Brigitte Waldner

Der Unfalllenker kehrt zum Tatort zurück

Um fünf vor zwölf will Mieze hinausgehen,
sich eine Maus zum Mittagessen vom Feld
vor meinem Garten holen.
Dafür muss sie die Straße überqueren,
in einer 30 km/h Zone, wo sich aber
nur wenige daran halten.
Ich nehme sie hoch auf meinen Arm
und gehe in Richtung meines Geheges,
um sie dort sicher zu verwahren,
dass sie mir nicht auch noch überfahren wird.

Ich höre ein Auto kommen. Ich bleibe vor meinem Haus stehen, bis es da ist.
Ist es der Ton, den der Unfallwagen hatte?
Es hört sich so an. Ein Rauschen, ein Zischen.
Aber diesmal kommt der Wagen ganz langsam.
Ich lese die Aufschrift auf dem schön aussehenden weißen Mercedes Kastenwagen,
oder wie man diese Art von Kraftfahrzeug nennt,
es ist „Die Raupe“ - in der Farbe grün und gelb aufgemalt.
Jetzt wäre die Mieze fällig gewesen, also überfahren,
falls sie genau jetzt die Straße überquert hätte,
weil sie dann extra Gas gegeben hätten.

Ich schaue dem Beifahrer direkt ins Gesicht und halte die Katze fest ein.
Er sieht aus wie Lukas, oder einer der ihm sehr ähnlich sieht.
Ein junger Mann.
Der Wagen hält nicht an, obwohl er diesmal ganz langsam fährt,
in der Richtung von Süd nach Nord, so wie der Unfall auch war.
Er hätte sofort anhalten können und mit mir reden,
aber er fährt weiter.
Ich zeige, er soll stehenbleiben, er fährt weiter.
Sowohl der Fahrer, wie der Beifahrer blicken intensiv heraus zu mir.
Der Fahrer beugt sich vor, um vor dem Beifahrer herauszuschauen.
Sie haben Kenntnis vom Unfall, so wie sie sich verhalten.
Sie sehen sich die Positionen meiner Überwachungskameras an,
ob sie von ihnen erfasst worden sein könnten.
Sie sind weg.

Ich setze die Mieze ins Gehege, geh ins Haus,
schalte die Herdplatten aus, wo mein Mittagessen brät,
um mit meinem Hund gleich hinaufzugehen,
wo ich erwarte, dass der Wagen steht,
nämlich vor Lukas ehemaligem Haus.
Ich möchte schauen, ob er eine Delle hat.
Bevor ich losgehe, sehe ich den Wagen schon wieder
die Parallelstraße herauffahren in Richtung Lukas Haus.
Wann er hinunter ist, habe ich nicht gesehen.
Ebenfalls sehr langsam. Hat er zwei solche Wägen oder war es derselbe?
Ich gehe los. Ich muss an zwei Häusern vorbeigehen
Und dann müsste rechts von der Kreuzung der Wagen stehen,
falls er bei Lukas Haus was zu tun hat.
Er steht nicht dort.
Ich will mit den Leuten reden,
dass sie meinen 10 Monate alten Kater Freddy
am Freitag wie ein paar Wilde verletzt mit Todesfolge haben,
dass ich annehme, sie machen es aus Spaß oder Mobbing,
weil sie extra Gas gegeben haben, statt zu bremsen,
obwohl kein Auto hinter ihnen war,
und sie auch viel zu schnell gefahren sind in der 30 km/h-Zone.
Die Leute sind nicht da.
Ich kann mit ihnen nicht reden.

Lukas hatte mir gestern am Sonntag, ein SMS gegeben, dass er nicht der Lenker war,
der am Freitag um 16.30 h meinen Kater schwer verletzte,
dass er innerhalb von knapp drei Stunden in der Tierklinik verstarb,
sondern ein Kunde von ihm, ein Holländer.
Er wird ihn am Montag fragen.

Heute ist Montag. Es ist 12.45 h und keiner meldet sich bei mir,
außer dass sie vorbeigefahren sind.
Wenn die es nicht gewesen wären,
die meinen Kater totgefahren haben,
dann hätten sie sich ja gemeldet,
aber so haben sie sich nur umgeschaut,
und melden sich nicht.
Wenn einer nicht der Täter ist,
geht er sich doch nicht die Unfallstelle noch einmal anschauen, oder?

Oder haben sie versucht,
die nächste Katze totzufahren?
Aber diesmal war keine im Feld.
Dafür habe ich gesorgt. Sie sind jetzt eingesperrt.
Auch Mieze habe ich ins Freigehege gegeben.

Die beauftragten Killer haben ihre Mobbingrunde zum Katzentöten
heute Mittag umsonst gedreht.
Sie werden wiederkommen, diese mutmaßlichen Banditen.
Warum reden sie nicht mit mir
und stehen sie nicht zu dem, was sie getan haben,
wenn es nicht blanke Absicht war, mich zu mobben?

Man kommt dagegen polizeilich leider nicht an,
weil die Polizei nicht glaubt, dass das möglich ist,
weil das dermaßen absurd ist
und sich für nicht zuständig erklärt.
Mag ja sein, dass sie nicht zuständig sind,
da eine Katze kein Wildtier ist.
Der Fall ist so, wie ich ihn sehe und kann nicht anders sein.

Ja, jetzt ist es eigentlich so gut wie bestätigt,
weil sie auch noch vorbeigefahren sind
und nicht bereit waren, anzuhalten und mit mir zu reden.
Der Zeuge hatte es sofort gesagt: „Die Raupe“ war es
aus nächster Nachbarschaft.
Ich weiß den Wagen, aber leider nicht den Namen des Lenkers.
Der Zeuge stand auf der Straße und hat es genau gesehen,
in unmittelbarer Nähe, als sie mit dem Mercedes den Kater von der Straße
mit überhöhter Geschwindigkeit abschossen.

Lukas ist nicht bereit, mir den Namen des Fahrers zu nennen,
dem er sein Auto geborgt hat. Er schweigt.
Die Polizei schreitet nicht ein.
Müssen erst alle Katzen überfahren sein,
um nachweisen zu können, dass es Absicht war?

© Text und Foto: Brigitte Waldner
Freddy im Mai 2023 ca. 8 Monate alt

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.07.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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