Florian Brigg

Den Hügel hinauf

+Tragen, Kreuz
 
 
 
 

Den Hügel hinauf

 

Eine Ostererzählung

 
© Florian Brigg 111/2014
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Wir wurden von den regulären Truppen immer von oben herab angesehen. Die dachten immer, wir wären unzuverlässige Tölpel, schlecht ausgebildet und würden unter Gefechtsbedingungen nicht unseren Mann stellen können. Ich jedoch war stolz, was ich erreicht hatte. In den Augen meiner Familie und der Einwohner des kleinen Dorfes, wo ich geboren wurde, unterhalb des Gebirges der Pyrenäen, war ich ein allseits bewunderter Krieger, in einem Lederrock, Brustpanzer und schimmerndem Helm, der Ausrüstung der römischen Legionäre. Und ich war stolz auf meine Ausbildung im Umgang mit Speer und Kurzschwert, sowohl beim Angriff, als auch bei der Verteidigung. Ich war einfach ein guter Soldat!
 
Ich bin der vierte Sohn einer Bauernfamilie. Zwei meiner Brüder haben sich dem Erlernen von Handwerk zugewandt, der älteste strebte ein Studium in Hellas an und hat uns vor zwei Jahren verlassen. Als ich in unserem Dorf von der Rekrutierung von Hilfstruppen erfuhr, habe ich mich umgehend gemeldet. Ich wurde für tauglich befunden.
 
Was ich natürlich nicht ahnen konnte, war der Ort meiner Stationierung nach erfolgter Ausbildung. 
 
Na Ja, der Einsatz in Judäa war dann aber wirklich eine einzige Scheiße! Die Hitze war kaum erträglich, wenn du in voller Ausrüstung antreten musstest und der feine Wüstensand, getragen von den heißen Winden, sich unter Deinem Outfit breit
machte. Dies führte zu einem fast unerträglichen Jucken und die Träger des Panzers auf deiner Haut hinterließen schmerzhafte Striemen. 
 
Auch die Eingeborenen waren mehr als gewöhnungsbedürftig. Sie konnten oder wollten  nicht begreifen, dass wir, die Römische Legion, hier die Herren waren. Immer benahmen sie sich aufmüpfig, immer zu Gewalt bereit und meinten, sie hätten die Gescheitheit mit dem großen Ligula gefressen.  Beim Jupiter, ich habe die Denk- und Verhaltensweise der Juden nie begriffen!
 
Sie sprachen immer von ihrer Kultur und ihren feinen Sitten. Dabei schnitten sie den kleinen Buben nach der Geburt den halben Schwanz ab,  hatten keinen gescheiten Wein, kaum Hygiene und das Essen war zum Schmeißen!
 
Aber es gab auch Anderes. Mädchen mit schwarzem Haar und großen feuchten Augen. Sie waren das Ziel der Begierden der römischen Soldaten. Viele dieser jungen Weiber waren nicht abgeneigt, uns bei den kalkgetünchten Mauern ein Stelldichein zu gewähren. Manche zogen die versteckten Höhlen in den Hügeln vor.  Für eine simple Nummer verlangten sie gewöhnlich einen Quinar, ließen sich aber mit zwei Sesterzen bezahlen, weil man mit kleineren Münzen ohne großes Aufsehen seltene Waren kaufen konnte. Wolltest du aber tiefer in die Wundertüte hineingreifen, war der Preis je nach Service höher.
 
Ronnie war nicht von dieser Sorte. Wenn wir uns zufällig trafen war sie immer liebenswürdig und  nährte so eine gewisse Hoffnung in mir. Ich denke besonders an jenen Freitag, an dem ich sie zu einem Spaziergang in das Olivenwäldchen eingeladen hatte. Blöderweise wurde aber ein Befehl durchgegeben, die Sicherung einer Prozession zu übernehmen. So ein dahergelaufener konfuser Revoluzzer sollte wegen irgendeines politischen Deliktes gegen die Staatsgewalt aufgenagelt werden. Es herrschte die Meinung vor, es könnte zu Ausschreitungen kommen.
 
