Klaus Mallwitz

Komm rein zu mir, es soll dir auch kein Leid geschehen

Es gibt so viele Mörder auf der Welt, so viele schöne, gute Mörder. Fleißig, zuverlässig, professionell! Da frag ich mich, wieso kommt keiner zu mir? Alle möglichen Menschen werden umgebracht, können ein neues Leben beginnen, und ich? Wenn das so weitergeht, bin ich bald der einzige Mensch, der hier noch rumlaufen muss. Warum gerade ich? Was hab ich getan? Hab ich etwa keinen Wert? Warum denkt kein Mörder an mich? Kein einziger! Es wäre doch ganz einfach. Einfach kommen, Pistole zücken, zielen, mit dem Zeigefinger den Abzugshebel zurücksetzen, und … Knall, und weg bin ich. Früher hat das doch auch geklappt, nur anders, ohne Waffe. Beispiel zum Ersten: 4. Klasse Grundschule. Tatort: Turnhalle. Fußballspiel im Turnunterricht. Zwei Mannschaften wurden ausgewählt. Ich war der letzte, der übrig blieb. Die Kinder der Mannschaft, in die ich dann reinmusste, waren sauer, dass sie mich nehmen mussten. Und meine Mannschaft hat dann auch glatt verloren. Weil ich Angst hatte, am meisten vor dem Ball. Aber auch, dass ich gefault werde. Mich wollte nie einer haben in der Mannschaft. Beispiel zum Zweiten: 7. Klasse Realschule. Tatort: Klassenraum. Kein Schüler, keine Schülerin wollte neben mir sitzen. Weil ich ´ne Hasenscharte hab. Beispiel zum Dritten: Abiturfeier. Tatort: Rummelplatz. Aufs Volksfest konnte ich nie mit jemandem hingehen. Die wollten ja alle lieber mit anderen ihren Spaß haben. Ich kannte ja noch nicht mal einen einzigen guten Witz. Aber immerhin hat niemand mitgekriegt, dass ich sogar Angst vor dem Kinderkarussell hatte. Und vor der Geisterbahn sowieso. Immerhin hab ich mich getraut, Lose zu kaufen. Aber das akzeptierten die Klassenkameraden nicht als bestandene Mutprobe.

Heute weiß ich, die haben mich alle tot gemacht. Einfach tot. Auch, wenn´s nur seelisch war. Aber das gilt ja auch als Tod. Und heute? Weit und breit kein Mensch, der mich töten mag, weder seelisch noch körperlich. Bin ich vielleicht jetzt doch irgendwie zu beliebt geworden, um getötet zu werden? Aber ich hab´ doch nichts gemacht. Warum will mich heute kein Mensch mehr umbringen? Vielleicht soll´ t ich mir doch mal psychologische Hilfe suchen. So´ n echten Psychologen. Einen, der auch morden kann. Der es auch gerne macht. Für wenig Geld. Ich muss nur ganz nett zu ihm sein. Ganz freundlich. So, wie ich immer bin, wenn ich jemanden neue kennenlerne. Hinterher ändert sich das dann immer. Ist klar, ist verständlich. Aber in diesem Fall, also jetzt, macht das gar nichts, wenn meine Maske abfällt, weil ich ja dann schon längst tot bin. Und als Toter können die mich beleidigen wie sie wollen. Ich weiß, dass man da kaum was mitkriegt.

Wie komm ich jetzt nur an so ´nen Psychologen ran? Am besten ist es, ich überstürze nichts. Ich geh überlegt vor. Ich setze eine echte Anzeige in die Zeitung. Eine ganz konservative Anzeige. Ohne Rechtschreibfehler. Das imponiert bestimmt den einen oder anderen, jedenfalls denjenigen, der Wert auf einen gepflegten Umgang mit einem modernen Menschen legt. Ja, also ich formuliere mal ganz ehrlich, wie ich denke:

 

„Hallo Herr oder Frau Psychologe/in! Ich bin ein netter, freundlicher Typ und suche einen reifen Psychologen, der Lust und auch das Können hat, mich umzubringen. Er/Sie sollte möglichst ehrlich sein, vielleicht sogar ehrlicher als ich es meistens bin. Ich wäre da nicht neidisch. Sie sollten möglichst nur mit Herz und Verstand an die Arbeit gehen. Nicht übertreiben, aber auch nicht bummeln oder gelangweilt an das Morden herangehen. Verzeihen Sie mir bitte, wenn ich Sie jetzt duze. Das klingt persönlicher. Wenn du also Profi bist und Spaß an der Arbeit hast, entwickelt sich zwischen uns vielleicht eine Freundschaft, und du begleitest mich treuherzig bis hin zum lieben Gott. Welch ein Traum! Träumen kann so gesund sein! Das hab ich schon mal im Wochenblatt gelesen. Ein Bericht mit vielen bunten Bildern war das. Da hab sogar ich gestaunt. Und ich staune selten. Also, lieber Mordspsychologe, komm rein zu mir, es soll dir auch kein Leid geschehen. Oder muss ich alles selber machen?“

 

Ja, so kann ich die Anzeige morgen abgeben. Vielleicht fürs Wochenblatt. Da sind wieder tolle Bilder dabei.  

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.06.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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