Simona Bianco

Psychose - Teil 2: Bohnensuppe

Ich sitze mit meinem Mann und meinem Sohn in einem Schnellrestaurant. Ich blicke umher. Aua. Da saß er. Der erste Mann, für den ich so etwas wie Liebe empfunden hatte. Kribbeln im Bauch. Er sitzt da mit seiner Ehefrau und seinem Sohn. Stechen in der Brust. Unsere Blicke treffen sich. Wie gebannt starren wir uns an. Ich gucke zu meinem Mann. Er zu seiner Frau. Nein, niemand hat unsere Blicke bemerkt. Und schon gerät Dein Leben und Deine Beziehung aus den Fugen. Du fängst an, Dich zu fragen, was wäre passiert, wenn…

Und auf einmal ziehen sie alle durch Deinen Kopf. Der verschwitzte Kfz-Mechaniker, der nur mit Dir schlafen wollte…der nette Kellner aus dem italienischen Restaurant, mit dem Du Deinen ersten Sex hattest…Der Typ mit der Glatze, der häßlich aber sehr lieb war, aber der Dir zu peinlich für die Öffentlichkeit war…Und dann die ganzen Namenlosen „Fucker“. Grausam. Ich hatte 19 Männer…mit denen ich schlief. Ich hatte drei Männer, mit denen ich gern alles getan hätte, die mich aber nicht wollten. Weder sexuell noch anders…doch Freundschaft wollten sie, aber ich glaube fest an den Spruch: Aus Freundschaft kann Liebe werden, aber aus Liebe niemals Freundschaft. Und Ausnahmen bestätigen die Regel, denn mein Kumpel D. war auch mal mein Partner. Für fast ein Jahr. Ich war seine erste und es endete damit, dass ich fast ins Osterfeuer geflogen wäre, weil ich ihn betrogen hatte.

 

Hört die Suche nach dem Ritter auf dem Schimmel irgendwann auf? Gibt es die Beziehung, in der es keine Zweifel mehr gibt? Ich kenne niemanden, der sie gefunden hat. Oder resigniert man irgendwann und gibt sich (so wie ich jetzt!) mit dem zufrieden, was man hat? Nach wievielen gescheiterten Versuchen gibt man auf? Was ist mit den Menschen, die mit Ihrem ersten Sex-Toy schon 25 Jahre verheiratet sind? Leben die getreu dem Motto: Liebe macht blind? Oder ist es bedingungslose Liebe, die in Akzeptanz der Fehler des anderen ihren Höhepunkt findet? Und warum zur Hölle kann mir niemand diese Fragen beantworten???

Sehe ich mich um. Meine Freundin Nanny und ihr Mann. Seit fast 17 Jahren zusammen, fast ebenso lange verheiratet. Höhen und Tiefen, aber unzertrennlich. Ist es so? Ist das die wahre Liebe? Oder meine Freundin L., deren Mann sie nach 25 Jahren Ehe von heute auf morgen verlassen hat, weil ihm klar geworden war, dass die Routine die Liebe gekillt hatte? Meine beiden Brüder, beide geschieden und emotionale Wracks. Einer wieder verheiratet, der andere in einer festen Beziehung mit einer Zicke. Ist das Liebe?

Der Mensch soll angeblich ein Rudeltier sein. Warum streben die meisten Menschen aber die Monogamie an? Ich lebe sie auch, aber unzufrieden. Ich glaube nicht daran, dass ein Mensch jeden Tag „Bohnensuppe“ essen kann. Das wäre ja schließlich einseitige Ernährung. B. (mein Mann!) meint, man könnte ja zu der Bohnensuppe auch mal Salat oder Nudeln essen, so ist es nicht nur Bohnensuppe. Doch, Bohnensuppe mit Salat, Bohnensuppe mit Nudeln, Bohnensuppe mit Reis, Bohnensuppe bleibt Bohnensuppe. Bin ich unnormal?

 

Unnormal, weil ich zwischendurch auch mal einen Döner will? Unnormal, weil ich ein Rudeltier bin, das gern rudelvögelt??? Sex hat mit Liebe doch ohnehin nichts zu tun. Menschen verwechseln das nur all zu oft. Also, den besten Sex hatte ich mit meiner aktuellen Bohnensuppe. Das wird vermutlich auch der Grund sein, warum ich zur Zeit keinen Hunger auf andere Suppen habe. Doch in meiner Vergangenheit gab es auch schon mal eine sehr delikate Champignoncremesuppe, die eine Sünde wert war…Was soll´s. Die Menschen streben nach festen Beziehungen, weil dieses den Anforderungen unserer Gesellschaft gerecht wird. Eine Frau, die nur Sex will, ist entweder eine Nutte oder eine Schlampe. Ein Mann, der nur Sex hat, ist entweder ein Casanova oder ein Arschloch. Auf jeden Fall wird dieser Typ Mann von Frauen generell als beziehungsunfähig bezeichnet.

 

Zwanghafte Beziehungswünsche. …weil es alle tun. …weil es normal ist. …weil es so ist. Diese Antworten konnte ich schon im Mathematikunterricht nicht gelten lassen. Mein Mathelehrer sagte in der 10. Klasse: a²+b²=c². Auf meine Frage: „Warum ist das so?“, antwortete er: „Weil das eben so ist!!!“. Kein Wunder, dass ich das Thema in der nächsten Matheklausur voll vergeigte. Ich konnte noch nie etwas akzeptieren, ohne eine Erklärung dafür zu haben. Also? Warum müssen Menschen in Beziehungen leben? Beziehungen zwischen Mann und Frau, gleichgeschlechtliche Beziehungen, Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, Beziehungen zwischen Chefs und Angestellten, Beziehungen zwischen Freunden…überall Beziehungen. Warum geht es nicht zwang- und verpflichtungslos? Kann ein Mensch an Einsamkeit sterben? Oder daran erkranken? Brauchen wir andere Menschen, um leben zu können?

 

Warum können unser Kopf und unser Herz nicht vergessen? Warum projeziert man die Fehler aus vorherigen Beziehungen in die jetzigen? Kann man vergeben, ohne zu vergessen? Wie oft kann ein Herz brechen? Braucht man Gefühle? Fragen über Fragen…und ich hoffe, dass ich während meiner „Reise“ die Antworten finden werde…hoffentlich!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.09.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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