Elisabeth Drescher-Ferstl

Zwiegespräch

„Puri, was ist ein Sprachfehler?“ - „Ein Sprachfehler ist.... Wie kommst Du darauf“ „Mama sagt, Du hast einen Sprachfehler, weil Du nur Mia statt Miau sagst.“

Der rauchgraue Kater mit den Bernsteinaugen wendet sich belehrend an den Kleinen: „Quatsch, das kein Sprachfehler, das ist meine persönliche Note. - Ein Sprachfehler, das ist etwas ganz anderes. Dazu braucht man eine Sprache mit Worten, und Stimme, und das ist Mia nicht.“

„Nein, wir brauchen keine Worte um uns zu verständigen, wir verstehen uns so. Ich weiß, was Du denkst und fühlst.“

„Genau - und unsere Stimme brauchen wir nur um auf uns aufmerksam zu machen, - in einem Liebeslied, - oder den Menschen gegenüber, weil sie uns nicht verstehen.“

Bei dem Gedanken an Liebeslieder beginnt der junge, weiße Kater mit einer ausgiebigen Toilette. Die Pfoten, der getigerte Schwanz, der ganze Körper wird peinlichst gereinigt. Dabei kneift er die Augen zusammen, legt die Ohren zurück. Ja, er fühlt sich wohl, und schön. -

„Puri, warum verstehen uns die Menschen nicht?“

„Weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Sie haben verlernt auf andere einzugehen. Um sich ohne Stimme zu verständigen, so wie wir, muss man offen sein. Aber die Menschen denken nur an sich selbst, sind mit ihren Problemen beschäftigt, und trauen einander nicht. Zum Verstehen ohne Worte gehört Liebe und Harmonie. Doch die Menschen gebrauchen Worte und Stimme und verstehen sich oft trotzdem nicht.“

„Das hast Du aber schön erklärt, Puri. Woher weißt Du das alles?“

Der Graue gähnt gelangweilt: „Frag nicht so viel Pieps, ich weiß das halt.“

„Aber ich will doch lernen, ich will auch wissen!“

„Wissen erlangst Du nicht durch Fragen. Du musst Dich öffnen, beobachten, und in Dich hören. Auch Du weißt!“

Der kleine Weiße hat seine Toilette beendet. Er sitzt nun auf seinen Pfoten, reglos wie eine Sphinx, mit geschlossenen Augen. Schläft er? Meditiert er? Oder denkt er nach?

„Puri, habe ich auch eine persönliche Note?“

„Ja, deine Hörner!“ -

„Aber ich habe doch gar keine Hörner!“

„Noch nicht, aber Mama sagt, Dir wachsen welche, aus den zwei getigerten Flecken zwischen den Ohren.“

„Puri, stimmt das?“ -

„Natürlich nicht. Das ist nur ein Scherz der Menschen. So, wie mit meinem Sprachfehler.“

„Warum sagen die Menschen immer Dinge, die sie gar nicht so meinen?“

„Das ist eine schwierige Frage, Pieps.“ Der Graue stellt sich auf seine hohen Beine, streckt sich, holt tief Luft, und rollt sich wieder ein: „Vielleicht liegt es an ihrer Sprache. Ihre Wörter haben eine Bedeutung, die sie alle kennen. Und manchmal, da machen sie ein Spiel, sie sagen eine Bedeutung, und meinen etwas anderes.“

„Oh Puri, das finde ich furchtbar! Stell Dir vor, Du würdest denken: Das Fressen schmeckt gut, aber gar nicht ans Fressen denken! - Verrückt! - Und ich würde nach Hause laufen, weil ich weiß, was Du denkst und Du nun beim Fressen bist, - aber dabei wärst Du gar nicht beim Fressen. - Da wüsste ich ja nicht mehr, was ich von Dir denken soll! - Nein, Puri, - Mensch sein ist mir zu dumm. Da bleibe ich lieber Kater.“

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