Bernhard Pappe

Das Gesicht des neuen Jahres (Eine kurze Kurzgeschichte)


Ich schaue mich im Zimmer um. Der Frohsinn des gestrigen Abends und der gestrigen Nacht liegt noch herum, ich werde ihn zusammenfegen müssen. Die Reste geworfener Luftschlangen, der Inhalt vom Tischfeuerwerk, ein paar Partyböller, der Stubenbesen kehrt alles brav zu einem Haufen zusammen. Zu meinen Füssen hebt sich auf den Fliesen etwas ab. Gewiss nur eine Schmutzspur. Die ähnelt jedoch einem Gesicht. Ich weiß, dass Menschen dazu neigen, in vielen Dingen ein Gesicht zu erkennen, auch wenn da keines ist. Trotzdem lehne ich den Besen an einen Stuhl und gehe in die Hocke. Aus der Nähe betrachtet verschwimmt mein erster Eindruck. Ein Auge ist verwischt, die Nase ist zu klein geraten, der Mund ist unvollendet. Das Bild atmet Unvollkommenheit. Flüchtigkeit schaut mich an. Ein paar Flecke auf dem Boden, die in meinem Hirn zu einem Gesicht mutieren, mehr nicht. Schaut so das neue Jahr aus? Das ist nur ein paar Stunden alt. Es ist nur logisch, wenn es für mich kein ausgeformtes Gesicht hat. Nichts ist vorprogrammiert, jedenfalls glaube ich das. Ich muss dem Jahr mein eigenes Gesicht geben. Dazu wird gehören, dass ich manchmal in den Spiegel schaue, mich an diese Geschichte erinnere und das wird ein Lächeln auf das Spiegelbild zaubern. Wohl wissend, dass das jedes Spiegelbild auch nur ein Abbild in meinem Gehirn ist.

Ich werde die kleine Schmutzspur auf den Fliesen tilgen, weil sie nicht das Gesicht des neuen Jahres sein kann. Zuvor schieße ich ein Foto. Wer würde mir sonst diese kleine Geschichte glauben?

 

© BPa / 01-2024

Bild zu Das Gesicht des neuen Jahres (Eine kurze Kurzgeschichte)

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Bernhard Pappe).
Der Beitrag wurde von Bernhard Pappe auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.01.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

Bild von Bernhard Pappe

  Bernhard Pappe als Lieblingsautor markieren

Buch von Bernhard Pappe:

cover

Leben & Tod: Eine transzendente Spionage-Story von Bernhard Pappe



Erzählt wird im Kern die Geschichte von Menschen, die sich durch widrige Umstände zufällig begegnen. Lebenswege kreuzen sich und führen hinein in eine Spionageaffäre, deren Dynamik sich am Ende alle nicht entziehen können. Jeder spürt die Dynamik des Lebens und begegnet doch sich selbst und dem Phänomen Tod auf ureigene Weise.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Einfach so zum Lesen und Nachdenken" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Bernhard Pappe

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Am Abend in der Urbanität - Eine kurze Kurzgeschichte von Bernhard Pappe (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Wunschträume von Claudia Savelsberg (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Pinselohrschwein, oder des Rätsels Lösung von Martina Wiemers (Zwischenmenschliches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen