Sascha Herrmann

Jedem sein Päckchen

"Dumm ist der der dummes tut!" Wie recht dieser Spruch doch hat.


Jedem sein Päckchen!


Jeder hat so sein Päckchen zu tragen! Die einen mehr und anderen weniger. Viele hier sind hier auf der Suche nach dem ewigen Glück oder hoffen zumindest es hier zu finden. So wie ich ! Im Grunde richtet sich unser streben das ganze Leben lang nur danach möglichst erfolgreich zu sein und genug Geld beiseite zu schaffen. Die wirklich wichtigen Dinge übersehen wir, oder bemerken sie erst dann wenn es zu spät ist.

Im Grunde spiegelt sich der Deutsche durchschnitt in meinem Leben wieder, deswegen wird fast jeder einen Teil seiner eigenen Geschichte hier in diesem Text wieder finden. Meine Eltern ließen sich scheiden als ich 8 war und meine Mutter zog mit mir und meinen beiden Brüdern in das kleine Nest Fröndenberg. Als Kinder bestimmt ein optimaler Ort um groß zu werden, aber als Jugendlicher ein Ort der alles Erwartungen an das Leben erstickt. Keine Arbeit, keine Ausbildung, keine Perspektiven! Glücklicher Weise war ich einer derjenigen die eine der wenigen Ausbildungsstellen die es dort gab erhaschen konnte. Mit dem Ende der Ausbildung kam der Drang auszubrechen und den Ort zu verlassen. Ich lernte meine damalige Freundin und spätere Frau kennen. Als sie schwanger wurde war es soweit, ich packte meine 7 Sachen und zog in die nächst größere Stadt mit Ihr. Iserlohn war zwar nicht die Weltreise die ich mir erträumt hatte, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Da meine Freundin ihren Schulabschluß machen wollte kümmerte ich mich nach der Geburt meiner Tochter um die kleine. Es war ein anstrengendes aber sehr schönes Jahr mit der kleinen zusammen und ich würde es immer wieder tun. Vielleicht hängen meine Tochter und ich grade deshalb selbst heute noch wie Pech und Schwefel aneinander. Als meine Freundin ihren Schulabschluß hatte, erfüllte ich mir einen Wunsch und machte mich mit meiner eigenen Werbeagentur selbständig. Die Agentur lief gut, deshalb stand einem zweiten Kind und einer Hochzeit nichts mehr im Wege. Ich hatte doch schon so viel erreicht! Ich fuhr ein großes Auto, wohnte in einen mit Sandstein verklinkerten Haus mit einem weißen Lattenzaum und einem großen Garten drum herum mitten am Waldrand. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich nie im Leben daran gedacht das sich mein Leben mal rapid ändern würde. Erst kam die Hochzeit und nur wenige Monate später kam mein Sohn zur Welt. Drei Monate zu früh. Die Umstände warum und wer daran Schuld war spielen hier keine Rolle, eins sei nur gesagt, wir waren es nicht! Falls diese Person das hier lesen sollte dann merke dir folgendes bitte sehr gut! Mein Sohn war grade mal so groß wie meine Handfläche. Es ist unbeschreiblich was in einem vorgeht wenn man das Krankenhaus abends verlässt und man weiß nicht ob am nächsten Tag das kleine Bettchen noch belegt ist. Drei Monate haben wir ständig in Angst gelebt das nachts der Anruf von der Kinderklinik kommt das wir sofort dort hinkommen müssen. Wir haben glück gehabt. Mein Sohn hat überlebt, auch wenn er jetzt in seiner eigenen kleinen Welt lebt. Er ist glücklich so, da er es nicht anders kennt. Das Leben musste weiter gehen und ich entschloss mich einen damaligen Praktikanten mit in die Firma aufzunehmen. Zwei Chefs, zwei hart arbeitende Menschen, das wird die Firma stärker machen. Was ich nicht ahnte war das meine damalige Frau anfing sich missverstanden oder vernachlässigt zu fühlen. Sie suchte zuflucht bei meinem Geschäftspartner. Eines Tages als ich zum Mittagessen nachhause kam, bekam ich zum Nachtisch mal keinen Pudding sondern die Scheidung. Das war nicht nur das Ende einer Beziehung sondern auch das ende der Firma wie man sich vorstellen kann. Ich werde nie den Tag vergessen als ich das erste mal meine beiden kleinen Engel zuhause verabschieden musste. Für sie beiden und für mich war es doch ganz normal das ich immer da war. An diesem Tag dachte ich, ich müsse sterben. Ich weiß das es vielen Männern nach der Trennung egal ist was mit den Kindern passiert, aber die Verantwortung für ein kleines Leben erlischt nicht mit dem Ende einer Beziehung. Ich weiß das auch meine Exfrau das hier lesen wird und ihre eigene Ansicht über das Geschehene hat, aber das ist nun mal so. Jede Geschichte hat wie eine Münze immer zwei Seiten. Weil ich den Kindern nicht von ihrem gewohnten Lebensraum nehmen wollte zog ich zusammen mit einem Bett und meinen Anziehsachen in eine 40 Quadratmeter Wohnung nur 5 Minuten entfernt ein. Durch das Ende der Firma wurde ich gezwungen zum Arbeitsamt zu gehen und musste feststellen das ich meine Sozialversicherungen wohl hätte besser zum Fenster rausschmeißen sollen. Vom Chef zum Harzt 4 fall! Was für ein abrutscher. Nach einigen Monaten suche schaffte ich es dann bei einer Autowerkstatt unter zu kommen die ihre eigene kleine Werbeabteilung hatten. Dadurch das mein Sohn regelmäßig im Krankenhaus lag, nahm ich