Burckhardt Fischer

Elsa

Da ich nun einen neuen Freund gewonnen hatte, da ich ihm zugehört, seinem Jammer, daß seine Kumpane ihn schnitten seiner Karriere halber, die in diesen Kreisen nicht opportun, da war auch ich zu seiner Party geladen: es war ein wunderbares Fest. Hat sein Genöle wahrhaft aufgewogen.

Da mir an jenem Abend, jener Nacht etwas abhanden gekommen, sah ich mich genötigt, ein Ferngespräch zu führen und mußte konsterniert die Vorhaltungen seiner schönen Freundin erfahren, die in meiner Nachfrage vermisste einen Dank, eine ausführliche Würdigung der Mühen und Kosten, wiewohl ich ja durchaus begeistert war und mein gewisses Zögern bei der Rückmeldung wahrhaftig damit begründen konnte, nicht stören zu wollen, war es doch sicher anstrengend gewesen für die Gastgeber.
Ich beschloss, mich mit einer nämlichen Feier zu revanchieren.

Nun hatte sich ein großer Teil unserer angeregten Unterhaltung um gutes Essen und Trinken gedreht. Da lag der Gedanke nicht fern, zu meiner geplanten Einladung solches zu kredenzen und so entwarf ich ein mehrgängiges Menue, das aber einer Fete gemäß nicht in strenger Reihenfolge genossen werden sollte, sondern nach Lust und Laune sozusagen jeweils als „snacks“:
-    Kürbiscremsuppe
-    des nahen Martinstages wegen gebackene Gans, meine eigentlich weihnachtliche Lieblingsspeise, ohne die das Fest nicht   
vollkommen, ein Ritual
-    Flußkrebse, die ich im nahen KaDeWe probiert und für köstlich befunden

-    eine raffinierte Nachspeise:mousse au chocolate, Sorbet und Preiselbeeren
Mit guten Weinen war mein Lager noch reichlich gesegnet.

T., die eine großartige Köchin war, wenn nicht gerade betrunken, versprach, mir diese Speisefolge zu richten, die Krebse wurden geordert und pünktlich geliefert – eine halbe Wanne voll. Die Suppe war noch logistisch am einfachsten, wenn auch der große Topf sehr schwer. Das Dessert in ausreichender Menge zu fertigen dauerte Tage.
Doch ach: justament in diesem Jahr ward in Polen das Kriegsrecht ausgerufen, die dort gemästeten Gänse erreichten unser Land nicht, der Markt war leergefegt, keine Gans, nirgends. Auch nicht tiefgefroren – längst ausverkauft.

T. wußte Rat. Bei einem Bauern kaufte sie ein solches Tier, transportierte es, das fröhlich schnatterte, durch die Stadt und geleitete es die Treppen hinauf über etliche Stockwerke, bis in ihre Küche, wo sie ihr die Kehle durchschnitt.
Sie hatte sie Elsa getauft, während des Geschnatters auf der Fahrt.

Da sie, T., mir dieses beiläufig erzählte, gefror mir das Blut in den Adern, die Beziehung zu meiner Köchin war ernstlich tangiert. Keinen Bissen habe ich herunterbekommen von jenem Tier, nie wieder, und Weihnachtsfeste blieben unvollständig seitdem.

Nun fegte in jenen Tage aber eine außergewöhnliche Grippewelle durch das Land, und täglich erreichten mich Anrufe mit Absagen, krankheitsbedingt, bedauernd. So auch von jenem neuen Freund und seiner vorwurfsvollen Freundin, für die das Fest doch eigentlich gerichtet. Von etwa 50 geladenen Gästen kamen dann noch 7, und einer davon mitgeschleift als ungebetener Gast. Er aber war der Lustigste von allen, und so ward unser großes Fressen doch eine sehr fröhliche Feier, in kleinem Kreise. Mit ihm habe ich dann einen neuen Freund gewonnen, als wunderbarer Ersatz für das verlorene Paar, hat er mir allerdings bei zahlreichen – immer erlebnisreichen – Gelegenheiten die Haare vom Kopf geprasst, so ziemlich, da er sich gerne einladen ließ.

