn ich erst einen Lehre machen muss, dann werde ich Arzthelferin hieß es nun.“
Wir schrieben 15 Bewerbungen als Arzthelferin, doch zurück kamen nur Absagen. Es hieß immer nur, wir haben uns für jemand anderen entschieden, oder die Lehrstelle wird nur mit einem Realabschluss vergeben.
Die Enttäuschung war groß nur Absagen.
Doch sie gab nicht auf.


Für die Herbstferien nahm sie noch ein Praktikumplatz als Arzthelferin in einer allgemein medizinischen Praxis an. Wenn es klappt mach ich dann meine Lehre dort meinte sie.
Die Ärztin wollte im Sommer 2002 eine Auszubildende einstellen, doch sie hatte schon einige Bewerber. Sie wollte erst mal die Bewerbungsgespräche halten und sich dann entscheiden.
Das war im Oktober 2001.


Nach vielen Gesprächen mit meiner Tochter sie könne jetzt nicht nur auf die eine Stelle hoffen, schrieben wir noch mal im November 20 Bewerbungen an Bäckereien, Konditoreien, Kaufhäuser, Baumärkten, Frisiersalons und Tierarztpraxen.
Bis Mitte Januar 2002 hatten wir nur acht Antworten mit Absagen. Jeden Tag warteten wir auf die Post, auf Absagen oder Zusagen zum Vorstellungsgespräch.


Im Februar kam endlich mal eine tolle Nachricht. Die Ärztin bei der Jessica gearbeitet hatte rief an und fragte, “ ob Jessica noch Interesse hätte an eine Ausbildung in ihrer Praxis. Wenn ja, sollten wir am gleichen Tag noch zu einem Gespräch vorbei kommen.
Das war doch schon mal ein Licht am Horizont.
An den späten Nachmittag fuhren wir dort hin und zum guten Schluss hatte Jessica einen Ausbildungsplatz gefunden.
In der Woche die sie dort schon mal gearbeitet hatte, waren die Kollegen sehr zufrieden mit ihr gewesen. Auch wenn mal jemand von ihnen wegen Krankheit ausfiel ging Jessica dann und wann mal in der Praxis helfen. Da sie bewiesen hat, dass ihr die Arbeit spaß macht, wollte die Ärztin keine anderen Vorstellungsgespräche mehr führen und ihr die Möglichkeit geben den Beruf bei ihr zu erlernen.
Drei Wochen nach diesem Gespräch unterschrieben wir den Lehrvertrag.

Im August beginnt sie nun mit ihrer Ausbildung Arzthelferin, von den anderen Bewerbungen haben wir bis heute (März 2002) noch keine Antworten. (co.eb.)





Wir sind froh, dass doch noch alles so verlaufen ist. Meine Tochter hat einen Ausbildungsplatz trotz LRS. Wir wissen, sie wird viel Unterstützung brauchen doch wir werden immer für sie da sein so wie wir es die ganzen Jahre gehalten haben.
Nur mit Unterstützung und viel Liebe kann man Menschen mit LRS und Epilepsie helfen.
Die Menschen die an diesen Krankheiten leiden sind nicht dumm im Gegenteil, sie sind sehr intelligent und fleißig. Sie ziehen sich meist zurück, wenn sie laut vorlesen sollen oder vor anderen schreiben müssen.
In der Schule wurde Jessica viel gehänselt, selbst von ihrem Lehrer der sie bloß gestellt hat vor der Klasse. Doch sie hat oft zu Hause nichts erzählt. Ich weiß mir alleine zu helfen sagte meist immer nur zu mir. Und sie hat es ja auch geschafft
Ja, dass hat sie.
Dass es alles einmal verlaufen würde im Leben meines Kindes, hätte vor Jahren nicht geglaubt.






Fortsetzung folgt. Elke Becker (co.eb.)

Ich habe diese Geschichte geschrieben, weil es eine sehr harte Zeit war für uns und unsere Tochter und man nie weiß, was noch kommt. Man glaubt nicht, was man alles erlebt wenn man kranke Kinder hat. Ich bin heute 48 Jahre und nehme mir die Zeit, anderen Menschen zu helfen die das Gleiche Schicksal getroffen hat. Hoffe das dem einem oder anderen etwas davon helfen kann.Elke Becker, Anmerkung zur Geschichte

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Eine Erzählung der Träume und Visionen, der Wiedervereinigung mit dem "Selbst", dem ursprünglichen, liebevollen, ehrfürchtigen Ego.
Ein Blick, voller Symbolik, hinter die Wirren unseres durchorganisierten Alltages, hin zu unseren wirklichen, innigen Wünschen.

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