Corinna König

Josie - Mein Leben und ich TEIL 5

Am nächsten Morgen wanken wir – nachdem wir erst um kurz nach zwei Uhr zuhause waren und anschließend unsere Koffer halbwegs panisch packen mussten – hundemüde Richtung Tür, als Dave uns freudig grinsend entgegenspringt. “Wie kannst du denn so munter sein? Du bist doch auch erst total spät ins Bett gekommen…“, nörgelt Linda und verpeilt währenddessen sogar das Begrüßungsküsschen. “Seid ihr fertig? Ben wartet schon unten im Auto.“, wagt Dave es auch noch, uns in die Hände klatschend zu hetzen. Genervt gähne ich ihn an: “Jaaa doooch! Wir kommen jaaa!“

 


Am Auto angekommen, hechtet Ben – genauso widerlich gut gelaunt wie Dave – auf mich zu und wuchtet meinen übertrieben vollen Koffer ins Auto. “Donnerwetter, was hast du denn alles eingepackt? Wir bleiben doch nur drei Tage!“ “Nur das Nötigste!“ “Hältst du Ziegelsteine etwa für nötig?“, scherzt er ehe Linda uns quengelnd unterbricht: “Oh Gott, ich brauch unbedingt nen Kaffee! Oder nen Espresso! Oder Ecstasy oder so…“ Da wedelt Ben glücklicherweise mit ner Tüte und einem Becher Kaffee vor unseren Nasen rum. “Ich war grad kurz beim Bäcker gegenüber und hab Croissants und literweise Kaffee geholt! Für die Fahrt!“ Innerhalb von zwei Sekunden haben wir ihm das Zeug aus der Hand gerissen und sind somit auch startklar.

 


Nachdem wir im Auto noch ein kleines Nickerchen gemacht haben geht es gegen die Mittagsstunden gleich mit Futtern weiter. Wir halten an einem großen Autohof und hauen uns Burger und Fritten rein. “Wie lange dauert denn die Fahrt noch?“, will Linda wissen. “Naja… ich denke mal so zwei Stunden?! Wir haben schon weit über die Hälfte! Oder Ben?“, möchte sich Dave vergewissern. Doch leider ohne Erfolg. Ben glotzt hinter mir aus dem Fenster und reagiert nicht. Da winke ich wie blöd mit meinen Händen: “Hallo?! Ben?!“ Plötzlich erwacht er aus seiner vermeintlichen Trance und meint kurz und knapp: “Ja, zwei Stunden! Ungefähr!“ Doch sein Blick weicht keine Sekunde. Ich drehe mich um: “Wo glotzt du den hin?“ “Die zwei Typen da hinten: Die tuscheln schon seit wir reingekommen sind.“ Jetzt beobachten auch Dave und Linda die besagten Kerle. “Die zwei da? Meinst du?“ “Ja, kommt mir so vor, als würden die über Josie tuscheln. Kennst du die?“ Da schrecke ich auf. “Über mich?! Was? Oh Gott, hab ich irgendwo irgendwas? Was Ekliges? Kaugummi? Ein Vieh?“, zappele ich auf meinem Stuhl hin und her. “Nein, ich glaub eher…“, unterbricht Ben mein Gezeter. “Was glaubst du?“ “Dass die auf Josie stehen?“, erleuchtet Linda uns alle. “Kommt mir so vor!“ Ich atme erleichtert auf, dass nicht irgendein Krabbeltier auf mir rumturnt, doch so ganz ist mir Bens genervter Ton nicht entgangen. Er lässt die beiden Typen nicht aus den Augen. Immer wieder zwickt er die Augen zusammen und schüttelt den Kopf! Da stichelt Linda aus heiterem Himmel: “Beeen! Du wirst doch nicht eifersüchtig sein?!“ Linda und Dave grinsen um die Wette. “Beeen… hihihi…“, muss ich kichern.

 


Auf dem Weg nach draußen fällt mir auf, dass die zwei Kerle mich tatsächlich angrinsen. Irgendwie fühle ich mich geschmeichelt, doch Bens Hand auf meiner Schulter finde ich auch ziemlich angenehm. “Markiert er grade sein Revier?!“, flüstert Linda mir zu, was dazu führt, dass wir total kindisch glucksen.

 


Als wir weiterfahren, starre ich aus dem Fenster und sinniere über Lindas Satz. Ben fasst mich wirklich dauernd an. Mir fällt fast keine Situation ein, in der er nicht meine Hand, meine Schulter oder mich sonst irgendwo berührt. Eigentlich kann ich sowas gar nicht leiden. Aber bei Ben, da finde ich es irgendwie immer schön. Und auch etwas spannend... Ein wohliges Gefühl macht sich in mir breit. Mit diesen schönen Gedanken döse ich noch etwas vor mich hin, ehe wir ankommen. Alle springen aus dem Auto, doch ich bin so müde, dass ich mich kaum bewegen kann. Ben öffnet meine Tür. Ich tue mal so, als würde ich tief und fest schlafen – keine Ahnung, aber mir ist einfach danach. Ganz sanft streicht er über meinen Oberschenkel und versucht, mich zu wecken: “Hey Josie. Wir sind da! Los, aufwachen.“, säuselt er mir ins Ohr. Ich will gerade total elegant “aufwachen“, da höre ich Linda näher stampfen: “So kriegst du die nicht wach. Mach mal Platz!“, meint sie und schubst Ben zur Seite. Wie eine Bekloppte fängt sie an, mich anzubrüllen und zu schütteln: “HEEEY!! JOSIE!!! AUFSTEHEN! WIR SIND DAAA! LOOOS!!“ Ich reiße die Augen auf und starre sie halbtot an: “Sag mal, hast du ne Macke?! Ich bin doch kein Cocktail!!“ “Hahaha… auf Bens Weise wär das ja nix geworden.“

 


Bereits beim Ausladen gehen die Neckereien gegen Ben weiter. Er hievt meinen Riesenkoffer aus dem Wagen und will ihn rein tragen. “Ich trag ihn schon.“ “Nein Quatsch. Der ist viel zu schwer.“ “Ja stimmt! Sonst müsste Josie ja die beiden Typen von vorhin zum Schleppen engagieren. Die hätten ihr bestimmt gerne geholfen.“, bricht Linda in Lachen aus, während Dave ihr grinsend den Koffer rein trägt. “Ja stimmt, Ben! Das willst du doch nicht!“, necke ich ihn. “Ihr seid ja echt doof, ihr beide.“ “Bist du etwa noch eifersüchtig?!“ Da kommt er einen Schritt auf mich zu, lächelt mich an und lässt ruckartig den Koffer los, den ich von ihm unbemerkt noch an einer Schlaufe festhalte. Der Koffer fällt zu Boden, was dazu führt, dass ich mir mein Handgelenk umknicke. Der Schmerz fährt mir bereits in der ersten Sekunde durch den ganzen Körper. Ich schreie auf. “Was hast du denn?“, erschreckt Ben sich. “Ich hatte da noch meine Hand… aua!“, jammere ich wie ein kleines Kind. Da greift Ben sich meinen Arm und tastet ihn behutsam ab, um nachzuforschen, wo genau es weh tut. “Mist! Am besten verbinden wir ihn gleich. Ich denke er wird nur gestaucht sein. Tut mir echt leid. Ich wusste nicht, dass du deine Hand noch in der Schlaufe ha…“ “War ja keine Absicht.“, unterbreche ich seine besorgte Entschuldigung, während ich mir eine Träne abwische. “Was ist denn mit euch los?“ “Ja, wieso haltet ihr denn Händchen?“, möchten Linda und Dave selbstverständlich wissen. “Ich hab mir scheinbar mein Handgelenk verstaucht.“ “Wie hast du das denn geschafft?“, bohrt Linda wild auf meinem Arm rumfuchtelnd nach. “AUA!! Du dumme Gans! Das tut doch weh!“, zische ich sie an und haue ihr mit der anderen Hand eine runter. Da greift Ben sich meinen Koffer und nimmt mich in den Arm: “Los, ich verbind dir drinnen dein Handgelenk.“

 


Als wir das Haus betreten, staune ich nicht schlecht. Es macht ja schon von außen einiges her, aber dass es so umwerfend schön ist, hätte ich nicht gedacht. Man kommt rein und steht direkt im Wohn- und Essbereich. Links befindet sich eine kleine schmucke Küchenzeile. Da rennt Dave mit Lindas drittem Koffer unter dem Arm an uns vorbei: “Linda und ich nehmen das Zimmer im ersten Stock, wenns recht ist. Das, an das das kleine Bad angrenzt.“ “Ja klar, wie ihr wollt.“, antwortet Ben. Da kommt Dave nochmal zurück: “Ich hab übrigens gesehen, dass du die Klampfe dabei hast. Find ich klasse!“ Doch ruckzuck verschwindet er mit Daumen nach oben in sein Zimmer. Ich hingegen beäuge noch immer jedes Detail des Hauses ganz genau. “Komm, ich zeig dir alles.“ Ich trabe Ben also brav hinterher. Das Badezimmer ist klein und schnuckelig. Im Wohnzimmer steht sogar ein DVD-Player bereit. “Und hier ist das eigentliche Kinderzimmer.“ Ein wunderschönes gemütliches Zimmer mit Schrank, großem Fenster, Einzelbett und einem Schreibtisch. “Alles was man braucht.“, freue ich mich über das schöne Haus. “Genau! Linda kann dir oben ja noch das große Schlafzimmer zeigen, wenn wir alle Sachen verstaut haben.“ Als er den Satz ausgesprochen hat, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: “Und das dritte Zimmer?“, frage ich also nach. “Es gibt nur zwei.“ “Aber…“ Da unterbricht Ben lässig schmunzelnd mein Gestammel: “Ich nehm die Couch.“ “Das musst du nicht. Ich kann auch auf der Couch schlafen, nimm du ruhig das Kinderzimmer!“, biete ich als gut erzogene junge Frau an. Doch Ben lässt nicht mit sich reden. Er rudert wild mit dem Zeigefinger vor meiner Nase rum und meint: “So weit wird’s wohl noch kommen. Erst verstümmle ich dich und verbanne dich dann auch noch auf die Couch. Nix da, du schläfst nebenan im Kinderzimmer!“ Ich lächle zurück und nicke dankbar. “So und jetzt kümmere ich mich um deine Hand. Am besten du setzt dich. Ich werd kurz das Verbandszeug holen.“

 


Ich gehe also ins Wohnzimmer und setze mich auf Bens “Bett“ für die nächsten Tage. Er kommt mit einer Mullbinde auf mich zu, kniet sich vor mich und beginnt, sanft und behutsam mein Handgelenk damit einzuwickeln. Ich starre ihn an und kann nur daran denken, wie lieb ich seine Fürsorge finde. Doch meine Gedanken werden von Dave beendet: “Sag mal Prinz Verbandskasten, was hast du denn heute noch vor?“ “Ich weiß nicht. Ich hätte auf jeden Fall heut Abend bei Maria reserviert.“ “Das ist mal ne Idee.“ “Maria?“, frage ich nach. “Ja, Ben und ich waren früher ja oft mit Freunden hier und da haben wir fast jeden Abend bei Maria gegessen. Da gibts mit Abstand die beste Pasta.“ “Und vorher könnten wir noch über den Markt laufen. Ich finde für den Strand oder sowas ist es schon zu spät.“, schlägt Ben vor. “Mir ist alles Recht. Aber ich möchte trotzdem kurz an den Strand schauen.“, hechtet Linda dazwischen.

 


Nachdem wir also unser ganzes Zeug verstaut und uns wetterbedingt umgezogen haben, schlendern wir eine ganze Zeit lang über den traumhaft schönen Markt. “Wooow! Das ist ja ein riiiesengroßer Markt!“ “Jaaa und die haben hier alles!“, kommen Linda und ich gar nicht mehr aus dem Schwärmen raus. “Los, wir teilen uns auf und treffen uns in ner halben Stunde wieder hier!“, schlägt Linda vor und nimmt gleichzeitig schon mit mir im Schlepptau Reißaus.

 


“Weißt du, ich hätte Lust, Dave ne Kleinigkeit zu kaufen.“, lässt sie mich wissen. Da tätschle ich ihr den Kopf: “Das ist aber süß von dir.“ Und da geht die große Suche nach dem “perfekten Geschenk“ los. Wir wühlen uns von Stand zu Stand, doch irgendwie wird Linda nicht fündig. Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, hier und da auch nach einem kleinen Souvenir für mich und meine Lieben zuhause zu stöbern. Da erspähe ich einen total schnuckeligen Bikini. “Oh, Linda schau mal. Der hat Pünktchen und hier seitlich so weiße Rüschen.“ Kaum hat Linda angefangen, ihn zu begutachten, entdecke ich einen mindestens genauso tollen Monokini in dunkelblau. “Boah und schau mal da: ein total toller ausgefallener Schnitt! Und der hat hier am Ausschnitt so tolle Kügelchen und Steinchen!“ “Ja stimmt! Und welchen nimmst du?“ “Keine Ahnung. Hmm…“, zögere ich. “Ich müsste die eigentlich eh zuerst mal anprobieren und schauen, ob die Körbchen auch sitzen.“ Wie aus dem Nichts steht Ben plötzlich hinter mir, legt seinen Arm lockerflockig um mich und scherzt: “Also wenn du magst, helf ich dir gern mit dem Körbchen-Problem.“ Ich mache einen Satz zur Seite, der Schreck fährt mir durch Mark und Knochen. “Maaann! Hast du mich vielleicht erschreckt!!“ Natürlich lachen die drei mich – wie kindisch – aus. “Was macht ihr überhaupt hier? Wir wollten uns doch aufteilen.“, meckere ich noch immer ganz aus der Puste. “Wir waren grade am Stand schräg gegenüber.“ “Jajaja, wie auch immer! Jetzt geht ihr beide hier lang und wir gehen da lang!“, delegiert Linda, während sie versucht, die Jungs wegzuschieben. Wir wollen uns grade wieder meiner Bademoden-Problematik widmen, da kommt Ben nochmal zurück und flüstert zwinkernd: “Wenn du meinen Rat dazu haben willst: Nimm den Bikini! Weniger Stoff, du verstehst?!“ Und schwupps, ist er schon wieder verschwunden. Ehrlich gesagt tendiere ich ja auch eher zu dem Bikini, aber grade aus Trotz kaufe ich den Monokini. Nach fünf Minuten komme ich jedoch zurück und kaufe mir auch noch den Bikini. : ) Es dauert nicht lange, da hat Linda endlich was für Dave gefunden: “Schau mal, was sagst du denn hierzu?!“ “Ein… Hut?“, frage ich – scheinbar etwas blöd guckend. “Waaas?! Das ist ein toller Hut. Für den Strand! Ich find den schon toll! Dave sieht damit bestimmt klasse aus.“

 


Als wir uns wie abgesprochen wieder mit den Jungs treffen, versucht Ben die ganze Zeit, in meine Einkaufstüte zu linsen. “Was hast du denn da alles? Hast du da den Bikini drin? Erzähl mal! Wie liefs denn mit den Körbchen?!“ “Das geht dich gar nix an.“, haue ich ihm auf die Finger. “Hört gefälligst auf, euch dauernd zu streiten, ihr zwei.“, versucht Aufpasser Dave zu schlichten: “Also ich hätte gesagt, wir gehen jetzt nacheinander duschen, machen uns dann fertig und dann kann ich für 7 nen Tisch bei Maria reservieren, oder?“ “So machen wir das. Ich freu mich richtig, Maria wiederzusehen.“ “Ja, ich mich auch.“, lobpreisen die Jungs diese Maria und ihren Laden. Natürlich entgeht uns Mädels das nicht und Linda schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

 


Doch als wir abends am Restaurant ankommen, verfliegt Lindas Unsicherheit. Wir vier werden bereits vor der Tür von einer älteren und ziemlich rundlichen Frau mit Dialekt mehr als herzlich begrüßt. “Dave! Ben! Wie lange hab ich euch nicht mehr gesehen?!“ “Schon einige Zeit her!“, antwortet Ben ertappt. “Setzt euch! Setzt euch! Wo immer ihr wollt! Ich sag Francesco und Ricarda Bescheid.“ Man merkt ihr an, wie sehr sie sich freut, die Jungs wiederzusehen. “Wer sind denn Francesco und Ricarda?“, möchte Linda wissen. “Das sind ihre Kinder. Zwillinge.“, antwortet Ben.

