Federleicht, wie Glitzerstaub von Feenhand in die klare Winterluft gepustet,
flirrten wattefeine Schneeflocken vom Firmament. Die Posaunen und Trompeten der
Feuerwehrkapelle bliesen „Stille Nacht, heilige Nacht“ direkt in die
Herzen der andächtig lauschenden Besucher des Weihnachtsmarkts heute am
vierten Advent, der ausnahmsweise mit dem heiligen Abend zusammenfiel. Verfrorene
Finger klammerten sich an heiße Tassen, aus denen der würzige Geist
aromatischen Glühweins die Nächstenliebe befeuerte. Dennoch beachtete
niemand die Kleine, die da auf nackten Füßchen zwischen den Beinen der
Erwachsenen über das frostkalte Pflaster trippelte - niemand außer
Max. Sie war aus ihrem kuscheligen Heim auf die Straße gerannt und hatte
nicht wieder zurückgefunden. Nun schlug sie sich mutterseelenallein durch
die Welt, von der sie selbst am Vorweihnachtsabend nur ein paar
Brötchenkrümel, die von den Papptellern rieselt en, zu erwarten hatte.
Auch Horst kümmerte die Kleine nicht. Vermutlich hätte der
Geschäftsführer des Autohauses Lübzer, der sich vom Mechaniker an
die Spitze des traditionsreichen Familienunternehmens geheiratet hatte, nach ihr
getreten, wenn sie ihm aufgefallen wäre, denn für solche wie sie hatte
er absolut nichts übrig. Umso mehr aber für seine Empfangsdame Ivana,
die bei der gestrigen Weihnachtsfeier durchblicken lassen hatte, dass sie die
Festtage zwar allein, den heutigen Abend jedoch nicht gänzlich freudlos
verbringen wolle, und deren durch Abertausende Kniebeugen gestählter
Steiß gerade Horsts volle Aufmerksamkeit genoss.
Derweil
ergatterte die Kleine den Zipfel einer Bratwurst, der neben eine Mülltonne
gefallen war. Glücklich über den unerwarteten Fund verkroch sie sich
abseits ins Gebüsch und schmatzte auf dem widerspenstigen Wurstdarm herum.
Dass sich Max an sie anschlich, merkte sie nicht - ebenso wenig wie ihr Genick
wie ein dürrer Zweig brach. Wenn sie ohne Stress starben, blieb ihr Fleisch
schön zart. Max hatte es nicht zum ersten Mal getan, er war ein Profi. Zu
gern würde er ihr an Ort und Stelle den Bauch aufschlitzen und sich
über ihre Eingeweide hermachen. Am liebsten mochte er die Augen. Auf diesen
hier glänzte noch feucht eine Träne. Doch es war Weihnachten und sie
sein Geschenk.
Max reckte den Hals und schaute durchs Küchenfenster.
Drinnen rollte die Mutter den Teig für die Plätzchen aus. Die
Großmutter rührte in einem Bottich die Mayonnaise unter die
Kartoffeln. Drüben im Wohnzimmer, vor dem Fernseher, daddelte Leon auf der
Spielkonsole herum, während seine kleine Schwester Theresa unter Sesseln und
Schränken nach versteckten Geschenken stöberte. Max schlich ums Haus.
Niemand von ihnen durfte sein Geschenk finden, denn es war für seinen
Meister bestimmt. Der hatte ihn auf der Straße aufgelesen und zu dem Killer
gemacht, der er heute war. Da baute sich wie aus dem Nichts der Großvater
vor ihm auf. Der Tritt des ehemaligen Spielmachers der Eintracht-Senioren und
noch amtierenden Inhabers des Autohauses Lübzer traf ihn hart in den Bauch.
Max jaulte auf, rang nach Luft und schluckte schwer. Bevor der alte Kicker einen
weiteren Pass schlagen konnte, rannte er ums Eck in die Garageneinfahrt, wo i hn
die Scheinwerfer von Horsts SUV blendeten. Wie die 245er Breitreifen über
ihn hinweg walzten und ihr dreidimensionales Lamellenprofil in seinen Kopf
stanzten, bekam er nicht mehr mit.
Frohgelaunt und bis in alle
Glieder entspannt, den frisch geschlagenen Tannenbaum im Kofferraum und Helene
Fischer in den Ohren, fuhr Horst zu Hause vor. Wenn zweieinhalb Tonnen über
einen Körper rollen, fühlt sich das nicht anders an, als streife man
einen hohen Bordstein. Und überhaupt scherte sich Horst recht wenig um das,
was vor der endlosen Kühlerhaube seines Wagens passierte. Über den
Leichnam, der dank des hohen Radstandes den Unterbodenschutz nicht
beschädigt hatte, war Horst dann aber doch bestürzt. Er hatte den Kerl
wirklich gemocht, aber eines Tages musste es ja so weit kommen. Max trieb sich
immer dort herum, wo man ihn am wenigsten erwartete. Heute hatte er sein siebtes
und letztes Leben ausgehaucht. Horst lächelte. Ob es Ivana wohl gefallen
hätte, wenn er ihr statt des goldenen Armreifs, den er ihr zum Vorspiel
über das Handgelenk gestülpt hatte, als Geschenk ebenfalls eine tote
Maus auf die Fußmatte gel egt hätte? Nun, heute an Weihnachten war
nicht die Zeit für Sarkasmus und er wollte die Familie keinesfalls mit der
Tragödie belasten. Er griff zu Spaten und Hacke und grub die gefrorene Erde
unter der Tanne hinter dem kleinen Teich auf. Er beugte sich über den toten
Kater. Im Schein der festlichen Außenbeleuchtung sah er das Beil noch kurz
aufblitzen - wie es seinen Schädel spaltete, merkte er nicht mehr.
