Rolf Grebener
Tante Mimis Hämorriden
Gedanken versunken genieße ich die Frühlingssonne auf der Terrasse.
Meine Gedanken wandern in mein 15. Lebensjahr zurück.
Mit drei Jungens sehe ich mich auf der kleinen Brücke beim Bäcker Bunger.
Es ist Sonnabendnachmittags. Warm scheint die Herbstsonne. Wir lehnen uns über das Brückengeländer und spucken ins Wasser.
Mein Opa trägt noch eine Nachtmütze und ein Nachthemd sagt Hannes leise und spuckt wieder ins Wasser.
Eine Nachtmütze, fragt Christian.
Wie Onkel Fritz bei Wilhelm Busch, sagt Hannes.
Wir lachen und stellen uns Onkel Willi mit Nachthemd und Zipfelmütze vor.
Onkel Willi war sehr groß. Vielleicht 1,90m und spindeldürr.
Tante Mimi, seine Frau, war sehr klein und pummelig.
Hämorriden machten ihr zu schaffen..
Auf ihrem Fahrradsattel hatte sie ein Sofakissen gebunden.
So konnte sie ihre Hämorriden unbeschadet durch die Gegend schaukeln.
Es war schon ein Bild zum Kichern, wenn Onkel Willi und Tante Mimi sonntags mit dem Fahrrad zur Kirche fuhren.
Onkel Willi hatte immer eine Prinz Heinrich Mütze auf dem Kopf.
Kerzengerade saß er auf seinem Fahrrad und qualmte seine Pfeife.
Tante Mimi schaukelte dann hinterher.
Für uns Jungens gab es nur noch den einen Wunsch. Wir wollten Onkel Willi im Nachthemd und Nachtmütze sehen.
Hannes zeigte uns das Schlafzimmerfenster seiner Großeltern. Es befand sich gegenüber der Straßenseite direkt am Kohlfeld.
Pünktlich um zehn legten sich Heini, Emil und Christian auf die Lauer.
Onkel Willi kam ins Schlafzimmer und knipste das Licht an.
Bis auf Unterhemd und Unterhose war er schon ausgezogen.
Sein Nachthemd und auch seine Nachtmütze lagen säuberlich auf seinem Bett. Onkel Willi nahm sein Hörgerät aus dem Ohr. Dann zog er sich sein Nachthemd an.
Als er sich dann noch die Nachtmütze aufsetzte, konnten sich die Jungen kaum stillhalten.
Tante Mimi kam schon im Nachthemd ins Schlafzimmer.
Müde legte sie sich in ihr Bett. Auch Onkel Willi legte sich schlafen. Er knipste das Licht aus.
Gerade wollten sich die Jungen davon machen, als es im Zimmer wieder hell wurde.
Tante Mimi krabbelte aus ihrem Bett, wackelte zum Frisierspiegel, drehte sich um, bückte sich, zog sich ihr Nachthemd hoch um voller Sorge ihre angeschwollenen Hämorriden zu betrachten.
Den Jungen stockte der Atem.
Die Köpfe glühten.
Schreiend und lachend, rannten sie durch das Kohlfeld davon.
Onkel Willi war ihnen barfuß, im Nachthemd auf den Fersen.
Die Jungen jedoch waren schneller.
Mit rasenden Herzen und hochroten Köpfen hatten sie sich in Sicherheit gebracht.
Liebevoll denken die Jungen von damals an Tante Mimi und Onkel Willi zurück.
Schon vor vielen Jahren hat der liebe Gott
die guten Menschen zu sich geholt.
Geblieben ist die Erinnerung an den Herbst 1961,
als damals vor fünfzig Jahre ein aufregender Tag zu Ende ging.
Rolf Grebener
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.02.2012.
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