Joana Angelides

Die kleine Hexe, die nicht böse sein wollte

Könnt Ihr Euch noch erinnern, als die böse Hexe Bora den Goldstaub vom Traummännchen geraubt hatte und dieser dann mit Hilfe eines kleinen Mädchens, einer Fee und dem Kobold von der Wiese, sich den Sack wieder zurückgeholt hat? Seitdem geht es recht fröhlich im Märchenwald zu, denn es sind einige Feen und auch Kobolde von anderen Märchenwäldern, weit weg von uns, über dem großen Meer, befreit worden. Sie waren von der Hexe gefangen und eingesperrt worden und werden nun als Gäste bewirtet und ihr fröhliches Gelächter hallt durch den Wald.

Schon ein paar mal sprachen sie alle darüber, daß sie eigentlich nach Hause fliegen sollten, weil man sich in ihrem Märchenwald bestimmt große Sorgen um sie macht. Doch sie wurden dann immer wieder von den anderen überredet und mit kleinen Geschenken überhäuft, so daß sie dann blieben.
Da war zum Beispiel die Fee Sabi, sie kam aus Indien und hatte anstelle eines Schleierkleides, wie es die Fee Silja anhatte, einen Sari an. So heißen die Kleider, die dort alle Frauen tragen. Dieser Sari war wunderschön, türkisfarben mit goldenen Sternen eingewebt. Ihr Haar war nicht goldblond, sondern ganz schwarz und glänzend und wenn sie so über die Wiese schwebte und sang, blieben alle stehen und lauschten ihrem Gesang.
Dann gab es noch Beba, sie kam aus Afrika und ihre Hautfarbe war braun und auch ihr Kleid war wunderschön. Es schwebte hinter ihr nach und spiegelte in den Farben des Sonnenunterganges, gold, orange und dunkelrot. Dazu trug sie einen Turban in den selben Farben, unter dem sie ihr Haar versteckte.
Auch eine Fee hoch vom Norden war unter ihnen, sie kam aus Schweden. Sie leuchtete buchstäblich von innen heraus, hatte wunderschönes langes blondes Haar und einen kleinen Lichterkranz im Haar. Ihr Kleid war aus silbernen Fäden gewebt und wenn sie sich zu den anderen gesellte, dann klirrte ihr Kleid als wäre es aus Eis und Silber. Sie hieß Luxa.
Dann war auch noch die Fee Lamis, sie kam aus Jordanien und war eine ganz besondere Fee. Sie war die Tochter der Feenkönigin in Jordanien und hatte ganz große Sehnsucht nach ihrer Mama der Königin und den Geschwistern, die natürlich auch alle Prinzessinnen und Prinzen waren. Und weil sie sozusagen eine kleine Prinzessin war, hatte sie ein kleines Krönchen am Kopf und ihr Kleid war aus purem Gold
Jeden Nachmittag trafen sie sich alle am kleinen See. Sie saßen dann auf dem Stein am Rande des Wassers, der der Lieblingsplatz von Silja war und lachten und betrachteten sich im Wasser und es versicherte immer eine Fee der anderen, daß diese die Schönste sei.

Natürlich kamen auch immer die Elfen dazu doch manches mal versteckten sie sich hinter dem Gebüsch und hörten ihnen zu, wie sie lachten und sich Geschichten erzählten.
„Es gibt bei uns einen ganz großen Märchenwald, da gibt es Tiger und Affen und manches mal auch Elefanten,“ erzählte Saba und schilderte, wie sie die Affen neckte, sie dann immer von Ast zu Ast flog und die Affen immer langsamer waren als sie. Manches mal warfen die Affen dann mit Bananenschalen nach ihr, aber getroffen hat noch keiner.
„Oh, Elefanten und Affen gibt es bei uns auch,“ sagt Beba, „und Löwen und Nashörner und Giraffen!“
„Oh, was sind Giraffen?“ rufen alle anderen und schauen Beba ganz erstaunt an.
„Na ja, das sind ganz große Tiere mit einem ganz langen Hals und langen Beinen, damit sie die Blätter von den Bäumen fressen können. Und manches mal warnen sie auch kleine Tiere, wenn Löwen im Busch versteckt sind, weil sie so weit sehen.“

„Oh, interessant,“ sagt Silja, die kleine Waldfee ganz furchtsam. Solche Tiere hat sie noch nie gesehen. Im Märchenwald wo Silja zu Hause ist, da gibt es höchstens Rehe und kleine Bambi, die immer mit der Mutter mitlaufen, den Fuchs oder die Eule, Vögel, die von Ast zu Ast hüpfen, Häschen oder Eichhörnchen die den Baum hinauf huschen oder den Frosch vom Teich. Die alte Schlange Birr, die meistens schläft. Der Braunbär, die weißen Pferde der Feen und Libellen, die über den See huschen. Aber Löwen, Tiger, Elefanten und Affen, solche Tiere hatte sie noch nie gesehen.

Luxa aus Schweden erzählte von ganz großen Herden Rentiere, die sich aber selten in den Wald verirrten, dafür gab es Elche mit riesigen Geweihen und tief im Wald gab es auch Bären und Füchse

Und so erzählten sich die Feen, wie es bei Ihnen zu Hause zu zuging und alle lauschten ganz neugierig.

So wurde es langsam Abend und sie wollten gerade wieder zum Feenschloß hinauf fliegen, als sie bemerkten, daß sich hinter dem großen Himbeerstrauch jemand versteckte.

„Hallo, komm´ doch heraus, wir sind auch fremd hier und du brauchst keine Angst zu haben. Wir wollen auch Deine Geschichte hören und hören wo Du herkommst,“ rief Lamis, die Fee aus Jordanien und machte einen Schritt in die Richtung vom Himbeerbusch.