 


Wir nehmen gerade auf der großen Terrasse mit lauschiger Beleuchtung am Tisch Platz, da kommt Maria schon zum nächsten Mal auf uns zugestürmt und hat rechts und links die Zwillinge an der Hand. Die beiden begrüßen uns höflich, jedoch nicht ganz so überschwänglich wie ihre Mutter.

 


Über den ganzen schönen Abend mit der unglaublich leckeren Pasta verteilt, kommt Maria immer wieder zu uns. Dadurch haben wir in Erfahrung gebracht, dass die beiden vor über vier Jahren das letzte Mal hier waren. Als Maria aber nach den anderen fragt, die früher immer dabei waren, werden die Jungs wieder ungewöhnlich wortkarg. Wie auf Bens Einweihungsfete auch schon. Ich sehe Linda an, wie sie innerlich fast platzt, doch sie kann sich zurückhalten und fragt nicht nach – noch nicht. ; ) Nach einem kurzen Absacker holt uns jedoch die Müdigkeit von dem doch sehr langen Tag ein und wir beschließen, zum Haus zurückzugehen und noch etwas auf der Veranda zu quatschen. Lange halten Linda und ich jedoch nicht durch, wir hatten letzte Nacht einfach zu wenig Schlaf.

 


Das üppige Essen bei Maria führt jedoch dazu, dass ich mehr schlecht als recht einschlafen kann. Immer wieder döse ich zwar weg, muss mich aber ununterbrochen von links nach rechts wälzen. Gegen zwei Uhr nachts und nur wenige einigermaßen erholsame Schlafphasen später, schlurfe ich zum Kühlschrank, um mir was zu trinken zu holen. Zunächst bemerke ich es nicht, doch dann höre ich etwas auf der Veranda. Ich kralle mich an meiner Wasserflasche fest und wage es, mit weit aufgerissenen Augen nachzusehen. Ich stelle mich also ängstlich in den Türrahmen und staune nicht schlecht, als ich Ben in der Hängematte auf der Veranda sitzen sehe. Er zupft bei Kerzenlicht und einem Bier an seiner Gitarre rum und summt eine wunderschöne Melodie.

 


Das Bild, das sich mir bietet, finde ich so anziehend, dass ich nicht anders kann und leise “Das klingt schön!“ sage. Er starrt mich zunächst mit großen Augen an. “Hab ich dich geweckt?“ Ich setze mich zu ihm und lächle ihn an: “Nein. Ich… ich wollte mir nur was zu trinken holen.“, erkläre ich ihm mit wedelnder Wasserflasche. “Achso…“ Er blickt auf den Boden. Ich bin nicht sicher, ob es ihm unangenehm ist, dass ich mich zu ihm geselle, doch das stoße ich vorerst zur Seite. “Was spielst du denn da? Hat sich total schön angehört.“ Kurzerhand legt er die Gitarre weg und entgegnet kurz und knapp: “Nichts!“ Meine Frage, ob ihm die Situation unangenehm ist, hat sich somit erübrigt. “Aaalso, ich geh dann mal wieder rein.“ Ich hab fast die Türschwelle erreicht, da meint Ben: “Nur so ne Melodie, die ich im Kopf hab.“ Ich drehe mich mit fragendem Blick um, da grinst er mich an und signalisiert mir mit seiner Hand, dass ich mich zu ihm setzen soll. Natürlich nehm ich das Angebot an und nehme Platz. “Und? Was machst du denn so spät noch wach?“ In den Nachthimmel blickend antwortet er kurz und knapp: “Ich konnte nicht einschlafen.“ Ich zögere kurz, doch ich frage nach: “Was ist es denn, was dir den Schlaf raubt?“ Er schaut mich an, greift behutsam nach meiner Hand und fragt: “Tut dein Handgelenk noch weh?“ Er denkt wohl, ich bemerke sein schlecht getarntes Ablenkungsmanöver nicht. “Kaum. Aber das ist bestimmt nicht der Grund, wieso du hier mitten in der Nacht ein Bierchen trinkst, oder?“ Er muss schmunzeln. “Nein…“ “Also?“, bohre ich nach. Er atmet tief durch: “Ach weißt du, ich war einfach schon lange nicht mehr hier.“ Ich werde immer neugieriger: “Und warum?“ Er starrt mir in die Augen. Unablässig. Es dauert einige Sekunden, bis er mir antwortet: “Naja weißt du, wir waren früher eine richtige Clique. Und wir haben hier so viele Sommer verbracht.“ “Das verstehe ich nicht. Ihr hättet doch jederzeit wieder herkommen können.“ “Ach, wir haben uns alle in verschiedene Richtungen entwickelt.“ Er legt eine kurze Pause ein, blickt auf den Mond, der sich im Wasser spiegelt und ergänzt: “So ist das eben.“ Seine Stimme ist ganz ruhig. Er lehnt sich nach vorne und nimmt einen Schluck von seinem Bier. Dabei läuft ihm ein Tropfen über den Hals. Ich kann einfach nicht aufhören, Ben anzustarren. Er wirkt gerade so geheimnisvoll. Er will einfach nicht mit der Sprache rausrücken. Ich möchte ihm nicht auf den Wecker fallen und frage nicht nochmal nach. Doch mein Blick verrät mich scheinbar, was ich aus Bens Reaktion lesen kann. Er beginnt zu lachen und meint: “Also du bist ja wirklich total neugierig.“ Da platzt es aus mir heraus: “Jaaa! Ich bin so neugierig und will endlich wissen, was es mit dieser Clique auf sich hat und mit der Musik und alles! Ich bin so neugieriiig!“, jammere ich zappelnd herum. Doch anstatt mir reinen Wein einzuschenken, zieht Ben es lieber vor, sich über mich lustig zu machen. Wir fangen an, uns gegenseitig in die Rippen zu pieksen, ehe ich mich nochmal sammele und leise frage: “Verrätst du’s mir?“

 


Er blickt auf meine Beine und streichelt mir seitlich übers Knie: “Wo hast du die Narbe her?“ “Also gut, ich geb‘s auf. Behalte es für dich.“ Triumphierend grinst er mir zu. Ich jedoch bin so höflich und antworte ihm: “Da bin ich als Kind mit dem Fahrrad gestürzt. Es musste genäht werden.“ Ganz sanft streicht er mir über die Schramme. Erneut starre ich ihn an. Seine Haare zittern im Wind, seine tiefblauen Augen glänzen im Kerzenlicht. Er spielt mit seiner Zunge an seinem Lippenpiercing. Der Moment wirkt unheimlich intim.

 


“Verrätst du mir denn wenigstens, was deine Tattoos bedeuten?“ “Jap.“, er hebt augenblicklich sein Unterhemd hoch und präsentiert mir das erste Tattoo. “Das hier ist mein Sternzeichen in Schnörkelschrift.“ Ich merke, wie ich rot werde, doch ich hoffe, dass es im dösigen Kerzenlicht nicht auffällt. “Das hab ich mir schon mit 21 oder 22 stechen lassen.“ Ich greife nach seiner Hand und deute auf seinen Unterarm: “Und das hier?“ “Das ist ein…“, er zögert, “…ein Notenschlüssel.“ Er erwartet vermutlich, dass ich wieder versuche, ihn auszuquetschen, doch gerade mit Absicht, tu ich es nicht. Ich schaue ihn also interessiert an und warte darauf, dass er von selbst erzählt. Und meine Geduld wird sogleich belohnt: “Naja… ich bin mit Musik aufgewachsen. Da hab ich es als erstes Motiv ausgewählt. Ich spiele Gitarre und Klavier. Da erschien es mir sinnvoll.“ “Ich finde das wirklich total toll. Ich würde dich gerne mal spielen hören.“ Und erneut wird meine Masche abgeschmettert: “Hast du denn auch Tattoos oder Piercings?“ Oookay, jetzt ist es an der Zeit, dass ich mich ausschweige. Wie gewohnt, beginne ich, an meinen Haaren rumzuspielen und flüstere leise vor mich hin: “Eins!“ Er zieht die Augenbrauen nach oben. Man kann ihm die Überraschung förmlich ansehen. “Ach, quatsch! Ein Tattoo?“ “Ja.“ “Wooo?“ Ich kann es in seinen Augen rattern sehen. Er hat mich ja schon am See im Bikini gesehen, doch ein Tattoo war nirgends zu erkennen. Ich spanne ihn also auf die Folter. “Los erzähl schon! Hast du das schon lange? Was ist es?“ Plötzlich wird also Ben neugierig und will mich ausquetschen. Leider bin ich nicht ganz so gut im Schweigen wie er: “Es ist… ein kleines Krönchen.“ “Und… wooo?“, fragt er erneut und noch überschwänglicher. “Ähm…“, stammle ich herum. “Kann ich es sehen?“ Ich reiße die Augen auf: “Nein! Nein wirklich nicht!“ “Sag mal… wo ist das Ding denn? Ist es etwa…“ Seine Augen werden noch größer als meine. “Oha!“ An seinem Kommentar und seiner heruntergefallenen Kinnlade kann ich erkennen, dass er verstanden hat, wovon wir hier sprechen. Doch ehe das Gespräch im wahrsten Sinne des Wortes noch tiefergehend wird, wechsle ich kurzerhand das Thema. Die halbe Nacht lang sprechen wir über Gott und die Welt. Ein Thema ergibt das Nächste, doch warum Ben überhaupt aufgehört hat, Musik zu machen, kann ich nicht rauskriegen. Vielleicht ein anderes Mal. Als ich merke, dass Bens Atem immer gleichmäßiger wird und er seinen Kopf auf meine Schulter fallen lässt, starre ich noch einige Zeit aufs Wasser, lasse den Tag revue passieren und schlafe schließlich auch ein.

