Irene Beddies

Auf dem Ponyhof

 





Auf dem Ponyhof
(für Andreas zum Geburtstag)
 
„Es ist sooo langweilig heute! Nicht mal im Fernsehen läuft was Gutes.“
Miras anklagender Ton wurde von Paolos knurrigen Lauten: „Wir unternehmen ja auch nie was“, ergänzt.
Aber das fand Greta ungerecht. Vor vier Wochen erst waren sie  im Klettergarten am Waldrand gewesen.
 
„Wollt ihr wieder in den Klettergarten?  Das hat euch solchen Spaß gemacht.“
„Neiiin“, schrie Berta auf, „das hat mir gar keinen Spaß gemacht. Ich durfte da ja gar nichts!“ Alle schauten sie an. Ja, das stimmte. Auf die wirklich hohen Dinge durfte sie nicht, weil sie noch zu klein war.
„Wisst ihr was“ schaltete sich Papa jetzt ein, „ich habe in der Zeitung gelesen, dass in Klein-Muckendorf ein neuer Ponyhof aufgemacht hat. Da könntet ihr reiten.“
Nun war kein Halten mehr. Schnell zogen sich die Kinder um: alte Jeans, feste Turnschuhe und ihre nicht ganz so neuen Jacken. Dann stürzten sie nach draußen und ins Auto. Auf der Fahrt trumpfte jedes der Kinder mit seinem Wissen über Pferde und Reiten, über seine Wünsche und Erwartungen auf, so dass die Eltern froh waren, als sie den Ponyhof erreichten. Zumindest stand auf dem Schild am großen Holztor  „PONYHOF MERTENS“. Kein Gebäude war allerdings zu sehen und auch kein Pferd.
 
Ein Mädchen, etwa 14 Jahre alt, in Reitstiefeln und Reithosen kam  sie zu begrüßen. „Hier entlang“. Die junge Dame führte sie in ein lichtes Waldstück.
An einen langen Balken gebunden, stand eine Reihe von Pferden in allen Größen und Farben.
Mira trat entschlossen auf eine schlanke Fuchsstute zu. Paolo ging zunächst die Reihe der Pferde ab und blieb bei einem stämmigen Kaltblut mit zotteligen Haaren um die Hufe und einer sehr langen  Mähne stehen.
 
Und Berta? Berta war verschwunden. Greta rief nach ihr, bekam aber keine Antwort. Sie ging die Reihe der Pferde entlang in Richtung der Ponys. Aber auch da war Berta nicht zu sehen.
Da entdeckte Greta noch zwei Tiere. Das waren keine Pferde. Das waren ja Esel!
Und unter einem der Esel lag Berta und wagte sich nicht zu rühren. Und keinen Laut von sich zu geben. Auch das Weinen hatte sie unter dem Schock vergessen.
Dem Esel schien es ebenfalls völlig unheimlich zu sein. Es hatte seine Beine weit auseinander gestellt und sich ganz steif gemacht. Seinem Gesichtsausdruck meinte Greta ein Sich-in-die-Situation-Finden anzusehen. Seine Augen waren weit aufgerissen und ein leichtes Zittern lief über seine Flanken.
Greta konnte nicht anders, sie musste laut lachen, so komisch war das Bild des Esels.
„Mama“, flüsterte Berta leise, „wie komme ich hier weg?“
„Krabbel durch seine Vorderbeide hindurch, er tut dir bestimmt nichts.“
Vorsichtig robbte Berta unter dem Bauch des Esels hervor. Der stand ganz ruhig. Greta glaubte, ihm die Erleichterung anzusehen.
Als Berta aufstand, forderte Greta sie auf, dem Esel die Hand auf seine lange Nase zu legen und sich zu bedanken.  Mit reichlichem Zögern tat Berta, wie sie sollte. Als nichts geschah, streichelte sie ihm sogar die weichen Nüstern.
Dem Esel schien das zu gefallen, er hielt geduldig still.
 
„Wie bist du denn unter das Tier gelangt?“, fragte Mama.
„Ich weiß nicht, es ging so schnell. Ich glaube, ich bin ausgerutscht, als ich neben ihm war.“
 
Nach und nach kamen die anderen Beiden, ungeduldig aufs Reiten. Als sie hörten, was geschehen war, sahen sie ehrfürchtig zu Berta nieder. Was hatten sie doch für eine tapfere Schwester!
 
© I. Beddies


.




 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Irene Beddies).
Der Beitrag wurde von Irene Beddies auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.11.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

Bild von Irene Beddies

  Irene Beddies als Lieblingsautorin markieren

Buch von Irene Beddies:

cover

In Krollebolles Reich: Märchen von Irene Beddies



Irene Beddies hat in diesem Band ihre Märchen für Jugendliche und Erwachsene zusammengestellt.
Vom Drachen Alka lesen wir, von Feen, Prinzen und Prinzessinnen, von kleinen Wesen, aber auch von Dummlingen und ganz gewöhnlichen Menschen, denen ein wunderlicher Umstand zustößt.
In fernen Ländern begegnen dem Leser Paschas und Maharadschas. Ein Rabe wird sogar zum Rockstar.
Auch der Weihnachtsmann darf in dieser Gesellschaft nicht fehlen.

Mit einer Portion Ironie, aber auch mit Mitgefühl für die Unglücklichen, Verzauberten wird erzählt.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Leben mit Kindern" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Irene Beddies

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Der Froschkönig von Irene Beddies (Leben mit Kindern)
Jenny möchte helfen von Karin Ernst (Leben mit Kindern)
aus dem „PHYSIKalischen” Handschuhfach geplaudert von Egbert Schmitt (Weisheiten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen