Klaus Mattes

Ideen&Sex 3/3 - Hans Küng und seine vergangene Ära

Hans Küng, mit dem ich mich ebenfalls noch nie beschäftigt habe, von dem ich ebenfalls so gut wie nichts weiß, war vor geraumer Weile doch noch einmal im Rundfunk zu hören. Zwischen den Zeilen schallerten mir die Ohren, denn es drang Küngs unaufhaltsame Selbstgewissheit herüber, seit kleinsten Kindesbeinen an zu einer der geistig bedeutendsten Familien der Schweiz gehört zu haben und somit mit der inneren Voraus-Gewissheit versorgt gewesen zu sein, es einstens noch ganz weit hinaus zu bringen.

Wie sich zeigte, hielten ihm die deutschsprachigen Nationen in Gestalt ihres Bildungsbürgertums eine Stelle für geistig-moralisches Hirnauswinden und Besinnungslabern frei. Im Einzelnen sah es so aus: Hier stehen wir zusammen als geistige Kämpfer, denn wir sind 1) katholisch, glauben 2) obwohl man das doch kaum sagen muss, weiterhin an einen existierenden und gütig waltenden Gott, sind aber 3) unverbrüchlich gegen die katholischen Päpste, wie sie sich uns heute darstellen. Der nationale kulturelle Bezirk brauchte immer wenigstens einen, der mitsamt seiner Prominenz genau für diese drei Punkte einstand.

Es verhielt sich ähnlich wie bei Heinrich Böll, Günter Grass, Walter Jens und Rudolf Augstein (oder war es Josef Neckermann?), nur dass es bei denen natürlich jeweils andere drei Punkte waren, aber auch solche, die das deutsche Bürgertum griffbereit aufbewahrt wissen wollte, an seiner Statt.

Somit gehörten diese Leuchten der Moralität der sogenannten „Alten Bonner Republik“ an, wobei ich absichtlich dahingestellt sein lasse, ob deren Vergehen mit der Vereinigung der beiden Staaten BRD und DDR Ende des Jahres 1990 oder erst mit Beginn des Jahres 2005 zu datieren wäre, als die präsidentielle Forderung nach einem „Ruck durch Deutschland“ und die Schröder'sche Postulierung einer „Neuen Sozialen Mitte“ ihre praktische Umsetzung in den sogenannten „Reformen“ erlebten.

Man wird darauf kommen, dass die „Alte Bonner Republik“ noch mit ewigem Aufpolieren und Bekakeln dessen beschäftigt war, was man inzwischen als Gerümpel erkannt hat: Weltfriede, Spaltung Europas, ungleiche Verteilung von Wohlstand und politischer Macht zwischen Erster und Dritter Welt, Christentum als Kraft der Befreiung Unterdrückter. Man erkennt, dass seither nur wirklich Wichtiges unsere Debatten noch bestimmt: Anforderungen der Finanzmärkte an die demokratischen Gesellschaften, rücksichtslose Verfolgung und Bestrafung pädophiler Kindheitszertrümmerer und gleichbereichtigte Aufnahme von Intersex-, Trans- und sonstigen Personen in den kulturellen Diskurs hinein!

Die wie stets rührend altväterliche, behäbig vorurteilsbeladene FAZ brachte es mit der Bebilderung eines Besinnungsaufsatzes auf den Punkt. Ihr Foto zeigte einen tiefschwarzen Kindersoldaten, einen afrikanischen Jungen, der in einem Kampfanzug steckt und uns über ein russisches Schnellfeuergewehr hinweg äußerst grimmig anblickt. Da haben wir fast alle Ängste der FAZ-Bürger aus jener goldigen Küng-Zeit in einem einzigen Foto noch einmal vereint. Der ostische Kommunismus versieht die kindischen Massen der Subsahara mit Mordinstrumenten, damit sie uns hinter unserer Alpenmauer überrennen und - ungeachtet unserer aseptischen Praxen und Finanzpapiere – völlig sinnbefreit über den Haufen schießen! Helfen konnte nur der Glaube an Gott und die Solidarität mit Hans Küng, der dem Papst verbieten wollte, die hormonelle Antiempfängispille und das Kondom zu verbieten.

Die Antiquiertheit des Professors Hans Küng erweist sich heute daran, dass nach der oben skizzierten Zeitenwende inzwischen schnurz und egal ist, ob man an Gott glaubt oder nicht, dass es vielmehr unabdingbar und top geworden ist, dass man ein guter Mensch wie der jetzige Papst Franziskus ist, auf den Küng nichts mehr hätte antworten können, weil Franziskus das für alle Menschen Beste tatsächlich täglich will, dieses allerdings natürlich nicht eintritt. Denn es regieren uns, wie aber inzwischen wirklich alle schon wissen (Leonard Cohen: „Everybody Knows“), Hans Küng die Plattform rasch entziehend, weder Gott - noch die internationale Friedensordnung - noch der katholische Papst - noch die Menschlichkeit - noch die Natur, sondern ganz alleine nur noch die Anforderungen der Finanzmärkte.

Gegen die keine Revolution oder ein Aufstand im Sinne eines Karl Marx oder des Kommunismus noch zu gewinnen wären, denn, wie aber auch Hans Küng schon spürte, wenn man erst mal weiß, wo Gott wohnt, weiß man, dass man gegen den nicht gewinnt.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.08.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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