„Nein, lieber nicht,“ kam es ganz leise zurück. „Ich bin keine Fee, ich bin eine böse, böse...“
dann versagte die Stimme.
„Eine böse, böse w a s,“ fragt die kleine Fee Lamis.

„Naja, eine böse, böse Hexe, zwar eine kleine, aber eine Hexe.“
„Ohje,“ riefen alle und flogen mindestens einen Meter in die Höhe.
Nur Lamis war mutig und setzte sich wieder auf den Stein.
„Also komm jetzt heraus und lasse Dich anschauen. Na, was ist?“ sie runzelte die Stirne und spähte hinter den Busch.
Da teilten sich die Zweige und ein kleines Hexlein kam heraus. Sie hatte einen weiten bunten Rock an mit einer weißen Bluse, ihre Haare waren braun und zottelig und lugten unter ihrem spitzen Hut hervor.
„Hallo,“ sagte sie
Alle schauten zu ihr hinüber und wie sie so ängstlich dastand, konnte niemand glauben, daß sie eine böse Hexe war und alle brachen in Gelächter aus.
„Das ist mein Problem, ich soll eine böse Hexe werden. Aber ich kann und will das nicht. Die böse Hexe Bora hat mich deshalb bestraft und dann eingesperrt. Ich soll das Hexenbuch auswendig lernen und dann alle verhexen. Aber ich verwechsle immer alles. Ich merke mir nur die guten Zaubereien und vergesse auch immer, was ich alles zum hexen und zaubern brauche. Ich war ganz unglücklic darüber. Da bin ich dann auch mit euch mitgeflohen.“
Sie stand ganz traurig da, das Hexenbuch unter den Arm geklemmt.
„Ach laß das Hexen, bei uns brauchst Du das nicht,“ sagte die kleine Fee Silja, “ wir werden Dich auf das Schloß mitnehmen und die Feenkönigin bitten, Dir eine Aufgabe zuzuordnen, wenn Du bei uns bleiben willst.“

Sie nahmen die kleine Hexe bei der Hand und flogen mit ihr zum Schloß hinauf.
Die Feenkönigen hat dann entschieden, daß die kleine Hexe in der Küche helfen soll. Sie bekam eine weiße Schürze und ihre Haare wurden geschnitten, gewaschen und verschwanden dann unter einer weißen Haube. Denn in der Küche mußte alles sauber sein und keine Haare durften ins Essen fallen.

Heute gab es Hühnchen mit Kartoffelpürree und Salat. Die kleine Hexe mußte die Kartoffel schälen. Sie saß schon seit früh morgens auf einem kleinen Schemel und schälte und schälte......
Sie war schon ganz müde und da fiel ihr ein Zauberspruch aus dem Hexenbuch ein.
„Ich werde jetzt zaubern und alle Kartoffel werden sofort geschält sein,“ dachte sie. Sie schaute sich in der Küche um, aber alle waren sehr beschäftigt und keiner beachtete sie. Sie schloß die Augen und sprach den Hexenspruch.
Da sprang ihr das Kartoffel-Schälmesser aus der Hand und schnitt wie wild an den Kartoffeln herum. Aber anstatt sie zu schälen, zerschnitt es alle Kartoffel in kleine Chips und diese flogen in der ganzen Küche herum.
„Was ist denn hier los!“ Schrie die Chefköchin und kam mit großen Schritten auf das Hexlein zu.
„Es, es tut mir leid,“ stotterte diese und versteckte sich hinter dem großen Sack Kartoffel, „ich wollte schnell fertig sein, ich muß den Zauberspruch verwechselt haben.“

Sie schloß die Augen und dachte schnell nach. Sie mußte einen Zauberspruch finden, um die Köchin wieder zu versöhnen. Sie wollte sie freundlich stimmen und einen großen Blumenstrauß herbeizaubern.
Sie sprach den Zauberspruch ganz leise und öffnete die Augen um der Köchin die Blumen zu überreichen, aber wieder hatte sie sich geirrt und vor den Augen aller erhob sich die Köchin in die Luft und flog bis an die Decke hinauf.
Alle in der Küche blickten hinauf und es ging ein Gelächter und ein Gekicher los. Es sah ja auch urkomisch aus, als die kleine dicke Köchin an der Decke hing und mit dem Kochlöffel herum fuchtelte.
„Laß mich sofort herunter,“ rief die Köchin mit hochrotem Gesicht und ihre Augen sprühten Blitze.
„Ja, sofort,“ sagte das kleine Hexlein, „es tut mir so leid. Ich hab wieder die Sprüche verwechselt.“
Sie schloß wieder die Augen und sagte einen neuen Spruch. Die arme Köchin fiel daraufhin sofort von der Decke in eine große Schüssel mit grünem Salat.

„Raus aus meiner Küche, sofort raus,“ schrie sie, zwischen den grünen Blättern hervor lugend und schleuderte den Kochlöffel nach der kleinen erschrockenen Hexe.
Die kleine Hexe lief weinend hinaus und direkt in die Arme der Feenkönigin.

„Ich glaube, die Küche ist nicht das Richtige für Dich,“ sagte diese streng, mußte aber ein bißchen lächeln als sie durchs Fenster blickte und die Köchin aus der Salatschüssel krabbeln sah.
„Du wirst im Garten arbeiten, da kannst Du vielleicht nicht so viel anstellen. Auf jeden Fall darfst Du nicht wieder zaubern. Komme heute zu mir und bringe mir das Zauberbuch, wir werden es weg sperren.“
„Ja, gut,“ sagte das Hexlein und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

Wir werden sehen, wie es dem kleinen Hexlein bei den Gartenarbeiten geht.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.03.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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