Jürgen Skupniewski-Fernandez

Das indische Pentagramm 3

Mauritius‘ älteste und bekannteste Polizeistation, die Hauptwache Abercrombie, liegt im Ortsteil La Croix der Inselhauptstadt Port Louis, benannt nach dem französischen König Louis XV. Drei Divisionen laufen hier zusammen: die MPF (Maurice Police Force), das Department für Control und Investigation (CID), sowie das Technical Support Center (TSC) in Rose Hill. Diese drei Teams bilden das Herzstück der mauritischen Polizei.

Namensgeber dieser Station ist Major General John Abercrombie (1772 – 1817). Denn während man in Europa begann sich gerade von Napoleon zu erholen, eroberte John Abercrombie die Insel 1810 von den Franzosen.

Der große Deckenventilator schnurrte rhythmisch unter der alten Holzvertäfelung. Seine Luftwirbel verbreiteten eine angenehme Kühle. Chief Inspektor Francis Laurent saß vertieft über einem Dossier, dass er vor sich ausgebreitet hatte. Sein ausladender Schreibtisch stammt noch aus Kolonialtagen um die Jahrhundertwende. Immerhin wurde die Station in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet. Da konnte man mit Recht stolz auf diese historische Institution sein.

Zwei bequeme Holzstühle, ein alter Aktenschrank mit Rollläden, daneben eine etwas modernere Ausführung. Zwei hohe Fenster, die für angenehmes und ausreichend Tageslicht sorgten. Die zusätzliche Klimaanlage und ein weiterer funktioneller Arbeitsplatz, waren alles, was das Büro des Chief Inspektors hergab.

Sein Kinn ruhte, vom linken Arm gestützt, in seiner Handfläche. Er griff nach der Wasserkaraffe rechts vor ihm und goss sich gekühltes Wasser in ein schlichtes Glas und lehnte sich in seinen alten lederbezogenen Schreibtischsessel zurück, der die besten Tage bereits gesehen hatte. Er blickte gedankenversunken zur Decke auf den kreisenden Deckenventilator.

Die beiden Beamten, Constable Ephraim Elmire und Mahmud Louvet stiegen aus ihrem Dienstfahrzeug und betraten das Kommissariat. Sie begaben sich Richtung Schreibstube, denn sie hatten Anweisungen, nach ihrem Besuch bei Maurice Bertram, sofort ein Protokoll anzufertigen. Beide Herren öffneten die Tür mit der Aufschrift, Orderly Room, und gingen auf einen freien Schreibtisch zu.

„Hey“ rief einer der Kollegen neugierig „Na, wie ist der Besuch ausgegangen?“

„Jacques, sorry, leider keine Zeit für einen Plausch! Der Bericht hat Vorrang, sonst bekommt uns der Alte noch am Arsch“. Grinsend setzten sich beide Polizisten an den Tisch und fuhren den PC hoch.

Man hatte Chief Inspektor Francis Laurent mit den Ermittlungen betraut. Der französische Botschafter sprach beim Innenminister persönlich vor und bat um professionelle Unterstützung. Da kam nur Laurent in Frage und das hatte natürlich auch einen besonderen Grund. Laurent war nämlich auf Geheiß von höchster Stelle untergetaucht. Die Position in Abercrombie hatte nur eine Alibifunktion. Er war aber von dieser Art von Intervention etwas überrascht. Vielleicht stand das Opfer mit französischen Einrichtungen in Verbindung? Oder war es Bernadette, die Frau des Botschafters Antequil, die ihren Gatten auf die Idee brachte, über das Innenministerium zu gehen, um diesen Fall etwas aufzubauschen; nach außen hin zumindest?

Bernadette fingerte allzu gerne an ihm herum. Nach ein paar Gläsern Wein fanden sich beide da wieder, wo man halt seine Sympathien auslebte, im Bett. Beide nahmen es sportlich.

Auch ein Beamter ist nur ein Mensch. Er war ganz gerne auch mal hin und wieder schwach. Das hatte aber auf seinen guten Ruf als Kriminalist keinen Einfluss. „Tu es, aber sprich nicht drüber“, war seine Devise und Diskretion. Neben seiner attraktiven Erscheinung, waren es aber gerade seine einfühlsamen Seiten, die ihn besonders auszeichneten und Aufmerksamkeit erregten.

Der zweite Schreibtisch in seinem Büro war augenblicklich nicht besetzt. Der junge Beamte, der ihm als Sekretär gestellt wurde, hatte sich in seinen Chief Inspektor hoffnungslos verguckt. Francis Laurent war mehr als tolerant. So ein bisschen Anhimmeln ging ja noch, aber dieses andauernde Starren auf seine Hose war dann nicht mehr zu ertragen. Trotz mehrmaliger Hinweise, konnte der junge Mann nicht davon lassen.

„Robert, wir müssen uns trennen. Ich habe ihre Versetzung schon unterschrieben. Ich denke, dass Sie auf der Polizeistation in Flic en Flac besser aufgehoben sind. Die Kolleginnen und Kollegen sind recht cool und außerdem können Sie sich im Meer abkühlen. Die Station liegt nicht weit vom Strand der Ortschaft entfernt“.

Robert hatte  stillschweigend die Versetzung zur Kenntnis genommen, kramte aus den Schubläden ein paar Habseligkeiten und verließ mit einem tiefen Bedauern das Büro. Ähnliches passierte immer mal wieder. Aber Laurent war mittlerweile daran gewöhnt. Bernadette lachte, als er ihr davon erzählte.

„Du bist halt ein geiler Typ. Und dabei noch wohl erzogen, hast Humor. Bist aufgeschlossen und tolerant, sportlich, 1,90 Meter, und deine Hosen strotzen nur so vor Energie“. „Spricht so eine Gattin des Botschafters!“

Er schaute sie verschmitzt an und seine dunklen Augen leuchteten und grinsten bübisch auf ihre festen kleinen Brüste. „Mit Dir spreche ich nur Französisch, wie Du doch selber weißt, die täglichen Verpflichtungen erledige ich alle englisch sprachig, Mon Cher“. Sie umarmte und küsste ihn leidenschaftlich.

Laurent war brillant in seinen Recherchen. Hatte ein gutes Gespür fürs Außergewöhnliche. Das konnte auch schon mal Neider zur Verzweiflung treiben. Irgendwie war er ihnen immer eine Nase voraus. Er trug mit Vorliebe sportliche Anzüge. Seine dunklen Haare deuteten bereits einen Hauch von Grau an und sein leicht gebräunter Teint sorgte für einen exotischen Kick bei den Damen und auch bei so manchen Herren.

Er verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. Nur ein leises: „Hm … , Hm … , Hm ...“, brachten seine Lippen hervor. Er beugte sich nach vorne über den Schreibtisch und nahm eine der Großaufnahmen in die Hand, die noch am Tatort gemacht wurden. Eine Aufnahme von Veronique Verviers Rücken; das in die Haut tätowierte Pentagramm. Er schaute es sich wieder und wieder an.

 

 

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