Ich schaue mich im Zimmer um. Der Frohsinn des gestrigen Abends und der gestrigen Nacht liegt noch herum, ich werde ihn zusammenfegen müssen. Die Reste geworfener Luftschlangen, der Inhalt vom Tischfeuerwerk, ein paar Partyböller, der Stubenbesen kehrt alles brav zu einem Haufen zusammen. Zu meinen Füssen hebt sich auf den Fliesen etwas ab. Gewiss nur eine Schmutzspur. Die ähnelt jedoch einem Gesicht. Ich weiß, dass Menschen dazu neigen, in vielen Dingen ein Gesicht zu erkennen, auch wenn da keines ist. Trotzdem lehne ich den Besen an einen Stuhl und gehe in die Hocke. Aus der Nähe betrachtet verschwimmt mein erster Eindruck. Ein Auge ist verwischt, die Nase ist zu klein geraten, der Mund ist unvollendet. Das Bild atmet Unvollkommenheit. Flüchtigkeit schaut mich an. Ein paar Flecke auf dem Boden, die in meinem Hirn zu einem Gesicht mutieren, mehr nicht. Schaut so das neue Jahr aus? Das ist nur ein paar Stunden alt. Es ist nur logisch, wenn es für mich kein ausgeformtes Gesicht hat. Nichts ist vorprogrammiert, jedenfalls glaube ich das. Ich muss dem Jahr mein eigenes Gesicht geben. Dazu wird gehören, dass ich manchmal in den Spiegel schaue, mich an diese Geschichte erinnere und das wird ein Lächeln auf das Spiegelbild zaubern. Wohl wissend, dass das jedes Spiegelbild auch nur ein Abbild in meinem Gehirn ist.
Ich werde die kleine Schmutzspur auf den Fliesen tilgen, weil sie nicht das Gesicht des neuen Jahres sein kann. Zuvor schieße ich ein Foto. Wer würde mir sonst diese kleine Geschichte glauben?
© BPa / 01-2024
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.01.2024.
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