 


Leider beginnt der nächste Tag nicht so heimlich, still und leise, wie der vorherige geendet hat. Mit verblitzten Augen und einem schrillen Quietschen im Ohr werden wir wachgepfiffen. Da steht Linda mit ihrem Handy in Fotohaltung vor uns. “Shit, jetzt hab ich euch geweckt.“ “Und da wunderst du dich? Bei deinem Geplärre?!“, hakt Ben nach, während er sich ausgiebig streckt. Da hetzt auch schon Dave mit einem Brotkorb vorbei. “Na los ihr Schnarchnasen. Frühstück ist serviert!“ Während des Frühstücks ist Dave auffällig ruhig, weshalb ich nicht umhin komme, nachzufragen: “Was hast du denn, Dave? Du bist so still!“ “Ich weiß auch nicht, irgendwie hab ich Bauchschmerzen.“ “Wollen wir dann vielleicht lieber morgen in den Tierpark? Wir können die Planung auch ändern und stattdessen heute an den Strand!“ “Nein, nein schon gut! Das wird schon wieder besser werden.“

 


Gesagt – getan! Gleich nach dem Frühstück brechen wir also auf zum Tierpark. “Wooow, der ist ja riesig!“, kommt Linda gar nicht mehr aus dem Staunen raus, was Ben dazu bringt, sich selbst auf die Schulter zu klopfen: “Tja, da hab ich wohl nicht zu viel versprochen!“ Doch ich weiß, wie ich seinen Höhenflug etwas abmildern kann: “Naja, es ist ja nun nicht so, dass DU diese Tiere alle mit eigenen Händen eingefangen und hier untergebracht hättest!“ “Na klaaar! Wusstest du das etwa nicht? In ungefähr zweihundert Metern kommen wir noch an einer Statue von mir vorbei! Ein eigens errichtetes Denkmal nur für mich!“, nimmt er mich auf den Arm. “Deswegen schauen diese armen Tiere alle so traumatisiert!“, muss ich lachen. Und so gehen die Neckereien den ganzen Rundgang weiter. Wir sind heute in Topform.

 


Am Gehege der Schildkröten angekommen, fällt uns auf, dass eine Schildkröte dauernd eine andere ins Bein beißt. “Was macht die denn da?“, frage ich doof nach. “Das muss doch weh tun!“ “Aaach, Quatsch! Die haben doch ne dicke Haut.“, meint Ben mit erhobenem Zeigefinger. Ich beuge mich kurz runter, um meinen Schuh neu zu binden und ziehe Ben weiter auf: “Siehst du Ben?! Die sind genau wie du und ich! Dauernd musst du mich ärgern! Eigentlich sind wir zwei genauso wie die zwei!“ Plötzlich herrscht schallendes Gelächter! Ich stehe wieder auf und starre Linda, Dave und Ben unwissend an. “Was habt ihr denn?“ Ich befürchte schon, dass mein Höschen zu sehen war, aber es kommt schlimmer: “Du findest, wir beide sind wie die Schildkröten?“ Er packt mich an den Schultern und dreht mich wieder Richtung Gehege. Da haben diese Viecher doch tatsächlich angefangen, zu poppen! “Oh Mann, das hab ich natürlich nicht gemeint!“, sage ich mich gesenktem Kopf. Ben legt seinen Kopf auf meine Schulter und säuselt: “Du kannst es doch auch einfach sagen, dass du mich gut findest!“, ehe er sich vor Lachen wieder den Bauch hält. Während Linda schon halbwegs auf dem Boden liegt, mischt Dave sich auch noch ein: “Na Josie?! Hat Ben dir auch schon mal am Bein geknabbert?!“ “Aaach! Plötzlich kann sich unser Patient auch zu Wort melden!“, fahre ich ihn an! Es dauert nur einige Sekunden, da muss ich auch lachen. Zufällig läuft ein Angestellter des Parks vorbei und erklärt uns, was es mit dem Ganzen auf sich hat. “Wenn ein Männchen ein Weibchen stimulieren will, rammt es entweder mit seinem eigenen Panzer gegen den des Weibchens oder es beißt dem Weibchen einfach in die Extremitäten. Damit will er das Weibchen dazu bringen, sich aufzustellen, um mit der Paarung loszulegen!“ “Vielen Dank. Nett von Ihnen. Dann hab heute was gelernt und das werde ich bestimmt nie wieder vergessen!“, scherze ich.

 

Nachdem der Rundgang einige Stunden später beendet ist und ich mir alle zwei Minuten dämliche Sprüche reinziehen musste, bin ich froh, als wir wieder im Strandhaus ankommen. “Mir tun jetzt echt die Beine weh!“, jammert Linda. “Und ich hab Hunger! Wollen wir wieder zu Maria gehen?“ Da zückt Ben bereits sein Handy: “Gute Idee, für wann soll ich anrufen?“ “Moment mal Leute. Mir geht’s nicht so besonders! Aber ihr könnt ruhig ohne mich gehen!“, bietet Dave uns an. “So ein Blödsinn! Natürlich bleib ich mir dir hier! Aber ihr beide könnt ruhig gehen.“ Ben und ich schauen uns an. “Was guckst du denn so?! Ich werd dir schon nicht am Beinchen knabbern!“, witzelt Ben und piekst mich mit dem Ellbogen in die Rippen.

 

 

Kurze Zeit später machen wir uns also auf den Weg. Ben meint, er hätte die Straße rauf eine nette Bar gesehen. Wir kommen dort an und siehe da: Tatsächlich. Eine kleine schnuckelige Bar mit DJ und essen kann man auch was. "Ich bin jetzt echt am Verhungern." "Mir kracht auch der Magen. Du hast dir beim Fertigmachen ja ziemlich viel Zeit gelassen.", schimpft Ben mich aus. Eigentlich war ich relativ schnell fertig, aber ich wollte grade zur Tür raus, da hat Dennis mich angerufen. Er wollte sich entschuldigen, dass er mich so schlecht behandelt hat und mal wieder meine Stimme hören und mir sagen, dass er mich liebt. Nett von ihm, aber irgendwie steht mir nicht der Sinn danach, mich näher mit der Geschichte zu befassen. Ich bin im Urlaub und den will ich genießen. Nach dem super leckeren Essen genehmigen wir uns einige Drinks und die Stimmung wird immer gelassener. "Hoffentlich hat Dave nichts Schlimmes.", mache ich mir Sorgen. Doch Ben holt mich auf dem Boden der Tatsachen zurück: "Aaach Quatsch. Die wollen bestimmt nur ungestört poppen!" "Beeen!" Ich muss ja schon lachen. "Themawechsel!", prescht Ben heraus. "Ich muss unbedingt wissen, wie es zu deinem Krönchen kam!", bohrt er nach und setzt das Wort Krönchen dabei händisch in Anführungszeichen. Ich will nicht so recht damit rausrücken und antworte: "Sag mal, hast du dir darüber jetzt seit gestern Nacht den Kopf zerbrochen?!" "Tja, jetzt bin ich halt auch mal neugierig! Also, erzähl schon!" Er hat mich schon fast so weit, es ihm zu sagen. Plötzlich spielt der DJ einen absoluten Klassiker und ich MUSS einfach auf die Tanzfläche. "Los komm, wir tanzen." "Bist du wahnsinnig?", antwortet Ben mir total entgeistert. "Na looos!" "Verrätst dus mir dann?", wirft er mir ein dreckiges Grinsen zu. Ich will ihn wohlgemerkt kopfschüttelnd zum Tanzen bewegen. Doch so hartnäckig ich auch bin, Ben lässt sich nicht auf die Tanzfläche zerren. "Ich pass vom Tisch aus auf, dass dich keiner mitnimmt.", meint er zwinkernd. Ein Paar Songs später brauch ich ne kurze Erfrischung und komme zurück an den Tisch. Da schwärme ich Ben in der Hoffnung, ihn doch noch umzustimmen, vor: "Du weißt ja gar nicht, was du verpasst. Es ist so schön, einfach mal lostanzen, den Kopf freikriegen. Spaß haben. So wie die ganzen anderen Leute vorne." Und da kommt schon mein nächstes Lieblingslied. Ich kralle mir Bens Hand und stürme mit ihm im Schlepptau zurück auf die Tanzfläche. "Och nee...", wehrt er sich anfangs noch. Doch das ist mir jetzt egal. Ich schmiege mich ganz eng an ihn, drücke ihm mein Hinterteil in den Schritt und lege seine Hand auf meinen Bauch. Es dauert nur wenige Sekunden, da hat er schon den Rhythmus gefunden. "Heeey, du kannst es ja schon." "Aber ich fühl mich unwohl ohne Ende.", jammert er weiter. Ich kann ihm aber genau ansehen, dass er es immer mehr und mehr genießt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er das nicht zugeben würde. Ich mag Bens Berührungen. Ob er nun seine Hände über meinen Oberkörper tänzeln lässt oder seinen Kopf an meinen Nacken lehnt. Bei einem etwas langsameren Song kann ich sogar erspähen, dass Ben teilweise die Augen geschlossen hat und einfach geschehen lässt, was geschieht. Ohne Nachdenken. Ohne Unwohlsein. Und auch bei den schnelleren Liedern wirbelt er mich von rechts nach links und andersrum. Ich fühle mich richtig losgelöst. Bei dem Tempo, das wir beide zeitweise vorlegen, dauert es nicht lange, ehe wir aus der Puste sind. Wir setzen uns also wieder und unterhalten uns. Nachdem mein Handy zum vierten Mal aufleuchtet, bittet mich Ben, doch endlich meine Nachrichten zu checken. "Wer belagert dich denn dauernd?" Zuerst will ich nicht so recht mit der Sprache rausrücken. Aber als Ben mich so fragend und bohrend anschaut, kann ich irgendwie nicht anders. "Ähm...", druckse ich rum, "Dennis." Ben rümpft die Nase. "Ja ich weiß auch nicht. Zuerst hat er grade mal alle paar Tage ne Nachricht geschickt und seit heute Morgen bombardiert er mich förmlich." Ben starrt in sein Glas. Eine Reaktion auf meine Worte bleibt gänzlich aus. "Was hast du denn?", frage ich also nach. "Ich kanns einfach nicht verstehen." "Pff, ich auch nicht.", rolle ich mit den Augen. Was ihm scheinbar Grund gibt, sich über mich zu amüsieren: "Nein. Nicht das, du Hirni." "Sondern?" Er schmunzelt. Ich kann richtig sehen, wie er überlegt, was er sagen will. Seine Lippen öffnen sich. Die Spannung tötet mich halbwegs. Er dreht sich zur Kellnerin und sagt: "Entschuldigung. Wir hätten gern die Rechnung." "Was denn? Jetzt schon?" Eigentlich würde ich gern noch bleiben. Wir haben so eine schöne Zeit zusammen und ich muss gestehen, dass ich gerne nochmal mit Ben die Hüften schwingen lassen würde. "Jaaa, weißt du, ich muss ja morgen Vormittag fahren. Da ist es glaub ich besser, wenn ich heut mal nen Ruhigen mache." "Ja du hast recht.", stimme ich äußerst erwachsen zu.