meine Tochter oft mit zur Arbeit. Für sie war das ein riesen Spaß, 10 erwachsene Männer die meist nicht besseres zu tun hatten als mit ihr in der großen Halle Fußball zu spielen und im Pausenraum auf Teestunde zu machen. Genau über der Werkstatt wohnte eine Familie mit 2 Kindern, das eine so alt wie meine Tochter und das andere kaum älter als 6 Wochen. So ergab es sich das meine kleine immer öfter dort oben zum spielen war, während ich manchmal bis 21 Uhr unten am arbeiten war. Ich habe mir nie Gedanken darum gemacht wer die da oben sind, weil alle sagten das seinen nette, ruhige Leute. An einem Montag als es mal wieder spät geworden war, schellte ich zum ersten mal da oben an um meine Tochter zu holen. Eine kleine, rothaarige, junge Frau öffnete mir die Tür und bat mich hoch zu kommen. Es war eine sehr schöne Wohnung und ließ nichts vom Dreck und Öl der Werkstatt unten ahnen. Meine Tochter lag neben ihren Sohn auf dem Bett, die beiden waren beim DVD schauen eingeschlafen. Die junge Frau lud mich auf ein Glas Wein ein, was ich nach dem Tag dankend annahm. Ich fragte nach ihrem Mann und erfuhr das er nur am Wochenenden zuhause sein. Vertieft im Gespräch wurde der Abend immer länger und die Flasche mit dem Wein von ihrer Seite aus immer leerer. Ich erfuhr das sich hinter heilen Fassade grausige Dinge zutrugen. Anscheinen hatte ihr Mann am Wochenende meist nicht besseres zu tun als Fremd zu gehen und sie zu verprügeln. Das musste ich erstmal sacken lassen. Wer verprügelt Frauen??? Ich fragte am nächsten Tag unten in der Werkstatt nach. Alle wussten es, aber niemand hatte ihr je geholfen wenn sie oben um Hilfe schrie. Ich konnte das nicht verstehen. 10 erwachsene Männer und nicht einer hat mal angeschellt und dem ganzen ein Ende bereitet. Das sind Momente in denen man sich schämt ein Mann zu sein. In den nächsten Tagen war ich oft bei ihr oben, und sollte es auch anders sein kamen wir uns näher. Auf Heilig Abend war es dann soweit, mit ein wenig Unterstützung von mir packte der Tyrann seine Sachen und zog von dannen. Als sich die Tür hinter ihm schloss war es mir als hätte ich noch nie zuvor strahlendere Augen gesehen. Wie schön sie überhaupt war viel mir grade in diesem Augenblick besonders auf. Die nächsten paar Monate verliefen wie im Traum. Die Kinder verstanden sich super und auch wir kamen bestens miteinander aus. Dann wurde sie krank und klagte über Schmerzen in der Brust und Magengegend. Das sei nichts besonderes, das hätte sie schon früher gehabt. Ihr Exmann hatte ihr nur verboten zum Arzt zu gehen. Wahrscheinlich um sein Treiben zu vertuschen. Ich merkte das irgendwas nicht stimmen konnte und riet ihr zum Arzt zu gehen. Was sie dann auch tat. Ich war grade dabei eine LKW Beschriftung zu planen als die Tür von meinem Büro aufging und sie mit Tränen in den Augen vor mir stand. Meine schlimmsten Befürchtungen wurden war. Krebs, im ganzen Körper. In den nächsten Tagen haben wir versucht das beste aus der Sache zu machen aber sie wollte nicht das ich sie langsam dahinsterben sehe, sondern sie so schön in Erinnerung behalte wie sie war. Außerdem wollte sie die noch verbleibende Zeit mit ihren Kindern verbringen. Ich hätte alles gegeben und wäre bis zu letzten Sekunde bei ihr geblieben, aber ich musste ihre Entscheidung akzeptieren. Ich kündigte meinen Job und zog mich zurück in meine 4 Wände. Meine Wut auf diesen Tyran von Exmann war unermesslich. Grade Sie hätte das Recht gehabt die wenigen Jahre die ihr auf dieser Welt geschenkt wurden in Glück zu verbringen und nicht in Angst und Schmerzen. Sagen wir so, ich habe meiner Wut Luft gemacht und das ganze mit 7000 Euro Schmerzensgeld bezahlt. Aber im nachhinein tut mir diese Entscheidung nicht leid. Es hat lange gedauert bis ich darüber hinweg war, aber das Leben geht nun mal weiter. Noch heute telefonieren wir mal zusammen und an manchen Tagen geht es ihr besser und an manchen schlechter. Ich habe mich wieder erholt und nach einer neuen Ausbildung einen neuen Job als" Fachkraft für Schutz und Sicherheit " aufgenommen. Es ist auch dabei geblieben das ich meine Kinder regelmäßig sehen, denn sie gehören genau wie alles was je geschehen ist und kommen wird zu meinem Leben. Ich habe es auch schon mit einer neuen Beziehung versucht, musste aber feststellen das sich nicht jede Frau mit dem Gedanken anfreunden kann dass da noch 2 Kinder sind. Würde ich wenn ich die Wahl hätte alles noch mal so machen wie es passiert ist? Darauf gibt es nur eine Antwort! "JA"!!!

Ich bin kein Brad Pit oder Ja sager. Ich habe so wie jeder seine Macken und benehme mich auch mal daneben, aber ich schaue nicht weg und denke ich habe in meinen 28 Jahren schon genug Rückrad bewiesen um behaupten zu können das ich mir die eine und immer andauernde Liebe doch endlich verdient habe.


Sascha Herrmann

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.11.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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