 

 
 
 
 
 
 
Anstelle des bevorstehenden Rendez-vous’ mit meiner Hübschen und den zu erwartenden Annehmlichkeiten im kühlen Schatten der Olivenbäume musste ich hier, an der beschissenen staubigen Strasse Dienst verrichten, in dem ich den Mob, der die Prozession offensichtlich stören wollte, zurückhalten musste. Unter der stetig heißer werdenden Sonne wurde mein Helm zu einem  Kochtopf mit siedendem Inhalt und der Panzer schien laufend an Gewicht zuzunehmen. Aus meiner Sicht bestand die Menge zumeist aus harmlosen Schaulustigen, wie sie sich immer bei publikumswirksamen Events trifft. Ein Mordsspektakel wegen einer Kleinscheiße! 
 
Ich muss gestehen, der Anblick des vorbeigeführten Delinquenten passte nicht in mein Bild eines muskelbepackten stattlichen Aufrührers. Er war nur von mittlerer Größe, ähnelte aber infolge offensichtlich armseliger Lebensführung und unzureichender Ernährung eher einem dieser idiotischen Fastenfreaks und Gesundheitsprediger als einem Revolutionär. Er sah älter aus, als die offiziell angegebenen dreißig Jahre plus! Irgendwann stolperte er und fiel zweimal zu Boden. Der Kamerad an meiner Rechten musste einen Sympathisanten in zerrissener Kleidung aus dem Verkehr ziehen, der versuchte, dem Verurteilten aufzuhelfen. Ansonsten gab es keine Vorkommnisse. Außer, dass die hernieder  brennende Sonne immer heißer wurde.
 
Dann sah ich Ronnie. Zuerst dachte ich, sie würde mich suchen, der ich ja unser Date versäumt hatte. Aber sie tat, als hätte sie mich niemals gesehen. Ich bemerkte, wie sie sich energisch den Weg durch die Menge bahnte, ihr Haupt bedeckt mit einem ihrer wunderbaren Tücher. Dicht an ihre Brust gepresst hielt sie einen vor Feuchtigkeit tropfenden Lappen.  Es war uns Legionären natürlich verboten, mit Eingeborenen während unseres Dienstes zu sprechen. Daher versuchte ich, mit Schlagen meiner Faust an den Schild ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Vergebens. Bevor sie noch irgendwer daran hindern konnte, durchbrach sie unseren Kordon und rannte auf den Delinquenten zu. Dem war gerade das schwere Holzkreuz entglitten, das er nun wieder auf seine Schulter zu stemmen versuchte. Ich traute meinen Augen nicht: Ronnie befeuchtete mit ihrem Tuch die Stirn des Mannes unter dem Kreuz.
 
 
 

 
Es ist schwer zu beschreiben. Aber es schien, als wäre in diesem Augenblick die Zeit stehen  geblieben. Der Rebell schenkte Ronnie ein so zärtliches Lächeln, dass man hätte denken können, er erhielte von ihr die Begnadigung der römischen Regierung und die Einladung zu einem Dinner ins Kapitol. Und sie erwiderte dieses Lächeln, als hätte er ihr einen sagenhaften Dienst erwiesen. Ich schwöre, ihr Antlitz war in diesem Augenblick in ein Licht getaucht, das nicht von der Sonne über uns zu stammen schien. 
 
Danach gingen alles seinen gewohnten Gang. Die Prozession und die Menschenmenge verschwand hinter dem Hügel. Wir Soldaten aber standen wie befohlen weiter auf unserem Posten entlang der nun menschenleeren Strasse.
 
Ich sah Ronnie nie wieder. In der Kaserne ging das Gerücht um, viele Frauen hätten sich einer neuen Sekte angeschlossen. Mir war das aber scheißegal. Unter den Juden geschah dies ja öfters. So wie man sich Träume erfüllen möchte, so denke ich.
 
Allerdings fand ein bislang nicht gebräuchliches Wort Eingang in die Sprache auch von uns Römern: Misericordia.
 
Ich habe meinen Dienst quittiert und bin nach Hause zurückgekehrt. Ich kann es nicht wirklich erklären, aber an diesem Freitag geschah etwas, das mich den ehemals so geliebten Militärdienst verachten ließ. Ich wollte lieber wieder in meiner Heimat leben, mich dem Vieh und dem Bestellen der Äcker widmen. Ein sehr einfaches Leben, nach all dem Herummarschieren, Exerzieren und Erobern der letzten Zeit. Heute bin ich zufrieden.
 
 
Manchmal jedoch, wenn ich hinter dem Ochsen-gezogenen Pflug einhergehe und die Sonne heiß auf mein Haupt brennt, denke ich, wie schön wäre es, würde Ronnie mit einem feuchten Tuch meine Stirn kühlen .   

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.03.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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