 

 

Auf dem kurzen, aber etwas windigen Weg zum Ferienhaus hake ich nochmal nach: "Was hast du denn jetzt vorhin gemeint? Was verstehst du nicht?" Ben bemerkt, dass ich mir die Arme halte und handelt sofort. Er zieht sein Hemd aus und legt es mir um die Schultern. "Danke. Du musst aber meinetwegen nicht im Unterhemd nach Hause laufen." "Kein Problem. Ist ja auch nicht weit." Und tatsächlich sind wir in wenigen Minuten am Haus angekommen. Ich stelle mich auf der Veranda vor ihn, tippe ihm meinen Zeigefinger auf die Brust und frage nochmal ganz gezielt nach: "Und jetzt lenk nicht wieder ab! Was verstehst du nicht? Sags mir schon." Wieder schmunzelt er mich an. Er umfasst meine Hand und drückt sie gegen seinen Brustkorb. Er atmet einmal tief ein. "Dass du überhaupt ihm zusammen bist." Darauf war ich nicht gefasst. Ich starre ihn an. Eine Antwort hab ich darauf nicht. Nicht im Moment. Wo alles so schwierig und verzwickt ist. Ich befreie meine Hand und fummle an meinen Haaren rum. "Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken.", rät Ben mir mit einem Augenzwinkern und nimmt dabei erneut meine Hand: "Ich hab noch was für dich." "Was denn?", will ich verdutzt wissen. Da zieht er ein kleines Schmucksäckchen aus seiner Hosentasche und zaubert wie aus dem Nichts ein Armband hervor. "Was ist das?" "Eine kleine Entschuldigung. Weil ich dich doch halbwegs verstümmelt hab. Ich habs gestern auf dem Markt gekauft." "Ben. Das ist wunderschön. Danke." "Man sollte dich gut behandeln, weißt du?!" Er gibt mir ein Küsschen auf die Stirn und meint "Gute Nacht, Josie." und verschwindet im Bad. Bens Worte hallen mir immer wieder durch den Kopf. Die halbe Nacht lang. Ich hab mich in meiner Beziehung in der letzten Zeit so unwohl gefühlt, dass ich wirklich nicht weiß, was mich noch bei Dennis hält. Schließlich schlafe ich doch irgendwann ein - mit den Gedanken zwischen Ben und Dennis.

 

 

Am nächsten Tag frühstücken wir noch ausgiebig auf der Veranda, bevor wir den Heimweg antreten. Daves Bauchschmerzen sind auch wieder weg. Möglichweise wollten die beiden ja wirklich nur ungestört poppen, wer weiß?! "Und du hast tatsächlich getanzt?", bohrt Dave ungläubig nach. Da melde ich mich gleich vom Rücksitz: "Na wenn ichs dir doch sage! Und wenn wir schon dabei sind: Er hats echt drauf." "Mensch Ben, da scheinst du ja den Rhythmus im Blut zu haben!", säuselt Linda belustigt. "Naja Rhythmus hab ich schon immer im Blut. Typisch für jemanden, der ziemlich musikalisch ist, oder?", lässt Ben Linda auflaufen. In einer kurzen Pinkelpause erzähle ich Linda genauer, was am Abend vorher alles los war. Wie sehr ich den Tanz mit Ben genossen habe und dass er mir diese knifflige Frage gestellt hat. Und dass ich mich schon drauf freue, das nächste mal mit Ben tanzen zu gehen. Linda wird stutzig: "Was soll das denn heißen?" Ich lächle. "Josie??" Kurz und knapp entgegne ich ihr: "Ich werd mich von Dennis trennen!" "Oh mein Gott! Das ist deine beste Entscheidung ever!!!" Sie springt mir förmlich in die Arme und gibt mir sogar ein Küsschen auf die Wange. Natürlich steigt ihre Neugier ist Unermessliche: "Wann willst du es Ben sagen?" "Was sagen?" "Na dass du dich in ihn verliebt hast und für ihn Dennis endlich in die Wüste schickst." "Wooow, so weit bin ich noch nicht, Linda!" "Was meinst du?" "Naja, ich werd nicht direkt vom einen zum anderen wechseln. Aber ich möchte definitiv nicht mehr mit Dennis zusammen sein. Was danach kommt, muss sich erst zeigen...", gebe ich mich geheimnisvoll. Ich bin den Jungs echt dankbar, dass sie - selbstverständlich ungewollt - das Kreuzverhör unterbrechen: "Los Mädels, weiter gehts."

 

 

Einige Stunden später kommen wir endlich zuhause an. Ben ist so freundlich, mir die Koffer nach oben zu tragen, weil mein Handgelenk immer noch etwas schmerzt. Linda steht vor unserer Wohnungstüre und ich höre sie nur maulen: "Oh man!" Doch ehe ich fragen kann, was los ist, kann ich den Grund für ihren Ärger sehen. Dennis steht im Flur.

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