Joana Angelides

Die ganze Welt ist gegen mich!

Ich weiß auch nicht genau, woran es liegt, dass die ganze Welt gegen mich ist!

Immer, wenn ich knapp vor der Lösung eines Problems stand, dann baute sich irgendwoher eine neue Schwierigkeit auf.

Die einzige Erklärung ist:

Es muss an meinen roten Haaren liegen! Stellen sie sich vor, ein Mann mit feuerroten Haaren!

Wobei rothaarige Frauen überall bevorzugt werden! Sie regen die Fantasie der Männer an, las ich in einer Zeitschrift, sie sind besonders sinnlich!

Also, entweder habe ich die falsche Haarfarbe oder das falsche Geschlecht.

Schon in meiner Schulzeit war da ein Mathematikprofessor, der mir mit Akribie immer jene Aufgaben stellte, die ich gerade nicht lösen konnte. Es war doch klar, er wollte verhindern, dass ich der Klassenbeste bin, zumindest nicht in Mathematik.

Ich wusste schon damals, es lag daran, dass ich rote Haare hatte.

Beim Abitur wurde ich abgelenkt durch ein Bildnis Wolfgang Goethes, das mir gegenüber an der Wand hing. Er blickte mich scheinbar spöttisch, ja skeptisch an. So skeptisch, dass ich an den Antworten, die ich niederschrieb zweifelte und diese nicht abgab.

Zu seiner Zeit waren rote Haare sicher auch kein gutes Omen.

Ich musste zum Abitur ein Jahr später nochmals antreten. Diesmal hing das Bild einer Winterlandschaft da. Es störte mich nicht weiter, ich hatte einen Pullover an.

Ich wollte Jus studieren, dem Recht seinen Platz in der Welt verschaffen, Unschuldige verteidigen! Doch ich scheiterte an einer ........ Putzfrau! Just an jenem Morgen, als ich die Treppe dieser geheiligten Stätte hinaufstieg, um zu inskribieren, fegte sie eben mit großem Schwung und nassem Tuch darüber und ich rutschte aus. Da ich im Anschluß daran wochenlang mit einem komplizierten Beckenbruch im Spital lag, versäumte ich alle Fristen.

Ob die Putzfrau ebenfalls eine Abneigung gegen rote Haare hatte?
Ich wurde Polizist, da konnte ich eine Kappe tragen.

Meine berufliche Karriere war ein mühsamer Weg. Immer wieder stieß ich auf Ablehnung, wurde bei Beförderungen übergangen. Wieso merkte niemand, wie klug und tüchtig ich war, trotz meiner roten Haare?

Wieso geschieht es immer wieder, dass ich, der letzte in einer langen Schlange vor dem Postschalter mit der Nase letztlich immer an das Schild "Geschlossen" stoße? Der Postbeamte hat mich sicher schon die ganze Zeit beobachtet!

Er mag auch keine Männer mit roten Haaren.

Eine totale Mauer von Ablehnung baute meine Schwiegermutter auf. Gleich beim ersten Zusammentreffen spürte ich ihre Ablehnung. Das Essen war versalzen und außerdem sah sie mich böse an, als ich den Rotwein über das Tischtuch goß.

Ich glaube, sie hatte ebenfalls etwas gegen rote Haare, oder sogar überhaupt gegen die Farbe rot und wollte von Anfang an keine Enkelkinder mit roten Haaren.

Auch bei der Trauung musste ich den eiskalten Blick des Pfarrers ertragen, er dachte sicher dauernd an Judas Ischariot. Ich glaube seine Hände zitterten leicht, als er uns segnete.

Es ist mir in der Folge gelungen, meiner Schwiegermutter einen Streich zu spielen, denn alle meine fünf Söhne haben rotes Haar. Sie werden es aber sicher im Leben sehr schwer haben.

Ich habe ihnen Basketballmützen gekauft.

Ich denke, auch mein Friseur hatte eine Abneigung gegen männliche Kunden mit rotem Haar, denn seit ich mir bei ihm die Haare schneiden ließ, wurde mein Haar immer schütterer und fielen mir am Ende ganz aus.

Was ist nun ein rothaariger Mann mit einer Glatze? Er ist nur mehr ein halber Mann.

Ich sah es auch an den prüfenden Blicken der Menschen, denen ich begegnete.

Ich las es in ihren Augen:

Was bildet sich der Rothaarige denn ein, so ein Feigling, tarnt sich mit einer Glatze!

Mir macht man Nichts vor!

Schuld ist nur der Friseur, ich habe es allen erklärt, bin durch die Stadt gelaufen und habe es hinaus geschrien!

Doch sie wollten es nicht hören, schüttelten nur den Kopf über mich.

Nur hier, auf Station VI der Psychiatrie haben sie Verständnis, die haben mir eine rote Perücke gebracht, die ich nun tragen kann.

Nur leider kann ich mich nicht sehen, denn Spiegel bringen sie mir keinen.

 

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Joana Angelides).
Der Beitrag wurde von Joana Angelides auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.10.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Joana Angelides als Lieblingsautorin markieren

Buch von Joana Angelides:

cover

Im Schatten des Olivenbaumes von Joana Angelides



Ein Olivenbaum zieht die Menschen in seinen Bann und bestimmt besonders das Leben einer leidenschaftlichen Frau.
Sie trifft eine überraschende Entscheidung.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Skurriles" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Joana Angelides

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die kleine Hexe will einen Namen von Joana Angelides (Märchen)
Der Liebesbeweis von Rainer Tiemann (Skurriles)
Der Hutmacher von Dieter Fetzer (Märchen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen