Janik Sohn

My only friend - the end

Dies ist mein allerster Text.
Kritik und Lob sind herzlichst erwünscht :)
 
 
 
 
Die Kerze brennt. Erfüllte ihr Schein mein dunkles Inneres früher noch mit Wärme und Licht, Liebe und Sehnsucht, so sticht ihr Licht heute nur noch in meinen Augen und verwehrt mir für einige Momente den Blick auf alles, was meine Augen versuchen zu erfassen. Ich sehe genauso viel wie immer. Genau wie immer verschleiert mir etwas den Blick.
Ich halte mein Messer – zuvor frisch geschliffen – in der rechten Hand und halte es in den blauen Teil der Flamme, der meinem Wissen nach der heißeste ist. Es soll möglichst schnell gehen. Ich will so schnell wie möglich fort. Nichts hält mich mehr hier. Ich habe alles verloren, obwohl ich niemals etwas besessen habe.
Ich habe alle Vorkehrungen getroffen - keine. Denn abgesehen von meinem Weg in den Tod und dem Tod selbst, brauche ich nichts. Ich habe keinen Abschiedsbrief geschrieben, denn niemand würde ihn lesen wollen. Ich habe die Tür weder abgeschlossen noch offen gelassen. Sie lässt sich mit einem einfachen Herunterdrücken der Klinke problemlos öffnen, um den Anblick auf meinen erstarrten Leichnam freizugeben. Bis dahin werde ich nicht mehr hier sein. Weit weg. Oder etwa nicht, frage ich in den Raum hinein. Keine Antwort.
Meine schmerzende Hand, die ich zu lange in die Flamme gehalten habe, weckt mich aus meinen Gedanken auf. Ich schrecke vor Schmerz zurück und lasse das Messer zu Boden fallen. Warum schmerzt meine Hand noch? So als ob alles beim Alten wäre. Schmerz ist ein Schutzmechanismus, der uns vor Gefahren schützen soll. Welche Gefahr sollte mir etwas anhaben? Vor was will mich mein Körper schützen, wenn ich meinem Leben doch nun selbst ein Ende bereiten will?  Bilden Geist und Körper nicht eine Einheit, sodass mein Verstand dem physischen Teil meiner selbst von meinem Vorhaben berichten könnte? Oder will er es selbst nicht wahrhaben? Doch was ist es dann, das mich zu diesem Schritt bewogen hat? Zu diesem Abgrund, bis auf den Grund hinunter.
Mein Leben ist vorbei. Es ist aus! Für immer. Oder kommt doch noch etwas? Soll es das wirklich gewesen sein? Was soll der Sinn des Ganzen gewesen sein? Hatte ich eine Bestimmung? Habe ich diese vielleicht längst verpasst?
 Ich will wissen, was nach dem Tod passiert. Oder soll ich sagen, was nach dem Leben passiert? Gibt es etwas nach dem Tod, wo doch der Tod scheinbar das Ende ist? Was verbirgt sich hinter dieser dunklen Wand, die wir Leben nennen? Ich möchte aus meiner Höhle ausbrechen und den Sonnenstrahlen folgen, die in Zeiten des Erkennens auf mich fallen. Ich möchte diesem hellen Licht folgen und mich nicht von diesem blenden lassen.
Ich will all diesen Gedanken ein Ende machen. Mein Kopf hält das alles nicht mehr aus. Ich halte den Gedanken, dass da noch etwas ist, nicht mehr aus. Ich werde mich selbst überzeugen, mich aus dem Leben verabschieden und hinter die scheinbar undurchdringliche Fassade blicken, die meine Sicht seit jeher einschränkt. Bin ich am Boden, fühle ich mich schwach. Blicke ich nach vorn, sehe ich nichts als einen steinigen Weg unbestimmter, schier unendlicher Länge. Eine Sackgasse, in der ich dem Tod hilflos ausgeliefert bin.
Mein Messer ist heiß. Meine Inneres schon lange ausgekühlt und leer. Wenigstens das Blut, das mir langsam aber bedrohlich am Unterarm herunter fließt, spendet ein wenig Wärme. Ich liebe dieses Gefühl. Ich habe es schon in jungen Jahren immer wieder genossen. Habe mich immer wieder an diesen Abgrund begeben, den entscheidenden Schritt nach vorn aber nie gewagt. Denn ich spürte damals noch ein wenig Wärme in mir, einem Teelicht gleich, das künftig mein Grab zieren wird. Wer es wohl dort hinstellen wird wo ich doch niemanden habe?
 Mein Lebenselixier bahnt sich langsam den Weg abwärts und tropft gemächlich an meinen Fingern Richtung Boden. Es hat keinen weiten Weg, denn ich befinde mich bereits ganz unten. Es bewegt sich dermaßen behäbig, dass ich meine, an der Nase herumgeführt zu werden. Als wollte es mich auf die Folter spannen oder mir die Chance geben, mein Vorhaben noch einmal zu überdenken. Die zahlreichen Wunden an meinem Körper eröffnen den rotem Saft aus meinen Adern neue Wege, die eigentlich nicht betreten werden sollten, denn an außerhalb meines Körpers können sie ihren Zweck nicht erfüllen.
Mir wird schwarz vor Augen. Schließlich verliere ich das Bewusstsein und schlafe einen tiefen Schlaf. Ich bete, dass niemand kommt, um mich wach zu küssen. Ich wünsche mir lediglich den Todeskuss des Sensenmannes.
Seine Lippen sind sanft.

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.04.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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