Brigitte Waldner

Marketing

Was versprechen sich Marketingassistenten,
die permanent aufdringliche Werbung per Anruf, SMS und E-Mail machen,
sowie per Leaflet, Prospekt, Katalog und Inserat?
Sie bieten von Handtaschen bis zum Hochdruckreiniger
verschiedene Waren und Dienstleistungen an,
für die man keinen Bedarf hat,
wovon man schon zu viel hat oder die man nie braucht,
weil man die Voraussetzungen dafür nicht hat,
abgesehen vom Geld, was es kostet.
+
In meiner Nachbarschaft mähen lauter Roboter kleine Rasenflächen,
sind täglich stundenlang damit beschäftigt;
sie kosten Strom und werden
in eigens dafür angeschafften kleinen Hundehütten geparkt.
Wer eine Hundehütte kauft, muss nicht zwingend einen Hund haben.
Wer Geld verschwenden kann, dem ist es einfach zugefallen,
daran erkennt man sie, die mehr haben, als andere,
und Arbeit scheuen. Früher Gartenservice, heute Roboter,
der ist wenigstens verlässlich und arbeitet nicht schlampig.
+
Es mag keiner mehr 15 Minuten lang selber Rasen mähen.
Ich mähe einmal pro Woche eine Viertelstunde,
sofern es nicht heiß und trocken ist,
dann mähe ich nicht, weil das Gras verbrennt.
Sie sitzen auf ihren E-Bikes und rasen den Berg herauf,
sie fahren grußlos und mit hoher Geschwindigkeit an mir vorbei,
sie glauben, sich sportlich zu betätigen,
sie wollen sich am Fahrrad auspowern,
vor Gartenarbeit drücken sie sich.
Diese arroganten E-Biker nerven mich total,
sie stören die Idylle, wo gerade kein LKW fährt.
Wir sind im Zeitalter der E-Biker,
ein jeder muss eines haben und fährt auch damit,
nicht etwa zur Arbeit, nein eine Runde in der Freizeit.
Sie ziehen sich schöne sportliche Bekleidung dafür an,
die eigens für E-Biker designed wird.
Beliebte blaue Jeans wurden von schwarzer und bunter Designer-Ware
aus Kunstfaser abgelöst, die eng am Körper klebt,
die mageren Körper sehen darin gut aus,
die adipösen ziehen sich schicke Outdoor-Ware an.
Man muss alles haben, was der Markt bietet,
es ist aber nur für das Auge und weniger für Geist und Herz.
Und sportlich es nicht, obwohl es so ausieht,
im Gegenteil, Radfahren schadet den Kniegelenken
und den Nieren, so stark, wie das Traktorfahren.
Aber das weiß keiner. Das wird geheimgehalten,
damit die E-Bikes gekauft werden.
+
Wer investiert schon etwas in den Geist?
Das wäre ja doch zu mühsam, sich eine Stunde hinzusetzen
und etwas zu lernen, was man noch nicht kann,
um sich Langeweile damit zu vertreiben.
Auch dafür macht die Werbung gute Angebote,
für Heimwerken bis Fremdsprachen,
aber wer braucht das schon, es gibt eh alles fertig zu kaufen.
Ob Handy, E-Mail, Briefkasten,
sie werden täglich mit Spams überladen,
die Werbung vom Briefkasten geht ungeschaut ins Altpapier,
die Anrufe am Portable hebe ich nicht ab,
die E-Mail-Spams leite ich in den Spam-Ordner um,
der automatisch täglich löscht,
die Werbung im Fernsehen schaue ich nicht,
die Zeitung kaufe ich schon lange nicht mehr.
Die Werbemaßnahmen kosten viel Geld,
und deswegen sind die Waren und Dienste so teuer.
Was verspricht sich das Marketing davon,
uns laufend zuzuspammen?
Im Fernsehen wird (nicht nur bei Werbung) so schnell geredet,
dass man nicht einmal mitkommt,
und sich davon auch noch genervt fühlt.
+
Ich habe mir im Internet ein neues Heimtiergehege bestellt,
8 x 3 x 2,5 m groß, ein Hühnergehege, das ich zum Katzengehege umbaue,