Von den bereiteten Vorräten aber blieb doch vieles, naturgemäß, denn wie sollen sieben, wenn auch wackere Esser Gleiches bewerkstelligen wie 44 verhinderte Gäste. Auch wenn jeder Besucher bei seinem Abschied mit reichlich Wegzehrung versorgt, ja solche aufgedrungen ward, so wurde trotz tapferem tagelangen Bemühen der Rest der Suppe sauer, das Dessert aber eingefroren und begleitete uns solchermaßen noch monatelang. Die Flußkrebse kamen unser Müdigkeit halber am nächsten Morgen erst in kochendes Wasser unter T.s kundiger Anleitung und wurden dann eingefroren – sie haben den Gefrierschrank blockiert über Jahre. Habe keine mehr gegessen mehr seit diesem Massaker, einige aber hatte ich gerettet und in den kleinen Teich ausgesetzt beim Haus meiner Mutter, wo die Seerosen wuchsen.
Elsa aber verblieb in der Backröhre zunächst, trotz des abendlichen Zuspruchs noch mit reichlich Fleisch an dem Gerippe.

Bis mittags waren wir beschäftigt, die gröbsten Spuren der Nacht zu tilgen, den Rest mußte die Putzfrau erledigen, die für den Nachmittag erwartet wurde. Dann mußte ich eilen zu einem wichtigen Termin: der dauerte bis in die Nacht.
Als ich spät, am Ende meiner Kräfte, zurückkehrte, rutsche ich auf den ersten Stufen im Treppenhaus aus und schlug hart hin. Ich rappelte mich hoch und suchte einen neuen Anlauf, doch meine Füße rutschten nach rechts und nach links wie auf Schmierseife, und es blieb mir nichts, als mich an Handlauf hochzuziehen, hochzuschleifen, zu hangeln, 4 hohe Stockwerke, 99 Stufen. Diese waren mit einer glänzenden Fettschicht belegt.

In der Wohnung angelangt, der Küche, klärte sich das Wunder angesichts einfach zu interpretierender Indizien: auf dem Tisch die Flasche meines guten Cognacs, zuvor noch dreiviertels voll, nunmehr gelehrt, das einsame Glas davor jedoch nicht vollständig, war das Quantum wohl doch zu groß gewesen. Aus dem Herd aber war Elsa verschwunden.
Bis in den frühen Morgen habe ich die Stufen geputzt, damit keiner stürzen möge.

Unsere Putzfrau erschien am nächsten Tag, um ihre zurückgelassenen Utensilien zu holen. Da sie den Holocaust überlebt und am Arm eine KZ-Tätowierung trug, wagte ich nicht, ihr Vorhaltungen zu machen, sondern bat um eine Erklärung nur.
Ich sei schuld gewesen, hatte den Cognac ja stehen lassen, und hätte sie zunächst einen Schluck nur probiert. Mit der Zeit sei aber zum Suff der Hunger hinzugetreten, sie habe das Gerippe im Backofen entdeckt und es sich aufgewärmt – sehr wohlschmeckend wohl. Um diese Spuren dann zu beseitigen, nach dem Mahle, habe sie die abgenagten Knochen in eine Plastiktüte getan, mitsamt dem heißen Fette, und zu den Mülltonnen getragen im Hof. Diese Tüte sei eigentlich sehr stabil gewesen – daß sie heißes Fett nicht vertrüge, wer wisse das schon. Hatte sie sich auf dem Weg die 99 Stufen hinab dann einfach aufgelöst, und SEI ES SEHR MÜHSAM gewesen, die verstreuten Knöchelchen zu sammeln und wegzubringen.

Solches Malheur konnte sie nicht verzeihen und kündigte. So blieben Büro und Wohnung ungeputzt, für eine Weile.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.11.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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