Burckhardt Fischer

Oscar III

F., der mir ein wenig verpflichtet war, fühlte sich bemüßigt, mich in ein Restaurant zu laden, eine Kneipe, die hipp war in der Szene zu Zeiten, und sie gibt es schon lange nicht mehr. Gekommen, gegangen.
Damals war sie voll, bis auf den letzten Platz, und man musste kämpfen um eine Bleibe darin. Wir fanden sie am Durchgang zum Hinterzimmer: ein Knuffen und Stoßen bei jedem, der versuchte, hindurch zu kommen, ein Gespräch nur schreiend möglich.

Nun war es aber so, dass seit wenigen Tagen dieser Hund bei uns zugegen, neu, jung, mein Herz erobert hatte im Sturm, und da U. sich weigerte, mit ihm Gassi zu gehen in den Stunden meiner Abwesenheit, sah ich mich gehalten, ihn mitzunehmen. Auch ihm bekam der Platz im Gedränge, im Durchgang nicht gut, weniger noch: da er so viel kleiner war als die, die ihn umstanden, wiewohl er auch nicht eben geringer Größe, sah man ihn nicht, quetschte, drückte, drängelte um so ungehemmter, trat ihm auf die Pfoten. Ich kämpfte darum, ihm den Überlebensraum zu sichern.
Da spülte der Menschenstrom eine Musikantin herein, an uns vorbei, eine Amerikanerin, die nicht weit entfernt zu Stehen kam im Hinterzimmer, ihre Geige auspackte und zu spielen anhub, zart und stark, schön. Oscar sang mit. Die Musikantin brach ab, starrte schreckerfüllt ob des unverhofften Geräusches, sah mich mit dem Hund kämpfen, ringen, ihm das Maul zuzuhalten, und begann erneut ihr Stück. Es war nicht zu machen: Oscar jaulte mit, trotz zugepresstem Maule, sich windend, entwindend, lauthals. Tapfer kämpfte die Musikerin sich durch ihr scerzo, nunmehr im Duett, und Oscar sang. Tosender Beifall am Ende, und vermutlich hat die brave Geigerin noch niemals derart reichlichen obulus kassiert, wie dort, dank dieses Zusammenspiels.

Für Oscar aber, plötzlich zur Attraktion geworden, und auch uns war plötzlich einer der besten Plätze frei, am Tische nahe des Fensters, und zuvorkommend wurden wir bedient. Oscar, an meiner Seite, zu meinen Füssen liegend war ein Ausbund an Tugend, brav, kein Mucks ward mehr von ihm zu hören, und er wartete still auf den Aufbruch und neue Abenteuer. Lang musste er warten, denn es wurde nun ein fröhlicher Abend.
Am Tische daneben saß eine vornehme junge Frau, die konnte sich gar nicht genug tun mit diesem Hund, musste ihn immerfort liebkosen, streicheln, den treuen Blick suchen. Ihr Begleiter, ein älterer, freundlicher, verliebter Herr sichtlich besserer Kreise, ertrug es mit Fassung. Als sie nun gehen wollten, verabschiedete sie sich von Oscar, stand dann auf, während der Galan ihren Pelzmantel aufnahm, den sie über die Stuhllehne gehängt, um ihr darein zu helfen. Doch ach, Oscar hatte darein ein Loch, so groß wie ein Handteller gekaut, und mochte dies der Grund für seine Stille gewesen sein.
Der Herr erbleichte, sie zögerte, fuhr dann entschlossen hinein in den ihr dargebotenen Umhang, durchlöchert nun, und hoheitsvoll grüßend verließen sie die Statt.

Mir war ein heilloser Schreck in die Glieder gefahren, unversichert noch, und so ersäuften wir den Kummer über den verspeisten Nerz, F. und ich.

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Es wurde sehr viel geschrieben über jene Jahre der unseligen Diktatur eines wahnwitzigen Politikers, der glaubte, den Menschen das Heil zu bringen. Das meiste davon beschreibt diese Zeit aus zweiter Hand! Ich war dabei, ungeschminkt und nicht vorher »gecasted«. Es ist ein Lebensabschnitt eines grünen Jahzehnts aus zeitlicher Entfernung gesehen, ein kritischer Rückblick, naturgemäß nicht immer objektiv. Dabei gab es Begegnungen mit Menschen, die mein Leben beeinflussten, positiv wie auch negativ. All das zusammen ist ein Konglomerat von Gefühlen, die mein frühes Jugendleben ausmachten. Ich will versuchen, diese Erlebnisse in verschiedenen Episoden wiederzugeben.

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