und noch eine Hundehütte für meine Katzen.
Dafür brauche ich keine Werbung und habe dafür auch keine erhalten.
Und trotzdem habe ich diese Waren gefunden und geordert.
Dann baue ich sie mir selber eine Woche lang oder länger auf,
ich studiere die Anleitung und dann sind meine Katzen hoffentlich vor dem Lukas sicher,
und vor sämtlichen anderen Rasern in der 30 km/h Zone.
Es hat mich zwar viel Geld gekostet,
aber ich werde dann wenigstens ein paar Kilos leichter.
Ich kann es mir leisten, es vom Mund abzusparen, sozusagen!
Es ist bereits auf den Rippen angespart.
Mit allem, was ich dazu brauche, inklusive starkem Rollenzaun,
wird mich das Material voraussichtlich auf 900 Euro kommen.
Das ist knapp mein Monatseinkommen an Pensionsgeld.
+
Ich muss meine Katzen jetzt einsperren,
weil Lukas einen neuen Sport ausübt, Katzen von der Straße zu schleudern,
meinen wunderschönen, junden Freddy, zum Beispiel,
und das darf er. Er muss sich nicht entschuldigen und keinen Schadenersatz bezahlen.
Der Lenker war er selber oder einer seiner Freunde. Er gibt den Namen nicht preis.
Sein Onkel ist bei der Polizei und hat mich angerufen,
ich bin selber schuld, wenn ich meine Katzen nicht einsperre.
Er darf mit überhöhter Geschwindigkeit fahren und sie absichtlich weitaus schleudern,
wenn sie über die Straße laufen,
wenn er gerade - wie der keuchende weiße Blitz - daherkommt,
mit seinem weißen Kastenwagen, mit der bunten Aufschrift.
+
Seit vier Tagen ist Annettes Katze Lilly auch verschwunden,
die bei mir eingeparkt war, seit dem Tod von Annettes Mutter, die meine Tante war.
Lilly hat seit einigen Wochen einen Kreuzbandriss.
Sie kann nicht mehr richtig laufen.
Ich habe sie gestern intensiv gesucht und
nicht mehr gefunden.
+
Wenn die Werbung wenigstens intelligent wäre
und die Menschen bilden würde, oder
sie im Herzen zu besseren Menschen erzöge,
dann hätte die Werbung wenigstens einen Sinn.
Aber so halte ich sie für komplett sinnlos.
Ich gehe jetzt daran, meinen Garten zu roden,
ich muss Bäume beseitigen und Holz schneiden,
damit ich das große Gehege aufstellen kann.
Hoffentlich macht es mir der Nachbarräuber nicht gleich wieder kaputt.
Für mich ist die Werbung absolut sinnlos,
wo ich nicht einmal die Zeit habe, sie anzuschauen,
ich habe ganz andere Sorgen,
deswegen frage ich mich, was sich die Marketingassistenten erhoffen,
wenn sie mich zutexten. Das blitzt bei mir ab,
wie ich bei der Polizei, wenn der Lukas meinen prächtigen Kater verunfallt.
Ich könnte die Werbung in der Luft zerreißen,
mit dem Lukas kann ich das leider nicht machen,
sonst muss auch ich ins Gehege,
und Lukas wird weiterhin Freilauf haben.
Er ist hier allerdings nicht der einzige Raser,
ich wohne ländlich in einem Wohngebiet in der 30 km/h Zone,
es geht hier zu, wie auf der Autobahn, ein LKW nach dem anderen,
einer schneller, wie der andere.
Freilaufende Katzen haben hier keine Überlebensgarantie mehr,
es passiert ein Unfall nach dem anderen.
Man war von der Lockdown-Zeit sehr verwöhnt.
Ach, wie schön war doch der Lockdown, wenn ich heute zurückblicke,
Ich habe ihn genossen, weil alles viel ruhiger war.
Dafür aber machen sie keine Werbung.
+
© Brigitte Waldner

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.07.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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