Jeannette Frömming

Das Inserat 2

 

Auf dem Spielplatz konnte ich mich gar nicht richtig entspannen, irgendwie stand ich unter Strom.

Ich wollte doch die ganze Sache vergessen, warum dachte ich jetzt nur permanent an das Inserat?

Ob schon jemand geschrieben hatte, ging es mir immer wieder durch den Kopf.

Meiner besten Freundin Christin, die auch mit ihrem Sohn Niklas auf dem Spielplatz war, wollte ich erst einmal lieber nichts von meinen gedanklichen Ausschweifungen erzählen.

Irgendwie schämte ich mich, für das was ich getan hatte.

So etwas gehört sich einfach nicht.

„Hanni Sell, Mama Sell“, unterbrach Johanna meine Gedanken.

„Ja Süße, Mami geht mit Dir zum Karussell“ antwortete ich meiner Tochter.

Wenn Hanni was möchte, dann fordert sie dies auch energisch ein. Widerstand ist zwecklos.

Also folgte ich dem blonden Lockenkopf in die große Sandkiste, in deren Mitte ein rotes Kinderkarussell zum Anschieben stand.

Hanni setzte sich auf ein kleines weißes Pferdchen und forderte von mir „Neller, neller Mami“.

Nach ein paar schnellen Runden, gingen wir noch mal zum Schaukelplatz zu den anderen Vollzeitmüttern mit ihren Sprösslingen.

Hanni schubste Niklas, Jette versuchte Sand zu essen, Emily wurde von einer Biene gestochen und Jonas war an der Brust seiner Mutter eingeschlafen.

(Ja, manche Kinder werden auch noch mit 2 Jahren gestillt, ich hab es gerade mal 2 Wochen geschafft).

Ein ganz normaler Spielplatzalltag eben und irgendwie auch nicht.

Lange war ich schon nicht mehr so abwesend gewesen wie heute.

Meine Gedanken hingen nur bei „liebe.de“.

Jetzt auf nach Hause, nachschauen, immerhin sind schon knapp 2 Stunden vergangen, seit dem mein Inserat meinen Computer verlassen hatte.

Aber wer soll da schon schreiben, es ist nachmittags, da arbeiten doch alle vernünftigen Männer, versuchte ich mich selbst etwas herunter zu fahren.

Egal, ich hielt es nicht mehr aus und sagte den anderen ich müsse gehen, da ich noch meinen Versicherungsvertreter anrufen müsste, weil er ab morgen für zwei Wochen im Urlaub sei.

„Okay, dann bis morgen“ rief mir die Horde Mamis zu.

Jetzt fing ich schon an zu lügen, tolle Leistung.

Johanna setzte ich in den Buggy.

Setzen war zu viel gesagt, ich musste sie regelrecht reinpressen und war froh für die Erfindung des Gurtes am Kinderwagen, denn Hanni fand das gar nicht gut, was sie auch durch lautes Gebrüll und Gestrampel demonstrierte.

Hanni wollte lieber noch mal den Niklas schubsen, oder zusammen mit Jette Sand essen, macht ja gemeinsam noch mehr Spaß.

Manchmal ist es verwunderlich was für enorme Kräfte so kleine Zwerge aufbringen können, nur um ihr Köpfchen oder sagen wir besser ihren kleinen, großen Dickschädel durchzusetzen.

Selbst mit Gummibärchen konnten ich sie nicht bestechen.

Manchmal wäre ein Aus-Ein-Knopf wie bei einer Puppe wünschenswert oder wenigstens ein Lautstärkeregler.

Jetzt würde ich ihn bedienen.

Okay, es gab keinen Knopf, damit musste ich mich abfinden und einfach Nerven beweisen.

Ich summte leise vor mich hin und versuchte Hannis Getobe einfach zu ignorieren.

Eine ältere Dame schüttelte nur fassungslos den Kopf, als sie an uns vorbei ging.

Ich sah ihre Gedanken bildhaft in kleinen Wölckchen vor mir her schweben: „Rabenmutter“, „unfähig“, „völlig überfordert“, ...so was gab es früher nicht...“

Irgendwie hatte sie ja auch Recht. Anstatt lieber den Bedürfnissen meines Kindes nach zu gehen, eine gute Mutter zu sein, die voller Hingabe sich mit anderen Müttern über Windeln, Erziehung, Schlafrituale und Familienurlaube in Kinderhotels in Österreich austauscht, log ich und zwängte mein Kind nicht gerade zärtlich in den Buggy, um nach Hause an meinen Computer zu eilen.

Vor allem warum, fragte ich mich.

Wenn ich schwanger von meinem Partner sitzen gelassen wäre und auf der Suche nach einem Ersatzpapi für mein Engelchen wäre, dann wäre es ja auch verständlich, aber so!?

Wobei, dann hätte ich das Inserat völlig anderes formulieren müssen.

Ein Wort wie Geliebte wären da völlig falsch. Besser wären Worte wie Familienidylle, Glück, Gemeinsamkeit, Kinder, Wärme, Liebe, Geborgenheit...

Aber darüber brauchte ich ja nicht nachzudenken, schließlich hatte ich einen Mann und Johanna einen Papa.

 

Endlich daheim angekommen, war Johanna doch tatsächlich vor lauter Wut eingeschlafen, so erschöpft hatte sie das Geschrei.

Auch gut, dachte ich mir, dann lass ich sie noch ein halbes Stündchen friedlich im Buggy schlummern und checke mal meinen neuen, extra für das Inserat angelegten E-Mail-Account.

Mein Herz begann zu rasen, als ich meine Einloggdaten eingab.

18 neue Nachrichten.

Wow, dass hätte ich nicht gedacht.

Innerhalb von noch nicht mal ganz drei Stunden.

Das waren 6 Nachrichten pro Stunde, dass hieß ca. aller 10 Minuten eine Nachricht und das mitten in der Woche am Nachmittag.

Ich war beeindruckt und gespannt wer mir da was schrieb.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.07.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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