„Das ist eine Familienangelegenheit“, donnerte der Großvater
die Faust auf den Tisch. „Dafür brauchen wir keine Polizei, die uns
das Weihnachtsfest verhagelt.“ Er zog die buschigen Augenbrauen zusammen,
bis dass sie sich ineinander zu verhaken drohten, und durchbohrte sie mit seinem
Blick. Sie sanken auf ihren Stühlen hinab, als wollten sie sich allesamt
unter der Tischplatte verstecken. „Du!“, spießte er die
Großmutter mit dem Finger auf. „Du hast es nie verwunden, dass er an
Heiligabend immer Würstchen mit Kartoffelsalat haben wollte.“
Kreidebleich schnappte sie nach Luft. „So etwas isst man doch nicht am
höchsten Festtag. Das ist etwas für eine Studentenparty. Früher
kamen knusprige Gänsekeulen, zarter Rehrücken oder ein saftiger Karpfen
auf den Tisch.“ Sie kramte in ihrer Kitteltasche herum. „Aber
deswegen bringe ich ihn doch nicht um. Außerdem war ich
die ganze Zeit in der Küche.“ Sie schnäuzte in ein Taschentuch.
„Genau so gut könnte es Leon gewesen sein, denn dem gehen die
Weihnachtslieder von Helene Fischer schon lang auf die Nerven.“ Der
Halbstarke schreckte hoch und riss den Mund weit auf. „Ich, wieso gerade
ich?“, stotterte er. „Der kann doch spielen, was er will. Dann stecke
ich mir einfach die Stöpsel in die Ohren.“ Leon drehte sich zu seiner
Mutter, die neben ihm saß, und musterte sie von Kopf bis Fuß.
„Was ist mir dir?“ Er zog ein pinkes, geblümtes Höschen aus
ihrer Hosentasche und wedelte damit durch die Luft. „Bist du nicht etwas zu
alt für so was?“ Die Mutter schluckte. „Selbst heute an
Weihnachten hat er mich mit irgendeinem Flittchen betrogen. Ich habe ihn zwar
gefunden, aber getötet habe ich ihn nicht.“ Sie stand auf und trat vor
den Großvater, so dass sich ihre Nasen beinahe ber ührten.
„Bist du nicht kürzl!
ich erst dahintergekommen, dass er immer wieder Gelder aus der Firma abgezwackt
hat? Und draußen warst du auch.“ Plötzlich kullerten dicke
Tränen über die Wangen der kleinen Theresa. „Hört endlich
auf zu streiten!“ Sie stellte ein Schächtelchen auf den Tisch und
öffnete es. „Es war ein Unfall. Ich hab bloß die Katze
gesehen.“ Mit spitzen Finger zog sie eine Maus aus der Schachtel und
streichelte ihr weißes Fell. „Sie war meine Freundin. Ich war so
wütend und wollte es Max heimzahlen, doch Papa hat sich zur falschen Zeit
nach ihm gebückt.“ „Komm her, Süße!“, nahm die
Mutter sie in den Arm. „Weil du ehrlich warst, bekommst du heute seinen
Nachtisch.“
Vorheriger TitelNächster TitelHallo Christa,
ja, nicht für alle ist Weihnachten das Fest der Liebe. Ich freue mich, dass Dir die Geschichte trotzdem
gefallen hat.
Liebe Grüße, GerdGerd Henze, Anmerkung zur Geschichte
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Gerd Henze).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.11.2023.
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Rebel Crusade 1, Zerstörer der Erde
von Werner Gschwandtner
„Stellen sie sich vor, in einer fernen Zukunft befindet sich die Erde und eigentlich das gesamte bekannte Universum unter der Faust einer fremden und äußerst bösartigen Spezies namens Tenebridd. Das Leben, so wie wir es im Augenblick kennen existiert seit zwei Jahren nicht mehr. Die Erde ist dem Erdboden gleich gemacht, kein Standard, keine Sicherheiten mehr und nur noch das Gesetz der Eroberer. Und dennoch, eine Handvoll Menschen, angetrieben von dem Wunsch der Freiheit, kämpfen unermüdlich um das Überleben des Planetens und der restlichen Menschheit.“
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